Echte Demokratie
Die Demokratie soll ja die beste aller Regierungsformen sein. Zeit mal dies zum Thema zu machen. Die Demokratie hat ja ihren Ursprung in Griechenland, bekannt ist das Scherbengericht von Athen.
Damals wurde bei Ja/Nein Abstimmungen mit schwarzen und weißen Kieseln abgestimmt, sonst wurden Namen auf Scherben gekritzelt. Die Bezeichnung Scherbengericht bekam die Regierungsform, weil man auch zu einflussreiche Personen auf 10 Jahre verbannte. Vielleicht hatte man so viel Angst vor einer Diktatur oder einem König, dass man darauf achtete, dass keiner zu mächtig wurde.
Die Athener Demokratie war keine im heutigen Sinne. So waren nur Männer mit Bürgerrecht wahlberechtigt. Frauen, Ausländer vor allem aber Sklaven hatten keines, das beschränkte die Demokratie auf 10% der Bevölkerung. Immerhin war es eine enorme Verbesserung gegenüber den damaligen Monarchien. Die waren noch um einiges absoluter als die späteren in Europa und in Rom. Sowohl die ägyptischen Pharao wie auch die Herrscher in Babylonien, Assur und Persien verstanden sich als Nachkommen oder Verwandte der Götter. wer die Grußformeln in Verträgen liest bekommt eine Vorstellung davon. Da werden gleich einige Götter aufgezählt mit denen der Herrscher in Verbindung steht und er ist meist auch „König der Könige“. Gegen die Etikette am persischen Hof soll das spanische Hofzerimoniell richtig leger gewesen sein. Eine falsche Bewegungen einer Wache konnte ihren Tod bedeuten.
In Rom kam man mit der Demokratie nicht sehr weit. Nachdem die ärmeren Bevölkerungsschichten, der Plebs anfangs gar keine Macht hatten, erkämpften sie sich zumindest etwas Einfluss, indem sie aus der Stadt auszogen, doch auch nachdem Rom eine Demokratie wurde war die Macht in der Hände des Adels, der Patrizier. Sie stellten den Senat. Mehrfache Versuche das System zu reformieren scheiterten. Später wurde aus den Demokratie eine Monarchie indem sich Herrscher zum Cäsar erklärten. Doch selbst wenn es beim Senat als einziger Herrschaftsform geblieben wäre, demokratisch war er im heutigen Sinne nicht. Mitglieder waren nur die Reichen und nur in Rom wohnende Bürger, was angesichts eines Reichs, dass große Teile Europas, Nordafrikas und des nahen Ostens umfasste im Prinzip bedeutete, dass sie die Interessen einer kleiner Clique der Stadt vertraten so wurden die Provinzen ausgeplündert, in Rom dagegen großzügig gebaut, die Armen gespeist und mit Spielen unterhalten, was dazu führte das Roms Bevölkerungszahl bald auf eine Million Einwohner anstieg – für die Zeit enorm groß, selbst im Mittelalter gab es wenige Städte die mehr als 100.000 Einwohner hatten und natürlich auch das Regieren erschwerten, denn das waren eine Million Mäuler die dauernd gestopft werden mussten.
Im Mittelalter gab es Demokratie in den Städten, die von einem gewählten Bürgermeister und dem Stadtrat reagiert wurden. Allerdings änderte sich nichts daran, dass die Demokratie immer nur eine der oberen Schichten waren. Einflussreich im Mittelalter waren die Gilden. Handwerker waren in Gilden, den Vorfahren der späteren Zünften und Handwerkskammern organisiert und sie sorgten durch als Ratsmitglieder Gesetze dafür, dass ihre Berufsstände geschützt wurden. So konnte man sich nicht einfach in einer Stadt als Handwerker neu niederlassen, Preise wurden festgelegt, damit keiner den anderen unterbieten konnte. Bis heute haben diese Vereinigungen ihre Macht behalten. Ich erinnere mich noch an eine Diskussion vor zwei Jahrzehnten, als die Handwerkskammern durchsetzten dass nicht jeder PCs reparieren kann, sondern nur geprüfte Elektriker, obwohl schon damals die Reparatur nur aus dem Austausch von Teilen bestand und die Kernkompetenz darin bestand, anhand des Systemverhaltens die defekte Komponente zu finden und nicht elektrische Spannungen zu prüfen.
Später gab es Parlamente, die immer mehr Mehr Einfluss bekamen. Als der erste Weltkrieg ausbrach stellte Kaiser Wilhelm der II fest, dass er eigentlich nur dazu da war Paraden abzuhalten und Orden zu verteilen, doch auch der Reichstag war von den Militärs entmachtet. Nach dem ersten Weltkrieg dürften bei uns auch Frauen wählen. Übrigens ein Jahr vor den Frauen in den USA, die sich doch sonst als Ursprungsland der modernen parlamentarischen Demokratie sehen.
Seitdem haben wir eine Reihe von Konzepten wie Demokratie funktioniert. England hat ein zweigeteiltes Parlament bestehend aus Ober- und Unterhaus. Wie die USA ist es ein Mehrheitswahlrecht, sprich der Abgeordnete der die meisten Stimmen hat, bekommt den Sitz. Damit fallen bis zu 49% der Stimmen unter den Tisch und vor allem ist es in solchen Ländern für neue Parteien enorm schwer ins Parlament zu kommen. Minderheiten haben so keine oder nur wenige Chancen ihre Interessen im Parlament einzubringen.
In der Weimarer Republik, aber auch in vielen europäischen Ländern gibt es das Verhältniswahlrecht. Damit hat jede Partei die Chance ins Parlament zu kommen, solange sie nur einen Sitz erobert. Als Folge können auch Splittergruppen ins Parlament kommen bzw. Parteien die nur bestimmte Interessen vertreten. So gab es in der Weimarer Republik eine Partei für Katholiken, eine für Bauern und eine bayrische Partei. Zumindest die ist uns erhalten geblieben. Die vielen Parteien sorgten dafür, dass keine Regierung länger als 21 Monaten regierte. Koalitionen mussten mit vielen Parteien gebildet werden und waren nicht stabil. Als Folge haben wir heute eine Modifikation: Durch die 5% Hürde ist die Gefahr der Zersplitterung gemindert. Ich halte das System prinzipiell für das beste, wenn auch nicht perfekt. Da wir eine Parteiendemokratrie haben und keine Direktwahldemokratrie, ist es blödsinnig einen Kandidaten direkt zu wählen und mit einer zweiten Stimme die Parteien, weil es bei Abweichungen in der Verteilung sowieso Ausgleichsmandate gibt (in BW z.B. gibt es praktisch nur Abgeordnete der SPD die über die Landesliste hereinkommen) und alle Direktkandidaten eh in Parteien sind. (anders wäre es wenn die direkt gewählten Abgeordneten gar nicht in einer Partei sein dürften, was sicherlich der Demokratie gut wäre).
Die größere Bedrohung für das Prinzip der Demokratie ist aber die Parteiendisziplin und der Einfluss von Lobbygruppen. Das erste sieht man relativ deutlich bei den Abstimmungen. Im Prinzip bestimmen die Fraktionsspitzen, wie die anderen Mitglieder der Partei abzustimmen haben. In einigen Parteien so CDU und CSU scheint auch nur der Parteivorsitzende zu bestimmen, also Merkel oder Seehofer, selbst wenn der 1000 km entfernt in München hockt. Man sah das bei den Abstimmungen zum Eurorettungsschirm, wenn Abweichlern in der CDU offen mit Konsequenzen gedroht wird. Dabei war von vorneherein klar dass er durchkommt. Die Kollation hat 80% Mehrheit und die Grünen stimmten auch zu, so hätte man ohne Problem auf einige Stimmen verzichten können. Aber es geht um Macht und darauf dass das was Frau Merkel beschließt auch von jedem in ihrer Partei getragen wird, egal welche Meinung er hat. Mit Demokratie hat das nichts zu tun. Es repräsentiert auch nicht die Bevölkerung, den in Umfragen waren nicht 80% für die weitere Unterstützung Griechenlands.
Das zweite ist der Lobbyismus. Er ist weniger offensichtlich, aber erkennbar. An den vielen Posten, die Abgeordnete in der Wirtschaft haben, ohne das sie viel arbeiten müssen, vor allem aber an der Gesetzgebung. Während man Sozialleistungen kürzt, sinken Gewerbesteuern. Beim Krankenkassenbeitrag ist der Arbeitgeberanteil eingefroren. Industrien werden jahrzehntelang subventioniert und niemand ändert das, selbst wenn er in der Opposition dagegen wettert, wie die Union gegen Harz-IV und Ökostromumlage. (von der die Industrie befreit ist).
Meiner Ansicht nach täte unserem System mehr direkte Demokratie gut. Die direkte Abstimmung durch das Volk. Das klappte in der Antike, weil die Personenzahl beschränkt war. Heute kann man bei 60 Millionen Wahlberechtigten nicht laufend abstimmen lassen, zumindest nicht mit den traditionellen Wahlurnen. Doch inzwischen hat jeder einen Internetanschluss. Der neue Personalausweis hat auch eine Pin mit der man Behördengänge erledigen können soll, angeblich auch einkaufen. Wenn es also eine sichere Identifizierung gibt, dann müsste es auch möglich sein, dass jeder übers Internet abstimmen kann. Die, die keinen Internetanschluss haben, müssten dann mit dem Personalausweis an einem Terminal wählen z.B. im nächsten Rathaus. Für jede Abstimmung kann man einen Zeithorizont, z.B. eine Woche vorhersehen. Natürlich muss man nicht jede Verordnung durch das Volk bestätigen lassen, aber wichtige Gesetze schon und so viele dieser gibt es ja nicht. Ich bin mir sicher dass das Volk z.B. bei der Vorratsdatenspeicherung anders abstimmen würde als das Parlament. Wie wir in diesem Jahr bei den Attentaten in Frankreich gesehen haben nützt sie ja offensichtlich nichts gegen den Terrorismus. Die Folge wäre, dass Politiker sich erheblich mehr Mühe geben müssen zu vermitteln, warum sie etwas genauso haben wollen. Ich glaube nämlich das das Volk durchaus die richtigen Entscheidungen treffen kann, schlussendlich stärkt das die Demokratie.
Dazu nur ein Beispiel: Wir hatten hier vor vier Jahren die Abstimmung über Stuttgart 21. Vorher gab es Auseinandersetzungen, Demonstrationen, erfolglose Schlichtungsrunden. Ich war gegen das Projekt. Nicht wegen dem alten Bahnhof oder Käfern, sondern weil ich es als zu teuer und schlecht geplant empfand (so gibt es nur 8 anstatt bisher 16 Gleise und ein Streckenabschnitt bis zum Flughafen wird auch von der S-Bahn genutzt). Entschieden hat eine Mehrheit sich für das Projekt und seitdem ist Ruhe. Es gibt immer noch einige Demonstranten, aber die große Mehrheit hat sich mit dem Ergebnis der Volksabstimmung abgefunden. Möglich war sie aber nur weil die neue Grün/Rote Regierung sie auf den Weg gebracht hat, ohne sie hätte man nie genug Stimmen für einen Antrag zusammengekommen.
Auch hier wäre das Internet eine Lösung. Warum soll die Bevölkerung nur über Gesetze abstimmen die vom Parlament ausgearbeitet werden, aber nicht selbst welche einbringen? Eine zentrale Webseite, die alle Petitionen auflistet, könnte mit der eindeutigen PIN genutzt werden dass Bürger dafür stimmen ob sie eine Initiative unterstützen oder nicht. Wenn diese ein bestimmtes Quorum in einer vorgegebenen Zeit, z.B. 10% in 3 Monaten erreicht dann muss das Parlament sich damit befassen, es in ein juristisch einwandfreies Gesetz gießen und darüber abstimmen lassen.
Technisch und organisatorisch möglich wäre das alles. Aber dann wäre es ja dabei mit der Rauten-Monarchie a la Angela Merkel ….
Das mit der Basisdemokratie oist ein zweischneidiges Schwert.
Zum einen hätte Griechenland nach dem Bekantwerden des Betrug und der Schlechten zahlen keinen Cent aus einem anderen Land bekommen und wäre damal Pleite und raus aus dem Euro. Bis heute wäre Griechenland dann wohl wieder auf dem Weg der besserung.
Aber wenn ich mir derzeit die Stimmung der Basis anhöre, dann hätten wir bereits einen Zaun zu Östereich und würden bald über einen Schießbefehl abstimmen.
Die einführung eines Scherbengerichts bei dem Jährlich die unbeliebteste Person des Landes verwiesen würde fände ich hingegen gut.
Eine Abstimmung übers Internet wäre wohl eher das Ende der Demokratie. Siehe Betrügereien mit Wahlmaschinen oder die Probleme beim (nur angeblich sicheren) Online-Banking. Da die meisten Internet-Verbindungen über die USA laufen, hätte dann auch die NSA die Möglichkeit die Stimmenabgabe zu hacken. Dann entscheidet nicht mehr die Mehrheit, sondern wer die besseren Hacker hat. Und es gibt keine Stimmzettel, mit denen man nachkontrollieren kann ob bei der Auszählung geschummelt wurde.
In der Schweiz haben wir dauernd (bis zu viermal im Jahr) Volksabstimmungen an der Urne. Funktioniert recht gut. Allerdings sind wir daran gewöhnt, so dass wir in unserem Interesse abstimmen, und nicht einfach, weil wir denen da oben eines auswischen wollen.
Wenn so etwas in Deutschland eingeführt würde, dann würden die erste paar Jahre vermutlich immer das Gegenteil abgestummen werden, was die Regierung will. Aber irgendwann mal würde auch der letzte merken, dass er sich in eine Fuss schiesst, wenn man einfach gegen die da oben stimmt.
Das A und O einer Demokratie ist die notwendige Information zur Entscheidungsfindung. Wie soll ein nur seinem Gewisen verpflichteter Abgeordneter abstimmen, wenn ihm die Gesetzestexte erst kurzfristig bekanntgegeben werden, oder kurzfristig noch modifiziert werden? Bestes Beispiel sind die TTIP Verhandlungen, wo die Verhandlungsergebnisse unter Verschluß gehalten werden. Wie soll der Bürger entscheiden, wenn ihm Informationen vorenthalten werden wie z.B. die Leistungsfähigkeit des Stuttgarter Bahnhofs in den 70ern im Vergleich zu der Leistungsfähigkeit des „modernen“ Bahnhofs S21 oder die tatsächliche Kosten und die deshalb nötigen Einsparmaßnahmen in anderen Bereichen.
Ein weiteres Problem ist die Propaganda durch die Medien. Hier wird in vielen Fällen nicht informiert, sondern Meinungen gemacht. Da werden z.B. vor Wahlen Fantasiezahlen bei den Steuerbelastungen durch die Pläne der einzelnen Parteien präsentiert (So teuer kommen Sie die Pläne der Partei XYZ) mit Annahmen, die einen Anteil von mindestens 50% reicher und superreicher Menschen voraussetzen. Es wird mit Zahlen gelogen und betrogen.
Es werden Ängste geschürt (Mindestslohne kostet über 200.000 Jobs). Mit Erbschaftssteuer für Firmenerben setzt ein großes Firmensterben ein etc.
Es ist also für die meisten extrem schwierig sich fundiert zu informieren. Ohne korrekte Information aber ist eine Demokratie fehleranfällig.
Es ist also weniger das Problem ob mit PA abzustimmen sei (wo bleibt die geheime Wahl), oder ob im Internet abgestimmt werden sollte, sondern das Problem ob die Abstimmenden die zumindest für sie persönlich beste Entscheidung überhaupt erkennen können.
Ein guter Schritt für mehr Demokratie wäre es deshalb zumindests die Einflussnahmen durch Lobbyisten offenzulegen, oder in Berichten die Auftraggeber von Studien und die Eigentümer von Think-Tanks zu benennen.
Also ein paar Bemerkungen von mir:
Der unbeliebteste Deutsche ist sicher nicht der mächtigste Deutsche. Es gibt ja solche Listen wo dann Namen wie Oliver Pocher oder Dieter Bohlen auftauschen. Wichtiger wäre es wohl Wirtschaftbosse zu verbannen, aber von dem Konzept an sich halte ich schon nichts.
Es gibt genügend Möglichkeiten über Schlüsselaustausch und Authentifizierung zu gewährleisten das der richtige abstimmt. Das funktioniert schließlich auch bei den Banktransaktionen und das machen viele, obwohl ihnen sicher ein Griff ins Portmonnaie mehr weh tut als eine geraubte Stimme.
Ich halte auch das Volk für vernünftiger als allgemein angenommen. Wenn man mehr Verantwortung hat werden sich auch viele besser informieren (siehe Schweiz). Mit Sicherheit werden sich Politiker mehr Mühe geben müssen um ihre Positionen zu werben und aufzuklären.
Es ist mir klar, dass die Welt komplizierter ist und es viele Rattenfänger gibt. Andererseits glaube ich nicht das Frau Merkel alles besser weis als die Allgemeinheit und damit bisher ihre Fraktion zu der Abstimmung nach ihrer Meinung verdonnern kann.
Ich bin auch dagegen, Wahlen per EDV stattfinden zu lassen, weil sich die Systeme i.d.R. zu leicht austricksen lassen. Letztendlich sollen Wahlen „geheim“ und „gleich“ sein. Identifiziert man alle Wahlberechtigten anhand einer persönlichen Chipkarte, und lässt das System auch noch extensiv von externen prüfen, dann kriegt man das mit dem „gleich“ (also jeder hat nur eine Stimme, keiner kann einfach 1000 Stimmen in die Urne werfen) noch hin. „Geheim“ ist das Verfahren dann aber garantiert nicht mehr. Wer Zugriff auf das Logfile hat, kriegt im Zweifelsfall raus, wer was gewählt hat.
Gängige Wahlmaschinen mit einfachem Summenzähler sind natürlich „geheim“, aber „gleich“ sind sie nicht, wenn jemand Zugang zur Maschine hat und diese manipulieren kann.
Übermächtige Personen zu verbannen oder zumindest deren Macht zu beschneiden, ist sinnvoll. In der Politik klappt das in vielen Ländern halbwegs, wenn es freie Wahlen gibt. In der Wirtschaft klappte es in den USA früher mal (siehe z.B. Rockefeller), aktuell leider auch nicht mehr. Im Gegenteil, man scheint sogar stolz darauf zu sein, dass sieben der zehn reichsten Bürger dieser Erde US-Amerikaner sind. Dass deren Vermögen dann anderen Menschen fehlt, scheint keiner zu kommunizieren. Die wenigen, die es doch tun, werden dann sofort in die Sozialismus-Ecke gestellt.