Die Lösung für ein überflüssiges Problem: Wie schnell wäre man mit dem SM bei Apollo 13 zu Hause gewesen?
Siegfried Marquardt ist ja ein untriebiger Bursche. Bei mir landen seine Troll-Kommentare auf der Genehmigungsseite, doch woanders scheint er damit noch Erfolg zu haben. In diesem Fall beweis er das Apollo 13 nicht mit dem Servicemodule zur Erde zurückkommen konnte. Das inspirierte mich zur heutigen Fragestellung – wäre ein Abbruch möglich gewesen und wie schnell wäre man wieder zur Erde zurückgekommen.
Wie immer verrechnet sich Marquard, bzw. geht von Annahmen aus, die schlicht und einfach falsch sind. So soll z.B. bei dem Punkt wo Erd- und Mondgravitation sich die Waage halten die Geschwindigkeit 0 sein. Das ist falsch. Bei keiner Umlaufbahn um die erde ist die Geschwindigkeit 0. Das ist nur gegeben bei Parabeln und dort auch nur in unendlicher Entfernung. Das kann man mathematisch leicht anhand der Bahngleichung (siehe unten) nachweisen. Es reicht aber auch ein bisschen Verstand. Wäre die Geschwindigkeit an einem Punkt der Bahn 0 so wurde durch die Erdgravitation der Körper dann beginnen senkrecht auf den Erdmittelpunkt zu fallen, anstatt eine Kurve um die Erde zu beschrieben. Beim erdfernsten Punkt der Bahn kann die zur Erde gerichtete Komponente 0 sein, doch die Komponente senkrecht dazu nicht.
Apollo flog bei den ersten Missionen auf freien Rückkehrbahnen, das heißt Bahnen die den Mond umrundeten und wenn es keine Zündung gab zur erde zurückführten. Für Apollo 13 habe ich keine Bahnelemente gefunden, doch für Apollo 11 und zwar folgende:
- Perigäum: 6.600 km (Erdmittelpunkt) / 229 km (Erdoberfläche)
- Apogäum: 566.433 km (Erdmittelpunkt) / 560.062 km (Erdoberfläche).
Ich bekomme mit meinem etwas unterschiedlichen Erdradius von 6371 km in meinem Programm für die Bahn eine Geschwindigkeit von 10832 m/s bei Brennschluss in 340 km Höhe heraus, in guter Übereinstimmung mit den errechneten Daten von Apollo 11 von 10834 m/s.
Die einfachste Möglichkeit das Geschwindigkeitsvermögen in einer Bahn zu berechnen ist die Vis -Viva Gleichung:
v = Quadratwurzel ( GM * ( 2 / r – 1/a)) [1]
a ist die Halbachse der Bahn, also der Mittelwert aus Apogäum und Perigäum (vom Erdmittelpunkt aus gerechnet)
r der momentane Abstand.
Nimmt man die obere Bahn auch für Apollo 13 an und einen Abstand von 321860 km bei der Explosion so resultiert eine momentane Geschwindigkeit von 1019 m/s.
Die erste Nöglichkeit die ich untersuche ist die sofortige Bahnänderung durch eine Zündung des CSM. Die neue Bahn sollte nun das r haben, also den gleichen Abstand, aber die Halbachse sollte eine andere sein. Idealerweise beträgt das Perigäum dann -6371 km. Es liegt dann beim Erdmittelpunkt. Für eine solche Bahn erhält man die kürzeste Flugzeit auf einer Ellipse von etwas unter 2 Tagen 2 Stunden. Nicht viel weniger als die normale Reisedauer von 2 Tagen 5 Stunden.
Jedoch habe ich das mal simuliert und man bekommt in der Praxis keine Bahn hin, die so ist. Eine Zündung bei fast mehr als der Hälfte der Distanz zum Apogäum erlaubt es nicht eine Bahn zu erreichen bei der das Apogäum konstant bleibt. Nach meinen Untersuchungen rutscht es wenn das Perigäum sinkt auch auf die Höhe der Zündung, also rund 330.000 km Entfernung ab. Allerdings muss man nicht den Mond umrunden und kann selbst mit einer kleinen Geschwindigkeitsänderung in einer Zeit unter 3 Tagen wieder zurück auf der Erde sein. Dafür braucht man nicht mal eine große Geschwindigkeitsänderung
Nun zur spannenden Frage – wie schnell hätte Apollo 13 zu Hause sein müssen. Nun dazu braucht man erst mal die Masse, Treibstoffzuladung des SM und den spezifischen Impuls des Haupttriebwerks um die Geschwindigkeitsänderung auszurechnen. Nach Wikipedia hat es 18.410 kg Treibstoff. Das CSM+LM wog nach Apollo 13 Presskit zusammen 96.946 Pfund, umgerechnet 43.974 kg. Der spezifische Impuls des AJ!0-137 Triebwerks beträgt nach dem Handbuch des SM 314 s = 3079 m/s.
Daraus kann man nach der Ziolkowski-Gleichung folgende Geschwindigkeit berechnen:
v = 3079 m/s * ln(43974/(43974-18410)) = 1.670 m/s.
Die Wikipedia gibt 2800 m/s an, doch die Angabe bezieht sich auf eine normale Mondmission bei der nach der Hälfte der Mission das LM abgetrennt ist. Ich halte sie trotzdem für zu hoch. Maximal benötigte Apollo nur 2000 m/s für einen Orbit und zurück. Da es schon vorher einige Geschwindigkeitskorrekturen gab wie Anpassung der Bahn, Ziehen des LM aus dem Adapter und man noch eine Reserve haben muss bin ich im folgenden von 1500 m/s nutzbarer Geschwindigkeitsänderung ausgegangen.
Bei einer Simulation kommt man auf die kürzeste Bahn auf eine mit einer Zündung von 175 Grad zur Bewegungsrichtung (also nahezu gegen die Flugrichtung) und erhält eine -5684 x 375.236 km bei der man nach knapp 2 Tagen 18 Stunden wieder landet.
Apollo 13 könnte also sehr viel schneller bei der Erde sein. Der Unfall geschah bei knapp + 56 Stunden. Nimmt man 2 Stunden Vorbereitungszeit, so wäre die Besatzung nach 124 Stunden zurück auf der Erde. In Wirklichkeit umflog man den Mond und zündete danach das Triebwerk. Dies reduzierte die Gesamtdauer auf knapp 143 Stunden also rund 60 Stunden oder zweieinhalb Tage später. Das Servicemodul hat zu wenig Geschwindigkeitsänderungsvermögen um die Bewegung weg zur Erde umzudrehen zu einer „hin zu Erde“. Es geht, doch die Geschwindigkeit ist danach kleiner als vorher, woraus eine Ellipse resultiert mit einem niedrigen Apogäum die langsamer durchlaufen wird. Der Gesamtzeitgewinn beruht auf der Tatsache, dass man nicht den Mond umrundet.
Nun gibt es ja die Fotografien des Servicemoduls nach der Havarie und meiner Ansicht nach tat die NASA gut daran das Triebwerk nicht zu zünden. Doch was wäre außer der Taktik die eingeschlagen wurde noch möglich gewesen?
- Nun man hätte das LM-Triebwerk der Abstiegsstufe sofort nach der Havarie zünden können
- und man hätte das LM-Triebwerk der Abstiegsstufe zünden können, es abwerfen und dann das der Aufstiegsstufe zünden können.
Dazu brauchen wie die Massen des Lunar Modules. Das Apollo 13 Presskit weist aus:
Abstiegsstufe trocken: 2.109 kg
Abstiegsstufe Treibstoff: 8.319 kg
Aufstiegsstufe trocken: 2.118 kg
Aufstiegsstufe Treibstoff: 2.371 kg
Dazu käme noch RCS-Treibstoff, denn ich hier nicht betrachte. Wikipedia gibt den spezifischen Impuls des Aufstiegstriebwerks mit 311 s (3050 m/s) und denselben Wert für das Abstiegssystem an.
Mit der Ziolkowski-Gleichung kommt man bei spezifischem Impuls = 3050 kg, Startmasse 43.974 kg, Endmasse 35.655 kg auf eine Differenzgeschwindigkeit von 639 m/s und wenn man dann die Abstiegsstufe abwirft (-2109 kg) und die Aufstiegsstufe zündet kommt man zu der zweiten Geschwindigkeit mit Startmasse 33.546 kg, Endmasse 31.175 kg um eine zweite Geschwindigkeitsänderung von 223 m/s.
Eine Simulation ergibt folgende Ergebnisse:
+639 m/s: (Nur Abstiegsstufe): Vektor 178 Grad zur Position, Bahn: -5.017 x 346.907 km, Rückkehr in 5 Tagen 12 Stunden
+862 m/s (Abstiegsstufe + Aufstiegsstufe): Vektor 180 Grad zur Position Bahn -5.914 x 331.935 km, Rückkehr in 4 Tagen 9 Stunden
Das Geschwindigkeitsvermögen ist in beiden Fällen kleiner als die momentane Geschwindigkeit. Es reicht also nicht eine Sturzbahn zu erreichen wie es das Servicemodul schafft. Daher durchläuft man noch das Apogäum, das allerdings bei höherer Geschwindigkeitsänderung auch stärker absinkt. Die Rückkehr wäre so nach 190 bzw. 163 Stunden möglich. Das wäre also länger als die eingeschlagene Strategie den Mond zu umrunden, was diese bestätigt. Warum ist diese besser? Ein kleiner Effekt ist der das man das Schwerfeld des Mondes nutzt. Es sind aber zwei andere Effekte bedeutsamer. Das erste ist das der Mond schon selbst die Bahn abändert. Er wird das Apogäum auf die Mondentfernung senken, zudem auch das Perigäum deutlich absenken. Bedeutsamer ist aber dass nun die Geschwindigkeitsrichtung zur Erde hinzeigt. Vorher musste man rund 1000 m/s abbauen um zu einer Bewegung hin zur erde zu kommen, nun liegt das von alleine vor. Zündet man nun das Triebwerk so ist man auf einer hyperbolischen Bahn mit einer viel kürzeren Reisezeit.
Würde die Alternative vorher Brennstoff und Oxidator des SM-Moduls abzulassen was bringen?
Hätte das bei einem hypergolischen Treibstoff überhaupt einigermassen gefahrlos geklappt? Das RCS-System war ja , glaub ich, noch unversehrt.
bernie
Dei Frage ist ob das überhaupt ging. Soweit ich weis gab es da keine Entlüftungsöffnung, nachdem das SM befüllt war. Beim aTV hat man das untersucht da dort der Treibstoff der EPS abgelassen wird, und da ging es. Doch da handelt es sich um einige Kilogramm und nicht Tonnen von Treibstoff. Im Vakuum verdünnen sich die Gase aber schnell – siehe auch dei Problematik des fehlenden Kraters unter der Mondfähre.
Hallo Bernd,
meines Wissens war doch Apollo 13 ausgerechnet die erste Mission, die keine
freie Rückkehrbahn benutzte, sondern eine Hohmannbahn (hoffentlich ist die Bezeichnung richtig). Ohne das Bremsmanöver hinter dem Mond wäre keine Rückkehr zur Erde mehr möglich gewesen….
zu Deinem Artikel zwei Fragen:
1. In Apollo 13 war bei der Rückkehr und der zweiten Korrekturzündung doch das Problem,
das keine Steine und Proben dabei waren und deshalb der Schwerpunkt nicht korrekt war.
Hätte man die Abstiegsstufe nicht dann abwerfen können und nur mit der Aufstiegsstufe den nötigen Schub zur Korrektur erzeugen.
2. Da das SM wohl eigentlich zu nicht mehr nutze war, und die Undichtigkeiten unbekannten Schub erzeugen könnten, hätte ich das Ding nach der Havarie abgeworfen:
Gewichtsverlust (und damit besseres Schub-/Gewichtsverhältnis) und geringere Explosionsgefahr durch das kaputte SM.
Fragt sich Ralf mit Z
Frage 1 kann ich beantworten. Das bezieht sich auf die aerodynamische Phase bei der Rückkehr. Apollo war steuerbar, der Auftrieb konnte durch korekturdüsen korrigiert werden, doch dafür musste der Schwerpunkt richtig liegen.
Frage 2 kann ich nicht beantworten, dazu müsste man sich mehr mit dem Raumschiff beschäftigen und das ist für mich als bemanntes nur bedingt interessant.
Ich könnte mir vorstellen dass das SM auch eine gewisse Schutzfunktion für den Hitzeschild der Kommandokapsel erfüllt und deshalb bis zum Reentry dran gelassen wurde. Abgesehen davon funktionierte doch das RCS-System im SM noch und das brauchte man doch auch noch bzw. hebt sich so lange auf wie möglich.
Zum Fuel Dumb des SM: Hätte man nicht einfach die beiden hypergolischen Komponenten nacheinander durch das Triebwerk ablassen können, dazwischen mit dem Druckgas aus dem Drucktank das Triebwerk spülen damit Reste der ersten Komponente siher draussen sind wenn man die zweite Komponente ablässt?
Also ich liefere noch die Daten ohne Treibstoff (-17.000 kg man braucht etwas RCS Treibstoff und es gibt auch noch Reste) noch nach:
Startmasse Zündung Abstiegsstufe: 25974 kg, Endmasse: 18.655 kf, dv= 1135 m/s: 3 Tage 12 h 13 min bei 174 Grad zur Bewegungsrichtung
Startmaasse Zündung Aufstiegsstufe: 16.476 kg, Endmasse 14.175 kg, dv=458 m/s: 3 Tage 14 h 23 bei 173 Grad zur Bewegungsrichtung.
Die Zeit nimmt zu, weil man schon über das Optimum heraus ist (Kompensation der gesamten Bahnenergie die in etwa bei der momentanen Geschwindigkeit liegt). Als Optimum errechne ich eine Geschwindigkeitsänderung um 991 m/s, das entspricht ziemlich genau der Geschwindigkeit in der Bahn bei 330.000 km Entfernung (989 m/s). Dann kommt man auf 3 Tage 10 Stunden 31 Minuten als kürzeste Zeit bis zur Landung.