Ein neuer Vorstoß von Airbus/EADS zum Thema Wiederverwendung
Nachdem EADS/Airbus vor einigen Wochen Adeline vorstellte, eine neue Erststufe für die Zeit nach der Ariane 6 die wiederverwendbar sein soll, aber viel geringere Nutzlastverluste als SpaceX Konzept hat, hat nun der Konzern eine Lösung für die Ariane 6 vorgestellt. Adeline (Advanced Expendable Launcher with Innovative engine Economy) wird von der ersten Stufe nur Triebwerk mit der dort angebrachten Avionik bergen die 80% des Wertes der Stufe ausmachen. Anstatt kostbaren Raketentreibstoff für die Landung zu verwenden wird Adeline durch zwei Turbofantriebwerke und Winglets wie ein Flugzeug landen. Auch ULA will nur den Triebwerksblock bergen, allerdings diesen im Flug durch Helikopter fangen.
Offensichtlich schätzt Airbus aber das bisherige Konzept von Ariane 6 nicht als so überzeugend für die bald anstehende Billigung durch den ESA-Ministerrat ein, als dass man nicht versucht hat es noch zu optimieren und dies soll nur durch Wiederverwendung gehen. Das lohnt sich bei den Boostern nicht und wäre bei der ersten Stufe aufgrund ihrer hohen Trenngeschwindigkeit sehr aufwendig und gefährlich (SpaceX hat es z.B. bei viel geringerer Trenngeschwindigkeit noch nicht geschafft eine Stufe zu bergen), Daher hat man sich auf die letzte verbliebene Stufe konzentriert die es gibt: die Oberstufe.
Nun ist klar, das eine Bergung der Oberstufe nicht in Frage kommt – gegenüber der Erststufe sind die Einbußen an Nutzlast durch Treibstoff für den Wiedereintritt/Landung und Verstärkung der Struktur noch höher. SpaceX nennt die Bergung der Oberstufe als langfristiges Ziel, hat dieses bei den derzeitigen Raketen aber nicht angegangen. So überlegte man bei Airbus, wie man die Stufe im Orbit erneut einsetzen konnte. Die offensichtlichste Idee wäre es eine Stufe im Orbit aufzutanken. So kann man auch hier den teuersten Teil: Das Triebwerk und die Avionik mehrfach verwenden. Doch Untersuchungen zeigten, dass die Zeit in der der Wasserstoff selbst bei Kühlung flüssig ist sehr knapp für eine automatische Kopplung ist. Das Manöver wäre sehr riskant-. Zudem ist vor allem der flüssige Wasserstoff sehr schwierig umzupumpen. Seine Eigenschaften weichen im flüssigen zustand stark von denen lagerfähiger Treibstoffe ab die man bisher schon für Nachfüllungen der ISS nutzt. Dazu kommt das die Tanks für flüssige Treibstoffe wegen des hohen Volumens des Wasserstoffs sehr viel wiegen.
Airbus dachte aber weiter und ersann einen neuen eklektisch-chemischen Antrieb. Wenn man die Treibstoffe nicht als kryogene Flüssigkeiten nutzen kann, dann vielleicht in gasförmigem Zustand. Berechnungen zeigten, das die Tanks der ESC-B Oberstufe dauerhaft einem Innendruck von 20 Bar standhalten können, der Berstdruck liegt über 30 bar. Im Betrieb sind die Tanks nur mit 2 bis 3 druckbeaufschlagt, doch sie müssen auch den Vibrationen und dem Gewicht des Treibstoffs multipliziert mit der Spitzenbeschleunigung aushalten. Daher sind sie erheblich steifer als es der nominelle Innendruck erfordert. Bei 30 bis 26 t Treibstoffzuladung (noch sind die Planungen für die Oberstufe nicht abgeschlossen) würde der Treibstoff im gasförmigen Zustand und 20 Bar Druck noch 266 bzw. 663 kg wiegen. Damit kann man das Triebwerk maximal 20 s lang betreiben. Das ist nicht die Lösung die man sich erhofft, zudem wären die Drucktanks für die Triebstoffe viel zu schwer.
Eine zweite Lösung ist es nicht die Treibstoffe getrennt zu transportieren, sondern Wasser. Das wird dann durch Elektrolyse in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Dieser wird in den Treibstofftanks der Oberstufe zwischengelagert bis der Sauerstofftank 20 bar erreicht. Aufgrund der Unterschiede der Dichte im gasförmiger und flüssigen Zustand wird der Wasserstofftank maximal 8,4 bar erreichen. Das Triebwerk arbeitet dann 20 s lang, was eine minimale Beschleunigung von 72 m/s ergibt. So muss man für das Erreichen des GTO-Orbits ausgehend von einem LEO-Orbit mindestens 30 Zündungen.
So erarbeitete Airbus folgendes Szenario: Der erste Start ist der einer normalen Ariane 6 mit einer kryogenen Oberstufe mit dem Vinci Triebwerk und 30 bis 36 t Flüssigtreibstoffen. Nach dem Absetzen der Nutzlast wird der Nutzlastadapter abgetrennt. Unter ihm befindet sich der Kopplungsadapter der auf dem beim ATV verwendeten basiert, jedoch in Europa produziert wird. Die Stufe bremst sich zuerst passiv durch Reibung der Atmosphäre ab, bis das Apogäum in 600 km Höhe liegt. Dann wird mit Hydrazin betriebenen Triebwerken das Perigäum angehoben, sodass die Stufe nicht verglüht. In einem 300 x 600 km Orbit sollte sie 1 Jahr verbleiben können. Nominell dauert diese Abbremsphase 2 Monate, sodass sie beim übernächsten Ariane 6 Start im neuen Zwischenorbit angekommen ist.
Die nächste Ariane 6 startet dann ohne Oberstufe. Die Zentralstufe setzt die Nutzlast mit der RAUS-Stufe (Reusable Ariane Upper Stage) in einem niedrigen Orbit ab. Sie besteht aus einem Kopplungsadapter, einer Elektrolyseapperatur, einem Wasserstofftank mit Solarzellen und einer Steuersektion mit der Avionik und Triebwerken die mit Hydrazin betreiben werden. mit ihnen navigiert die RAUS zur Ariane 6 Oberstufe die der passive Part ist. Angekoppelt wird durch den Strom den die Solarzellen liefern das Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten die dann in die Oberstufentanks geleitet werden. Sobald der Sauerstofftank 20 Bar erreicht hat kann die Oberstufe gezündet werden. Das dauert anfangs 20 Stunden, später mit ausweitendem Orbit ohne Phasen im Schatten 12 Stunden. Sobald die Stufe das Perigäum durchläuft kann die Stufe gezündet werden. So weitet sie den Orbit sukzessive auf. Nach spätestens einem Monat hat das Gespann den GTO-Orbit erreicht. Der restliche Hydrazintreibstoff wird nun in die Oberstufe umgepumpt und RAUS abgetrennt. Die Oberstufe bremst nun wieder passiv in einen LEO Orbit ab den sie durch das Hydrazin stabilisiert. Ein Zyklus dauert etwa 3 Monate, sodass man bei monatlichen Starts mehrere stufen nutzen muss.
Damit sich RAUS lohnt müssen natürlich einige Randbedingungen erfüllt sein. Vor allem muss RAUS billiger als eine Ariane 6-Oberstufe sein. Dies muss trotz Avionik, Kopplungsadapter mit Annäherungssensoren, Elektrolyseanlage und Solargenerator der Fall sein. Airbus setzt hier auf COTS-Komponenten: COTS (Commercial off the Shelf) ist das Zauberwort bei der Raumfahrt um Kosten zu senken: anstatt eigene weltraumtaugliche Komponenten zu entwickeln nutzt man kommerzielle Komponenten die aber nicht für einen dauerhaften Einsatz im Weltraum gedacht sind. Man kann dieses Risiko tolerieren, wenn die Einsatzdauer gering ist (hier maximal 2 Monate) oder man Einflüsse abschirmen kann. Airbus verwendet normale Elektronik, diese ist aber fünffach-redundant verbaut. Trotzdem spart man bei rund 1000 Euro pro Platine Geld, denn ein weltraumtauglicher RAD6000 Prozessor kostete etwa 20.000 Euro, eine Platine bis zu 100.000 Euro. Die Solarzellen sind normale aus der Produktion für Solaranlagen aus polykristalinem Silizium. Sie verlieren in einem Monat rund 20% an Leistung und haben nur einen Wirkungsgrad von 12%, doch sie sind erheblich günstiger als die normalen Solarzellen. Die Elektrolysenalage ist eine handelsübliche Anlage für Labore zur Erzeugung von reinem Wasserstoff und Sauerstoff. Anstatt der Videometer und Telegonmeter wird man IR-Kameras als Annäherungssensoren nutzen deren Bild ausgewertet wird. Ein Test dieser fand beim letzten ATV statt (LIRIS-System).
Noch ist RAUS nur ein Konzept. Es gibt zahlreiche offene Fragen die in einem beantragten Forschungsprogramm geklärt werden müssen. So ist das Vinci Triebwerk für 5000 s Betriebszeit ausgelegt, wird aber maximal 900 s lang betrieben werden so sollte die Stufe mindestens viermal danach erneut betankt werden können. Allerdings wird es derzeit nur mit flüssigem Treibstoff betrieben. Man hat bisher noch nicht getestet ob dies auch mit Gas geht und vor allem ob das Triebwerk so viele Zündungen übersteht und der Startup Zyklus dann noch funktioniert (bei dem wird die Turbopumpe durch gasförmigen Wasserstoff gestartet. Eine Lösung, die im Computer funktioniert, wäre ein „Turbopumpenbypass“. Dabei schließt man die Ventile zum Gasgenerator und Turbopumpe und öffnet diese zu einer Leitung die im normalen Betrieb nicht genutzt wird und die direkt vom Triebstofftank zum Triebwerk führt. Dann verbrennt das Triebwerk den Treibstoff direkt ohne Förderung durch eine turbopumpe. In jedem falle ist der spezifische Impuls geringer weil der Druck geringer ist: beim Vinci sind es 60 bar, bei RAUS anfangs 20 dann absinkend auf 2 bar. Danach werden die Ventile geschlossen weil der Wirkungsgrad darunter zu stark absinkt.
Sollte RAUS beim nächsten Treffen bewilligt werden, so könnte die Ariane 6 schon auf deren Einsatz optimiert werden. RAUS würde 2-3 Jahre nach dem Jungfernflug der Ariane 6, also 2022 bis 2024 zur Verfügung stehen. Der Einspareffekt wäre bei 50% der Oberstufenkosten allerdings moderat: er läge bei 10 bis 15% der Gesamtkosten. Die Nutzlast würde um rund 5% sinken, das ist sicher nicht der Brüller. Vieles spricht dafür das sowohl Adeline wie RAUS Konzepte sind die Airbus derzeit auflegt um dem Vorwurf zu begegnen, dass man in Europa nichts tut um die Wiederverwendung zu erforschen.
http://www.ingenieur.de/Branchen/Luft-Raumfahrt/Airbus-denkt-ueber-Parkhaus-im-Orbit-fuer-Raketen-Oberstufen
der meint das ernst
Die Grundidee, den Treibstoff als Wasser und nicht als Flüssiggas zu transportieren, scheint mir durchaus brauchbar zu sein. Kleinere Tanks und keine Explosionsgefahr dürften durchaus die Transportkosten senken. Sinnvoller ist aber eine Orbital-Tankstelle, die mit Solarzellen die Energie zum Zerlegen des Wassers produziert und auch eine Kühlanlage zur Verflüssigung der erzeuten Gase und Pumpen zum Auftanken enthält. Dann wäre auch verdampfender Treibstoff kein Problem, der wird einfach wieder verflüssigt. Um Flüssigkeiten und Gase zu trennen, wäre eine langsame Rotation der Tankstelle möglich. Beim Ankoppeln müßten dann beide Objekte mit gleicher Geschwindigkeit rotieren, so wie im Spiel oolite. Macht das Ankoppeln zwar komplizierter, sollte aber machbar sein.