Ich halte es immer noch für eine Schnapsidee
Seit Jahren spukt etwas durch die Nachrichten, von verschiedenen Firmen und Weltraum Behörden postuliert, aber nie umgesetzt: Die Erweiterung der Lebensdauer von geostationären Kommunikationssatelliten. Die wird heute begrenzt von dem Treibstoff. Knapp die Hälfte der Satellitenmasse macht schon der Treibstoff aus, den man braucht um die Umlaufbahn ausgehend von dem GTO zu erreichen, dann braucht man je nach Position am Äquator noch 40 bis 75 m/s pro Jahr um die Position zu halten. Das sind bei 10 bis 15 Jahren Lebensdauer dann auch nochmals 400 bis 1050 m/s Geschwindigkeitsänderung. Bei Arianespace gibt es ja auch ein paar Details zu den Satelliten unter anderem auch Start und Trockenmasse und manche bestehen wirklich zu zwei Dritteln aus Treibstoff, wobei die Tanks bei dem Drucktankprinzip und das Druckgas Helium noch weiteres Gewicht addieren sodass der Satellit ohne Treibstoffsysteme vielleicht ein Viertel der Startmasse wiegt.
Diese Tatsache und die, dass es lange Zeit so war, dass eine neue Generation deutlich mehr Transponder als die alte hatte machten bisher es unattraktiv einen Satelliten zu befüllen oder anderswie die Lage zu regeln, wenn der interne Treibstoffvorrat ausgeht. Nun scheint sich das zu ändern. Wahrscheinlich weil bei Kommunikationssatelliten nun neue Satelliten nicht mehr so viel mehr Leistung als die letzte Generation haben. Es gibt schließlich Grenzen beim Startgewicht, der maximal möglichen Leistung mit Solarzellenauslegern, die man auch nicht beliebig groß machen kann und inzwischen nutzen viele Satelliten Transponder in drei Frequenzbändern, weil eines alleine nicht ausreichen würde.
Nun soll das Tochterunternehmen Vivisat von ATK/Orbital erstmals auch eine Lageregelung eines Satelliten durchführen. Ich will mal meine Bemerkung zu dem Vorhaben machen. Die Methode die angewandt ist, ist die einfachste und konventionellste die es gibt: ein „normaler“ Satellit, das MEV wird chemisch in den GTO gebracht, hebt seine Bahn in den GEO an und koppelt dann an den Zielsatelliten an. Dazu nutzt er die lange Düse des Apogäumsmotors, dessen konische form leitet einen Haken in die Brennkammer wo er sich am Düsenenghals verhaken kann. Danach übernimmt der Satellit die gesamte Lageregelung des Zielsatelliten.
Viel ist über das Vehikel nicht bekannt. Orbital ATK hat einen Kunden (Intelsat) gefunden der 65 Millionen Dollar zahlt, vier weitere soll es geben. Es soll auf dem ATK Bus 700 basieren. Leider kennt man dessen Daten nicht, doch die Ziffer 700 steht nicht für das Trockengewicht, denn schon der A200 Bus wiegt 536 kg. Immerhin man kann vergleichen. der Bus liefert 3.800 kg Watt Leistung und kann bis zu 1700 kg Nutzlast tragen. Das dV beträgt bis zu 3500 m/s. Das hohe dV verringert sich, wenn man berücksichtigt das davon schon 1500 bis 1800 m/s abgehen wenn das MEV im Orbit angekommen ist. Dann teilen sich dV-Budget MEV und Nutzlast. Der Bus ist für 5 bis 15 Jahre ausgelegt.
Vergleicht man das mit den Daten eines bekannten Buses, der Geostar 1500 Plattform. Der wiegt 800 bis 1500 kg trocken, je nach Treibstoffzuladung, liefert bis zu 5.550 Watt bei einer Nutzlast von maximal 500 kg und einer Startmasse von 3.325 kg. Nimmt man die elektrische Leistung als Maß für die Größe des Busses so dürfte das MEV vielleicht 2.300 kg beim Start wiegen und im GEO noch etwa 400 bis 500 kg Treibstoff für die Mission haben, das reicht bei einem im Orbit 2 t schweren Satelliten, 1.000 kg Eigengewicht ohne treibstoff und 50 m/s Lageregelungsbedarf pro Jahr für etwa 8-9 Jahre.
Das grundlegende Problem bei dem Konzept ist, dass man ein Vehikel, das in etwa so viel wie ein Kommunikationssatellit kostet, wenn auch ohne funktechnische Nutzlast etwas billiger, chemisch in den Zielorbit bringt. Orbital/ATK könnte, wenn die Masse von 2,3 t hinkommt, das mit einer Antares schaffen, für die die Firma ja auch eine Oberstufe entwickelt. Alleine der Start kostet so 85 bis 90 Millionen Dollar, mindestens das gleiche kostet sicher das Gefährt. Da stellt sich die Frage des Nutzens, die 65 Millionen Dollar die Intel zahlt reichen nicht aus, eventuell ist das eine Prämie pro Jahr, doch das halte ich für sehr hoch, gemessen an den Investitionen in einen neuen Kommunikationssatelliten. Die liegen je nach Größe bei 200 bis 400 Millionen Dollar inklusive Start und Versicherung. Bei 10 bis 15 Jahren Betriebszeit sind das selbst bei der größeren Summe nur etwa 40 Millionen Dollar Abschreibung pro Jahr bei 10 Jahren Betriebsdauer. Der einzige, vielleicht aber auch wichtigste Vorteil für einen Betreiber ist, das der Satellit im Orbit länger betrieben werden kann. Das höchste Risiko gibt es beim Start und Inbetriebnahme. Versichert wird meist nur das erste Betriebsjahr. Danach ist das Ausfallrisiko gering. Andererseits nimmt auch die Leistung der Paneele ab und man wird Transponder abschalten müssen, was den Gewinn schmälert.
Viel intelligenter wäre es nicht chemisch, sondern mit einem Ionentriebwerk die Bahn zu erreichen. Die 3,8 kW verfügbare Leistung sind nicht viel, doch bei einem geringen spezifischen Impuls von 18.000 m/s ist man nach 1 Jahr im GEO-Orbit, ausgehend von einer 400 km Kreisbahn. Dort verblieben noch 1.782 kg von 2.300 kg Startmasse (chemisch: 1428 m/s bei einem dV von 1500 m/s). Zieht man die Systeme des Ionentriebwerks ab so sind das noch 1650 kg Restmasse, deutlich mehr als beim chemischen Vorgehen mit 1168 kg Vergleichsmasse (mit Resttriebstoff aber ohne Treibstoffsysteme) Vor allem aber braucht man auch im Orbit weniger Treibstoff für die Korrektur, sodass bei gleicher Startmasse ein rein elektrisch angetriebenes Vehikel mit einem sehr niedrigen spezifischen Impuls sehr viel schneller den GEO erreichen könnte – nur 153 Tagen.
Der Vorteil für Orbital wäre das eine Antares drei dieser Vehikel auf einmal starten könnte da sie in eine niedrige Umlaufbahn gelangen, was die Startkosten deutlich verringert. An und für sich ist die Technologie aber eine Schnapsidee. Die logische Vorgehensweise wäre es auf Ionentriebwerke zu setzen – zuerst nur für die Lageregelung im Geo-Orbit, dann als zweite Stufe da sind wir gerade dran beim Transfer in den Geoorbit und später einmal komplett vom Leo in den Geo. Ob es dazu jemals kommt – ich bin skeptisch. Auf dem Papier sind die Vorteile offensichtlich. Doch zum einen ist die Branche sehr konservativ was sich auch beim zögerlichen Einsatz von Ionentriebwerken zeigt. Dann gibt es die Strahlenbelastung im Van Allen Gürtel die immer genannt wird – ich glaube sie wird übertrieben. Man kann Elektronik abschirmen und die Abnahme der Solarzellenleistung wird nicht so drastisch sein, wenn sowieso für eine schnellere Passage man mehr Leistung hat als heute üblich. Vor allem aber haben wir dann ein Trägerproblem. Nehmen wir an, man würde „All-Eletric“ Satelliten einsetzen die vom Leo in den GEO geraten. Dann wiegen die nur 50% eines konventionellen Satelliten, werden aber im LEO ausgesetzt wo die Nutzlast einer Trägerrakete zwei bis dreimal höher ist. Ein typischer 4,5 t Satellit von denen ariane 5 z.B. zwei transportiert würde nur noch 2,5 t wiegen und in einen Orbit gelangen in den Ariane 5 21 t transportiert – der Träger ist also viermal zu leistungsfähig, von der Ariane 5 Klasse rutscht die Nutzlast plötzlich auf das Niveau der Vega ab. Nicht ganz so extrem aber ähnlich problematisch ist es auch bei Proton und Falcon. Eine Proton könnte 8 anstatt einem Satelliten transportieren, eine Falcon neun anstatt einem.<img src=“http://vg06.met.vgwort.de/na/3800ddbac2824ed08e73ae7bd37e125d“ width=“1″ height=“1″ alt=““>