Swing-By Berechnungen Teil 2

Ich habe an meinem Programm für die Simulation von Bahnen weiter gearbeitet und will mit ein paar Grafiken einige Ergebnisse zeigen. Das erste ist der Mechanismus des Swing-Bys. Es gibt zwei Möglichkeiten:: Eine Sonde kann sich dem Planeten so nähern, dass der Schnittpunkt ihrer Bahn mit der des Planeten so liegt, das der Planet den Schnittpunkt schon passiert hat. Von der Sonne aus gesehen kommt sie „von hinten“. Solche Bahnen addieren einen Teil der Bewegungsgeschwindigkeit des Planeten zur Sondengeschwindigkeit. Die Sonde wird schneller. Genau der andere Fall liegt vor, wenn die Sonde den Planeten passiert bevor er den Kreuzpunkt der Planetenbahn mit der Sondenbahn erreicht hat. Dann wird die Sonde abgebremst. Im Sonnensystem bedeutet eine Abbremsung bei einem der äußeren Planeten eine Verringerung des Perihels, eine Beschleunigung dagegen eine Erhöhung des Perihels. Bei Jupiter erreicht man dann bald Perihel die in Jupiters Entfernung von der Sonne liegen und Aphele die negativ werden – das sind Hyperbeln die aus dem Sonnensystem herausführen. Im inneren Sonnensystem liegt der Planet nahe des Perihels. Eine Abbremsung bedeutet daher eine Verringerung des Aphels – die Sonde kommt nicht mehr zur Erde zurück. Eine Beschleunigung dagegen eine Verringerung des Perihels. So kann die Venus eine Sonde zu Merkur weitersenden.

Periheldruchgang - Zielentfernung

Die Abbildung ist zugegebenermaßen etwa verwirrend. Da ich nur den Abstand als Länge des Vektors zwischen Planet und Sonde bestimme, nicht aber ob die Sonde vor oder nach dem Planeten ihn passiert ergibt sich eine U-förmige Kurve bei der einmal der Minimalabstand erreicht wird und sich die Sonde dann wieder nicht so stark dem Planeten nähert. Die blaue Kurve gibt das Perihel an. Ohne Veränderung liegt das bei 150 Millionen km. Die grüne Kurve gibt die Entfernung nach einer festen Simulationsdauer an. Zusammen machen die Kurven Sinn. Zuerst verändert Jupiter das Perihel kaum, er hebt es aber langsam an.  Bahnen verlaufen noch innerhalb Jupiters Bahn mit einem angehobenen Perihel. Das kann man z.B. nutzen um die Trojaner zu erreichen die bei Jupiter ihre Kreise ziehen. Dann kommt man in den Bereich wo man beschleunigt und die Periheldistanzen nehmen zu und erreichen die von Jupiters Bahn. Nach der Simulation befindet man sich dann auf einer hyperbolischen Bahn jenseits Jupiters. In dieser Simulation die 3 Jahre dauert wird teilweise Saturnentfernung (1430 Millionen km) überschritten.

Eine Besonderheit zeigt die zweite Abbildung. Das ist eine von Jupiter abbremste Bahn, bei der von der Sonne aus mit 40.220 m/s startet (15208 m/s von der Erdoberfläche aus).. Bei einer Annäherung auf 615.000 km über den Wolken bremst Jupiter die Sonde soweit ab, dass sie ein Perihel von 695.000 km hat. Da die Sonne einen Radius von 697.000 km hat wird sie Sonde auf die Sonne stürzen – das wäre wohl die ideale Bahn um Atommüll zu entsorgen. Nach 3 Jahren 175 Tagen ist die Sonde Geschichte. Solche Sonden waren mal geplant um die Korona zu durchfliegen. Die Hitzebelastung ist natürlich groß, doch die Sonde nähet sich der Sonde schnell. Von der Erdbahn bis zum Aufschlag dauert es nur 30 Tage. 6 Tage vor dem Aufschlag ist sie noch in 42,1 Millionen km Entfernung, eine Distanz die man bei den Heliossonden technisch beherrschte. Die Türkise und lila Kurve sind die Bahnen vor und nach dem Vorbeiflug, jedoch ohne korrekte Drehung im Raum, blau der Weg Jupiters während der Simulation die dreieinhalb Jahre dauerte.

Sturz in die Sonne

Eine Zweite Möglichkeit solcher Bahnen mit einem niedrigen Perihel ist Geschwindigkeit aufzunehmen. Das klingt zuerst komisch, doch eine Sonde die ihr Perihel in 1 Million km Entfernung, das Aphel in 778 Millionen km Entfernung hat, hat beim Durchlaufen des Perihels eine Geschwindigkeit von 515 km/s. Zündet man nun ein Triebwerk und addiert man 1 km/s so steigt die Geschwindigkeit in 778 Millionen km Entfernung, dem Aphel von 664 m/s auf 33201 m/s – die Sonde verlässt auf einer hyperbolischen bahn das Sonnensystem und zwar rasant.  Selbst im unendlichen dürften so noch 29,4 km/s übrig bleiben. Das erreicht man mit einem ähnlichen Manöver bei Jupiter nicht. In 218 Tagen ist die Sonde bei Jupiter. Im 19 Jahren 26 Tagen (+3 Jahre 175 Tage um zur Sonne zu gelangen) hat die Sonde 20,07 Milliarden km Entfernung erreicht – dort befindet sich heute Voyager 1, nur brauchte die dafür 38 Jahre.  Sie ist also fast doppelt so schnell unterwegs und wird auch doppelt so schnell weiter sich von der Sonne entfernen.

Will man ohne diesen Trick möglichst schnell ins äußere Sonnensystem gelangen z.B. wie New Horizons zu Pluto. So gibt es zwei Möglichkeiten: Die Passagedistanz zu minimieren oder die Geschwindigkeit beim Start zu erhöhen. New Horizons wählte den zweiten Weg und näherte sich Jupiter nicht sehr nahe. Bei New Horizons hatte das banktechnische Gründe. Es gibt alle drei Jahre ein Vorbeiflugfenster von Jupiter zu Pluto das etwa 3 Jahre Bestand hat. am Anfang des Startfensters muss Jupiter die Sonde stark umlenken, das macht eine nahe Passage und hohe Beschleunigung nötig. New Horizons kam gerade noch rechtzeitig zu Ende des Fensters, nun darf Jupiter die Sonde kaum noch umlenken, die Distanz muss groß sein. In der Summe dauert die Passage so fast 2 Jahre länger, aber nachdem man die Sonde erst entwickelte als man das Vorgänger Projekt PKE schon nach dessen Beginn einstellte, hatte man keine andere Wahl als das letzte Startfenster zu nutzen. 13 Monate früher gestartet hätte die gesamte Reise 8 Jahre gedauert anstatt 9,5 Jahre und man hätte von der erde aus mit kleinerer Startgeschwindigkeit starten können.

Geschwindigkeit - Reisezeit

Die dritte Abbildung zeigt zwei Kurven. Die Sonde passiert auf dieser Simulation Jupiter konstant in 200.000 km Entfernung, die Startgeschwindigkeit wird aber variiert. Die grüne Kurve gibt die Entfernung nach 10 Jahren Flugzeit an. Die blaue den absoluten Geschwindigkeitsgewinn. Variiert wurde die Startgeschwindigkeit von 38,6 bis 41,6 km/s. Das entspricht der minimalen Startgeschwindigkeit und einem Perihel ohne Vorbeiflug in 798 bis in 6587 Mill km Entfernung. Mit 38,6 km/s werden 10 Jahre nach dem Start 3036 Millionen km Entfernung erreicht (etwas über der Bahn von Uranus). Mit 3 km/s mehr sind es mit 6760 Millionen km Entfernung mehr als doppelt so viel. Doch die blaue Kurve zeigt: Der Geschwindigkeitsgewinn ist der gleiche, rund 11,5 km/s. Die große Differenz ergibt sich dadurch, dass ohne Sing-By die Sonde mit 38,6 km/s Startgeschwindigkeit bei Jupiter noch eine Geschwindigkeit von 7,8 km/s hat, mit 41,6 km/s dagegen 17,37 km/s. Die Sonde ist also bei Jupiter schon 10 km/s schneller unterwegs, zu denen dann noch die weiteren 11,5 km/s addiert werden. Immerhin: Zu Neptun in rund 4450 Millionen km Entfernung kann man bei 10 Jahren Gesamtreisezeit mit einer Geschwindigkeit von 39,5 km/s solar (14,72 km/s) kommen.

2 thoughts on “Swing-By Berechnungen Teil 2

  1. Sehr geehrter Herr Leitenberger!

    Zuerst einmal danke für ihre Homepage ich lese die Einträge immer gerne!

    Jetzt hätte ich eine Frage und finde keine Antwort und hab mir gedacht vielleicht können Sie mir dabei kurz helfen.

    In ihrem Artikel:
    https://www.bernd-leitenberger.de/swingby.shtml

    schreiben Sie unten : „Noch ein Trick…“
    (fälschlicher weise habe ich dies immer als Teil des Swing-by Verfahren verstanden)
    und wollte fragen ob es irgendeine Bezeichnung oder einen Namen für diesen „Noch ein Trick…“ gibt?

    lg

    David

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