Vor einigen Tagen habe ich den Artikel über die 2016-er Exomars Mission fertiggestellt. Etwas spät, gebe ich zu. Ich hinke auch sonst etwas nach. Inzwischen ist Osiris-Rex gestartet und dazu sollte es auch noch einen Artikel geben und zwei neue Träger, Launcher One und Firefly verdienen auch noch, näher gewürdigt zu werden. Aber ich hoffe jetzt hole ich das noch auf, da ich mehr Zeit habe: Am Sonntag ging die Freibadsaison zu Ende und ich war seit dem ersten Mai täglich schwimmen, was mit An- und Abfahrt mit dem Fahrrad rund 3 Stunden beansprucht habe. Auch wenn ich nun wieder täglich eine Stunde laufe (das hatte ich über den Sommer eingestellt) müsste ich rein rechnerisch 10 Stunden mehr im Monat Zeit haben. Als erste Folge gibt es einen neuen Artikel über die Uratmosphäre der Erde und ihre Evolution, der mir bei der Recherche zu den Massenaussterben in den Sinn kam. Vielleicht fasse ich die auch noch zu einem Artikel zusammen.
Aber Exomars 16 ist ein guter Aufhänger für meinen Blog, denn zu der Sonde findet man meine Meinung in der Überschrift. Ich halte die Sonde für misslungen. Natürlich muss man die wechselvolle Geschichte des Projektes kennen, aber selbst wenn man die berücksichtigt hat, man da einiges versemmelt. Doch auf die will ich gar nicht erst eingehen, denn auch dazu gibt es einen eigenen Aufsatz,
Das Hauptärgernis ist für mich der Lander. Die ESA hat sich entschlossen, in der 2016-er Mission einen experimentellen Lander zu landen. Er hat als primären Zweck die Eintritts- und Landemethode zu erproben und dabei Messwerte über Belastungen und Temperaturen zu gewinnen. Das verwundert schon etwas. Seit 1976 haben die USA sieben Raumsonden gelandet und dabei drei verschiedene Landemethoden in der Endphase eingesetzt: Abbremsung durch radarrückgekoppelte Triebwerke, Airbags und das Skycrane-Verfahren. Die ESA setzt nun nicht was revolutionär Neues ein, sondern das sicherste und erprobteste Verfahren: das Abbremsen mit Triebwerken. Das hat fünfmal geklappt. Einmal scheitete es beim Mars Polar Lander, doch das lag aus an einem Softwarefehler, der die Triebwerke abschaltete, sobald die Landebeine ausgefahren waren, selbst wenn man noch in großer Höhe war. So gesehen ist diese ESA-Mission eigentlich heute schon überflüssig. Noch schlimmer ist aber, dass dies wirklich der Zweck des Landers ist. Es ist nicht gedacht dann weitere Untersuchungen am Boden durchzuführen, vielmehr wird der gesamte Lander nur von Batterien gespeist und hat gerade mal 3 kg wissenschaftliche Nutzlast die über 2-4 Tage vornehmlich Wetterdaten gewinnen soll. Die einzige Kamera ist eine umgebaute Ingenieurskamera, die beim Abstieg Bilder macht. Eine Kamera für Oberflächenaufnahmen war unter den Experimentvorschlägen für den Lander, wurde aber gestrichen.
Vor etlichen Jahren habe ich in einem ESA-Journal einen Übersichtsartikel über die Ulysses Mission gelesen, in der der Verfasser beklagte, dass man keine Kamera auf der Raumsonde installiert hat. In der Tat ist Ulysses so weitestgehend an der Öffentlichkeit vorbei gegangen. Gelernt hat man nicht viel daraus. Bei Venus Express fand nur eine umgebaute Ingenieurskamera, die VMC-Verwendung. Immerhin. Leider sah man sich am MPIA nicht verpflichtet, die Aufnahmen auch zu veröffentlichen oder wenn dann nur ein einem Format, das Wissenschaftler nutzen, können im ESA-Eigenen planetaren Datensystem. Dort verirrt sich aber bestimmt kein „nur an Raumfahrt Interessierter“. Eine Kamera, selbst wenn sie kein Teleskop hat und nicht engbandige Filter, wie sie für die wissenschaftliche Auswertung von Aufnahmen wünschenswert wäre, gehört heute zu jeder Sonde. Die wichtigsten Resultate der Juno Sonde beim Durchflug des ersten Perijovums waren nicht die Ergebnisse der NASA-Instrumente, sondern der relativ einfachen Kamera der Planetary Society, also eigentlich einer „Gastnutzlast“. Von einem Marslander erwartet man sich auch nicht viel, die Umgebung ändert sich ja nicht. Selbst wenn man die Kameras nur festmontiert ohne einen Mast und der Fähigkeit sie auf jeden Punkt auszurichten, würden vier Kameras mit Weitwinkelobjektiven ausreichen, um die ganze Umgebung abzubilden. Die Abstiegskamera wiegt 0,5 kg, das wären 2 kg mehr bei 300 kg Landemasse. Soviel Platz und Gewicht geht nicht? Schwer zu glauben.
Das nächste Ärgernis ist, das man eine Landesonde baut, die gerade mal einige Tage arbeiten soll und rein batteriebetrieben ist. Wenn man bei 1,65 m Durchmesser nur 50% der Oberfläche mit Solarpaneelen belegen würde, reicht das, wenn man von den Werten der MER umrechnet, für eine Tageleistung von 600 Wh, mithin bei 12 Stunden Betrieb am Tag für eine Dauerleistung von 50 Watt. Für den 2018 er Rover, der aber mehr Instrumente hat und fahren soll sind 1200 Wh als Tagesleistung geplant. Mit der Hälfte sollte man, selbst wenn es nicht ausreichen sollte, (was ich nicht glaube) dann die Mission verlängern. Warum hat man darauf verzichtet? Einige Paneele, die man wie bei den anderen Landern nach der Landung nach außen klappt, würden in jedem Falle für eine dauerhafte Stromversorgung leisten. Ich verstehe den Sinn nicht. Warum baut man eine Sonde, die nur wenige Tage arbeitet. Wettersensoren haben nur einen Nutzen, wenn man die dauerhafte Veränderung bestimmen kann, ansonsten hat man nur einen unrepräsentativen Schnappschuss. Man muss nur mal denken man, würde jetzt gerade Messungen machen und die sollen dann typisch für das ganze Jahr sein. Derzeit haben wir Temperaturen mit maximal 30°C und keinen Regen, das ist also das typische Wetter in Deutschland über das ganze Jahr …. Wenn ich natürlich nur den Fokus auf der Landung setze, macht das Sinn, aber ehrlich gesagt, wenn eine Raumfahrtnation nach viele gelungenen Landungen, bei denen man z. B. bei Viking viel weniger vom Mars und der Atmosphäre wusste, die erst mal „probieren“ muss, dann ist das ein Armutszeugnis! Vor allem frage ich mich, was passiert wäre, wenn die zweite Mission wie geplant 2018 startet (sie ist nun auf 2020 verschoben) und was bei der Landung schiefgeht. Das erfährt man erst Ende Oktober, und wenn sie scheitern sollte, dauert es noch Monate die Ursache zu finden. Dann hätte man wahrscheinlich kaum oder keine Zeit die 2018 er Mission umzuplanen.
Bin ich wenigstens mit dem Trace Gas Orbiter zufrieden? Wenn ich schon so frage – natürlich nicht. Der Trace Gas Orbiter wiegt dreimal mehr als die letzte ESA-Marssonde Mars Express. Er trägt aber weniger Instrumente sowohl vom Gewicht wie auch von der Anzahl an. Noch schlimmer: Gerade mal die Hälfte stammt von der ESA. Die anderen beiden von Roskosmos im Austausch gegen den Start auf der Proton.
Nun finde ich es okay, wenn man russische Instrumente mitnimmt, aber dann doch zusätzlich zu den europäischen. Mit 4333 kg ist die Sonde beim Start ja auch noch leicht genug, dass man mehr zuladen könnte. Ich errechne für die Marsbahn eine Nutzlast von 4800 kg, das würde also noch deutlich mehr Instrumente zulassen, und es gäbe auch Reserven, wenn durch Solarpaneele und Kameras der Lander größer wäre. Teuer genug wären die beiden Missionen. Zusammen mit der 2018 Mission, die dann den Schwerpunkt auf dem Rover legt und nicht dem Orbiter kostet das Projekt 1,3 Milliarden Euro, das sind also 650 Millionen Euro pro Mission. Für das Geld hätte man durchaus mehr herausholen können als in der 2016 Mission: zwei europäische Instrumente auf dem Orbiter und eine 3 kg Suite auf dem Lander, die nur wenige Tage abreitet. Gemessen an der Masse würde ich einen gut ausgestatteten Orbiter erwarten – hier mal zwei Vergleichszahlen: Phobos 1+2 wogen 6220 kg bei 26 Experimenten mit 450 kg Gewicht, Mars 96 6.180 kg bei 22 Experimenten. Mindestens das doppelte Gewicht, eher so um 300 kg Experimente und mindestens 10 hätte ich bei dieser Startmasse erwartet. Aber das die ESA bei bilateralen Abkommen meistens schlecht da steht hat ja leider schon Tradition.