Wie Jewgeni-7 schon mehrfach schrieb wird in Russland fleißig an neuen Technologien gearbeitet. Ich konnte ihn leider nicht dazu überreden diese in einem Gastblog zusammenzufassen. Er bevorzugt es lieber diese in zig verschiedenen Blogs als Kommentare einzustreuen, ohne Rücksicht auf das Blogthema. Bitte bezeichnet ihn aber nicht als Troll. Er legt offensichtlich russische Vorstellungen über Meinungsfreiheit als Basis und sieht das als einen Verstoß gegen §185 STGB (Beleidigung) (in Russland würde ich wohl längst eine Zelle mit Pussy Riot teilen.
Offensichtlich meint man einen Rückstand aufholen zu müssen oder sieht sich wie andere Firmen und Weltraum Organisationen durch SpaceX gefährdet und entwickelt daher an verschiedenen Fronten neuen Raketen oder zumindest neuen Konzepten und erforscht neue Technologien und Triebwerke. Nun gab es das schon früher. In Russland gab es schon immer Rivalitäten zwischen verschiedenen Kombinaten heute sind es Firmen. So wird gerade die Angara eingeführt, die von Chrunitschev gebaut wird. Nun präsentiert Progress die Sojus 5, die praktisch denselben Nutzlastbereich abdeckt. Schon die Sojus 2-1v ist eine Konkurrenz zur kleinsten Angara Version. Das führte schon früher und führt heute auch noch zum Test zahlreicher Technologien.
Unter diesem Aspekt ist sicher der Vorschlag des chemischen Konstruktionsbüro KBKhA für eine Trägerrakete „разруши́тель“ (Zerstörer). Diese soll die Startkosten radikal reduzieren. Basis ist – wenn wundert es nachdem Wasserstoff „out“ ist und man an Methan, Acetam und anderen Dingen forscht – ein neuer Treibstoff und zwar Tetraoxydacetylen, kurz TOA. TOA ist ein kapriziöses Molekül. Schon seine Herstellung ist schwierig. Erstmals 1972 synthetisiert ist die bisher gängigste Labormethode die, in ein in flüssigen Stickstoff gekühlten Actylengasstrom einen kleinen Sauerstoffstrom einzuladen der am Eintritt durch eine Elektrode zum Teil in Ozon verwandelt wird. Das Ozon reagiert mit dem Acetylen und in zwei Kältefallen werden TOA und Sauerstoff wieder abgeschieden um die Bildung eines explosiven Gemisches zu verhindern. Solange man dies so, machte war TOA sehr teuer, doch beim KBKhA hat man eine Methode für die großtechnische Produktion entwickelt. Näheres ist nicht veröffentlicht worden, aber es werden wohl Rhodium und Ruthenum als Katalysator eingesetzt und die Ionisation durch Quecksilberentladungslampen bewerkstelligt. TOA wird dann immer noch nicht billig, die Herstellung kostet derzeit 500 Rubel, rund 6,70 € pro Kilogramm, doch es lohnt sich.
Was ist nun das besondere an TOA? Das Molekül ist in sich instabil. Es steht unter großer innerer Spannung. Schon einmal hat man zyklisches Propen unter der Bezeichnung „Sintin“ eingesetzt um die Performance der Sojus-Trägerrakete zu steigern. Anders als Sintin ist TOA aber gleichzeitig Brennstoff und Oxydator. Beim Zerfall wird der Sauerstoff das Kohlenstoffskelett oxydieren und es entsteht pro Molekül TOA ein Molekül Wasser, Kohlendioxyd und Kohlenmonoxyd. Beim TOA passiert dies schon beim Verdampfen, das bei 47°C stattfindet. Die freiwerdende Energie wiederum führt zum verdampfen weiterer Moleküle und dadurch zu einer Explosion. Bisher wurde TOA daher als Sprengstoff in Spezialfällen eingesetzt, wo man eine Druckwelle mit genau definierter Größe brauchte.
Damit benötigt man nur einen Treibstoff und keine zwei, was den Aufbau der Rakete deutlich vereinfacht. Vor allem aber ist TOA der ideale Treibstoff für einen Triebwerkstyp, denn man schon lange theoretisch kennt, aber nie eingesetzt hat. Es ist das Puls-Explosions-Raketentriebwerk. Das Pulsraketentriebwerk verhält sich zum normalen Raketentriebwerk wie das in der V-1 eingebaute Puls-Staustrahltriebwerk zu einem Düsentriebwerk, es ist verdammt viel einfacher aufgebaut. Während ein normales Raketentriebwerk kontinuierlich arbeitet, zündet ein Pulstriebwerk mehrere hundert Male pro Sekunde. Jedes Mal baut sich kurzzeitig ein Brennkammerdruck auf, der dann wieder abnimmt bevor der nächste Puls zündet. Die Brennkammerwand wird so jedes Mal nur von der äußeren Wolke der Explosionsfront, getroffen die stark abgekühlt ist. Sie muss wie die Düse nicht aktiv gekühlt werden und kann sehr einfach aufgebaut werden. Der einzige Nachteil von Puls-Raketentriebwerken sind die selbst an der Brennkammerwand hohen Spitzendrücke von bis zu 500 bar, etwa doppelt so hoch wie heute bei kontinuierliche arbeitenden Triebwerken auftretende Drücke. Im Zentrum können es noch mehr sein über 5000 bar. Die hohen Drücke ergeben sich aus der Treibstoffmenge pro Explosion, die zumindest bei Stufen, die vom Boden aus starten, nicht zu klein sein dürfen, damit die Rakete überhaupt abhebt.
Mit normalen Treibstoffen ist ein Explosions-Pulsraketentriebwerk kaum umsetzbar. zu groß ist das Risiko eine unvollständigen Durchmischung für die es kaum Zeit gibt und dadurch ungleichmäßige Verteilung von Temperatur und Druck, die dann bald zu einer Beschädigung der Brennkammer und unregelmäßigem und unsymmetrischen Schub führen. Ein Einkomponententreibstoff wie das TOA weist diesen Nachteil nicht auf, noch besser: es zersetzt sich selbst explosiv ohne mit einer Flamme in Berührung zu kommen, so erreicht man eine gleichmäßige Verbrennung.
Aufgrund der hohen Drücke, aber kleinen Temperaturen haben sich die Techniker des KBKhA für eine Brennkammer und Düse aus CF-Werkstoffen entschlossen. Allerdings nicht wie bisher CFK-Werkstoffe, die wären zwar fest genug, würden dem Druck aber nicht nachgeben und würden zu wenige Zyklen überleben, schließlich soll das Triebwerk wiederverwendbar sein. Es ist stattdessen eine Matrix aus Kohlefasern in Kunstgummi aus Polyisoterpen. Dadurch kann die Brennkammer Verbrennungsspitzen, wie sie immer wieder vorkommen, mit hohem Druck nachgeben und wird größer um sich bei Druckabfall wieder zusammenzuziehen. Auch dieses Verhalten erhöht den Schub und die Energieausbeute. Belegt ist die Wand mit einem weiteren Gummigemisch aus Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk, das als Themalschutz verkohlt.
Die Konstruktion des Triebwerks RD-0815 der „Zerstörer“ ist relativ einfach. Der einzelne Treibstofftank steht unter Druck, anfangs 40 bar, später durch den Treibstoffverbrauch auf 6 Bar absinkend. Es gibt keine aktive Förderung. Zur Zündung wird ein Einwegventil geöffnet. Es schließt sich automatisch, wenn auf der Brennkammerseite ein höherer Druck als in den Tankleitungen herrscht. Das TOA tritt in die Brennkammer ein, verdampft und explodiert dabei. Kurzzeitig baut sich so ein Schub auf, bis durch den abströmenden Treibstoff der Druck abfällt. Das öffnet erneut das Ventil, erneut kann Treibstoff eintreten bis der Gegendruck das Ventil wieder schließt. In der Tat waren Ventile die mehrere Hundert Male pro Sekunde sich öffnen und schließen und dies über rund 300 s, die Betriebszeit der Rakete lang auch die größte technische Herausforderung. Sie sind das einzige Teil der Rakete das nach jedem Flug erneut werden soll.
Mit steigender Tankentlehrung sinkt der Druck in den Tankleitungen ab und damit sinken die Pulse pro Sekunde ab, da jeder immer länger dauert bis der Druck auf den Tankdruck abfällt. So gibt es eine natürliche Schubregelung die dafür sorgt, dass die Rakete niemals eine Beschleunigung von 3 g überschreitet. KBKhA hat über fünf Jahre an der Technologie geforscht. Allerdings erwies sich TOA doch als als schwer beherrschbar. Immer wieder gab es Druckspitzen von 2000 bar, die Brennkammern zerstörten. Der Durchbruch kam als man Methan zu dem TOA mischte. Ursprünglich gedacht um das teure TOA einzusparen senkt eine Zumischung von 33% Methan den spezifischen Impuls von 390 auf 382 ab, aber führt vor allem zu einem gleichmäßigen Verbrennungsverhalten. Es gibt nun keine Druckspitzen über 500 bar an der Brennkammerwand, 90% der Impulse bleiben unter 400 bar.
Bisher hat man ein Demonstrationstriebwerk RD-0815 mit 8,15 kN Schub gebaut und getestet. Die Serienrakete soll ein RD-0471 mit 470 kN Schub einsetzen. Sie ist wie folgt projektiert:
Die Tranks bestehen erstmals vollständig aus CFK-Werkstoffen. Dadurch erreicht die „Zerstörer“ ein Voll/Strukturmasseverhältnis von 40. Dadurch und durch den trotzdem hohen spezifischen Impuls von 3748 m/s kommt die Zerstörer mit nur einer Stufe aus. Die auf 380 t Startmasse projektierte Rakete wird 6,5 t in einen GTO befördern oder 32 t in einen LEO-Orbit. Sie soll auch später vollständig wiederverwendbar sein. Dazu wird nach der Mission ein sphärischer Schutzschild aus zwei Teilen um die Triebwerke gefahren, der mit einem leichtgewichtigen Hitzeschutzschild aus Quarzziegeln wie beim Space Shuttle besetzt ist. Das Abbremsen aus dem Orbit erledigen normale Triebwerke mit Hydrazinantrieb, da das TOA aus Sicherheitsgründen nach Erreichen des Orbits in den Raum entlassen wird (durch die Kälte im Weltraum explodiert es dabei nicht). Sie steuern auch die Ausrichtung beim Wiedereintritt. Durch die Form und den Schwerpunkt sollte der Hitzeschutzschild nach vorne zeigen, mit den Düsen kann man aber die Lage notfalls nachkorrigieren. Eine Landung ist auf Land in einer der Wüsten/Steppenregionen Russlands geplant. Zuerst werden Fallschirme entfaltet, die Landung wird dann noch zusätzlich durch Airbags abgebremst.
Der Startort ist noch nicht abschließend festgelegt. Vor allem für GTO Starts ist von Nachteil, dass die Rakete ohne Oberstufe die Inklination kaum anpassen kann. Daher wird von Russland der Start mit der Odyssey erwogen, die nun RKK-Energija gehört nachdem Boeing aus Sea Launch ausstieg. Dann müsste die Rakete allerdings aus dem Wasser geborgen werden, was bisher noch nicht untersucht wurde.
KBKha gibt die Kosten einer Trägerrakete durch den einfachen Aufbau zu 20 Millionen Dollar an, davon kostet der Treibstoff alleine 3 Millionen Dollar. Bei Wiederverwendung könnte er auf die Hälfte sinken, wenn die Rakete mindestens zehnmal wiederverwendet werden kann. Größere Versionen wären durch die Kombination mehrerer Module möglich, kleinere relativ einfach durch Verkürzen der Tanks. Die Rakete ist vor allem hin zu kleineren Nutzlasten nicht beliebig skalierbar. Um die Brenndauer konstant zu halten arbeiten kleinere Versionen mit niedrigerem Tankdruck. Sinkt dieser unter 15 bar, etwa 40% des normalen Wertes so reicht der Schub beim Start nicht mehr zum Abheben aus. Zudem verschlechtert sich das Strukturverhältnis. Mit verkürzten Tanks hätte die Zerstörer noch 145 t Startmasse bei lediglich 2 t LEO Nutzlast – diese sinkt bei der einzelnen Stufe überproportional stark ab.
Nächstes Jahr soll über die Entwicklung der Zerstörer beraten werden. Man rechnet damit, dass wenn die Rakete erfolgreich fliegt, sie alle anderen Typen ersetzen wird, die Kostenvorteile sind zu offensichtlich.