Warum ich Sierra Nevada Glück wünsche

Am 5.11.2015 will die NASA die Gewinner der zweiten CRS Runde vorstellen. Sie hat sich viel Zeit dafür gelassen. Da dies auch den Zeitplan nach hinten verschiebt, hat sie schon bei SpaceX und Orbital weitere Flüge die noch zum CRS1 Programm gehören gebucht. Die Konzepte sind sehr unterschiedlich, es gibt noch mehr Variationen und mehr technologische Neuerungen als bei der ersten Runde. Natürlich sind Orbital und SpaceX wieder bei der Ausschreibung dabei. Alles andere wäre eine Überraschung. Schließlich existieren ihre Vehikel schon und müssen nur eingesetzt werden.

Nicht von allen Bewerbern kennt man die Programme, aber von dreien. Boeing will die CST-100 auch für Fracht nutzen. Meiner ansicht keine so tolle Idee, weil in die Kapsel genauso wenig reinpasst wie in die Dragon. Fracht, das zeigen die letzten Jahrzehnten der ISS-Versorgung brtaucht viel Platz und der ist in der Kapsel knapp. Die NASA hat auch Boeings Vorschlag wenn man doch nur vier Astronauten befördert den Platz der anderen drei mit Fracht zu füllen abgelehnt.

Lockheed Martin hat das in meinen Augen technologisch interessanteste Konzept, das trennt zwischen einem Druckbehälter der immer neu gestartet wird und einem teuren Servicemodul, dass im Orbit bleibt. Das ist etwas was ich seit Jahre fordere. Bei jedem Start geht heute im Prinzip ein Satellit verloren. Auch wenn dieser in Serie gebaut wird ist das kostspielig, ganz anders als der Druckbehälter der eigentlich nur eine teure Aluminiumhülle ist.

Sierra Nevada will ihren Dream Chaser nun unbemannt einsetzen, nachdem sie bei CCDev, der Ausschreibung für bemannte Transporte verloren. Ich halte das für eine gute Idee und eine Chance für die NASA. Bisher hat man nur das Space Shuttle als wiederverwendbares System auf Basis eines Gleiters. Das STS war teuer und es war komplex. Das letztere liegt am Prototypcharakter. Der Orbiter setzte enorme viele neue Technologien ein: Hochdrucktriebwerke, vernetzte Computer mit einem Bussystem anstatt direkter Verdrahtung, die Hitzeschutzkacheln. Einige Technologien sind bis heute führend. Leistungsfähigere Triebwerke als die RS-25 gibt es bis heute nicht.

Der entscheidende Fehler war aber das man zwei Dinge vermixt hat: Frachttransport und bemanntes System. Für eine Besatzung hätte ein zehnmal kleineres Shuttle gereicht, das wäre auch entsprechend billiger im Unterhalt und weniger komplex gewesen. Für den Frachttransport musste es so groß sein, wobei wenn man nur Fracht transportier man sicher auch ein System konzipieren hätte können das mehr einer Rakete ähnelt wie man dies später auch studierte, z.B. mit nur einer wiederverwendeten Hecksektion mit den Triebwerken und einer konventionellen Nutzlastverkleidung.

Der Dream Chaser ist zehnmal kleiner, entsprechend weniger komplex und auch im Betrieb billiger. Mehr noch: er hat auch eine bessere Form. Das Shuttle hatte die riesigen Flügel weil das Militär eine große Querreichweite haben wollte, die man in der Aerodynamischen Phase im Gleitflug erreichte. Die NASA selbst favorisierte Lifting-Bodys, also kleine Gleiter mit Auftriebskörpern und Stummelflügeln. Das wirkt sich auf das Gewicht aus und natürlich ist der Hitzeschutzschild auch kleiner.

Es gibt heute Ressentiments weil die NASA zwei Shuttle mit ihren Besatzungen verloren hat. Doch heißt das das dem immer so ist? Natürlich ist eine Kapsel inhärent sicherer als ein Gleiter. Aber wenn ein Gleiter ausreichend sicher ist, warum ihn nicht einsetzen? Auch die früheren Kapseln wie Apollo und Gemini hatten nicht die Sicherheit die heute möglich ist. Das Verlustrisiko von 1:200 bei Gemini wäre heute auch untragbar.

Was der Dream Chaser offeriert sind zwei Dinge. Das eine ist eine relativ hohe Fracht: 5,5 t pro Flug. Mehr Fracht ist willkommen, denn ohne das ATV musst die NASA in den nächsten Jahren deutlich mehr Fracht transportieren, CRS2 hat als Ausschreibung 15 bis 20 t pro Jahr. Bei rund 2 t wie sie Orbital und SpaceX heute durchschnittlich transportieren braucht man nicht 4 Flüge pro Jahr sondern 8-10. Das erhöht die Arbeitsbelastung der Kontrollzentren und der Astronauten.

Das zweite ist das er die Gelegenheit offeriert die Gleitertechnologie zu testen ohne den Verlust von Menschenleben zu riskieren. Man kann Erfahrungen sammeln und dann später erscheinen ob man ihr nochmal eine Chance gibt. Das Militär hat ja auch schon umgelenkt und schon fünf Starts der X-37 durchgeführt. Tendenziell könnte der Transport sogar billiger sein, weil der Gleiter voll wiederverwendbar ist. Bei CCDev hatte Sierra Nevada das niedrigste Angebot für die vier Test und Einsatzflüge. Nur die Entwicklungskosten waren bedeutend höher als bei SpaceX, die ja schon von der NASA die unbemannte Version der Dragon finanziert bekamen und hier das günstigste Angebot machen konnten. Aber selbst in der summe war es billiger als die zweite Kapsel von Boeing.

Natürlich kann man auch Kapseln wiederverwenden. Bisher tat man das nicht, doch warum sollte man sie nicht mit Raketentreibwerken auf Land weich neidergehen lassen und einen wiederverwendbaren Hitzeschutzschild einsetzen? Doch bisher gibt man sich hier noch nicht die Mühe dies auch umzusetzen. Das ist bedauerlich.

Was ich mir auch wünschen würde ist das bei CRS2 Orbital und SpaceX keine Aufträge erhalten. Die NASA hat nun einen Kurs eingeschlagen Raumfahrtfirmen durch freie Ausschreibungen zu fördern um auch so eine Basis von mehr Konkurrenten zu erhalten. CCDev war das nicht. Mit Boeing und SpaceX haben wieder zwei Firmen Aufträge erhalten die seit Jahrzehnten etabliert sind (Boeing) oder nun schon mit drei Aufträgen bedacht wurden (SpaceX). Natürlich sollte die Firma auch den Auftrag erfüllen können, also nicht wie bei Kistler/Rocketplane bei der ersten COTS Runde. Auf der anderen Seite zeigen gerade die beiden Verluste von Frachtern innerhalb von 12 Monaten, dass Neulinge auch neue Risiken mit sich bringen. Wäre ich bei der NASA so würde ich einen etablierten Anbieter wählen und einen oder zwei neue Firmen. Das senkt das Risiko eines Verlustes von Frachtern. Auch hier kann Sierra Nevada punkten: mit geplanten Starts mit der Atlas V oder als Backup Ariane 5 setzt die Firma auf Träger die über 50 bzw. 80 Flüge hinter sich haben und bewährt sind, anstatt neuer Modelle wie die Antares und Falcon. Damit ist zumindest das Fehlstartrisiko berechenbarer.

5 thoughts on “Warum ich Sierra Nevada Glück wünsche

  1. Was ich nicht verstehe: Warum für viel Geld diverse neue Raumtransporter entwickeln, wenn mit dem ATV und HTV doch zwei sehr gut funktionierende existieren? Für etwas Geld sollte doch die ESA oder die JAXA bereit sein, die Baupläne an eine der neuen privaten Raumfahrtsunternehmen zu lizensieren. So wird doch immer noch eine für die NASA zufriedenstellende Fertigungstiefe jenseits von 90% im eigenen Land erreicht!

    Größe und Gewicht etwas anpassen, eventuell ein neuer Kopplungsmechanismus für das ATV, damit an NASA – Modulen angekoppelt werden kann. Was könnte diesen Gedanken im Wege stehen?

  2. @Alexander:
    Dein Vorschlag ist es also, die mit europäischen Steuergeldern und proprietärem Firmen-knowhow entwickelten Technologien an außereuopäische Firmen zu geben?
    Brillant – fragt sich nur für wen.

  3. Bei der ersten COTS Runde gab es von LM und Boeing den Vorschlag die existierenden ATV und HTV mit ihren Trägern zu starten – stattdessen wählte die NASA neue Firmen die Rakete und Transporter erst entwickeln – mit Verzögerungen von 3 Jahren.

    Die NASA ist übrigens nicht sehr glücklich über die Entscheidung der ESA keine ATV mehr zu bauen. Die ATV liefern mehr Fracht als alle US-Transporter (dreimal so viel eine Dragon), sie können sie ISS anheben und sie legen nicht an dem einzigen Port für Transporter im US-Teil an.

  4. Vielen Dank für die Antwort!

    @Anja: Wenn in der Branche etwas abgegeben wird, dann ja immer im Tausch! Zudem wird vom proprietärem Firmen-knowhow mittelfristig nicht mehr viel übrig sein, wenn das Teil nicht weitergebaut oder weiterentwickelt wird.

  5. @Anja

    Und ausserdem ist das genau der Sinn einer Lizensproduktion:

    Ich lass mir das Know-How als Entwickler oder Auftraggeber vergolden ohne selber ins Risiko zu gehen.

    Eine viel geübte Praxis seit hunderten Jahren. Denn Know-How überlebt sich immer selbst.

    Daß der Wissenschaftsbetrieb dazu übergegangen ist, seine Erkenntnisse in immer kleineren Dosen zu veröffentlichen hat völlig andere Ursachen und ist eigentlich eine Schande für die Wissenschaft.

    Der andere Bernd

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