Bernd Leitenbergers Blog

Mein Bedauern an die armen Betreiber von Kommunikationssatelliten!

Erlaubt mir, dass ich euch mein tiefstes Bedauern ausdrücke. Ja´- ihr seid schon eine arme Industrie. Da habt ihr jetzt erneut nachdem SpaceX nun sicher einige Monate lang keine Starts durchführen kann und Arianespace bis Ende 2016 ausgebucht is,t ein kleines Problem. Dabei fordert ihr ja seit Jahren einen dritten LSP (Launch Service Provider) sowohl um Starts zeitnah durchführen zu können und sowohl eine Absicherung gegen eine Ausfall eines Trägers zu haben. Natürlich senkt das auch die Staatskosten durch mehr Konkurrenz. Doch ihr findet einfach keinen. Ihr seid ja so arm dran!

Okay, nachdem sich jeder Leser der eine gewisse Ahnung hat sich erst mal 5 Minuten vor Lachen auf dem Boden gewälzt haben für alle anderen ein paar Tatsachen über diese Industrie die so sehr jammert:

2012 betrug der durchschnittliche Mietpreis eines Transponders 1,6 Millionen Dollar, bei durchschnittlichen Investitionskosten von 1,0 Millionen Dollar. Auch wenn das sehr starke regionale Schwankungen hat (in Europa erzielt man 3,2 Millionen Dollar, im Pazifikraum nur 1,0) so ist das doch ein Gewinn (im Durchschnitt von 60% des investierten Kapitals – das ist eine gute Verdienstspanne, die man heute bei wenigen Anlagen noch bekommt.

Die Startkosten betragen je nach Kosten den Satelliten und des Trägers typisch 25 bis 35% der Gesamtkosten vor Versicherung. Das ist also nicht der große Kostentreiber. Würden sie 50% höher liegen so würde das bei 1,0 Investitionskosten pro Transponder um 0.125 oder 0,175 ansteigen..

Es gibt heute schon mehr als drei Launch Service Providers: ULA bietet die Atlas V an, ILS die Proton, Sealaunch die Zenit, Arianespace die Sojus und Ariane 5, Mitsubishi die H-2A. Das sind fünf Firmen mit sechs verschiedenen Trägern (eventuell werden auch Delta 4 und GSLV angeboten, darüber habe ich leider keine Informationen). Warum in den vergangenen Jahren nur zwei Firmen fast alle Starts durchführten? Die anderen waren zu teuer oder zu unzuverlässig. Während ich den letzten Punkt durchaus verstehen kann, verstehe ich den ersten nicht: wenn ihr eure Satelliten so gerne zeitnah gestartet haben wollt, dann sollte euch das einen Zusatzobulus wert sein. Derzeit verzichtet ihr auf diese Anforderung gerne, wenn der Preis stimmt.

Die Frage ist wie viele LSP verträgt der Markt? Gestartet werden pro Jahr etwa 20 Satelliten. Wenn ich mal dran denke, dass Arianespace in den Neunzigern 12 Ariane 4 pro Jahr starten konnte dann wäre das gerade mal genug für zwei Anbieter die Einzelstarts durchführen. Weniger Starts bei mehr Anbietern bedeuten auch höhere Kosten. Da beginnt eine Spirale. Die LSP die in den letzten Jahren kaum Starts durchführten haben geringe Stückzahlen, was wiederum die Starts verteuert. Darüber hinaus greift natürlich das Gesetz der Serienfertigung – sprich je mehr Träger man fertigt desto billiger wird jeder einzelne, weil man durch höhere Stückzahlen rationellere Fertigungsmethoden einführen kann oder die Erfahrung und Geschwindigkeit der Mitarbeiter steigt. Jede Fertigungsstraße wird aber auf ein Optimum ausgelegt. Wird sie nur teilweise ausgelastet so steigen die Produktionskosten an – ein sehr prominentes Beispiel war die Titan – soll man mehr produzieren als normalerweise möglich, so kann die Qualität leiden oder die Kosten durch bezahlte Überstunden ansteigen. Das bedeutet dass wenn ihr wirklich drei LSP haben wollt, so verteilt die Aufträge gleichmäßig das jeder seine Produktionsstraße weitgehend, aber nicht total auslastet um Reserven zu haben wenn mal ein LSP ausfällt.

Gibt es eine solche „Investitionssicherheit“ so wirkt sich auch der Ausfall eines Trägers nicht so aus. Eine Rakete braucht meist zwei Jahre von der Bestellung bis zum Start, manchmal noch länger. Ist ein LSP sicher, das er Träger verkaufen kann, ohne einen Kunden bei Baubeginn zu haben, so kann er sie auf „Vorrat“ fertigen, vielleicht findet sich ja in den nächsten Jahren noch ein Kunde. Das tat Arianespace in den Neunzigern und konnte damals auch einen Start dreieinhalb Monate nach Vertragsunterzeichnung  durchführen, als der Kunde absprang nachdem eine andere Rakete einen Fehlstart hatte.

Damit zusammenhängend ist, das man als Industrie nur das fordern kann, was man auch leisten will. Bei 20 bis 25 Starts (bisher, mit den Kleinflotten ändert sich das vielleicht dauerhaft) wären schon drei LSP gerade an einer Grenze von 7-8 Starts pro Monat. Noch etwas weniger und die Fertigung geht in Einzelfertigung über und die Raketen werden sehr teuer. Im Prinzip verlassen sich die LSP schon heute darauf, dass Regierungen ihre Starts quersubventionieren: Mit Ausnahme von Arianespace überwiegen bei jedem anderen LSP die staatlichen Starts. Sie sorgen für die Stückzahlen, damit sie Fertigungsstraßen rentabel sind. So hat die Industrie bei der Ariane 6 ja auch gefordert, dass die ESA eine bestimmte Mindestzahl an Starts pro Jahr abnimmt.

Kurzum: Jammert weniger, ihr seid an der Misere selbst schuld. Wenn ein neuer LSP auftaucht, der billiger ist lauft ihr zu dem, selbst wenn er nicht termintreu ist. Da ist dann die sonst so geforderte Termintreue nicht mehr wichtig. Wenn ihr drei LSP haben wollt, warum beauftragt ihr dann nicht einen dritten? Selbst wenn ILS und Sealaunch angesichts der Fehlschläge ausscheiden, bleiben ja immer noch H-2A, Atlas und Sojus (immerhin die gleich 0° GTO Kapazität wie die Falcon 9). Ansonsten hört auf zu jammern!

Und wer nun erwartet hat dass ich viel über SpaceX letzten Fehlstart schreibe, den muss ich enttäuschen. Genauso wie ich Starts für normal halte sodass sich sie nicht dauernd kommentiere mach ich das bei Fehlstarts, zumal es ja nicht viel zu schrieben gibt. Details gibt es ja bisher keine. Nur zwei Dinge verwundern mich. Das eine ist technischer Natur: Die Dragon sollte eigentlich schwimmen. Ihr Innenvolumen geteilt durch die Startmasse ergibt einen Quotient von unter 1. Sie müsste da sie für einen Wiedereintritt ausgelegt ist auch einiges aushalten können. So heftig das die Dragon beschädigt wird und untergeht hatte ich die Explosion nicht eingestuft.

Das zweite waren die Kommentare hier. Das meiste ist nicht neu, wie immer viel Kindergarten „aber andere Firmen machen das doch auch so“. Zahlenverdreherei zu den Gunsten von SpaceX., aber eines ist neu, was mich in der Meinung es handelt sich mehr um eine Ersatzreligion als eine Raumfahrtfirma handelt, ist bestätigt: Wenn obwohl (oder gerade weil) man nichts über die Ursache weiß, es Leute gibt die sich sicher sind, das die Nutzlast dran schuld ist. Ja das geht dann schon in Richtung Unfehlbarkeitsgebot. Passt zu dem religiösen Eifer der Befürworter, ihre Herabwürdigung aller Andersdenkenden und das Verdrehen von Tatsachen. Wie bei de Inquisition haben nur sie recht. Wenn das so weiter geht werden in ein paar Monaten dann sicher die Space-Anhänger mit Fackeln durch die Straßen ziehen und die noch nicht Bekehrten auf den Scheiterhaufen schleppen ….

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