Der Kommentar von Kai Petzke erinnerte mich an die erste Rückmeldung von Fabienne Gschwindt bei den Korrekturen zu „Was sie schon immer über Lebensmittel und Ernährung wissen wollten“. Sie meldete sich sehr bald, weil sie schon auf den ersten Seiten offensichtliche Fehler entdeckte. Fabienne ist wie ich Chemiker und so fiel ihr sofort auf das ich von „Fluor“ und nicht „Fluorid“ schrieb und von „Nitrat“ und nicht „Nitration“.
Ich schrieb ihr, dass sich das Buch an die Allgemeinheit wendet und die kennt zum einen die Unterschiede nicht, zum anderen ist es in der Ernährungslehre üblich, wenn man von den Elementen als Ernährungsbestandteilen spricht, sie tatsächlich als Elemente zu bezeichnen, also nicht als Phosphat sondern als Phosphor oder wenn sie eine Ernährungsangabe auf Verpackungen lesen, dann finden sie das ein Lebensmittel Natrium enthält – das tut es natürlich nicht, sonst würde es sofort mit jedem Nahrungsbestandteil reagieren. Enthalten ist Natriumchlorid.
Das leitet mich zu meinem Thema über – dem einfachen Schreiben. Ich empfinde es als sehr anstrengend. Wenn man eine gewisse Vorbildung hat und man muss einen Tatbestand extrem vereinfachen, dann tut das weh. Mehr noch: die Vorbildung steht einem im Weg, man wird anfangen, unwillkürlich Fachtermini benutzen, Dinge vorauszusetzen, so das ein Laie Reaktionsformeln lesen kann oder das eine Säure Protonen abgibt oder Elektronenaktzeptor ist (womit wir Vorbildung und Fachtermini kombiniert haben).
Ich glaube ich bin damit nicht alleine. Ich kenne wenige Bücher von Fachleuten, die man ohne Vorbildung lesen kann. Spontan fallen mir Feynmann ein, aber auch ein Buch von Albert Einstein ist relativ gut zu lesen. Häufiger findet man das Gegenteil. Ich habe mal „die ersten drei Minuten“ von Steven Weinberg geschenkt bekommen, Weinberg ist Nobelpreisträger. Der Kommentar war „Du interessierst dich doch für Astronomie, ich habe mal drin geblättert, und nichts verstanden, dann ist es sicher was für Dich“. Na ja, verstanden habe ich es erst Jahre später, als ich auch andere Bücher zu dem Thema Urknall gelesen hatte.
Besser ist daher für Bücher die sich nicht an Kollegen wenden ein Transformator. Das bedeutet, ein Wissenschaftler und ein Journalist erstellen zusammen ein Buch. Der Journalist bringt seine Talente ein – so zu schreiben, dass der Leser das Buch spannend findet, es ihn aber auch nicht überfordert. Dazu gehören auch Dinge, die mit dem Fachverhalt nichts zu tun haben, wie eingestreute „private“ Teile. Wie es im Missionskontrollteam bei kritischen Phasen zuging, wo es Probleme gab etc. Diese Interna kennen Außenstehende nicht und die Beteiligten bringen sie selten ein. Diese Kooperationen sind selten, auch weil es sehr arbeitsintensiv ist, schließlich muss der Wissenschaftler sehr viel erklären, gegenlesen und wenn ein Buch herauskommt, dann müssen die Einnahmen geteilt werden.
Das zweite ist der Fachjournalist: Er ist ein Zwitter: Einerseits Journalist, andererseits kennt er sich in der Materie aus. Zum Beispiel weil er zumindest ein Grundstudium absolviert hat, gängiger ist der Quereinstieg: Jemand fängt nach einer Fachausbildung an journalistisch tätig zu werden. Fachjournalisten sollen nach einem Bericht des Medienmagazins „Zapp“ sehr gute Chancen in Onlineredaktionen haben, doch nur wenige betätigen sich darin Bücher zu verfassen.
Trotzdem wimmelt es natürlich auf dem Markt vor populären Darstellungen. Sie fallen mir meistens negativ auf. Im Lebensmittelbereich prominent ist Hans-Ulrich Grimm, der auch immer wieder im fernsehen auftaucht. Dort fällt er mir nur negativ auf, weil er zum einen seine persönliche Meinung als Tatsachen verkauft. So wurde in einem Interview Zitronensäure als gefährlich bezeichnet. Zwar konnte er nicht leugnen, dass diese organische Säure in der Natur vorkommt, doch er hatte was an der Gewinnung auszusetzen. Zitronensäure wird durch Vergärung der Abfälle der Zuckergewinnung durch Schimmelpilze gewonnen. Das ist nun aber nicht nur bei Zitronensäure so. Das wesentliche ist, das die gewonnene Säure ein hochgereinigtes Produkt ist, das keinerlei Spuren des Schimmels enthält. Mikrobiologische Verfahren sind weitverbreitet, nicht nur bei der Gewinnung von Zusatzstoffen (so z.B. von Vitamin C, Labenzym) sondern sogar bei Stoffen die als Medikamente eingesetzt werden. Humaninsulin wird heute durch Bakterien gewonnen und das wird nicht gegessen, sondern in die Blutbahn gespritzt. Ja man könnte aufgrund derselben Herstellung dann auch Wein, Bier, Sauerkraut, Joghurt ablehnen. In vielen Lebensmitteln sind die Bakterien sogar noch drin und Camembert und Gorgonzola werden Schimmelpilze sogar zugesetzt. Wenn man also eine solche Position bezieht, dann muss man entweder strohdoof sein und die anderen Dinge die ich beschrieb nicht kennen oder bewusst verschweigen. Ich nehme das letztere an und dann ist es eben kein Journalismus mehr sondern Meinungsmache. Viel verstehen scheint er auch sonst nicht. Ein anderer Ausschnitt zeigt ihn auf einer Zusatzstoffmesse wo er sich bei Ständen „informieren“ möchte. Dort übernimmt er die englische Bezeichnung aus dem englischen Flyer, obwohl er mit Deutschen redet, hat also keine Ahnung wie der Stoff aus deutsch heißt (ja auch chemische Eigennamen haben Regionalität, so verwenden die Engländer anstatt Natrium eben Sodium ….). Darum ging es auch in diesem falle nämlich um Natriumdisulfit, das im englischen allerdings Sodiummetabilsulfite heißt, also doch etwas anders.
Ähnliches könnte ich auch aus dem Bereich Weltraumfahrt sagen. Hier tummeln sich mangels dem großen Markt dann noch weniger Journalisten, als vielmehr Assemblierer, also Leute die aus verschiedenen Quellen Dinge zusammentragen oder zusammenfassen. An und für sich nichts schlechtes, im Prinzip sind fast alle Assemblierer, denn alle leben auf öffentlich-zugänglichen Quellen. Nur wenn es nicht mehr als Wikipedianivaeu ist, noch dazu schlecht geschrieben und mit Fehlern, dann stößt mir so was auf.
Doch schaut man sich die Beurteilungen bei Amazon an sowohl bei Grimm wie auch bei anderen Autoren, so sind die überwiegend positiv, vermutlich weil die wenigsten genügend Fachwissen haben um die Fehler zu erkennen und meinen „Ah da deckt nun aber einer mal auf“.
Ich bedauere es außerordentlich dass ich so einfache Bücher nicht schreiben kann. Das spart eine Menge Arbeit und man verdient wegen des größeren Kundenkreises mehr. Mehr noch: macht man Werke mit Tiefgang so kaufen die nur die die vom Fach sind und die finden immer etwas auszusetzen. Nicht zuletzt könnte ich den schlechten Werken zumindest das eine oder andere gute entgegensetzen.
Zumindest beim Blog gibt es aber für die denen es zu einfach ist eine Alternative: Wenn jemand etwas nicht tiefgründig genug ist, oder er meint das eine neue Zündungsmethode bei Raketen die einige Gramm Treibstoff einspart so wichtig ist das sie unbedingt erwähnt werden sollte, dann kann er nicht nur einen Kommentar verfassen sondern einen ganzen Blog. Nur wer weiß wie viel Arbeit das ist, weiß auch die Arbeit anderer richtig zu schätzen.