Die Lösung für ein überflüssiges Problem: Lohnt sich der Umweg über Jupiter zu Saturn?
Heute will ich mich wieder mal einer Fragestellung widmen, die nicht jeden interessiert. Es geht um Raumsonden zu Saturn die in einen Orbit einbremsen sollen. Es gibt dazu mehrere Möglichkeiten. Die offensichtlichste ist der direkte Weg zu Saturn. Er dauert bei der klassischen Hohmannbahn 6 Jahre 19 Tage und man erreicht den Planeten mit einer Geschwindigkeitsdifferenz von 5444 m/s.
Saturn ist ein großer Planet und daher muss man wenn man eine elliptische Anfangsbahn haben will tatsächlich wenig abbremsen, auch wenn man mit einem großen ΔV ankommt. Für eine 160.000 x 3,6 Millionen km Bahn (etwas außerhalb der Saturnringe, bis zu Iapetus als letztem großen Mond) muss man nur um 1139 m/s abbremsen und erhält eine Umlaufdauer von etwas über 30 Tagen.
Schon das zeigt, das man eigentlich nicht viel optimieren kann. 1139 m/s ist ein geringe Geschwindigkeitsänderung. Danach wäre die Sonde um 31% leichter. Aber es kann ja auch Bahnen geben, die durchaus höhere Geschwindigkeitsänderungen erfolgen. Als Beispiel für eine so anspruchsvolle Bahn habe ich mir ein Einschwenken in Titans Umlaufbahn ausgesucht. Dafür braucht man schon 4002 m/s. Enceladus liegt so weit innen, das man schon 6005 m/s braucht. Realistischerweise würde man sicher zuerst die Aphele der Bahnen durch Titanvorbeiflüge absenken. Sowohl bei einem Einschwenken in Titans Orbit wie auch in Enceladus Orbit gibt es aber einen Punkt, wo man dies nicht mehr tun kann. Bei Enceladus ist das einfach zu umreisen: Sobald der Apo-Punkt auf Titans Umlaufbahn ist, kann ihn nicht mehr nutzen. Dann bleiben mindestens 3708 m/s um eine Bahn von 238.100 x 1.221.900 km in eine 238.100 km Kreisbahn umzuwandeln.
Bei Titan ist es problematischer. Idealerweise wird man von einer Bahn mit einer Resonanz der Umlaufperiode von mit Titan zu einer nächsten wechseln. Das Problem: Die Zeiten, in denen man Titan passiert werden, so immer größer. Nimmt man als letzte Bahn eine 2/3 Resonanz (Titanpassage alle zwei Umläufe = 32 Tage) an, so erhält man eine 643.000 x 1221.900 km Bahn. Aus dieser Bahn muss man nur 943 m/s für eine 1.221.900 km Kreisbahn abbremsen, wobei man beim Einfangen in Titans Orbit auch noch etwas gewinnt. Für eine 900 km hohe Kreisbahn sind es so nur 854 m/s. Zusammen kommt man somit obigen 1139 m/s auf rund 2000 m/s. Das ist also durchaus machbar.
Die abzubremsende Geschwindigkeit in eine erste Bahn ist dabei der kleinste Teil. Trotzdem will ich heute mal als Fragestellung untersuchen, inwieweit ein Jupitervorbeiflug diese minimieren kann. Die Idee dazu kam mir bei den Berechnungen zu Lucys Bahn. Da ergab sich das es sehr schwer war, das Aphel nur auf 845 Millionen km Höhe zu erhöhen und das Perihel deutlich zu erhöhen. Mit einem Aphel in Saturns Entfernung war es dagegen kein Problem, ein hohes Perihel zu erhalten
Nun gibt es ein gemeinsames Startfenster zu Jupiter und Saturn selten, nur alle 20 Jahre. Das liegt an den relativ nahen Umlaufdauern aber auch dem Tatbestand, dass die Periode niemals kleiner als ein Umlauf des inneren Planeten sein kann, also in diesem Falle Jupiters mit knapp 12 Jahren Umlaufszeit. Die Startfenster gibt es so alle 20 Jahre. Dieses Jahr ist das nächste. Das Letzte nutzte Cassini und das vorletzte Startfenster Voyager 1+2.
Die Taktik ist relativ einfach. Man passiert Jupiter, der lenkt einen zu Saturn um, wobei das Aphel der neuen Bahn in der Höhe von Saturn liegen sollte und das Perihel möglichst hoch. Nach einigem Probieren ergibt sich, das dies am besten geht, wenn die Startgeschwindigkeit möglichst gering ist. Hier eine kleine Tabelle:
Startgeschwindigkeit Solar | Annäherung bis auf | Perihel |
---|---|---|
38.500 m/s | 2,012 Mill. km | 569,7 Mill. km |
38.600 m/s | 3,372 Mill. km | 524,4 Mill. km |
38.700 m/s | 3,989 Mill. km | 482,7 Mill. km |
Da die Geschwindigkeitsdifferenz um so kleiner ist, je höher das Perihel ist, wird man mit minimaler Annäherungsgeschwindigkeit starten. Bei 38500 m/s zieht Jupiter schon kräftig an der Sonde. Jupiters Position wurde in 779 Mill. Km Abstand angenommen, ohne ihn würde die Sonde nur 772,7 Mill. Km Entfernung erreichen. Die beiden Grafiken hier zeigen die Bahn im Ganzen und die Umlenkung an Jupiter. Man sieht deutlich, wie Jupiter die Sonde zuerst stark anzieht und dann nach rechts umlenkt. Der Lohn ist eine Reduktion der Annäherungsgeschwindigkeit auf 2359 m/s. Das reduziert die abzubremsende Geschwindigkeit in en ersten Orbit (160.000 x 3,6 Mill. km) von 1139 auf 597 m/s. Das sind zuerst einmal nur 542 m/s Gewinn. Allerdings spart man auch beim Start. Die hyperbolische Exzessgeschwindigkeit aus einem 200 km hohen Orbit beträgt für den direkten Transfer zu Saturn 15077 m/s und zu Jupiter nur 14084 m/s. Das sind dann zusammen schon 1536 m/s. Das ist dann schon eine deutlichere Hausnummer, die sich in etwa 38% mehr Nutzlast niederschlägt.
Es hat aber auch seinen Preis. Ein direkter Transfer zu Saturn dauert etwas über 5 Jahre. Der Umweg über Jupiter zuerst 2 Jahre 187 Tage bis zu Jupiter und dann nochmals fast 6 Jahre bis zu Saturn. Diesen erreicht man nach 9 Jahren 41 Tagen, also 3 Jahren Verzögerung. Bei heutigen Missionen die sich ja über ein Jahrzehnt hinziehen, eine tolerierbare Verzögerung zumal man ja auch Jupiter passiert und in einer Distanz, die zumindest bis auf Kallistos Umlaufbahn heranreicht. Das gibt schöne Fotos von Jupiter und eventuell Kallisto.
Nun die schlechte Nachricht: Das Startfenster für dieses Jahr wird man wohl nicht halten können. Da müsste man zur Jahresmitte starten und eine Raumsonde ist nicht geplant. 2037 werde ich mich mit dem Problem wohl neu beschäftigen müssen.