Hygiene im Weltraum
Diese Frage ist eine der wohl am häufigsten gestellten Fragen zum Weltraumprogramm. Zumindest beim US-Weltraumprogramm gibt es darauf eine Antwort. Das Grundproblem ist die fehlende Gravitation: Ausscheidungen fallen eben nicht eine Toilettenschüssel und Wasser von einer Brause nicht nach unten. Ein Bad ist komplett unmöglich, das Wasser würde eine große Kugel bilden und nicht in der Wanne bleiben. Alle Systeme funktionieren nach zwei Prinzipien: Durch Luftstrom (wie beim Staubsauger) Ausscheidungen zu transportieren oder durch Adhäsion (wie beim Aufsaugen von Flüssigkeit mit Tüchern) Urin und Waschwasser zu binden.
Bei den ersten Missionen von Mercury und Apollo war zum einen kaum Platz für eine Toilette, zum anderen waren die Missionen kurz. Die Lösung war es, die Ausscheidungen zu sammeln. Erleichtert wurde dies dadurch, dass alle Astronauten Männer waren und der Großteil der Ausscheidungen Urin war. Ich beschreibe hier als Beispiel mal das System von Gemini.
Während des Starts gab es einen Sammelbeutel in Y-Form, der an der Hüfte getragen wurde. Danach wurde er abgenommen, die eine Öffnung verschlossen und mit der anderen an das Urinablasssystem angeschlossen. Dieses hatte ein Ventil, durch das der Beutel ins Vakuum des Alls entleert werden konnte. Im Normalfall wurde das Urinsammelsystem eingesetzt. Es war ein rechteckiger Beutel der rund 1 l fasste. Davon konnte eine 70-ml-Probe abgezweigt werden. Eine Art Gummikondom war an einem Ende angebracht, das über den Penis gestülpt wurde. Ein Ventil verhinderte den Rückfluss des Urins. Das andere Ende wurde an das Urinablasssystem angeschlossen, das Ventil geöffnet und so der Urin ins All abgelassen. Das System konnte auch die Urinmenge messen.
Schwieriger war die Entsorgung des Kots. Für diesen gab es keine Ablassvorrichtung. Der gesamte Kot musste an Bord gesammelt und verstaut werden. Das primäre Sammelsystem waren blaue Säcke mit einer Abmessung von 17,5 x 30 cm2 aus Nylon-Polypropylen. Sie hatten eine 10 cm große Öffnung, die mit 4 cm langen, wachsbehandelten, chirurgischen Klebebändern am Körper angebracht wurden. Die Befestigung war nicht das Problem, sondern das entfernen. Das Klebeband bekam bald den Ruf „das am besten klebende Papier im Weltraumprogramm“ zu sein.
Vor der Benutzung wurde darin eine Tablette platziert, die Bakterien abtötete. Danach wurde der Sack über den After positioniert, wobei es im Sack eine Vertiefung für die Finger gab. Nach verrichtetem Geschäft wurden die benutzten Toilettenpapiere in den Sack eingeworfen, dieser verschlossen, die Tablette durch Druck zerkleinert und mit dem Inhalt von Hand verknetet um Bakterien abzutöten. Zuletzt wurde der Sack verstaut. Es gab einen pro Astronaut und Tag mit einer 20%-Reserve. Benötigt wurden weitaus weniger, denn so unangenehm, wie die Prozedur klingt, war sie auch. Die Astronauten waren bestrebt, so selten wie möglich diese „Blue Bags“ zu benutzen. Die Mediziner machten die Sache nicht einfacher, da sie darauf bestanden, dass von jedem Sack eine Kotprobe genommen wurde.
Die erste Raumstation der USA war Skylab. Sie bot für die damalige Zeit enorm viel Platz und setzte damit einen neuen Standard bei der Hygiene und dem Komfort.
Erstmals gab es an Bord von Skylab eine Dusche und damit so etwas wie ein Bad, wenn auch nicht ein Luxusbad wie heute bei Calmwaters. Sie funktionierte folgendermaßen: Ein zylinderförmiger Vorhang wurde hochgezogen, um die Dusche vollständig von der Umgebung zu isolieren. Die Handbrause der Dusche wird mit Brauchwasser betrieben. Das Wasser wird elektrisch erhitzt und mit Stickstoff aus den Druckgastanks herausgepresst. Während die Dusche aktiv ist, durchströmt ein konstanter Luftstrom von oben nach unten die Duschkabine als Ersatz für die Gravitation. Es gibt oben einen Seifendispenser, der eine Viertel-Unze (7 g) Seife pro Betätigung liefert. Nach der Beendigung der Dusche wird das Wasser mit einem Saugkopf aufgesaugt. Ein Motor trennt das Wasser aus dem Luftstrom durch Zentrifugalkräfte ab. Die Wassermenge war auf 2,8 l/Dusche und einmal pro Woche begrenzt.
Die Besatzungen fanden es einfacher, das Wasser durch Tücher aufzunehmen, diese in der Auswringvorrichtung von dem meisten Wasser zu befreien und dann im Workshop zu trocknen. Über den Sinn der Dusche gab es geteilte Meinungen. Einige Astronauten empfanden sie als einen Komfort, den sie nicht missen wollten. Andere meinten, der Aufwand für die Dusche wäre zu hoch, vor allem was die Trocknung angeht. Das Handling war nicht einfach, so musste der Duschkopf nahe an den Körper gehalten werden, weil schon in 15-20 cm Entfernung die Tropfen wieder zusammenflossen und dann eine gelartige Flüssigkeitsschicht bildeten. Eine Dusche dauerte, vor allem wegen der Zeit, um sie wieder trocken zu bekommen, etwa 45 bis 60 Minuten. Die Dusche entpuppte sich als so umständlich, dass es seitdem keine Dusche mehr an Bord der Weltraumstation gab.
Die Entwicklung der Toilette war eine Herausforderung, weil es vorher keine Erfahrungen mit einem solchen System gab. Geplant war es, einen Prototyp bei der Apollo 14 Mission zu testen, doch Alan Shepard, Kommandant der Mission, lehnte dies strikt ab. Die Toilette war an der Wand des Abfallmanagementabteils angebracht. Das ist in der Schwerelosigkeit kein Problem, da der Astronaut dort auch auf der Wand sitzen kann. Dort musste er sich mit Bändern fixieren. Die Toilette besteht aus einer Urinsammelvorrichtung und einer Sammelvorrichtung für den Kot. Die Letztere besteht aus einem Sammelbehälter in einem hydrophoben Filter, der wiederum in einem Container sitzt, der oben mit dem Sitz abgeschlossen ist. Luft wurde durch Löcher im Sitz angesaugt und beförderte den Kot in den Beutel, der nach Benutzung durch einen neuen ersetzt wurde. Der Beutel wurde hermetisch verschlossen und die Masse bestimmt, vakuumgetrocknet und gelagert, bis er zu Missionsende zur Erde zurückgebracht wurde. Dasselbe erfolgte mit Beuteln für Erbrochenes.
Urin wurde durch eine Saugvorrichtung gesammelt, die über den Penis gestülpt wurde. Ein System sollte dann den Urin aus dem Luftstrom abtrennen, aus dem dann eine Probe von 120 cm³ abgezweigt werden musste. Das Abtrennen des Urins über eine mit Luft durchströmte Zentrifuge und das Sammeln in Behältern klappten sehr gut, das Abtrennen der Probe erwies sich dagegen als relativ schwierig: Die Proben enthielten sehr viel Luft, bei der ersten Besatzung rund 70%. Später stabilisierte sich die Ausbeute an Urin auf 90 bis 100 ml. Die Probe wurde dann bis zur Rückkehr auf -19°C tiefgefroren. Der Rest des Urins wurde in einem 4 l fassenden Beutel gesammelt. Diese Beutel wurden mit anderem „biologisch aktivem“ Müll, wie benutzten Waschtüchern, Essensresten und Servietten in größeren Beuteln gesammelt, die einmal pro Tag durch die Luftschleuse am Boden des unteren Stockwerks in den Sauerstofftank entlassen wurden. Ein auswechselbarer Filter erfasste dann noch in der Apparatur herumfliegende Tröpfchen.
Beim Space Shuttle wurde die Toilette in verbesserter Form eingesetzt. Das Prinzip blieb das gleiche. Auf einen engen Sitz setzte man sich. Durch die nur 10 cm breite Öffnung wurde der Kot gesammelt, indem Luft durch die Toilette mit einem Volumenstrom von 0,84 m³ gesaugt wurde. Der Kot landete in einem wasserundurchlässigen, aber sonst porösen Sammelbehälter. Nachdem die abgesaugte Luft deinen Geruchs-/Bakterienfilter passiert hatte, wurde die Luft wieder in die Kabine geleitet. Die Toilette machte einige Probleme. Das Hauptproblem war, dass man für „das große Geschäft“ eine enge Öffnung „treffen“ musste, und dabei fixiert bleiben musste. Mehrfach wurde während der ersten Missionen das Befestigungssystem gewechselt, mit denen der Astronaut auf der Toilette fixiert wurde. Es gab um 90 Grad drehbare Riegel für die Beine, ein großes Fixierband, mehrere kleine Klettbänder und auch einen Balken, der über die Beine geklappt wurde. Fehlerfei war keines der Systeme. Schließlich baute die NASA einen Toilettentrainer, mit dem die Astronauten auf Parabelflügen die Toiletten Benutzung trainieren konnte, und installierte eine Videokamera, mit der man auf einem kleinen Monitor feststellen konnte, ob man in der richtigen Position war. Anfangs gab es einige Probleme mit der Toilette bei den Flügen.
Eine besondere Herausforderung war, dass es nun mit weiblichen Astronauten eine Unisex-Toilette sein musste. Obwohl die Modifikation gering war – anstatt einem Kondomaufsatz gab es nun einen Trichter vor dem Absaugschlauch – waren sich (meist männlichen) Ingenieure nicht sicher, ob es funktionieren würde. So mussten Krankenschwestern bei Parabelflügen die Apparatur ausprobieren und auf einer Damentoilette wurde eine Videokamera installiert und vor der Klotür ein Schild angebracht in dem sinngemäß draufstand, dass man für wissenschaftliche Studien gefilmt würde und dabei man auch die Geschlechtsteile sehen könnte. So konnten NASA-Angestellte zur Grundlagenforschung beitragen ….
Die Weltraumtoilette ist bis heute weitestgehend unverändert auf der ISS sowohl im russischen wie US-Teil vorhanden. Sie ist nur komfortabler (größer mit größerer Auffangöffnung), ausgereifterem Befestigungssystem und die Abfälle werden nicht mehr in Filtern oder Tüten aufgefangen, sondern gelangen in ein System, das sie recycelt. Das Wasser wird entzogen und zum Bordwasser hinzugefügt.
Ohne Dusche wäscht man sich an Bord der ISS, indem man sich mit feuchten Tüchern, mit nicht schäumender Reinigungsflüssigkeit abreibt. Es gibt auch Lotions die man direkt auftragen kann und die dann einen feinen Überzug auf der Haut bilden. Auch sie werden von Tüchern dann aufgesaugt. Als Duschenersatz wird mehr zum Jux ein Ventil im russischen Teil genutzt, das auf Knopfdruck 25 ml Wasser verspritzt. Das ist aber mehr eine Erfrischung als eine Dusche. Bei einer regulierten Atmosphäre und wenn selbst schwere Schränke, langsam aber ohne größeren Kraftaufwand bewegt werden können schwitzen die Astronauten aber auch viel weniger als auf der Erde und dieses System reicht aus.
Bei Außenbordeinsätzen finden damals wie heute Windeln Verwendung.
Bei Hygiene im Weltraum fällt mir die „Riesen Weltraumputze“ ein, aus einem bekannten Film.
Jetzt etwas ernsthafter:
Du hast gesagt, Wasser könne in der Schwerelosigkeit nicht in einer Badewanne bleiben, weil es eine Kugel bildet, die dann
mit ihrer Oberflächenspannung sich von der Wanne abstößt.
(Wenn ich es richtigt verstanden habe)
Dazu eine physikalische Frage: Wassermoleküle sind Dipole (Sauerstoff negativ, Wasserstoff positiv) und reagieren auf statische Elektrizität mit Anziehung bzw. Abstoßung.
(Hab da im Telekolleg einen entsprechenden Beitrag gesehen)
Könnte man theoretisch damit genug Kraft auf das Wasser ausüben, damit es doch in der Badewanne bleibt? (ohne den Astronauten beim Baden zu grillen)
Und noch eine Frage: Bei Odyssey 2001 hat der Autor recht anschaulich eine Toilette beschrieben, die wie eine Microzentrifuge kurzfistigt eine Zentripedal (oder fugal)-Kraft ausübt und dementsprechend die Abführen der Schlacken ausübt.
Wäre eine solche Toilette möglich, ohne Drehzahlen zu erreichen die einen Menschen überfordern?
Danke, und damit Ende der Hygienischen Fragen!
Ralf mit Z
Zur Elektrizität: keine Ahnung, aber der Astronaut bleibt ja auch nicht in der wanne und schwebt umher.
Eine Zentrifuge würde gehen, doch dann müsste der Astronaut auch am Rand sein und die ganze Konstruktion ist doch ziemlich aufwendig. zudem gibt es ja nicht so viel überflüssiges Wasser an Bord einer Raumstation.
Also der Physikonkel vom dritten Programm hat mit einem
an Katzenfell geriebenen Stab (Acryl oder Glas) einen
aus dem Wasserhahn fließenden Strahl ganz schön abgelenkt.
Frag mich jetzt nicht nach der Spannung, der Fließgeschwindigkeit oder der Formel für den Vorgang. Es war halt erstaunlich und ist
mir so als Gedanke für das „Festhalten“ von Wasser in der Schwerelosigkeit gekommen.
Und bei der Zentrifugentoilette braucht man ja nicht unbedingt Wasser, die Kraft sollte ausreichen, das ganze von selbst vom
Benutzer abzutrennen, der sitzt ja auf dem Thron und dreht sich mit. Am besten um den Bauchnabel, dann trennt es sich am besten…
Ansonsten ist es mit Scotty zu halten, der auf die Frage: „Haben Sie Tribbles in den Weltraum gebeamt?“ Geantwortet hat: „Nein, das wäre ja Raumverschmutzung!“
Servus, Ralf mit Z
Aber warum so umständlich eine Zentrifuge nutzen? Nehmen wir doch das Prinzip deienr Weltraumputze. Man Setzt den zu reinigen in eine Kammer, lädt ihn negativ auf und das Gehäuse positiv und der Schmutz sollte von alleine zur Wand fliegen … Man kann dann noch mit dem Staubsauger der Weltraumputze nachhelfen – zumindest das funktioniert. Das ist das Prinzip der Weltraumtoilette, die man eigentlich Weltraumstaubsauger taufen sollte….
Ja, das wäre eine Möglichkeit allerdings unter zwei Bedingungen:
1. Du braucht einen Hoover-Staubsauger
2. Hoffentlich schaltet keiner dann den Rückwärtsgang ein…
3. Du läßt nicht Holowitz das Ding bauen…
Naja, das ISS-System scheint dann doch das beste zu sein.
Wenn die nächste Raumstation dann so gebaut wird, wie es sich Wernher von Braun vorstellte, ist das ganze eh anders…
(Anrüchige) Grüße Ralf mit Z
@Ralf mit Z: Die Wasserkugel würde – zumindest, wenn es gar keinen Luftstrom gibt und niemand darin planscht – schon in der Badewanne bleiben, wenn die Oberfläche der Badewanne aus einem Material besteht, das von Wasser benetzt wird. Dann ziehen sich Oberfläche und Wasser ja stärker an als die Wassermoleküle untereinander und der (Riesen-)tropfen bleibt „kleben“. So was klappt ja mit kleinen Tropfen schon auf der Erde, im Weltraum dann natürlich erst recht. Allerdings müsste halt der obere Rand der Wanne aus einem nicht von Wasser benetzbarem Material sein – sonst würde das Wasser nach und nach sich über den kompletten Emaille-Bereich verteilen.
Die Astronauten dürften sich im Wasser dann aber nur EXTREM vorsichtig bewegen, um es nicht doch gleichmäßig in der Raumstation zu verteilen! Letzendlich sind die Adhäsionskräfte des Wassers ja nur klein… Quasi jede Bewegung bringt Luft ins Wasser, die mangels Schwerkraft dort von selber auch nicht mehr rausgeht.