Mit der Vega zum Jupiter
Ein kleines Nebenprodukt der gestrigen Simulation möchte ich euch nicht vorenthalten, denn es wäre möglich mit der Vega doch tatsächlich eine art „Galileo-2“ zu Jupiter zu entsenden. Ich bemerkte dies als ich am Schluss noch einige Bahnen ins äußere Sonnensystem ausrechnete. Wie immer will ich es im Blog fertig entwickeln.
Das erste ist das es schon knapp ist. Galileo wog über 2 t und die Vega hat eine maximale Nutzlast von etwa 2,4 t für einen nicht ganz niedrigen Erdorbit. Doch dazu später mehr. Um die Nutzlast zu maximieren habe ich folgende Eckpunkte angenommen:
Solare Stromversorgung mit dem besten was heute verfügbar ist: Ultra-Flex Arrays mit einer Anfangsleistung von 20 kW, das entspricht zwei Arrays mit etwa 6 m Durchmesser. Bei einer Leistungsdichte von 150 W/kg wiegen diese 134 kg. Die Leistung ist so gewählt das sie bei Jupiter auf 739 W abfällt. Das liegt etwas über der Galileo zur Verfügung stehenden Leistung, doch es gibt auch Verluste während der Reise und im Strahlungsgürtel verlieren diese dann auch an Leistung. So kann man die RTG von Galileo einsparen und damit auch Gewicht.
Triebwerk mit dem höchsten heute zur Verfügung stehenden Impuls: RIT-2X mit einem spezifischen Impuls von 4300 s = 42.183 m/s.
Zuerst müssen wir erst mal die Erde verlassen. Beginnend aus einer 400 km hohen äquatorialen Kreisbahn dauert dies 317 Tage, davon reine Betriebsdauer 274 Tage, der Rest sind die Zeiten im Erdschatten. Das Sondengewicht ist von 2400 auf 2034,9 kg gesunken (entsprechend einem DV von 6.961 m/s, bei einem klassischen Hohmanntransfer wären es 3.189 m/s). Erreicht wird bei verlassen der Einflußsphäre der Erde in 700.000 km Entfernung eine Ellipse von 488.183 x 2.189.692 km. Die Überschussgeschwindigkeit mit der man eine Sonnenumlaufbahn erreicht beträgt dann 161 m/s,
Bei einer mittleren Sonnenentfernung von 149,6 Millionen km entspricht dies einer solaren Startgeschwindigkeit von 29950 m/s und einer Umlaufbahn von 149,6 x 152,88 Mill km. Es dauert nun sehr lange das Aphel auf die Höhe von Jupiter anzuheben, obwohl die Geschwindigkeitsänderung nicht viel größer als beim Verlassen der Erde ist. Die Abbildung 2 zeigt warum: durch das Hochspiralen sinkt die Leistung quadratisch ab und man braucht zweieinhalb Umläufe bis man die nötige Geschwindigkeit erreicht hat, dann kommt noch eine Freiflugphase von einem drei Viertel Umlauf hinzu. Die letzte Umlaufbahn hat eine Umlaufdauer von über 8 Jahren, ein Dreiviertel Umlauf dauert also über 6 Jahre. Dieses Szenario hat eine Gesamtreisedauer von 14 Jahren 189 Tagen, davon 8 Jahren 290 Tagen Betriebszeit. Erreicht wird eine Bahn von 498,29 x 778,35 Mill km und die Sonde wiegt noch 1433,4 kg beim Ende.
Man kann noch andere Szenarien untersuchen. So kann man z.B. das Ionentriebwerk nur betrieben wenn die Distanz steigt. So senkt man nicht das Aphel kurzzeitig ab. Obwohl nun drei Umläufe nötig sind ist die Freiflugphase kürzer und das Aphel geht bei den ersten beiden Umläufen nicht so strak ins All hinaus, sodass die Gesamtreisedauer mit 14 Jahren 167 Tagen etwas kleiner ist. Hier wird eine Bahn von 385,47 x 778,35 Mill. km erreicht. die Sonde wiegt am Schluss noch 1467,9 kg. Die etwas höhere Masse ist allerdings der einzige Vorteil des Szenarios.
Wenn man die solare Überschussgeschwindigkeit am Start von 161 m/s von der Erdgeschwindigkeit abzieht kommt man auf eine Startbahn die zwar energetisch ungünstiger ist, da das Perihel und Aphel sonnennäher sind, aber durch die Sonnennähe auch eine etwas geringere Betriebszeit offeriert. Auch dies habe ich durchgerechnet. Durch eine noch längere Freiflugphase kommt man aber auf eine längere Reisedauer von 14 Jahren 251 Tagen bei einer kleineren Sondenmasse von 1423,4 kg. Auch dieses Szenario ist daher unaktrativ.
Daher scheint die erste Bahn die optimale zu sein. Um Gewicht zu sparen würde man nun zumindest die Xenon-Druckgastanks abwerfen. Typisch wiegen die ein Fünftel ihres Inhalts, bei rund 1000 kg verbrauchtem Gas also 200 kg. Die Sonde wiegt dann noch 1233 kg, davon entfallen rund 200 kg auf die Solarzellen und Subsysteme. Das ist wesentlich weniger als Galileo, die ohne Atmosphärensonde 1884 kg beim Start wog. Doch der Vergleich trügt:
Galileo hatte zahlreiche Kurskorrekturen im Sonnensystem durchzuführen um die Zielabstände der Swingbys einzuhalten und musste ein Ausweichmanöver nach Abtrennung der Kapsel durchführen. Zieht man den benötigten Treibstoff von 361 kg vom dV-Budget von 1600 m/s ab so beträgt das dV-Korrekturvermögen nur noch 1374 m/s.
Galileo erreichte Jupiter auf einer Bahn mit einem Perihel in Erdnähe, diese Sonde hat schon das Perihel auf 495 Mill. km angehoben. Galileos erster Orbit hatte die Bahnparameter 185.000 x 19,34 Mill km. Unsere Sonde nähert sich nur mit 1544 m/s anstatt rund 5 km/s aus dem Unendlichen. Die Zündung des Triebwerks fand in 213.000 km Entfernung statt. In dieser Distanz braucht man nur noch um 257 m/s abbremsen, Galileo musste noch 643 m/s vernichten. Auch das spart Treibstoff und reduziert das dV-Vermögen der Vega Variante auf 988 m/s. Zusammen mit einem heute verfügbaren höheren spezifischen Impuls von 3150 m/s beim Antrieb (Galileo: 2972 m/s) braucht man so nur noch 386 kg Treibstoff, bei Galileo waren es noch 925 kg. Das reduziert die Äquivalentmasse wenn man den ersten Orbit erreicht hat, auf 1047 kg. Galileo wog dann noch 1186 kg, war also noch etwas schwerer. Allerdings wiegt das Antriebssystem auch viel, bei Galileo 1150 kg. Mit weniger Treibstoff wird es leichter, sodass, der neue Orbiter ohne Antriebssystem mit 965 kg (Vega-Lösung) zu 734 kg (Galileo ohne Antriebssystem) günstiger da steht.
Allerdings sind in diesem Gewicht auch die Solarzellen enthalten. Die wiegen mit 134 kg etwas mehr als zwei RTG die pro Stück 57 kg wiegen, zusammen also 114 kg. Trotzdem wäre eine solche Sonde insgesamt im Orbit schwerer also Galileo, hätte also noch Gewicht für Verbesserungen, z.B. eine schwerere, nicht entfaltbare, Hauptantenne.
Das ist das interessanteste: Ionentriebwerke können die Nutzlast enorm steigern: Galileo startete mit einem Shuttle und zwei Oberstufen. Heute wäre er eine Nutzlast für die größeren Atlas Versionen. Die Vega hat nur ein Achtel der Nutzlast kann aber fast genauso viel zu Jupiter senden. Der Nachteil: die sehr lange Reisezeit. Addiert man die Zeit im Erdorbit hinzu, so sind es über 15 Jahre. Das lies mir keine ruhe und ich testete mal was mit etwas mehr Strom möglich ist und siehe da – nur ein Kilowatt mehr und die Reisezeit reduziert sich drastisch. Die Abbildung links zeigt warum: Die Freiflugphase ist viel kürzer. Die letzte Bahn bei 20 KW war eine 495 x 778 Mill. km Bahn mit einer Umlaufszeit von über 8 Jahren, davon wurden 3/4 durchlaufen. Das sorgte für die lange Reisedauer. Wenn man systematisch die Stromversorgung anhebt, sieht man sogar dass bei 21 kW es ein lokales Minimum gibt:
Stromversorgung | Reine Betriebszeit | Simulationszeit mit Freiflugphase | Gewicht | Zielbahn Perihel |
---|---|---|---|---|
19.000,0 | 8 J 195 d | 13 J 154 d | 1.432,6 | 495,6 |
20.000,0 | 8 J 290 d | 14 J 189 d | 1.433,1 | 498,3 |
21.000,0 | 4 J 255 d | 6 J 250 d | 1.468,8 | 377,4 |
22.000,0 | 3 J 363 d | 6 J 234 d | 1.475,7 | 360,6 |
23.000,0 | 3 J 297 d | 22 J 12 d | 1.476,0 | 361,8 |
24.000,0 | 3 J 279 d | 6 J 314 d | 1.474,2 | 368,5 |
25.000,0 | 3 J 285 d | 7 J 14 d | 1.471,5 | 378,2 |
26.000,0 | 3 J 307 d | 7 J 96 d | 1.468,3 | 389,7 |
27.000,0 | 3 J 340 d | 7 J 184 d | 1.465,0 | 402,6 |
28.000,0 | 4 J 17 d | 7 J 292 d | 1.461,8 | 416,4 |
29.000,0 | 4 J 68 d | 8 J 49 d | 1.458,8 | 430,6 |
30.000,0 | 4 J 126 d | 8 J 194 d | 1.456,3 | 444,6 |
31.000,0 | 4 J 192 d | 8 J 348 d | 1.454,4 | 457,8 |
32.000,0 | 4 J 263 d | 9 J 165 d | 1.453,5 | 468,8 |
33.000,0 | 4 J 335 d | 9 J 364 d | 1.454,1 | 475,6 |
34.000,0 | 5 J 36 d | 10 J 215 d | 1.457,1 | 474,6 |
35.000,0 | 5 J 59 d | 11 J 70 d | 1.465,1 | 456,3 |
Genauere Analysen zeigen, das bei 21,7 KW die kürzeste Reisedauer vorliegt. Der Preis ist eine niedrigeres Perihel (in 362,3 Mill. km Entfernung). Nimmt man noch den Betrieb nahe der Erde hinzu kommt man auf folgende Werte
20 KW Leistung | 21,7 kW Leistung | |
---|---|---|
Betrieb im Erdorbit Dauer | 317 Tage | 293 Tage |
Gewicht | 2034,6 kg | 2034,6 kg |
Geschwindigkeitsüberschuss | 161 m/s | 152 m/s |
Betrieb bis Jupiter | 14 J 189 Tage | 6 Jahre 227 Tage |
Endbahn | 495 x 778,36 kg | 362,44 x 778,36 |
Gewicht am Ende der Transferbahn | 1433,4 kg | 1475,1 kg |
Bei Jupiter abzubremsende Geschwindigkeit: | 258 m/s | 334 m/s |
Restgewicht Orbiter ohne Solarzellen, ohne Treibstoffe | 831 kg | 702 kg |
Gesamtdauer | 15 Jahre 151 Tage | 7 Jahre 155 Tage |
In der Summe ist es vom Gewicht im Jupiterorbit etwas ungünstiger, weil man mehr Treibstoff bei Jupiter braucht, und die Solarzellen weitere 12 kg Gewicht addieren, dafür kommt man viel schneller zu Jupiter.
Vom energetischen Standpunkt aus ist es dagegen eine Katastrophe. Der chemische Antrieb hat ja viele Nachteile, aber er kann super den Energieerhaltungssatz ausnutzen und daraus Gewinn ziehen. Eine Raumsonde mit chemischen Antrieb bräuchte rund 14.150 m/s relativ zur Erdoberfläche zu Jupiter bezogen auf die Startumlaufbahn sind das 6450 m/s mehr, dazu kommen dann noch die 643 m/s um in die Umlaufbahn einzubremsen, zusammen also 7.093 m/s relativ zur Startumlaufbahn. Der verbrauchte Ionentreibstoff entspricht bei der 20 KW Lösung als der ungünstigeren von beiden einer Geschwindigkeitsänderung um 21.724 m/s, dazu kommen noch 257 m/s chemisch bei Jupiter hinzu, zusammen also 21.981 m/s, also die dreifache Geschwindigkeitsänderung. Ein Teil steckt in dem hohen Aphel, das bei einer Jupiterumlaufbahn aber nicht viel nützt, anders sähe es bei Asteroidenmissionen aus, da ist die Differenz dann erheblich kleiner.
Man müsste auch in Betracht ziehen, ob es nicht billiger ist eine grössere Rakete zu nehmen, damit man die Sonde zu findest aus dem Schwere Feld der Erde beschleunigen kann, und so Kosten der Missionsdurchführung sparen kann.
Eine Sonde 14 Jahre zu betreuen ist sicher auch nicht gerade billig.
Ich sehe den Nutzen nicht. Zum einen ist ja gerade die Zeit im Erdorbit die kürzeste, doch um die erde zu verlassen reduziert man schon die Nutzlast auf ein Drittel.
Wie ich schrieb ist Jupiter auch in 7 !/2 Jahren erreichbar. Mit dem heutigen Vorgehen mit Swing-Bys braucht man auch mindestens 4 Jahre. Juno ist seit 2011 unterwegs und erreicht Jupiter im August.
Beim Kostenaspekt kann man auch zwei RTG zu je 90 Millionen Dollar hinzunehmen. Die USA haben für Ionantriebe ein echtes Trägerproblem. Bei typischen Nettonutzlasten von 33-50% je nach Ziel brauchen sie für den Transport einer 2 t Sonde eine Rakete die 4-6 t in den Leo transportiert. Antares, Falcon 9 und Atlas liegen aber bei 8-13 t. Daher habe ich auch die Vega als Basis genommen.