Bernd Leitenbergers Blog

Verzehrsvorschlag

So nachdem ich heute noch den Artikel über den Intel 8080 fertiggestellt habe, wende ich mich zur Abwechslung mal wieder einem Blog. Es wurde etwas still in den letzten Wochen. Teilweise weil ich ab und an mal was verdienen muss (immerhin, die neue Küche ist nun finanziert) Teilweise weil es aber auch nicht so viel neues gibt das ich nicht zumindest einmal durchgekaut habe. So habe ich einige neue Artikel für die Webseite geschrieben, an den Neuauflagen der Bücher weiter redigiert und einfach auch mal gar nichts getan. Doch heute mal wieder was neues und zwar geht es um ein Lebensmittelthema – die Aufsätze sind viel beliebter als der Raumfahrt oder Computerteil und zwar um die Angaben auf Verpackungen.

Seit wir Fertigverpackungen haben, haben wir auch den Fakt das auf den Verpackungen etwas anderes abgebildet ist als drinnen ist. Der Gesetzgeber duldet das. Er gibt dem Hersteller die Freiheit auf den Verpackungen Werbung zu machen. Ich hatte mal einen Obstriegel zu begutachten, das war eine dicke Fruchtmasse zwischen zwei Oblaten. Der Riegel und seine rote Fruchtfarbe stimmten. Doch die darum abgebildeten Früchte täuschten. Man sah dort Heidelbeeren, Brombeeren und Äpfel, aber diese schon im Hintergrund. In Wirklichkeit bestand die Masse aus Dattel und Äpfeln mit nur Spuren der anderen Früchte im einstelligen Bereich. Damit es rot war musste man mit Farbstoffen nachhelfen. Das ging weil im Zutatenverzeichnis die richtige Zusammensetzung steht und der Hersteller die Früchte nur als Dekoration ansieht.

Bei Fertiggerichten ist es schwerer. Wenn man da ein Gericht ansieht und es sieht toll aus und es ist in Wirklichkeit nicht so dann steht meist „Verzehrsvorschlag“ daneben. Sprich: Wenn man es aufpeppt könnte es so aussehen. Auch das ist sanktioniert.

… and now to something completely different.

Da ich keine Lust habe mich gegenüber SpaceX-Fans zu rechtfertigen, insbesondere denen die nur in meinem Blog auftauchen wenn es um die Firma geht und andere Themen selbst Raumfahrt Themen meiden wie die Pest, dachte ich mir: nutzen wir das mal aus. Keiner dieser Klientel wird wohl mehr als zwei Absätze über Lebensmittelrecht lesen. So da wir nun unter uns sind heute nach einem Monat wieder ein SpaceX Thema. Michael K. hat mir kürzlich einen Link zu einem Artikel der LA Times zugeschickt. Der Artikel fasst zusammen, wie Elon Musk bei den beiden anderen Firmen Tesla und SolarCity Steuergelder abgreift. Insgesamt kommt der Autor auf 4,9 Milliarden. Die Liste liest sich beeindruckend: New York baut für 750 Millionen Dollar eine Fabrik für SolarCity und verkauft sie für einen Dollar an die Firma. Mehr noch: Die Firma bekommt Steuervergünstigungen und der Staat zahlt 30% der Kosten der Solarzellen. Utah zahlt 1,3 Milliarden für eine Fabrik für Batterien. Dazu kommen Kredite für die Käufer der Autos und bald auch Batterien. Zusammen kommt man auf 4,9 Milliarden Dollar an Krediten, Vergünstigungen, Steuererlassen etc. Dabei haben beide Firmen bisher keinen Profit gemacht.

SpaceX wurde von dem Artikel ausgenommen, denn SpaceX ist nicht an der Börse notiert und muss keine Bilanzen veröffentlichen. Genützt hat die Subventionsjagd Elon Musk in jedem Fall. Nach dem Artikel ist alleine sein Anteil an den beiden Firmen 10 Milliarden Dollar wert. Das liegt nicht an Gewinnen, sondern an dem gestiegenen Börsenkurs. Wie wir spätestens seit der Dot-Com Blase wissen haben Börsenkurse nichts mit dem Firmenwert zu tun sondern Erwartungen. Nicht mal Erwartungen auf Gewinne, sondern vielmehr dass andere noch mehr für die Aktie zahlen. Wie wir bei der dot.com Blase wissen, kann man trotzdem den Reibach machen – wenn man vorher aussteigt. Und Elon Musk hat immer wieder Anteile verkauft.

Da Menschen dazu neigen, Verhaltensweisen zu wiederholen, dachte ich mir: Was bedeutet das für SpaceX? Nun es gibt schon mal einen großen Unterschied, Raumfahrt ist nicht etwas wo man viel verdienen kann. SolarCity und Tesla haben einen Markt. Derzeit noch kein Massenmarkt aber eine potente Käuferschicht die sich Sportwagen oder verhältnismäßig große Solarzellen Flächen leisten kann (nach dem Artikel betragen die durchschnittlichen Investitionskosten 23.000 Dollar pro Kunde). Die Regierung subventioniert, weil sie sich natürlich erhofft, das mal viele sich ein Elektroauto kaufen oder die Solarzellen überall einziehen. Dann kommen die Steuervergünstigungen über Steuern auf die dann fälligen Gewinne wieder rein. Bei den Raketenstarts die SpaceX derzeit durchführt ist es nun mal aber so, dass pro Jahr etwa 20 Kommunikationssatelliten starten. Jeder Start kostet rund 100 Millionen Dollar. Das sind rund 2 Milliarden Dollar – viel, aber das ist der weltweite Umsatz. Alleine die NASA gibt aber 18 Milliarden Dollar für Raumfahrt aus, das militärische Budget wird höher eingeschätzt und es gibt ja auch noch andere raumfahrtreibende Nationen. Kurz der kommerzielle Anteil am Gesamtumsatz ist klein, selbst wenn man noch andere Starts von Kleinsatelliten hinzunimmt. Man wird also nicht bei der Raumfahrt mit derartigen Steuervergünstigungen rechnen können wie bei Tesla und SolarCity. Wie kann man dann mit Weltraumfahrt den gleichen Effekt erreichen, nämlich das der eigene Anteil am Firmenwert explodiert?

Nun der Mechanismus ist der gleiche. Es ist nicht was die Firma an Aufträgen hat, noch weniger wie viel Gewinn sie macht. Es ist die Aussicht auf Gewinne, es ist die Einschätzung, wie viel die Firma wert ist die auch den Kurs bestimmt wenn SpaceX an die Börse geht. Kurz man muss der Öffentlichkeit vormachen, man würde rapide immer mehr Aufträge gewinnen und wenn genügend Leute bereit sind dann X Dollar für eine SpaceX Aktie zu bezahlen, kann man an die Börse gehen und den eigenen Anteil versilbern. Ich habe unter diesem Gesichtspunkt mal versucht eine Prognose zu stellen, wann SpaceX an die Börse geht.

Fangen wir mit dem finanziellen an. Der optimale Zeitpunkt ist der, wenn die Auftragsbücher voll sind. Obwohl ein Auftrag natürlich keinen Reingewinn bedeutet, sollte bei einer wirtschaftlichen orientierten Firma natürlich dann der Gewinn dann am höchsten sein. (es gibt auch andere Konzepte, so das Schnellballsystem bei dem es nur darum geht möglichst schnell viele Aufträge zu bekommen und so den Firmenwert zu steigern und dann bevor die Öffentlichkeit feststellt dass man nie Gewinn gemacht hat sondern mit neuen Aufträgen die Verluste bei alten kompensierte, muss man aussteigen. SpaceX fing mit 12 Millionen für zwei Falcon 1 Starts von der USAF an. Es folgte der Start von Rakhsat, der COTS Auftrag über fast 500 Millionen Dollar, dann CRS über 1,6 Milliarden Dollar und natürlich auch private Startaufträge. Die Firma sitzt in der ersten Reihe bei CCDev und dort gibt es auch einen 3145 Millionen schweren Auftrag. Ähnlich wie SolarCity und Tesla ist auch SpaceX auf öffentliche Mittel angewiesen, diesmal nicht als Subventionen sondern als Aufträge. Das ist ein Problem, denn diese nehmen nicht rapide zu, selbst wenn die Firma tatsächlich die Startkosten rapide senken sollte – die Startkosten machen bei wissenschaftlichen Satelliten und Nutzlasten des DoD heute schon einen kleinen Teil der Gesamtkosten aus. Zudem ahnt dies wohl auch jeder. Daher ist wohl auch zu verstehen, warum die Firma so viel über zukünftiges spricht: von drastischen Reduktionen der Transportkosten und der Marskolonisation. Das soll darüber hinwegtäuschen, dass die Firma bisher zu 85% staatsfinanziert ist und Hoffnungen auf neue Aufträge schüren.

Kann man daraus ableiten wann der beste Zeitpunkt ist an die Börse zu gehen? Ja man kann. Beim kommerziellen Geschäft ist kaum noch etwas zu steigern. SpaceX hat die Anteile von ILS absorbiert und die letzten 30 Jahre zeigten, das die Kunden  sich nicht zu sehr von einem Anbieter abhängig machen wollen. Es gab dieses Jahr auch nicht mehr gebuchte Starts als letztes Jahr. Beim Staatsgeschäft steht zum einen CRS2 an. CRS2 wird, wenn es wieder nur zwei Anbieter gibt lukrativer sein als die erste Runde. Es gibt bald einen Astronauten mehr an Bord und die ATV mit rund 7 t Fracht pro Jahr fallen weg. Also hier ist eine Steigerung drin. Es kann natürlich ein, dass die NASA dann drei oder vier Anbieter wählt, das ist die Unsicherheit. Beim CCdev wird der Transport folgen. Doch der wird nicht so lukrativ sein. Die NASA hat ja schon bekannt gegeben was sie für einen Sitz zahlt. Bei zwei Flügen pro Anbieter ist das deutlich weniger als SpaceX derzeit für die Entwicklung bekommt. Wo noch Geld zu holen ist, ist die militärische Raumfahrt. Die Starts von ULA nannte Elon Musk ja „insane expensive“. Das ist sicher auch der Grund, warum die Firma beim Start von DSCOVR im Januar gleich mal 60% auf ihren Listenpreis aufgeschlagen hat. Natürlich verursachen sehr restriktive Anforderungen seitens des DoD zusätzliche Kosten. SpaceX verdient also nicht 60% mehr. Aber damit werden Mitarbeiter bezahlt, egal ob diese Formulare ausfüllen oder Raketen bauen. Es ist ein Auftrag und man verdient mehr als bei einem normalen Raketenstart. Wenn dort SpaceX einen Schuh rein bekommt und einen 50% Anteil sichern kann dann ist das ein Umsatz der rund 10 bis 12 kommerziellen Starts pro Jahr entspricht (vorausgesetzt sie heben ihre Preise auf ein Niveau knapp unterhalb von Ula an).

Diese Position könnte angesichts massiven politischem Drucks auf das DoD in zwei bis drei Jahren erreicht sein. Dann läuft auch CCDev aus und CRS2 wird noch diesen Sommer beschlossen. Wenn man also nur diese Aufträge nimmt, dann wäre in zwei bis drei Jahren der beste Zeitpunkt an die Börse zu gehen. Danach werden die Aufträge relativ konstant bleiben, eventuell durch Wegfall von CCDev sogar sinken. Mit dem Projekt der vielen Minisatelliten könnte sich das verschieben – wenn es denn klappt.

Was ich aber sicher nicht glaube ist Elon Musks Aussage, man werde erst an die Börse gehen wenn es einen regelmäßigen Transfer zum Mars gibt. Elon Musk sagte das weil sobald eine Firma an der Börse ist, man quartalsweise Berichte vorlegen muss, wie das Geschäft läuft, was leider auch auf die kurzfristige Ausrichtung von Firmen hinausläuft. Dagegen sprechen mehrere Gründe. Das erste ist mal, dass selbst wenn SpaceX alle Weltraumbudgets der USA bekommen würde, bei 20% Reingewinn das nicht für eine Finanzierung eines solchen Unternehmens reicht, selbst wenn die Firma es um einiges billiger als die Öffentliche Hand macht. Apollo kostete im Schnitt 3% des Haushalts, heute hat die NASA insgesamt nur 0,6%. Das zweite offensichtliche ist, ist das man mit Marslandungen kein Geld verdienen kann. Das würde also eher den Börsenwert senken. Dass dritte ist, das ich zwar Firmengründer kenne, die reich wurden und den Reichtum dann nutzten um gutes zu tun. Aber die Firmen sind deswegen trotzdem keine gemeinnützigen Stiftungen oder die Wohlfahrt. Bill Gates gibt Milliarden für die Bekämpfung von Infektionskrankheiten in der dritten Welt aus, aber Microsoft ist trotzdem gewinnorientiert und verschenkt ihre Software nicht, sondern im Gegenteil vermietet sie nun sogar. Carnegie gab viel Geld für Stiftungen aus, aber die Stahlarbeiter in seinen Fabriken hatten trotzdem kein schönes Leben. SpaceX ist auch keine Wohltäterfirma. Die Mitarbeiter haben dort miserable Arbeitszeiten, nicht Weiße sollen diskriminiert werden. SpaceX die ja offiziell zum Mars wollen, bringen fast nichts darüber „wie“ dies geschehen soll, schreiben nichts oder wenig über heute, also Entwicklungen die es jetzt gibt, Techniken die sie heute einsetzen. Stattdessen erfährt man viel über die Zukunft. Starts die man machen will, Kostenreduktionen die man erreichen will. Passt gut zur Dot.com Blase – nicht die Verluste von heute zählen sondern die Visionen über morgen, sprich die möglichen Gewinne in der Zukunft. So gesehen ist die Masche nicht neu. Wichtig ist es im Gespräch zu bleiben.

Natürlich spricht noch ein ganz anderer Grund dafür erst nach Start der Marskolonisierung an die Börse zu gehen. Die Firma ist dann nämlich nichts wert. Wer bitte gibt Geld für Aktien einer Firma aus, die Marsflüge durchführt – die kosten Geld, bringen aber nichts ein. Wenn man mit der Marskolonisation Geld verdienen könnte, dann hätte sich längst eine Industrie gefunden die dies tut genauso wie bei den Kommunikationssatelliten – 5 Jahre nach dem ersten Satelliten war der erste kommerzielle Kommunikationssatellit im GEO Orbit.

Das hindert die Firma aber nicht daran schon jetzt wie SolarCity und Tesla Steuermillionen abzugreifen. Die Entscheidung für Brownsville als neuen Startplatz ist ja keine die rational zu begründen ist. Will man GTO-Transporte durchführen, so sollte man näher an den Äquator heran. Da gäbe es als US-Bundesstaat ja noch Hawaii. Starts mit der gleichen Bahnneigung kann man vom Cape aus durchführen, da gibt es genug stillgelegte Startrampen und auch die Infrastruktur wie Cleanrooms etc. Aber es gab eben Steuermillionen von Texas für die Wahl und Subventionen für Farmland greift man auch noch ab.

zurück zum Aufhänger: Was hat SpaceX mit einem Verzehrsvorschlag zu tun? Nun was die Firma bisher so von sich gibt ist ein einziger Verzehrsvorschlag: Nimmt man das was SpaceX bisher leistet und noch leistet wird, packt noch 200 bis 400 Milliarden Dollar drauf, dann bekommt man das was die Firma als ihre Vision heute verkauft. Ist so wie das Fertiggericht aus braunen, gelber und roter Pampe im Plastikschälchen und die Abbildung des Bratens mit Apfelrotkohl auf der Verpackung aus dem Gourmetrestaurant ….

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