Rechnen wir mal Nach: Die Vorteile von LOX/Methan
Das Tolle an der Raumfahrt ist, dass man vieles nachrechnen kann. Auch die Vorteile von neuen Wundertreibstoffen wie Ethen oder Methan. Ich will das mal tun und zwar am Beispiel einer zwei bzw. dreistufigen Rakete. Der Vergleich sollte logischerweise LOX/Kerosin sein. Das leistungsfähigste LOX/Kerosintriebwerk ist das RD-0124A mit einem spezifischen Impuls von 3521 m/s. Es ist ein Oberstufentriebwerk. Für am Boden gestartete Triebwerke sieht es schlechter aus, weil die Düsen kürzer sein müssen. Das leistungsfähigste Triebwerk bei Erststufen sind die RD-170/180/190 Familie mit fast identischen Vakuumimpulsen von 3308 m/s.
Dagegen hat das leistungsfähigste jemals experimentell genutzte LOX/Methan Triebwerk hat einen spezifischen Impuls von 380 s (RD-160). Mit Erdgas, das nicht nur Methan enthält, sieht es schon schlechter aus. Hier ist das beste das RD-145 mit 374 s. Umgerechnet in das SI-System sind das 3668 und 3727 m/s. Beides sind Oberstufentriebwerke. Sie sind also maximal 200 m/s besser als das bisher leistungsfähigste LOX/Kerosintriebwerk. 200 m/s sind nicht viel, das ist in etwa das was man durch Übergang vom Neben- zum Hauptstromverfahren gewinnen kann, trotzdem hat man deswegen in den USA nicht das Antriebsverfahren gewechselt. Überträgt man den Impuls von 380 s auf den Betrieb auf Meereshöheso sinkt er auf 357 oder 3502 m/s ab.
Das zweite was man berücksichtigen muss ist, das Methan größere Tanks erfordert. Methan hat eine Dichte von 0,42 g/cm³, Kerosin meist eine von 0,82. Berücksichtigt man die Mischungsverhältnisse von 1:2,6 (Kerosin) beim RD-191 bzw. 1:3,69 beim RD-160 so sind Tanks um 23,1% größer und auch schwerer. Bei normaler Bauweise wiegen bei LOX/Kerosin Tanks in etwa 1,231% ihres Inhalts. Bei Methan sind es dann 1,517%. Das ist wenig, muss aber bei den bei dieser Kombination bei großen Stufen günstigen Strukturverhältnissen berücksichtigt werden.
Ich habe drei Stufen vorgesehen. Bei LOX/Kerosin mit folgenden Eckdaten:
1: Voll-/Leermasse 1/25, spezifischer Vakuumimpuls: 3308 m/s
2: Voll-/Leermasse 1/20, spezifischer Vakuumimpuls: 3521 m/s
3: Voll-/Leermasse 1/16, spezifischer Vakuumimpuls: 3521 m/s
Das sind nicht ganz extrem gute Werte, aber gute Werte. SpaceX will bei Oberstufen 1/25 und bei Boostern 1/30 erreichen, hat es aber noch nicht geschafft. Die Werte sind dafür erreichbar. Für LOX/Methan korrigiere ich diese nur um die schweren Tanks. Nebenbei bemerkt machen die schwereren Tanks um so mehr aus, je geringer der Strukturmassenanteil ist. Bei 1/30 steigt er so schon um 10% an. So ergeben sich für LOX/Methan folgende Eckdaten:
1: Voll-/Leermasse 1/23,5, spezifischer Vakuumimpuls: 3502 m/s
2: Voll-/Leermasse 1/18,9, spezifischer Vakuumimpuls: 3727 m/s
3: Voll-/Leermasse 1/15,2, spezifischer Vakuumimpuls: 3727 m/s
Dann habe ich eine Optimierung laufen lassen wobei ich nur die Startmasse der ersten Stufe mit 200.000 kg vorgab. Die Zielgeschwindigkeit ist für die dreistufige Version 12.000 m/s (GTO+1760 m/s) für die zweistufige Version 9500 m/s (LEO+1800 m/s)
Ergebnis: optimale LOX/Kerosin-Rakete mit 3 Stufen:
Vollmasse | Leermasse | spez. Impuls | Geschwindigkeit |
---|---|---|---|
200000,0 | 8000,0 | 3308,0 | 3804,1 |
61443,9 | 3072,2 | 3521,0 | 4493,9 |
13547,3 | 846,7 | 3521,0 | 3702,1 |
Gesamtstartmasse: 280966,7 kg
Nutzlast: 5975,4 kg = 2,2 Prozent der Startmasse
und mit zwei Stufen:
Vollmasse | Leermasse | spez. Impuls | Geschwindigkeit |
---|---|---|---|
200000,0 | 8000,0 | 3308,0 | 4502,2 |
46452,2 | 2322,6 | 3521,0 | 4998,1 |
Gesamtstartmasse: 258206,6 kg
Nutzlast: 11754,4 kg = 4,8 Prozent der Startmasse
nun zu LOX/Methan: 3 Stufen:
Vollmasse | Leermasse | spez. Impuls | Geschwindigkeit |
---|---|---|---|
200000,0 kg | 8620,7 kg | 3502,0 m/s | 3751,8 m/s |
67681,9 kg | 3581,1 kg | 3727,0 m/s | 4533,2 m/s |
15811,7 kg | 1040,2 kg | 3727,0 m/s | 3715,2 m/s |
Gesamtstartmasse: 291093,9 kg
Nutzlast: 7600,3 kg = 2,7 Prozent der Startmasse
und zwei Stufen:
Vollmasse | Leermasse | spez. Impuls | Geschwindigkeit |
---|---|---|---|
200000,0 kg | 8620,7 kg | 3502,0 m/s | 4457,0 m/s |
51546,4 kg | 2727,3 kg | 3727,0 m/s | 5043,3 m/s |
Gesamtstartmasse: 265832,4 kg
Nutzlast: 14286,0 kg = 5,7 Prozent der Startmasse
Der Gewinn beträgt 5,7/4,8% = 18,7% und 2,7/2.2% = 22,7%
Das ist sicher ein Gewinn, aber doch ein recht kleiner. Vor allem wenn man sieht das schon der Übergang LEO → GTO die Nutzlast um den Faktor 150% absenkt. Nur deswegen also neue Raketen zu konstruieren halte ich für unökonomisch.
Dazu kommt noch, daß Methan ein Flüssiggas ist. Zumindest bei einer wiederzündbaren Oberstufe ist dann eine Wärmeisolation nötig, sonst läßt sich das Zeug kaum ohne größere Verluste über mehrere Stunden flüssig halten. Das macht die Tanks dann noch schwerer.
Ein immer wieder zu hörendes Argument ist die Umweltfreundlichkeit von Methan-Triebwerken. Aber wie sieht es damit in der Realität aus? Bei der Verbrennung von Methan entstehen 55% CO2, das ist zwar etwas weniger als bei Kerosin, bei Verwendung von Flüssigwasserstoff geht es dagegen ganz ohne CO2 ab. Richtig schlimm wird es aber, wenn unverbranntes Methan freigesetzt wird. Das hat eine viel stärkere Treibhauswirkung als CO2. So weit ist es mit der Umweltfreundlichkeit also doch nicht.
Die Umweltfreundlichkeit bezieht sich auf die Gefahren bei Freisetzung bei Fehlstarts. LOX/Kerosin gilt auch als umweltfreundlich obwohl das Kerosin ja auch Erdöl ist. Methan ist da besser, es verdampft einfach. Ganz Bä-bä sind heute UDMH und NTO.
Ich möchte darauf hinweisen, daß Kerosin für Mensch und Umwelt ziemlich giftig und keinesfalls umweltfreundlich ist. Bitte mal die GHS- und EU-Gefahrstoffkennzeichnung für Methan und Kerosin durchlesen. Kerosin müsste in beinahe jedem Falle giftiger als Methan sein. Und die Wirkung als Treibhausgas? Wenn es auf das ankäme, dürften wohl keine Raketenstarts mehr stattfinden. Wenn man bedenkt, was da an CO2 rausgepustet wird (sehen wir mal von liqH/liqO2 ab). Da muß ich ein Leben lang (oder noch länger!) Auto fahren. Das spielt doch nur eine geringe Rolle. Und das ist gut so. Sonst wüssten wir nur wenig, was sich an bzw. auf anderen Himmelskörpern abspielt.
Ich finde die Diskussion zur Umweltfreundlichkeit von Treibstoffe recht unnötig. Die Startbasen liegen oft, wenn auch nicht immer in unbewohntem Gebiet, Gefährdung von Menschen somit unwahrscheinlich. Und problematisch wird UdmH/N2O4 auch nur bei Fehlstarts, da bei erfolgreichen Starts doch kaum etwas freigesetzt wird. Nun mag vielleicht das Ökosystem im Umkreis der Startrampe zerstört werden, doch empfinde ich den Schutz von lokalen Ökosystemen als überbewertet. Entscheidender ist meiner Meinung nach die Vermeidung andauernder Umweltverschmutzung im großen Stil (Plastikmüll im Meer z.B.) und der Schutz von großen Ökosystemen wie Regenwäldern. Insofern finde ich eine mögliche, aber unwahrscheinliche Verschmutzung durch Raketenstarts mit Hydrazin als tolerierbar, zumal bei Katastrophen ja durch Selbstentzündung ein großer Teil verbrennt. Für Kerosin gilt dasselbe, bloß das es deutlich ungefährlicher ist.
Im Vergleich zum Treibhausgasausstoß anderer Wirtschaftszweige ist Raumfahrt vollkommen unerheblich. 5 A380 Langstreckenflüge sollten etwa dem Treibstoffverbrauch einer Rakete der Atlas 5 Größenklasse entsprechen. Und es gibt etwa 320 Flugzeuge alleine dieses Typs …
Sehr interessant. Ich lese diesen Blog immer wieder gerne. Allerdings kann ich die Bewertung, mehr als 20 Prozent Nutzlastgewinn seien klein, nicht teilen. Auch noch kleinere Vorteile werden ausgenutzt und dafür z. B. in der Luftfahrt ganz neue Antriebe konstruiert.
20% sind klein, wenn ich dafür eine neue Rakete konstruieren muss. Wenn ich 20% einfach bekomme, natürlich nicht. Aber das ist ja das Problem: man braucht eine neue Rakete, kann nicht einfach bei einer bestehenden Rakete Brennkammerdruck etwas erhöhen und so längere Tanks mitführen wodurch man auch 20% mehr bekommt, z.B. bei Ariane 1-> Ariane 2.
Würde man bei LOX-Kerosin in der ersten Stufe bleiben und nur bei den beiden Oberstufen LH2/LOX einsetzen so kommt man bei der GTO-Bahn auf 3,3% Nutzlast, das sind dann 50% mehr und ich brauche nur zwei neue Stufen und nicht drei.
Sowohl für die Vulkanrakete von ULA als auch für das von Blue Origin selbst entwickelte Programm einer wiederverwendbaren Trägerrakete sind Wasserstofftriebwerke in der zweiten Stufe vorgesehen. Und Neuentwicklungen im Flugzeugbau inklusive neuer Triebwerke werden schon für 20% Treibstoffersparnis angestrengt, auch wenn Treibstoffkosten weniger als die Hälfte der Kosten einer Airline ausmachen.
@Aron:
Den Unterschied zwischen Luft- und Weltraumfahrt doch noch nicht ganz verstanden?
Nochmal: Während bei einem Flugzeug (Also Gesamtsystem sprich Flughafen, Maintenace, Hardware selbst usw.) die Betriebskosten den Löwnenanteil ausmachen, Entwicklungs- und Herstellungskosten aber eher zu vernachlässigen sind ist es in der Raumfahrt mit seinen kleinen Stückzahlen eher andersherum:
Der Treibstoff liegt so im Bereich 1 -3 % der Gesamtkosten eines Starts, die Entwicklungs- und Herstellungskosten aber weit über 50%
Auch die Zuverlässigkeit stelle ich anders sicher. Im Flugzeugbau durch Überdimensionierung der Bauteile, in der Raumfahrt durch Qualitätskontrolle, Qualitätskontrolle, Qualitätskontrolle. Wenn ichs noch richtig im Kopf habe, lag deren Kosten der Qualitätssicherung bei Entwicklung und Herstellung der Apollo-Hardware weit jenseits der 50%.
Alles der Tatsache geschuldet, daß eben nur 2 -5 % des Startgewichts im Orbit ankommen. Mit Techniken des Flugzeugbaus wären es aber nur 1 – 2 %
So folgert auch, daß ich billiger ein bewährtes Triebwerk tunen kann, dadurch die Treibstoffkapazität und in Folge die Nutzlast erhöhe statt völlig neue Hardware zu entwickeln.
Und wenn ich dann neue Hardware entwickle, dann muss es ein grosser Wurf sein.
Letztendlich wird es deswegen auch nichts mit der Wiederverwendung werden:
Wenn ich die projektierten Startzahlen bei Wiederverwendung betrachte (billigere Starts sollen zu mehr Starts führen…..quod sit demonstrandum!) könnte ich den Effekt noch besser mit Serienfertigung erreichen.
Bernd
@ Bernie: Wohin soll man die RD-170-Fmailie denn noch tunen? Und für die USA: Wenn man schon ein neues Triebwerk entwickelt, dann doch eins mit Methan. Qualitätssicherung ist bei neuen Systemen nur in der Anfangsphase teurer, sobald man Erfahrungen damit gesammelt hat, dürften die Preise ähnlich sein. Im Übrigen vollziehen sich Entwicklungen in der Raumfahrt bereits langsamer als in anderen Industriebereichen. Die Delta IV und die Atlas V fliegen seit mehr als zehn Jahren und für das SLS überlegt man sogar, F-1 Triebwerke wieder zu verwenden.
Aaron, wiederum vergisst du etwas. Jede Rakete ist ein Einzelstück, das heisst der gesamte Apparat der Qualitätskontrolle wird bei jedem Exemplar genau wie beim ersten durchgeführt. Selbst die Sojus Rakete gilt nach den Kriterien der Luftfahrt auf die du dich ja beziehst (und nochmal, Luftfahrt ist mit Raumfahrt nicht vergleichbar) lediglich als Erprobungsmuster..
Also was von Aaron vergessen wird sind die Entwicklungskosten. mal ein aktuelles Beispiel: Ariane 6 wird pro Träger in der Fertigung 91 Millionen Euro kosten, Ariane 5 ECA derzeit 147,6. Bei 4 Milliarden Euro Entwicklungskosten braucht man 71 Flüge bis man diese wieder durch Einsparungen hereinbekommt.
Das sind 6-7 Jahre bei voller Auslastung. Dabei ist der Träger um 40% billiger. Bei 20%, entsprechend 29,5 Millionen Euro Einsparung pro Start braucht man 136 Starts oder mindestens 12 Jahre bis man das Geld wieder rein bekommt.
Und ja, man darf nicht die Qualitätssicherung herunterfahren wenn man Routine hat, sonst schleichen sich Fehler ein wie zu voll gefüllte Oberstufen, verkehrt herum eingebaute Beschleunigungsmesser oder nicht getestete Streben die bei einem Fünftel der Nennbelastung brechen ein. Jeder dieser Fehler verursache in den letzten drei Jahren einen Fehlstart.
Bei welcher Rakete waren es die streben?
Falcon 9
Man könnte noch mehr anführen. So nicht gecheckte Computerprogramme (Ariane 5, Atlas Centaur), falsch herum eingegebene Ziffern (Molnja) oder bei russischen Triebwerken sehr beliebt: Fremdkörper die Turbopumpen zur Explosion bringen (Antares, N-1, Ariane 4).
Designfehler schlagen meist in der Frühzeit eines Trägers zu, danach immer weniger. Araine 1-4 und 5 sind hier gute Beispiele.
@Bernd Leitenberger: Soweit richtig, aber die meisten Träger sind länger als zwölf Jahre im Dienst und zwischenzeitlich haben sich auch zahlreiche weitere Einsparpotenziale ergeben. Ich habe auch nicht gemeint, dass man die Qualitässicherung herunterfahren sollte, sondern nur, dass diese bei neuen Systemen nicht automatisch teurer ist (außer bei den ersten Flügen). Deswegen lässt sich das Argument der Einzelstücke kaum anführen. Es gibt keinen Grund zu sagen: „Alle Raketen sind eh Einzelstücke, da benutzen wir lieber die alten Einzelstücke weiter“.
Um auf das Thema des Blogs zurückzukommen: es geht nicht so sehr um 20% mehr Nutzlast, es geht eigentlich um eine Krise der russischen Raumfahrt die sich hoffnungslos verzettelt, (siehe auch heutiger blog).
Die Rechnung mit den 12 Jahren geht übrigens nur auf wenn man alle Starts nutzt. Derzeit bezahlt die ESA die Entwicklung nutzt aber nur 2 von 12 Starts pro Jahr, so braucht sie dann eher 60 Jahre. Auch bei einer LOX/Methan wird man nicht auf 12 Starts nur für Russland kommen. Zudem ist die teurer, denn komplett neu. Die Ariane 6 kann auf schon entwickeltes wie den P80 FW und Vinci zurückgreifen. Die Angara mit nur einem abgeleiteten Triebwerk und einer neuen Stufe hat Russland schon 3,5 Milliarden Euro gekostet, was kostet da erst eine komplett neue Methanrakete?
Ich gebe Bernd recht: Wegen 20% Nutzlastgewinn lohnt es sich nicht, von einer eingeführten und gut funktionierenden RP-1-Rakete auf eine Methan-Rakete umzustellen. Wenn man Triebwerk und Rakete aber eh neu entwickelt, halte ich es nicht für falsch, auf Methan statt RP-1 zu setzen, weil man eben 20% Nutzlast gewinnt. Macht man ambitionierte Dinge (nur zwei Stufen, Rückflug der Unterstufe zum Startort etc.), ist der Nutzlastgewinn wahrscheinlich noch höher.
Übrigens kann man Methan ebenfalls etwas unterkühlen, und so ca. 4% mehr Treibstoff in dasselbe Volumen tanken. Das gilt aber auch für RP-1.
@Elendsoft/Wärmeisolation: Das Problem hat man bei wiederzündbaren Oberstufen auch mit dem LOX. Methan macht es also nicht schlimmer!
Ob man für einen oder zwei Tanks eine Wärmeisolation braucht, ist schon ein Unterschied.
Man braucht für keinen Tank eine Wärmeisolation. Methan hat in etwa die gleiche Temperatur wie flüssiger Sauerstoff und der wird nur isoliert wenn gleich daneben ein Wasserstofftank ist und man so nicht viel mehr Aufwand hat (bei der ersten centaur version bedeckten die abwerfabren Paneele sogar nur der lh2 tank).
Ich kenne keine lox/kerosin Rakete mit isolierten Sauerstofftanks
Der Beitrag von Aaron Kurz hat aber keinen fachspezifischem Bezug, ist für Raumfahrtingenieure nicht interessant und das Jonglieren mit Zahlen kann doch jeder. Wenn wir ein Vergleich des RD-180MS mit seinen hohen Isp von 320s zu Methan RD-0164 machen der auch etwa 320s hat, sehen wir nur Zahlen und Zahlen und kein Unteschied von Kerosin und Methan. Der RD-0164 ist aber etwa um die Hälfte leichter als der RD-180MS. Was steckt aber dahinter? Hier die Fakten:
1) Die Verwendung von Methan hat zu Folge, das wir durch die radikale Senkung des Brennkammerdrucks von etwa 250 Bar bei RD-171 auf 160 Bar bei RD-0164 eine deutliche Vereinfachung der Triebwerksanlagen und eine deutliche Erhöhung der Zuverlässigkeit auf einen Koeffizient von 0,999 erreichen, mehr als bei Energija
2) Damit werden die Triebwerkskosten als auch die Startkosten deutlich gesenkt.
3) Nach ökonomischer Einschätzung dieser Technologie, senken wir mit Methan die Kosten der Triebwerksanlagen (das teuerste Komponent einer Trägerrakete) etwa 1,5 mal. Also kein Vergleich zu Energija/Zenit mit den extrem aufwendigen Kerosin Triebwerken deren Entwicklung beinahe gescheitert wäre. Als Alternative wurden zeitgleich die MD-185 Triebwerke entwickelt, hatten etwa 40% weniger technische Teile und somit zuverläsiger als die RD-170.
4) Bezug zu Gegenwart. Die technische Entwicklung der sehr einfachen Sojus-5.1 ist kurz vor Vollendung, unwichtig ob er kommt oder auch nicht. So hat der Träger etwa um die Hälfte weniger an technischen Teilen als die Sojus-2, so die Info des Generalkonstrukteurs. Weniger Teile somit auch einfacher und billiger und die Starkosten deutlich unter der Sojus-2, mit Fregatoberstufe bei etwa/unter 50 Millionen$.
5) Kerosin ist nicht geeignet für die Wiederverwendung von landenden Booster (MRKN), beim Eintritt in die Atmospähre kann sich der verbleibender Film entzünden, eine teure Reinigung ist aber nach der Landung obligatorisch. Bei der Landung auf dem Flugplatz verflüchtigt sich Methan in den ganzen Leitungen vollständig.
6) Ausgehend von den heutigen Erkenntnissen kann ein Methantriebwerk bis zu 40-50 mal eingesetzt werden. Wenn keine Landung der Stufen, so wäre es möglich nach dem Brennschluss das Triebwerk von der Stufe zu trennen mit anschliessender Landung mit Falschirmen. Das ist der heutiger Stand.
7) Bezogen auf die weitere Zukunft (50-80 Jahre) sind die Perspektiven von Kerosin nicht zu gross, es gibt keine Reserven in Russland mehr, die Kosten der künstlichen Gewinnung werden aber steigen (NPO Energomasch Info). Trotz des Ölpreisverfall werden die Preise eines Tages auch steigen, auch das Öl ist begrenzt. Für neue Träger die auch 50 Jahre arbeiten werden, ist Methan mit seinen Vorteilen die beste Alternative und für Oberstufen natürlich auch Wasserstoff.
8) Ausgehend von neuen Informationen einer Methan- Schwerlastträgerrakete werde etwas später dazu noch eingehen.
Ich pushe mal hier, weil die aktuellen Infos durch die letztwöchige Präsentation uns mehr Infos zum Raptor Triebwerk gegeben haben.
https://en.wikipedia.org/wiki/Raptor_(rocket_engine)
Es ist interessanterweise das komplette Gegenteil der Pläne unserer russischen Freunde ist.
Dort soll der Umstieg auf Methan einen niedrigeren Brennkammerdruck bei gleicher Leistung zu Folge haben.
SpaceX dreht ihn hingegen sogar nochmal auf.
Na ja was draus wird wird sich noch zeigen. Von den technischen daten ist das Triebwerk sehr ambitioniert:
mit 300 bar höchster je erreichter Brennkammerdruck
Expansionsrate von 200
Verbrennung fast am Stöchiometrischen Vverhältnis von 4:1 (3,8 zu 1)
Das wird nur mit dem Hauptstromverfahren, zwei gestaffelten Turbopumpen und einem Verfahren erreicht bei dem man den gesamten Treibstoff schon vor der Brennkammer umsetzt, das gab es bisher nur bei Experimentaltriebwerken.
Vor allem für die erste Stufe die ja wiederverwendet werden soll wäre wohl etwas weniger High-Tech insgesamt besser, je kleiner die Anforderungen an das Triebwerk desto weniger komplex und wartungsintensiv ist. Der Verlust an spezifischem Impuls beträgt ja gerade mal 20 m/s (3747 nach den Wikipediaangaben verglichen mit 3727 in meiner Simulation)
Aber SpaceX kriegt das schon hin. Wer die Leute für 140.000 $/Person zum Mars bringt (alleine der Treibstoff kostet etwa ein drittel der Summe) und eine 1000-mal wiederverwendbare Rakete baut, der kriegt das schon hin.
Interessant wird auch, wie er eine schon vor dem Start explodierte Rakete 1000 mal wiederverwenden will. Da wird aus der Wiederverwendung eher eine Wiederverendung.
@Bernd:
Im Prinzip ist ja der ganze IPT auf „maximale Power“ ausgelegt.
– Ein Triebwerk, gegen das selbst das SSME alt aussehen soll. (Was ja afaik bis heute als „bestes Triebwerk aller Zeiten“ gefeiert wird.
– Extreme Leichtbauweise mittels Kohlefaserstruktur.(auch der Tank.)
– Stark verdichteter kryogener Treibstoff.
@Elendsoft:
Du hast es ja selbst mal gesagt
Nicht mal beim SSME hat man das 10 mal hintereinander hingekriegt.
Laut unserem russischen Freund wäre ihr Methantriebwerk zwar bis zu 40-50 mal einsetzbar, aber dieses ist auch laut deren Planung weniger technisch komplex und statt auf Kraft eher auf Zuverlässigkeit ausgelegt.
Wie viel bringt der Übergang zur full flow staged combustion eigentlich? Und wie soll auf der anderen Seite das Problem der sauerstoffreichen Verbrennung in Kombination mit vielfacher Wiederverwendung gelöst werden?