Bernd Leitenbergers Blog

Allenthalben neue Raketen und Triebwerke

… werden derzeit entwickelt. Den Eindruck habe zumindest ich gewonnen. In Russland wechseln sich die Projekte ja schneller ab, als man darüber berichten kann. So wurde nach Jewgenis Angaben Ende 2015 die Angara 5V oder 5W beschlossen, also mit einem zentralen URM das LH2 als Treibstoff nutzt (natürlich damit was neu entwickelt wird, nicht von den RD-0120 angetrieben). Doch die ist (ebenfalls nach Jewgenis Angaben) schon Anfang 2016 wieder Geschichte. Von den verschiedenen Angara 7 Versionen oder den sechs verschiedenen KTVK-Stufen mit (natürlich) dem neuen RD-0146 Triebwerk (es wäre ja zu einfach gewesen, das existierende RD-56 zu nehmen) gar nicht zu reden. Dafür wird nun ja die Sojus 5 gebaut. Na ja warten wir mal ab ….

In den USA hat die Ukrainekrise auch ein Umdenken ausgelöst. Vorher hat man sich wenig Gedanken gemacht das die Antares und Atlas russische Triebwerke einsetzen. Dann schlug die Reaktion ins Gegenteil um. Ein Bann wurde für die RD-180 verhängt. Die NK-33 von Aerojet lagern ja schon seit langem in den USA. Netterweise vom Kongress unter der Leitung von McCain beschlossen (der Typ wollte 2008 mal Präsident werden!) betrifft der Bann nur die militärischen Einsätze. Orbital konnte also während des Banns also problemlos einen Vertrag mit Energomasch über die Lieferung von RD-181 (= 2 x RD-193) abschließen, den Orbital bewirbt sich nicht um DoD Aufträge. Ja das ist möglich im Land der unbegrenzten Unmöglichkeiten. Aber so haben es die USA doch Russland wirklich gezeigt! Man hat einem Triebwerkshersteller die Profite etwas gekürzt, dafür hat man aber keine Raketen zur Verfügung um eigene nationale oder militärische Satelliten zu starten. Als ULA dann bei einer Air Force Ausschreibung sich gar nicht mehr beteiligen wollte, weil die verfügbaren Rd-180 nicht mehr für den zusätzlichen Start reichen dämmerte wohl, das man sich da ins Knie geschossen hat. Zugegeben, man hätte auch schlauerweise mit dem Beginn des Embargos mehr Delta 4 produzieren können, auch wenn das teurerer als die Atlas ist. (Ein Embargo muss man sich auch selbst leisten können) Doch noch schlauerweise hat man in etwa gleichzeitig bei ULA beschlossen deren Produktion einzustellen. Das ist übrigens noch nicht zu Ende. Nachdem man den Bann kurzzeitig gehoben hat, feuert McCain nun weiter und will als Vorsitzender des entsprechenden Ausschusses den Bann erneut durchsetzen “a complete and indefinite restriction on [Russian President Vladimir] Putin’s rocket engines”. Ja der gute Putin hat nichts anderes zu tun als persönlich die RD-180 zusammenzubauen. Hätte ich dem nicht zugetraut, die haben eine 100% Erfolgsquote. Mann haben wir Glück gehabt, das der nicht Präsident geworden ist.

Nun ist das Embargo wieder weitgehend aufgehoben. Es hat aber zum Umdenken geführt. ULA will die Vulcan entwickeln. Sie soll die Atlas ablösen und ein US-Triebwerk in der ersten Stufe einsetzen. Derzeit favorisiert ULA eines von Blue Origin anstatt Aerojet, die ja inzwischen Rocketdyne übernommen haben und damit Hersteller fast aller Triebwerke mit flüssigen Treibstoffen sind welche die USA jemals produzierten.

Dafür hat man die Förderung von neuen Triebwerken beschlossen. Zuerst 2014 eine erste Charge, nun vor einer Woche ein neuer Kontrakt über 241 Millionen Dollar von der Air Force. Orbital bekommt 46,9 Millionen Dollar, erhöhbar auf 180 Millionen für die Entwicklung von drei Technologien für die Antares. Die Firma selbst kündigt einen neuen Feststoffantrieb für Booster an, eine Erweiterung des GEM-63XL und eine ausfahrbare Düse für das BE-3. Sie will selbst 31 Millionen (erweiterbar, wenn es weitere Gelder gibt, auf 124) eigenes Geld investieren. Das ist jetzt nicht das was ich erwartet hätte. Ich dachte dann eher man würde ein US-Triebwerk in der Antares einsetzen, es gäbe ja noch Aerojet die eines in der Größenklasse entwickeln.. So wird aber die Antares nach wie vor von den gefährlichen Triebwerken von Putin angetrieben.

SpaceX bekommt 33,6 Millionen (erweiterbar 61 Millionen) für Arbeit an der Raptor. Das will die Firma mit 67 (123 Millionen) eigenem Geld kombinieren. Was mich wundert ist das nach der Ankündigung das ist für “ cost investment with SpaceX for the development of a prototype of the Raptor engine for the upper stage of the Falcon 9 and Falcon Heavy launch vehicles.“. Da wurde doch mal die Raptor als Triebwerk für eine Rakete die 100 t zum Mars transportieren sollte angekündigt. Dann wurde sie mit nur 2,3 MN Schub genauer präzisisert, da hätte man schon einige Dutzend Raptoren für die Marsrakete gebraucht. Nun ist sie ein Oberstufentriebwerk für die Falcon 9. Die Oberstufe wiegt dort etwa 100 t. Dafür sind 2300 kN viel zu schubstark. Schon jetzt gibt es mit dem im Schub reduzierbaren Merlin Spitzenbelastungen von 6 g bei großen und 8,5 g bei kleinen Nutzlasten. Sie wird wohl wieder etwas kleiner werden. Nun ja die Raptoren waren auch die kleinsten Raubdinosaurier. Der Velociraptor ist ein etwa so groß wie ein großer Hund und auch in etwa so schwer.

Auch im Land der aufgehenden Sonne wird eine neue Rakete entwickelt. Die H-3 wird ein neues Haupttriebwerk erhalten und soll flexibler und billiger als die H-IIA sein. Bis 2020 soll die Entwicklung 1,35 Milliarden Euro kosten.

Ja und man kommt nicht umhin auch die Ariane 6 zu erwähnen. Sie fällt in der Reihe auf wie Gabriel bei den Mädels von GNTM. Nein nicht durch Intellekt sondern Körperumfang. Das dritte Konzept in eineinhalb Jahren setzt nun auf eine 5,4 m große Zentralstufe mit dem Vulcain 2. Darauf eine 5,4 m große Oberstufe mit dem Vinci und neue Booster mit der halben Masse der EAP dafür eben doppelt so viel. Und für diese Neuauflage der Ariane 5 ME (gleiche Oberstufe, in der Zentralstufe nur getrennte Tanks anstatt Integraltank, neue Booster als einziges neues) kostet 4 Milliarden Euro. Alleine der Booster fast 700 Millionen, mehr als die ganze Vega mit drei Stufen in der Entwicklung kostete. Wie bekommt Japan die H-3 mit neuem Triebwerk für ein Drittel hin? Meiner Ansicht nach sollte wie bei den USAF Aufträgen die Raumfahrtindustrie sich selbst beteiligen und zwar substantiell so in der Hälfte der Aufwendungen. Vielleicht haben sie auch dann Interesse dran die Aufwendungen bei Entwicklung und Einsatz zu senken. Derzeit kommt mir die europäische Industrie wie ein Selbstbedienungsladen vor. Vor allem wenn Arianespace trotz Marktstart (oder gerade deswegen?) von SpaceX seit zwei Jahren schwarze Zahlen schreibt und dieses Jahr Aufträge für 33 Träger an Land ziehen konnte (SpaceX 9). Also Ariane 5 läuft wozu eine Ariane 6 und warum ist sie so teuer?

Tja und dann hat noch Blue Origin das hinbekommen was SpaceX seit Jahren versucht und wie das Evangelium anpreist: Ihr Gefährt startet, landet und startet erneut. Und nein, das sind nicht zwei Paar Stiefel. Die Abtrenngeschwindigkeiten und aerodynamische Belastung sind bei der Falcon 9 Erststufe und New Shepard fast gleich. Das kann man leicht sehen wenn man die SpaceX Angaben für Abtrenngeschwindigkeit mit der Geschwindigkeit vergleicht, die man braucht um 100 km Höhe zu erreichen.

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