Warum es bis heute keine Marsbodenprobenmission gibt
Eigentlich sollte es ja einige Zeit keine Aufsätze geben, da ich gerade im Allgäu in unserem Ferienhaus bin. Aber da es gerade draußen seit Tagen schon regnet und Temperaturen nur knapp über dem Gefrierpunkt herrschen, lasse ich diesen Herbst mal die Außenarbeiten sein und habe so Zeit für einen Blog.
Ich knüpfe an den letzten Blog ab, der die technischen Randbedingungen für eine Marsbodenprobenmission umrissen hat. Heute geht es um die Frage, warum es bis heute keine Mission gibt.
Auf dem Plan der langfristigen Vorhaben steht sie nämlich schon seit Viking. Etwa um dieselebe Zeit herum gibt es auch den einzigen Plan Russlands Bodenproben zu bergen. Eine N-1 hätte eine Sonde gestartet, die im Stile der Lunas vor Ort einen Bohrkern entnimmt und zurückführt. Mit dem Ende der N-1 bleibt es auch bei diesem Plan.
Nach Viking gab es eine Pause von fast zwanzig Jahren in denen keine Sonde mehr zum roten Planeten aufbrach, doch seitdem herrscht heftiges Gedränge: Seit 1997 starteten:
- elf amerikanische Sonden (MGS, MPF, MPL, MCO, Odyssey, Spirit + Opportunity, MRO, Phoeenix, Curiosity, MAVEN)
- zwei russische (Mars 96, Phobos Grunt)
- je eine europäische (Mars Express), japanische (Nozomi), chinesische (Yinghuo 1) und indische (Mars Orbiter).
Bedenkt man, dass die meisten auch erfolgreich waren, so sah seitdem der Mars mehr Missionen als in den vorherigen 40 Jahren zusammen. Weitere sind geplant, so startet im März Exomars.
Nur die Marsbodenprobenprobengewinnung ist permanent in die mittlere Zukunft datiert, sprich auf einen Zeitpunkt, zu dem sie möglich wäre, wenn man jetzt mit der Vorbereitung beginnen würde. Ich habe gerade mal ins Landekit von Mars Pathfinder geschaut. Nach der hat sie z.B. im Jahr 2005 stattgefunden – muss ich irgendwie versäumt haben. Diese Planung für eine Zukunft ist ja nichts neues. So ergeht es der bemannten Marslandung ebenso, die derzeit dann stattfindet wann ich in Rente gehe. Russland macht so was im kleinen mit Nauka, das seit 2007 konstant 2 Jahre vom Start entfernt ist.
Die Frage ist, warum haben wir bis heute keine Bodenproben? Nun zum einen verändern sich natürlich die Missionen. Die Missionen zur Zeit der Viking Ära hätten genau dort, wo die Sonde landet einen Bohrkern entnommen, so etwas ähnliches planten auch die Sowjets und so arbeiteten die Lunas. Angesichts dessen das damals Landeellipsen 100 x 220 km groß waren, ist die Probe dann schon sehr zufällig. Heute würde man eine oder besser mehrere Proben von einem mobilen Gerät ziehen lassen. Das verspricht eine interessantere Probe.
Ich glaube es ist auch nicht wirklich die Kostenfrage. Sicher, man kann eine solche Mission aufblasen. Aber in der Substanz braucht man folgendes:
- Einen Rover, der autonom fahren kann und Bodenproben sammeln kann
- Eine Raketenstufe die eine Kapsel in den Marsorbit bringt
- Ein Gefährt das im Marsorbit parkt und die Bodenprobe zurück zur Erde bringt.
Fangen wir mit dem ersten an. Ein Rover muss nicht das 2,2 Milliarden Exemplar von Curiosity sein (der Nachbau wird mit 1,5 Milliarden billiger). Es reichen die kleineren MER-Rover. Sie müssen ja nicht viel vor Ort untersuchen, sondern nur erlauben interessante von uninteressanten Gesteinsbrocken zu unterscheiden. Man muss sie nur zur Aufnahme einiger Proben umrüsten und den Arm entsprechend ausrüsten. Die MER waren pro Stück 400 Millionen Dollar teuer.
Die Startstufe ist wirklich nicht viel mehr als eine Raketenstufe auf einem Landegestell. Man kommt ohne Skycrane und ähnliches aus, die Stufe kann mit ihren Treibstoffvorräten auch weich landen, das macht in der Treibstoffbilanz fast nichts aus. Oben sitzt eine Rückkehrkapsel die die NASA schon bei anderen Missionen wie Genesis und Stardust erfolgreich eingesetzt hat und eine Steuerung die sie in den Orbit bringt. Dazu einige passive Sender und Leuchtfeuer, das wars. Der Entwicklungsaufwand dafür ist nun wirklich gering.
Der Orbiter kann zum größten Teil auf einem Bus basieren welche die NASA schon für andere Gefährte genutzt hat. Der einzige Unterschied ist eigentlich nur das man mehr Treibstoff braucht um wieder zurück zufliegen. Er wird neben dem Mechanismus zur Probenentnahme die zweite technologische Herausforderung haben: er muss autonom die Kapsel im Orbit finden und ankoppeln.
Doch auch diese Herausforderung sollte man nicht überbewerten. Autonom koppeln auch ATV und Progress an die ISS an. Sicher unterscheidet sich das: es gibt neben passiven Reflektoren auch aktive Systeme, so benutzen alle ISS-Transporter GPS um ihre Position und die der ISS zu vergleichen. Das gibt es beim Mars nicht. Aber die DLR erprobt für Reparaturen und Müllentsorgung von Satelliten schon neue Sensoren, die keine Hilfe vom Ziel brauchen und hat diese z.B. beim letzten ATV getestet. Zuletzt hilft ein Blick in die Vergangenheit: Die Apollo Raumschiffe schafften es auch ohne Bodenunterstützung innerhalb weniger Stunden anzukoppeln. Gut da waren Menschen an Bord, ich bilde mir ein, dass man ein Ziel mit Laserreflektoren auch unbemannt finden und ankoppeln kann. Zeit hat man zumindest genügend – die Mission wird mindestens 500 Tage beim Mars sein. Wenn die Kapsel nicht stabilisiert wird, kann man sie ja auch mit Krallen/Netz greifen und fest halten. Das reicht bei den kleinen Beschleunigungen, die es von nun an in der Mission gibt, aus. (Ein 500 N Triebwerk würde z.B. eine 1 t schwere Sonde nur um 0,5 m/s = 1,8 kmh beschleunigen)
So gesehen ist die Mission nicht so komplex. Zwei Starts mit einer größeren Trägerrakete würden ausreichen. Der erste befördert den Orbiter und Rover zum Mars, der Rover wird vor der Ankunft abgetrennt und der Orbiter verbleibt im Orbit und kann als Funkrelais dienen, bis nach eineinhalb Jahren die Rückreise ansteht. Der zweite Start befördert die Rückstartstufe zum Rover. Das muss nicht mal im selben Startfenster sein – lebt der Rover entsprechend lange kann er auch jahrelang Proben sammeln bevor die Rückstartstufe benötigt wird. (beim MPF-Szenario wäre diese auch zwei bzw. vier Jahre später gestartet). Wenn der Rover einfach aufgebaut ist z.B. eine verbesserte Kopie von Spirit/Opportunity, so denke ich wird die geamte M;ission mit drei Gefährten nicht teurer als Curiosity. Und derzeit wird durchläuft das zweite Exemplar des MSL seine Genehmigungsphase, anders als die Bodenprobenbergung.
Warum also haben wir noch keine Proben?
Ich denke es gibt eine Reihe von Gründen. Der offensichtlichste ist: wenn wir unbemannt Proben ziehen können, wozu brauchen wir dann noch eine bemannte Marslandung? Die Marslandung wird zwar immer als Menschheitsprojekt verkauft, doch finanziert wird sie über das Wissenschaftsargument und auch zum Teil aus dem Budget. Ich denke Wissenschaftler wollen aber lieber heute Bodenproben genommen durch Roboter als welche in einer fernen Zukunft (qwenn überhaupt jemals) gewonnen durch Astronauten. Astronauten können bessere Ptoben gewinnen. Sie werden mobiler sein, sie sehen vor Ort etwas und können selbst über die Sinnhaftigkeit innerhalb von Sekunden entscheiden ohne das man bei heutigen Missionen auf der Erde studenlang diskutieren und planen muss. Aber sie können nichts daran ändern, dass es nur Gesteinsproben der Oberfläche sind. Zudem sind aufgrund von Sicherheitsgründen viele Gebiete nicht zugänglich.
Der zweite Grund ist, dass es bereits Marsproben in den Laboren gibt. Es gibt heute 123 Meteoriten die vom Mars stammen. Sie wurden bei Kraterbildungen ins All geschleudert, wenn ein Teil des Auswurfmaterials über die Fluchtgeschwindigkeit beschleunigt wurde. Ihre Ursprung ist durch den Vergleich der Gaseinschlüsse relativ sicher. Das Argon 36/40 Verhältnis unterscheidet sich beim Mars von dem der Erde und solaren Materials (andere Meteorite) und man findet auch eingeschlossenes Kohlendioxid, das auf eine Kohlendioxydatmosphäre hindeutet und die haben Asteroiden eben nicht. Die Zusammensetzung der Marsatmosphäre ist durch Viking und Curiosity untersucht worden und daher steht der Ursprung dieser Meteoriten außer Frage.
Nun sind diese durch die Passage der Erdatmosphäre teilweise aufgeschmolzen, doch wenn es nur um die Untersuchung der Geologie geht, reichten sie vollkommen aus. Es kommt ja auch keiner auf die Idee von Asteroiden Bodenproben zu nehmen und zu bergen, nur um die Aufschmelzung beim Eintritt in die Erdatmosphäre zu umgehen.
Der springende Punkt ist, das die NASA seit Jahrzehnten die Möglichkeit, es gäbe Leben auf dem Mars pusht. Genauer gesagt will sie seit einigen Sonden der „Spur des Wassers“ folgen. Wasser gilt als Lebenselement. Leben könnten die Sonden nicht entdecken, außer es wäre makroskopischer Natur (die Vikingsonden auch solches nur, wenn es sich sehr, sehr langsam bewegt – Für ein Rundumpanorama brauchten die Kameras mehrere Stunden.
Auf der Erde gibt es Leben sehr lange. Die ältesten Spuren sind 3,8 Milliarden Jahre alt. Dabei herrschte, seit es entstand immer gute Bedingungen für das Leben. Es gab weltweite Ozeane, eine dichte Atmosphäre, Temperaturen die um 40° über denen vom Mars lagen und fast überall über dem Gefrierpunkt von Wasser lagen. Trotzdem kennen wir nur wenige Stellen wo wir Fossilien aus der Zeit vor dem Kambrium kennen, als es nicht nur zur einer Artvervielfachung kam sondern auch zur Erfindung des Exoskeletts, das viel größere Chancen zur Fossilisation hatte als Organismen die nur aus Gewebe bestehen. Die meisten Spuren sind indirekter Art. So wissen wir, das die Photosynthese von den Blaualgen erfunden wurde – sie bilden heute wie damals Stromatolithen. Das sind runde bis blumenkohlförmige Gesteinsbrocken, die wenn man sie aufschneidet aus feinen Schichten bestehen. Auf einem Gestein bildet sich ein Biofilm der Photosynthese betreibt und dabei dem Wasser Kohlendioxid entnimmt. Das führt, weil Kohlendioxid im Gleichgewicht mit der Kohlensäure steht, zu einer Verschiebung des PH-Werts ins Alkalische und führt zur Ausfällung von Calciumcarbonat. So wächst der Stein und der Biofilm steckt immer an der Außenseite. Stromatolithen können über 1 m groß werden und sind so schwer zu übersehen. Doch selbst in den fossilen Stromatolithen fand man keine Bakterien. Es ist daher ein indirekter Nachweis.
Die ältesten Indizien für Leben sieht man nur unter dem Elektronenmikroskop, die würde ein Astronaut genauso wenig wie eine Sonde finden. Vor allem aber haben wir bei uns Glück: durch die Plattentektonik wird altes Gestein wieder nach oben befördert, nur so kommen wir überhaupt an Fossilien. Die gibt es auf dem Mars nicht. Einschläge, Staubstürme, aber wie man heute weiß, auch in jüngerer Zeit auftretende Überschwemmungsereignisse haben die Schichten die so alt sind, dass sie aus der Zeit stammen, wo auch beim Mars die Bedingungen für Leben günstig sind zugedeckt. An die muss man erst man rankommen und das ist für eine Sonde wie Astronauten gleichermaßen schwierig. Selbst wenn man so alte Proben gewinnt weiß man nicht ob sie Fossilien enthalten – das tun alte Gesteine auf der Erde auch nicht automatisch. Sonst hätte man wohl schon längst viel mehr gefunden und würde auch Gesteine vom Erdboden aus anbohren, wenn sie in erreichbarer Tiefe liegen.
Noch viel schwieriger zu beantworten ist natürlich die Frage ob der Mars heute noch belebt ist. Wir wissen das die lebensfreundlichen Bedingungen beim Mars nur kurz anhielten. Zu dem Zeitpunkt als wir die ersten Funde auf der Erde haben, war der Planet schon lebensfeundlich. Aber er war auch kleiner und kühlte schneller ist, das heißt die Startbedingungen gab es auch früher. Es gibt zwei Richtungen: die einen postulieren, dass sich dann das Leben in Bereiche zurückgezogen hat die geschützt sind, z.B. in den Untergrund. Die anderen das es aus starb. Oder zu wenig Zeit hatte sich zu bilden Selbst im optimistischen Fall wissen wir aber nicht wo wir suchen sollten und in welcher Tiefe. Das Problem hat man beim unbemannten und der bemannten Forschung. Daher forscht man eben unbemannt weiter, obwohl man sich in der Kernfrage, was wir über das Leben auf dem Mars wissen auch nicht so viel weiter gekommen sind.
Der Mars ist geologisch Vielschichtig. Ich glaube nicht, dass man schon alle gesteinsarten als meteoriten hat die man gerne hätte. Meteoriten werden häufig auch nicht von der Oberfläche des Planeten stammen.
Schon allein an den Hämatit-Konkretionen wären etliche Forscher SEHR interessiert.
Es gibt noch etliche Unklarheiten bezüglich der Geschichte des Mars – aber es gib auch genügend Modelle, nach denen Leben mehr als genug Zeit gehabt hätte um sich zu entwickeln.
Das ging auf der Erde, nach geologischen Maßstäben, auch sehr fix (und evtl mit Hilfe von panspermie).
„Selbst im optimistischen Fall wissen wir aber nicht wo wir suchen sollten und in welcher Tiefe.“
Gerade DAS sollte doch das Hauptforschungsfeld (neben Vorarbeit zur Besiedlung) auf dem Mars sein.
Und das geht mit Menschen auch noch einmal besser als nur robottisch.
„Aber sie können nichts daran ändern, dass es nur Gesteinsproben der Oberfläche sind.“
Doch können Sie. Die Planungen der NASA werden sogar extra um das durchführen von Bohrungen (min 100m) herum aufgebaut. Das ist ein zentrales Element.
Just my 2 ct…