Bernd Leitenbergers Blog

Es lebe digital

Wie leben ja im Digitalzeitalter, bedingt dadurch dass Computer Daten verarbeiten. Analog gilt als veraltet, schlecht. Analoge Signale haben rauschen, Analoge Vinylplatten zerkratzen. Digitaler Sound ist satter ohne Rauschen, digitales Video höher aufgelöst. Ganz zu schweigen von den Möglichkeiten bei der Datenverarbeitung: Dokumente sind schneller gefunden, können miteinander verknüpft werden und ausgewertet werden und sie brauchen viel weniger Platz auf einer Festplatte als die Aktenordner im Schrank.

Jahrtausende kam die Menschheit mit Analogen Signalen aus. Vielleicht sind die nicht ganz so schlecht. Fangen wir mal mit den Grundsätzen an. ein digitales Signal hat nur zwei Zustände 0 oder 1. Ton an oder aus, Schwarz oder weiß. Das ist ideal wenn man Informationen verarbeitet, wenn man nicht gerade Schwarz-Weißzeichnungen digital abspeichert brauchen wir für Dinge die wir sensorisch verarbeiten (bisher nur Töne und visuelle Signale) eine Kodierung und Geräte die das wieder in analoge Signale umwandeln. Bei Tönen kann man das Frequenzspektrum erfassen und die Intensität jedes Tones speichern, da der Mensch Töne bis etwa 20 kHz hören kann, braucht man um die Wellenform des höchsten Tones zu erfassen mindestens die doppelte Abtastfrequenz das sind 40 KHz, mit etwas Puffer werden heute 44 oder 48 KHz genommen und man nimmt 16 Bit für die Intensität, das erlaubt es einen Lautstärkebereich von 48 db abzulegen. Bei visuellen Signalen gibt es einige Systeme. Man kann die Intensität jedes Bildpunktes in den Grundfarben Rot, Grün und Blau angeben. Bei 8 Bits pro Farbwert kommt man so auf theoretisch 16,7 Millionen Farben. Man kann aber auch Helligkeit, Sättigung und Luminanz als Maßstab nehmen. Ein Bild entsteht dann aus mehreren bis Millionen einzelner Bildpunkte.

An und für sich scheinen digitale Signale besser zu sein. Sie scheinen auch effektiver zu sein. Als ich ins Internet ging, setzte man noch Voicemodems ein, also Modems die Töne über die Telefonleitung schickten, meist am Anfang noch hörbar durch einige Töne die dann in ein Rauschen übergingen bis der Verbindungsaufbau stand. Das alte analoge Telefonnetz nutzte nur das Frequenzspektrum von 0,3 bis 3,4 KHz. Mit einem Modem konnte man theoretisch 56 kbit übertragen, bei guten Verbindungen in der Realität 42 bis 45 kbit/s. Ebenso erlaubte der Übergang vom analogen TV auf DVB-T das man anstatt 1 etwa 3-4 Kanäle pro Frequenzband übertragen konnte. Digitale Medien erlauben es heute Daten viel dichter zu speichern als analoge. Man muss nur den Informationsgehalt einer Schallplatte mit dem einer Festplatte von gleicher Größe vergleichen.

So scheint es, als wäre Digital nicht nur für Informationen das bessere Medium, sondern auch für Dinge die wir eigentlich analog wahrnehmen. Man braucht eben dann immer noch ein Gerät um die digitalen Signale in analoge umzusetzen. Auf einer SD-Karte kann man keine Bilder anschauen, auf einem Diafilm schon, aber das ist nicht verallgemeinbar. eine Musikkassette oder Schallplatte ist analog, aber ohne Abspieler auch nicht zu gebrauchen. Bei Musikinstrumenten stimmt es aber wieder: ein Keyboard ohne Strom und Verstärker funktioniert nicht, ein Klavier durchaus.

Es gibt aber auch Gefahren. Verschlüsselungstrojaner wie Locky haben in diesen Monaten Millionen von Benutzer um ihre gesammelten Bilder und Dokumente gebracht. Daneben gibt es die Gefahr das Speichermedien nicht mehr gelesen werden können. Der berühmte Festplattencrash oder einfach das es keine Lesegeräte mehr gibt oder die nicht mehr angeschlossen werden können. (man versuche mal eine Diskette vom C64 mit 1541 Floppy-Diskstation auf einem PC einzulesen). Um früher einen Aktienbestand zu Schreddern braucht man Stunden, heute reicht ein Knopfdruck oder ein Schlag mit dem Hammer auf die Speicherkarte/Festplatte.

Sowohl analoge wie digitale Medien altern. Tinte bleicht aus, Papier zerfällt, Inschriften verwittern. Bei digitalen Medien nimmt die Magnetisierung ab, flash-Speicher verlieren Elektronen. Dazu kommt bei beiden Arten von Speichermöglichkeiten die Möglichkeit der Beschädigung durch äußere Einflüsse. Bei Analogen Medien kann man vieles rekonstruieren. Selbst wenn das Signal-Rauschverhältnis abnimmt kann man bei analogen Medien noch viel entziffern, z. B. bei verbleichten Papieren. Man benötigt bei einem Buchstaben nicht die volle Information sondern es reicht die Umrisse mit höherem Kontrast zu rekonstruieren, bei beschädigten Papieren kann man manche Buchstaben noch anhand eines Teils rekonstruieren. Bei digitalen Medien sieht es anders aus. Auch hier gibt es nur zwei Zustände: Man kann die Information noch lesen oder man kann sie nicht lesen. Wenn das letztere eintritt, dann ist sie meist vollständig verloren. Es gibt nur selten die Möglichkeit nur Teile wiederherzustellen. erst recht nicht kann man größere Datenbestände aus Bruchstücken zusammensetzen, wie dies bei den geschredderten Dokumenten der STASI der Fall ist.

Das schlimme bei digitalen Medien ist das die Bits nicht gleichberechtigt sind. Wenn bei einer Zahl das höchstwertige Bit nicht lesbar ist, so ist der Einfluss auf den wert größer als beim niedrigwertigsten Bit. Bei Farben ist es genauso. Bei Buchstabencodes kann ein völlig anderer Buchstabe herauskommen. Noch schlimmer: heute wir die Information komprimiert. Ist in einem Zip-Archiv ein Bist falsch so kann das je nach Position einen größeren Bereich oder das ganze Archiv unbrauchbar machen. Bei DCT-Komprimierung, der Grundlage für die meisten komprimierten Audio- und Videosignale ist immer ein ganzer Block unbrauchbar, wenn ein Bit verfälscht ist.

Nicht umsonst werden heute Kulturgüter heute immer noch auf Mikrofilm abgelichtet und so in Stollen „langzeitarchiviert“. Alternativ erprobt man die Lithografie oder das Gravuren von Metalloberflächen bzw. bei Lithographie von Siliziumplatten. Dieses Verfahren soll eine noch höhere Datendichte ermöglichen und die Metallplatten sind robuster als Film auf de Basis von Nitrozellulose.

Doch ewig kann dies auch nicht gehen. Solange die Medien noch lesbar sind, gibt es ja eine Möglichkeit: die Daten auslesen und auf ein neues Medium kopieren. Man muss es nur tun. 1985 stellet die NASA fest, dass sie 1,2 Millionen Magnetbänder, darunter auch welche mit Ergebnissen der Viking Mission nicht mehr lesen konnte. 1994 kam das wieder vor. Diesmal waren die Daten der Pionier 11 Sonde betroffen, die Saturn passierte. Sie waren auf 4 verschiedenen Medien gespeichert worden, doch für keines gab es mehr Abspielgeräte.

Dass physikalische Lesen ist eine Sache. Das zweite ist es auch das Dokumenten Format zu entschlüsseln. Das Probleme sehe ich bei den heute standardisierten Grafik- Bild und Dokumentformaten nicht, zumindest gibt es oft die Möglichkeit auch in einem Standardformat zu speichern. Es betrifft aber Formate die von Programmen genutzt wurden die nicht mehr weiter entwickelt wurden oder deren hardwareplattform ausstarb.

Die Langzeitarchivierung funktioniert aber auch nur richtig, wenn die Bedingungen auch gegeben sind. Eine Naturkatastrophe kann auch ein Archiv zerstören, Krieg oder andere Ereignisse können dazu führen, dass man andere Prioritäten hat und die Archivierung vergisst oder der neue Eigentümer (nach einem Krieg) interessiert sich nicht für die Daten. Das wurde schon analogen Medien zum Verhängnis. Die Bibliothek von Alexandria wurde schon zu Cäsars Zeiten ein raub der Flammen. Die ältesten Fragmente des alten Testamentes stammen aus Qumran und wurden dort versteckt, nicht archiviert. Alles was archiviert wurde, ging verloren als die Römer den jüdischen Aufstand 68/69 niederschlugen..

Mein persönliches Resümee ist: digital ist gut und schön, aber einige analogen Kopien sind nicht schlecht. Fotos finde ich besser als ein Tablett, zudem robuster und man kann sie verschenken nicht nur zeigen. Bücher kann man auch auf der Liege lesen und sie sind länger haltbar als eine Datei. Auch ein Grund warum ich Bücher schreibe.

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