Bernd Leitenbergers Blog

Sehr seltsam …

… ist das was man von Stratolaunch hört. zur Erinnerung: Im Dezember 2011 veröffentlichte die von Paul Allen, Microsoft Mitbegründer, gegründete Firma ihr Konzept: Mit einem riesigen Flugzeug mit zwei Rümpfen wollte die Firma eine große Trägerrakete im Flug abwerfen und so Nutzlasten der Delta 2 Klasse transportieren, das entspricht etwa 5-6 t in den LEO Orbit. Stratolaunch würde nur das Flugzeug bauen, das größer als eine Boeing 747 ist. Die Trägerrakete sollte von einem Partner kommen. Strategischer Partner war damals (2011) SpaceX. SpaceX hatte damals zwei Falcon 9 Testflüge durchgeführt und stand vor dem ersten CRS-Flug. Die Trägerrakete, so konnte man anhand der Zeichnungen (genaueres gab es nicht) vermuten, war eine Falcon 9 mit nur 5 Triebwerken und verkürzten Tanks, also eine Wiederaufnahme des Falcon 5 Konzepts, das SpaceX einige Jahre vorher begraben hatte.

2013 gab Stratolaunch bekannt, dass man zu Orbital gewechselt habe. SpaceX gab an, es wäre problematisch, zwei Linien in der Fertigung zu unterhalten. Meine Vermutung: SpaceX hat einfach wie bei den Startaufträgen jeden verfügbaren Auftrag angenommen, unabhängig ob man ihn durchführen konnte. 2013 stand SpaceX vor der Einführung der „v 1.1“ Version die erst die geostationären Starts ermöglichte und damit konnte man den Auftragsstau abarbeiten. Da konnte man auf Stratolauch, das damals noch Jahre vor dem ersten Starts stand verzichten zumal das eine neue Rakete und Umstellungen in der Produktion bedeutet hätte. Hätte es keine Satellitenaufträge gegeben, hätte man die Kapazitäten für die Auftragsfertigung des Stratolaunch Trägers genutzt.

Doch auch Orbital/ATK war kein dauerhafter Partner. Zwar gab es noch die Meldung, Stratolaunch hätte einen Vertrag über die Lieferung von 6 RL-10 Triebwerken abgeschlossen, (etwas ungewöhnlichen wenn die Trägerrakete sonst vom Partner kommt), doch auch Orbital hatte keine Trägerrakete im Angebot die passen würde. Die Antares ist mit einer Startmasse von 282 bis 292 t zu schwer, die Trägerrakete darf maximal 250 t wiegen.

2016 gab nun Stratolaunch bekannt, das Trägerflugzeug würde nun nach 5 Jahren sich der Fertigstellung nähern, und man würde Verhandlungen mit dem Partner führen der die Trägerrakete stellt. Es gäbe keinen Favoriten und man würde mit mehreren Firmen Verhandlungen führen. Das verwundert mich doch etwas. Wenn man nun erst eine Trägerrakete entwickelt, so vergehen nochmals einige Jahre ins Land. Wir sehen das ja bei den in den letzten Jahren neu aufgenommenen Entwicklungen wie Ariane 6, Vulkan. Selbst die Falcon 9 brauchte 4 Jahre von der Ankündigung bis zum Erstflug und 11 Jahre bis zur heutigen, dritten Version.

Das es eine neue Trägerrakete sein wird, ist für mich offensichtlich, denn es gibt zumindest in der USA keine verfügbare Trägerrakete, die von der Masse her passt. Am nächsten ist noch die Antares dran. Wenn man bei ihr 40 t Treibstoff weglässt, dann würde sie die Gewichtsbeschänkungen von 250 t einhalten. Nur verstehe ich nicht, wie so Stratolaunch gegen Orbital selbst konkurrieren will. Selbst wenn der Start mit dem Trägerflugzeug billiger ist, so ist natürlich auch die Nutzlast kleiner. Ansonsten könnte man vielleicht die Delta 2 Produktion wiederaufnehmen. Allerdings benötigt diese Booster zum Start. Ohne Booster hat das Hauptriebwerk einen zu geringen Schub. Ob diese Rakete mit den Boostern so unter das Flugzeug passt, muss wohl Stratolaunch beurteilen. Auf jeden fall war die Delta 2 schon vor der Ausmusterung der USAF zu teuer, und die wenigen nachbestellten Exemplare der NASA waren noch teurer. Das passt wohl kaum zum Businesskonzept.

Was bleibt, ist nur das man eine Firma beauftragt, eine Rakete zu entwickeln. Am einfachsten würde sich wohl ATK mit dem umfangreichen Feststoffboostersortiment tun. Man könnte einige Castor 120 hintereinander schalten und käme auf die nötige Nutzlast. Doch auch bei ATK fehlt eine Erststufe von etwa 200 t Masse. In jedem Falle verzögert eine Trägerrakete, die noch nicht existiert, den ersten Start um Jahre.

Auch der Business-Case ist für mich unklar. Bei 250 t Masse kann man von bekannten Trägern auf maximal 4,5 bis 5 t Nutzlast in den GTO hochrechnen (Atlas IIB mit 225 t Startmasse 4,4 t in den GTO). Stratolaunch gab die Nutzlast mit 6 t LEO noch deutlich niedriger an. Damit liegt man in der Klasse der Delta 2 für die es wenige Nutzlasten gibt. Vor allem Erdbeobachtungssatelliten in den SSO und kleinere Planetensonden. Was mir einfällt ist, das die Firma vielleicht auf den Trend zu „All-Electric-Satellites“ setzt, die wiegen deutlich weniger als die normalen. Mit 6 t LEO und 2,5 t GTO hätte die Trägerrakete dann z.B. einen der beiden Satelliten die im letzten Falcon 9 Start als Doppelstart gestartete wurden absetzen können. Gerade SpaceX wird eine vitale Konkurrenz sein. Der Kunde wird vielleicht nicht die volle Nutzlast einer Falcon 9 ausnutzen, aber der Start kostet auch nur 60 Millionen Dollar. Orbital gab für die alte Antares Kosten von mindestens 85 Millionen Dollar für in etwa die gleiche Nutzlast wie bei der Stratolaunch an. Selbst wenn Stratolaunch Orbital um 30% unterbietet, landet sie doch in der Preisregion der Falcon 9 – eines eingeführten Trägers. Nur wenn SpaceX langfristig den heute vorhandenen Nutzlaststau nicht abbauen kann wird ein Kunde wohl zu stratolaunch wechseln, wenn diese her starten können. Doch selbst ich als SpaceX-Kritiker halte das für unwahrscheinlich.

Insgesamt ist das Konzept für mich sehr fragwürdig. Bei der Pegasus als bisher einzigem umgesetztem Konzept des „Starts aus der Luft“ war die Entscheidung für den Start aus der Luft begründet mit den Kosten für die Startbasis. Die Pegasus sollte alle Bahnneigungen abdecken, würde aber nicht oft fliegen, da war es billiger, anstatt zwei Startbasen in Wallops und Vandenberg aufzubauen, ein ausgemustertes Flugzeug aufzukaufen und umzurüsten. Nur hat man kein neues Flugzeug nur für die Aufgabe entwickelt und auch das amortisiert sicher erst nach vielen Flügen und die sehe ich nicht kommen.

Morgen mache ich mich mal dran eine Trägerrakete für Stratolaunch zu konstruieren.

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