Restaurieren, Ursprung belassen oder Nachbauen
Kürzlich kam auf Arte eine Sendung über den Parthenon. Der Beitrag beschreibt die Baukunst und die Besonderheiten die man eingesetzt hat z.b. optische Tricks um die Fassade schön aussehen zu lassen, aber sie drehte sich im wesentlichen um die Rekonstruktion. An der arbeitet man seit 30 Jahren. Zum Vergleich: das Orginal wurde von 447 bis 438 v.Chr. also in 10 Jahren gebaut, was allerdings schon damals schnell war.
Der Architekt war selbst erstaunt, das es so lange dauert und nach 30 Jahren Restauration ist noch kein Ende abzusehen. Auch Computerhilfe brachte nichts. Man hat alle Steine die herumlagen vermessen und in eine Datenbank eingegeben und erhoffte sich dass man so herausfindet wie man sie zu verbinden hat. Das klappte aber nicht. Der Film zeigt eindrucksvoll was zu machen ist: es ist ein riesiges Puzzle bei dem man erst rausfinden muss wo welcher Stein hingehört und dann muss man fehlende Stück nachfertigen. Manchmal auch einen kompletten Stein der fehlt.
So eine ähnliche Vorgehensweise machte man auch bei der Frauenkirche die ja noch viel mehr zerstört worden ist. Das ist wohl der Kern der Restauration. Das genaue Gegenteil ist es eine Stätte so zu belassen wie sie ist. Das ist sogar die Regel, denn man kann sich bei den meisten Gebäuden es nicht leisten sie zu restaurieren, dann hat man eben ein Feld aus Mauerresten und herumliegenden Steinen.
Heute sehr selten ist der Nachbau. Das bedeutet: ich rekonstruiere das Orginalgebäude, aber ich verwende dazu moderne Techniken und neue Bausteine, wenn auch das gleiche Material. Beim Parthenon hätte man bei dieser Vorgehensweise dann alle fehlenden Teile aus Marmor gefertigt, den man heute mit Maschinen viel schneller in die benötigte Form bringen kann.
Heute hat man die Vorstellung, dass man ein Gebäude weitestgehend originalgetreu und unter Verwendung der Originalbausteinen baut und wenn das nicht geht, dann wird es eben unvollständig gelassen. Ich finde Restauration auch sinnvoll – wenn es um einmalige Kunstwerke oder um Möbel geht auch weil altes Holz ganz anders aussieht als neues Holz. Kunstwerke sind etwas einmaliges, egal ob Gemälde oder Skulptur. Bei einem Gebäude sieht es anders aus. Zum einen bestehet aus aus Zig Steinen – jeder ist nur ein Baustein. Zum anderen ist ein Gebäude nur als Ganzheit wirksam. Eine Venus von Milo ohne Arme und Beine wirkt unvollständig, aber ein Gebäude bei dem nur noch ein paar Säulen und Mauerreste herumstehen hat doch einen anderen Grad der Unvollständigkeit. Wir können es in dem Sinne nicht benutzen anders als die Venus die man trotzdem ausstellen kann.
Früher hat man da anders drüber gedacht. Gebäude waren keine Monumente die für ewig in Stein gehauen waren. Über alle Zeiten hinweg hat man Gebäude erweitert, verändert oder sogar abgerissen um Platz für neue zu schaffen. Nicht nur wen die Kultur wechselte (so wurden viele antike Gebäude abgerissen als sich das Christentum durchsetzte und man baute Kirchen aus den Steinen) sondern auch in einer Kultur. Wer unter unseren alten Kathedralen gräbt wird bald auf die spuren früherer Kirchen und Kapellen stoßen die man abriss weil sie zu klein waren, obwohl es Sakralbauten waren. Andere Kulturen haben sogar Respekt beweisen. So nutzten die Muslime die Hagia Sofia nach der Eroberung von Konstantinopel als Moschee – und ergänzten sie um die Muhezintürme. Die christlichen Kreuzritter waren da weniger zimperlich und machten aus dem Felsendom nach der Eroberung von Jerusalem einen Pferdestall.
Auf der anderen Seite kann ein Gebäude auch unvollendet bleiben, wenn sich die Einstellung ändert. In Ulm feiert man derzeit 125 Jahre Fertigstellung des Münsters – erst vor 125 Jahren hat man den Turm fertiggestellt. der Turm des Köhler Doms wurde etwa zur gleichen Zeit fertig. Das ist kein Zufall: Nach dem Mittelalter setzte sich die Meinung durch die Bauweise der Kathedralen, die wir heute aufgrund ihrer Luftigkeit und des vielen Glases bewundern wäre nicht schön, sondern grotesk und barbarisch und daher nannte man es auch „gothisch“, ja die Goten waren damals die bekanntesten Barbaren. Erst vor 150 Jahren zog die Epoche des Historismus ein, man kopierte alte Gebäude und hatte nun das Interesse die alten Kathedralen fertigzustellen, die vorher rund 400-500 Jahren unvollständig blieben.
Ich sehe ein Gebäude als Gesamtkunstwerk an, es kann aber auch nur ein Gebrauchsgebäude sein. Daher sollte man nicht restaurieren sondern den Orginalzustand wiederherstellen. Nicht durch ein Mega-Puzzle. Das ist deutlich billiger und man bekommt das Gebäude ja auch wieder fertig. Ansonsten fehlen immer Steine die man im Laufe der Zeit woanders verbaut hat. Manchmal kommt man ja mit dem Restaurieren nicht hinterher. So sind die meisten Kathedralen bei uns fast permanent in Gerüste gehüllt, der Kölner Dom ist eine Dauerbaustelle. doch selbst dort versucht man zuerst zu restaurieren, anstatt dass man die Figuren (um die geht es meistens) aus einem neuen Steinblock rausfräsen lässt. Ein ersatz des Steins, der offenbar mit der Luftverschmutzung nicht zurechtkommt durch einen beständigeren kommt auch nicht in Frage.
Mir wäre ein fertiger Parthenon oder ein vollständiges Flavisches Amphieteheater lieber als eine Ruine. Ich glaube auch man hat so mehr Respekt vor der Bauleistung die vollbracht wurde als bei einer Steinruine.
Das Parthenon ist immerhin Weltkulturerbe.
Wie für alle Denkmäler gilt auch hier:
Nicht nur das Gebäude an sich ist das Erbe, sondern auch seine Baugeschichte.
Wie diverese Dokus über das Parthenon zeigen hat man erst über die Versuche der Restaurierung unwahrscheinlich viel über die Idee des Gebäudes, über antike Techniken und die Baugeschichte des Gebäudes gelernt.
Interessant sind insbesondere die Proportionen des Gebäudes.
Man musste sich der Aufgabe stellen das Puzzle zusammenzusetzen, sonst könnte man das Gebäude auch nicht komplett von Grund auf neu konstruieren. Pläne gab es ja nie.
Zum Thema Dauerbaustelle nur so viel: Die durchschnittliche Lebensdauer eines Gebäudes in Deutschland ist ca. 100 Jahre. Ein Denkmal das mehr als 100 Jahre überdauern soll wird auf Grund des notwendigen Bauunterhalts immer über gewisse Zeiträume eine Baustelle sein müssen.
Und: Original bleibt Original. Keine noch so gute Kopie wird das ersetzen können.