Der Untergang des Römischen Weltreichs

So der Titel eines Buchs von Peter Heather. Jemand hat es mal als Kommentar zu einem Blog empfohlen und da mein Blog eigentlich nur Intelligente und Vielbelesene anzieht (die anderen bekommen von den Blogkommentatoren schnell Kontra) habe ich es mir zugelegt und durchgelesen. Dazu kommt noch eine Buchkritik in den nächsten Tagen.

Heute geht es aber um den Tatbestand, also des Untergangs des Römischen Weltreichs. Wenn man das Buch liest, so wird die Meinung des Historikers deutlich. Dass römische Reich war zu groß. Es hatte zu lange Grenzen zu verteidigen. Die Truppen konnten kleine Gruppen von Plünderern aufhalten, aber nicht einen ganzen Stamm mit 10.000 bis 20.000 Kriegern. Wenn er erst mal auf dem Reichgebiet war, dauerte es Monate um Truppen, die im ganzen Reich verstreut warenn zu sammeln und in eine Schlacht zu führen. Mehr als einmal ging auch diese verloren, und selbst wenn man die „Barbaren“ schlug, so hatten sie eine Gegend geplündert und die lieferte über Jahre keine Steuern. Das Reich kannte das Problem und verlegte die Regierungssitze an die Grenzen, nach Trier oder Ravenna. Es wurde das Reich geteilt, um so die Distanz zu den Grenzen zu verringern und die Verwaltung, die das gleiche Problem mit langen Reisen und Distanzen hatte, effektiver zu gestalten. Zeitweise gab es neben dem weströmischen und oströmischen Reich vier Regierungssitze.

Die Völkerwandung bringt ab 376 das Reich in Bedrängnis. Zuerst ziehen die Ostgoten in den Balkan. Es gelingt sie nicht gleich zubekämpfen, weil das Westreich sich gegen Alemannen wehren muss und das Ostreich einen Feldzug gegen die Perser. Schließlich verlor der oströmische Kaiser eine Schlacht, weil er nicht auf seinen Kollegen aus dem Westreich wartete und er musste die Ostgoten auf römischen Boden ansiedeln. Eine zweite Welle gibt es 406 bis 410, als die Westgoten sogar Rom plündern. Um 440 brechen dann gleich mehrere Stämme durch und erobern Spanien und Nordafrika, später breiten sie sich in Gallien aus. Versuche die Länder wieder zu erobern scheitern. Daneben wurden zweimal die erfolgreichen Heerführer ermordet, weil die Kaiser fürchteten, sie würden zu mächtig werden. Die Kaiser selbst wurden auch ermordet und die letzten 20 Jahre vor dem Untergang regierten die Kaiser nur noch für einige Monate bis Jahre.

Die Argumentationskette von Heather ist schlüssig. Es ist eine Art Kettenreaktion. Wenn ein Stamm einfällt, dann kann, selbst wenn er besiegt werden kann, die Region über Jahre durch die Plünderung keine Steuern liefern und das Reich ist noch mehr geschwächt bei folgenden Invasionen, da das Geld für neue Truppen fehlt. Die Truppenstärke hat sich nach dem Buch zwar gehalten, aber schon 378 musste man Grenztruppen ins Feldheer eingliedern. Meistens gewann Rom nun aber nicht mehr und musste den germanischen Stämmen Siedlungsgebiete zuweisen, die dann ganz aus dem Reich herausfielen. So als 435-440 Vandalen, Alanen, Sueben gleichzeitig einfielen und das römische Reich nichts gegen sie machen konnte. Drei Stämme hatten auch ein handlungsfähiges Reich überfordert. Damit entfielen zwei wertvolle Provinzen: Spanien und Nordafrika, die durch ihr gutes Klima den Großteil der Steuereinnahmen einbrachten: 85% der Bevölkerung warne Bauern, so waren Steuern auf Ernten die Haupteinnahmequelle des Staates.

Auch war die Situation eine andere. Rom war in der Vergangenheit mit vielen stärkeren Gegnern konfrontiert. Es hatte Karthago ausgelöscht. Dann die seleukidischen Nachfolgestaaten. Jede dieser Staaten war eine Regionalmacht mit einer Armee, erprobt und schlagkräftig. Aber keine der Mächte wollte Rom zerstören oder ihr Gegenden wegnehmen. Keine, außer Hannibal fiel jemals in Italien ein. Verlor Rom einen Krieg, versuchte sie es einige Jahre später nochmals. Es war der Wille zu siegen und den vermisse ich dann doch im späten Rom. Der Niedergang ging über 100 Jahre und es gibt nur wenige Versuche einmal verlorene Gebiete wieder zurückzuerobern. Mehr noch: viele Schlachten gingen verloren. Rom hatte zu seinen besten Zeiten eine Armee die Schlachten selbst dann gewann, wenn sie von der Truppenstärke weit unterlegen war. Cäsar konnte bei Alesia einen Entsatzversuch eines dreimal so großen Entsatzheeres ab dabei wurde er von zwei Seiten angegriffen von der belagerten Bergfestung und von außen und er musste trotzdem die Belagerung aufrechterhalten, damit nicht woanders ein Durchbruch gelingt. Nun konnten germanische Stämme mit maximal 10.000 bis 20.000 Kriegern, keine Berufssoldaten, sondern Freie Germanen gegen ein ähnlich großes römisches Heer siegen und Rom hatte das Problem schon diese 10.000 bis 20.000 Mann aufzubieten. Heather spricht von zwei Truppen: der Feldarmee und der Grenzarmee. Letzte soll deutlich weniger schlagkräftig gewesen sein. Auch die Taktik scheint verbesserungswürdig. Die Vandalen setzten bei Gibraltar über, wahrscheinlich mit kleinen Booten, die zwischen Spanien und Nordafrika pendelten. Da es in Nordafrika, wo es setn Jahrhunderten nur Probleme mit Nomaden aber keine anderen Truppen gab, nur wenige römische Truppen gab, glückte dies. Rom stellte dagegen zweimal große Invasionsflotten auf, die so teuer waren dass sie, nachdem sie zweimal durch Glück und Strategie von den Vandalen zerstört wurden, das Kapital fehlte, woanders noch Gebiete zu erobern. Dabei hätten sie wie die Vandalen übersetzen können, denn die befanden sich schließlich 2000 km weiter östlich rund um Karthago und nicht in Mauretanien. Dort waren die ertragreichsten Regionen Nordafrikas.

Vor allem: Die Grenzproblematik ist nicht neu. Schon Augustus gab seinen Nachfolgern den Rat mit, auf eine Erweiterung des Imperiums zu verzichten. Von den 24 Legionen, die das Reich damals hatte, waren 14 an Rhein und Donau aufgestellt. Seine Nachfolger haben das nicht beherzigt. Alle Kaiser versuchten danach noch weiteres Gebiet zu erobern. Doch unter Trajan ein Jahrhundert später, erreichte das Römische Reich seine größte Ausdehnung. Danach ging es zurück. Man versuchte Grenzen durch Befestigungen wie den Limes oder Hadrianswall zu halten, gab diese aber später auf, nachdem man die Truppenstärke reduzieren musste, als man im Osten Krieg führte. Den komischerweise trachteten auch danach noch alle Kaiser daran, das Imperium zu erweitern. Allerdings vor allem im Osten, wo auch wirtschaftlich einträgliche Gebiete lagen. So begann ein über Jahrhunderte sich hinziehender Krieg zuerst gegen die Parther, dann als diese von den Persern abgelöst wurden gegen die Perser.

Auch 376 bei den ersten Einfällen führte das Ostreich einen Feldzug gegen die Perser in der Türkei, der kläglich scheiterte. Dass die Grenzen zu lang waren, ist eigentlich offensichtlich. Dass es immer wieder Invasionen gab, kam auch vor, doch waren es in der Regel vagabundierende Horden, die auf Beutezug waren. Niemals ein größeres Heer. Das die Grenztruppen, die in kleinen Kastellen von 500 bis 1000 Mann untergebracht waren, nicht 10.000 Germanen aufhalten konnten war eigentlich klar, und wenn diese erst mal auf römischem Gebiet waren, so dauerte es Monate, ein Feldheer aufzustellen und in die betroffene Region zu schicken. Warum Rom niemand daran dachte, die Grenzlinie zu verkürzen, indem man den Balkan aufgab, wo es eh nicht viel Steuereinnahmen gab, ist unverständlich. Italien ist geschützt durch die Alpen, Griechenland auch durch den dünnen Istmus und Gebirge, das Ostreich durch die Meerenge der Dardanellen. So blieben als mit Truppen stark zu bewachende Grenzen nur der Rhein und die Ostgrenze zum Perserreich. Zumindest beim Westreich sank die zu bewachende Grenze so auf ein Drittel.

Ich glaube aber das auch so Rom abgebaut hat. Man muss nur mit dem zweiten punischen Krieg vergleichen. Damals war Rom so groß wie etwa um 470 n. Chr. Nämlich auf Italien beschränkt. Doch dieses Rom konnte gegen Hannibals Armee kämpfen, gab den Kampf nicht auf selbst nachdem sie 50.000 Soldaten bei Cannae verloren und der Krieg sich über ein weiteres Jahrzehnt erstreckte. 470 n.Chr. reichten die Steuereinnahmen Italiens nicht mal mehr aus, um die Soldaten in Italien zu bezahlen und Odoaker, General der Truppen ernannte sich zum „Stadthalter“ über Italien, setzte den letzten Kaiser ab und verteilte Land an die Soldaten, die seit Monaten auf den Sold warteten. Noch mehr muss sich geändert haben. Hannibal machte nie den Versuch Rom zu belagern. Man begründet dies damit, dass er keine Belagerungsmaschinen mitführte. Aber die Vandalen, die von See über Schiffe kamen, plünderten Rom nach kurzer Belagerung und die hatten sicher auch keine Belagerungsgeräte. Dabei hatte man unter Kaiser Aurel die Befestigungen stark ausgebaut. Der Wehrwillen der Bevölkerung muss in den Jahrhunderten stark abgenommen haben. Vielleicht auch, weil sich die Bevölkerung änderte. Es gab immer mehr Großgrundbesitzer, die ihre Güter mit Sklaven bewirtschafteten und immer weniger kleine Bauern, die früher der Grundstock der römischen Gesellschaft gewesen waren. Schon im frühen Kaiserreich war Rom aus Getreidelieferungen aus Ägypten und Nordafrika angewiesen, so hatte sich die Landwirtschaft verändert in Richtung Anbau von Wein und Oliven und anderen „Genussmitteln“.

Meiner Ansicht nach greift Heathers Erklärung zu kurz. Sie ist logisch, aber nicht die ganze Sicht. Vor allem, wenn man seine Einführung liest, in der er scheibt, das zu dieser Zeit das ganze Reich romanisiert war und viele in den Provinzen sich als Römer empfanden. Gallier wurden zu bekannten Dichtern, sie waren genauso als Römer akzeptiert wie die Einwohner Roms Jahrhunderte früher. So hätte man in diesem Reich doch enorm viele Einwohner gehabt, die man zum Militär einziehen konnte, während lange Zeit nur Römer zum Militärdienst verpflichtet waren. Was wohl fehlte, war eine dezentrale Regierung. Wenn also Gallien überfallen, wurde so fehlte es an regionalen Machthabern, die eigene Truppen zur Verteidigung hatten und so vielleicht die Germanen nicht besiegen konnten, aber zumindest Plünderungen eindämmen konnten. Es gab keine Zwischeneinheit zwischen Städten und Kaiser. Es gab regional stationiertes Feldheer, doch diese Einheiten konnten auch zur Gefahr werden. Oft genug erhoben diese ihre Befehlshaber zum Kaiser und es kam zum Bürgerkrieg. So auch um 410, als der britische Kommandeur sich zum Kaiser erhob, mit seinen Truppen zur Durchsetzung nach Gallien übersetzte und Britannien alleine lies. Es wurde dann von den Angeln und Sachen eingenommen. Zu einer Zeit, als gleichzeitig die Westgoten unter Alarich nach Italien vordrangen und schließlich Rom plünderten, gab es so einen zweiten Krieg gegen einen Usurpator. Diese fehlende Zuverlässigkeit der Truppen ist sicherlich auch ein Erklärungsgrund für den Zerfall. Das gab es schon früher, als Nero starb, riefen sich z.B. gleich drei Befehlshaber zum Kaiser aus, doch in Zeiten äußerer Bedrohung war dies verhängnisvoll.

Das Oströmische Reich lebte dagegen weiter, konnte zeitweise auch einige Gebiete zurückerobern, so Nordafrika und den Balkan. Es verlor erst ab 624 Gebiete gegen die Araber und Konstantinopel wurde sogar erst 1453 eingenommen.

2 thoughts on “Der Untergang des Römischen Weltreichs

  1. Ja, ist ein wirklich lesenswertes Buch.

    Deine Konklusio mit der fehlenden dezentralen Regierung macht Sinn. Zwar war, wie aus dem Buch hervorgeht, Rom im Prinzip nur noch auf dem Papier die Hauptstadt, während Trier und Mailand zu den eigentlichen kaiserlichen Sitzen wurden.

    Und der Kaiser selbst war (auch wenn er ohne den seit der Zeit Cäsars um mehr als hundertfache gewachsenen Beamtenapperat nicht mehr regieren konnte)inziwschen zum absoluten „gottgleichen“ Herrscher mutiert.

    @Oströmisches Reich: Stimmt, allerdings war es ab 623 wirklich nur noch ein Papiertiger. Von der alten „Das Reich ging erst 1453 unter“ Klassifizierung hält Heather nichts, für ihn war das Reich seit dem 7 Jahrhundert kein wirklich „römisches“ Reich mehr, sondern nur ein Nachfolgestaat wie z.b. das fränkische Reich.

  2. Ein kleiner Push von mir.

    Ich habe mir im Dezember das sehr interessante Buch „Secular Cycles“ von Peter Turchin und Sergei Nefedov gekauft, wo diese versuchen mittels Statistischer Methoden den Aufstieg und Fall bestimmter Reeiche zu erklären. (Turchin hat letztens Herbst einen Quasinachfolger namens „Age of Discord“ herausgebracht, in dem er mit ähnlichen Methoden Mathematik den Aufsteig und die derzeitige Krise der uSA zu erklären. Auch sehr inter3essant, aber deutlich schwerer zu lesen.)

    Ergänzend hin hat David C. Baker von der Maquarine Universität noch dieses Papier über das römische Dominat verfasst. (Turchins Buch umfasst nur die Republikanische Ära und die Kaiserzeit bis 285 n. Chr.)

    http://escholarship.org/uc/item/5j8740dz#page-1

    Das Papier zeigt einen deutlichen Unterschied zwischen dem westlichen und östlichen Teil des Reiches ab 350 n. Chr.

    Während der Osten weitestgehend stabil, wurde das Westreich Jahrzehnte bevor die Völkerwanderung einschlug von internen Machtkämpfen und Bürgerkriegen erschüttert, in welche der öströmische Teil mehrmals eingreifen mußte.

    Heather geht in seinem Buch ein wenig darauf ein und beschreibt, wie von dir hervorgemerkt,die zu starke Zentralisierung des Reichs.

    Aber ein weiteres Problem, welches im Papier aufzeigt wird, und welches du auch im Blog erwähnt hast, war der Starke Anstieg an superreichen Großgrundbesitzern, welche um Macht und Einfluss kämpften.

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