Die Lösung für ein überflüssiges Problem: der beste Winkel für ein Geschütz

Ich schließe mich mit diesem Blog mal dem Letzten an. Beim Nachdenken über die Berechnung des Luftwiderstandes der Pumhard von Steyr. Der ist bei diesem Geschütz, dessen Schussbahn sich maximal 100 m über den Boden erhebt, konstant. Doch bei einem anderen Geschütz nimmt er ab je höher das Projektil steigt. Ein Schiffsgeschütz mit einer Reichweite von 40 km müsste schon die Stratosphäre durchqueren und damit sinkt natürlich der Druck der Atmosphäre.

Der Druck ist aber direkt verbunden mit der Dichte nach dem Gasgesetz von Boyle-Mariotte ist das Produkt von Druck und Volumen der Luft konstant. Mit abnehmenden Druck nimmt das Volumen einer gewissen Masse an Luft zu und damit die Dichte ab, die man für die Berechnung des CW-Wertes braucht.

Die Idee, die mir nun kam: Im Vakuum erreicht man beim schrägen Wurf (als solcher wird der Schuss behandelt) die maximale Weite wenn gilt:

cos (alpha) = Sin(Alpha), was bei einem Winkel von 45 Grad der Fall ist.

Wenn ich nun den Luftwiderstand mit einberechne, so sollte von der Logik her es sinnvoll sein, die Atmosphäre möglichst schnell zu durchqueren, also mit steilerem Winkel zu feuern. Ich verliere dann zwar etwas theoretische Maximalreichweite, aber mein Geschoss wird weniger stark abbremst, sodass die realisierbare Reichweite vielleicht größer ist.

Ich habe dies nun mal simuliert und dafür im Kern die Routine genommen, die ich schon beim letzten Mal publiziert habe.

Die Dichte der Atmosphäre habe ich mit der Internationalen Höhenformel berechnet. Genauer gesagt den Druck und den dann mit der Dichte auf Meereshöhe multipliziert. Als Cw-Wert für ein modernes Geschoss habe ich 0,31 genommen, ein Wert, den ich diesem Dokument entnommen habe.

Die Routine verwendet eine Annäherung die zuerst für eine Grafik die Reichweite und Höhe in 1 Grad Schritten berechnet. Während des Durchlaufs wird der weiteste Weg und zugehörige Winkel gemerkt und dann in einer zweiten Schleife wird von diesem Wert jeweils um einen Schritt zurück und vor gegangen und innerhalb dieser neuen nun engeren Grenzen erneut der beste Wert gesucht. Das wird solange wiederholt, wobei die Schrittweite immer kleiner wird, bis man bei unter 1 m Abweichung ist. Der Rest der Anweisungen dient für die Aufnahme der Grafikdaten und Ausgabe.

Wie ich mir gedacht habe, erhält man die höchste Reichweite bei etwas höherem Winkel als 45 Grad:

  • 45,1 Grad
  • 112,40 s Flugzeit
  • 61.751,5 m Sx
  • 15.510,8 m Hmax
  • 776,5 m/s vakt

Dies sind die Werte für das größte Schiffsgeschütz, ein 45-cm-Geschütz der japanischen Marine. Dessen Kanonen konnten nur bis 45 Grad ausgerichtet werden. Die angegebene Maximalreichweite (bei 45 Grad) von 42 km ist deutlich kleiner als bei der Simulation.

Wie sieht es bei kleineren Geschützen aus?

Die größte Kanone der Bodentruppen der Wehrmacht war die 17 cm Kanone. Nach Wikipedia mit folgenden Daten: Kaliber 173 mm, Geschossgewicht 68 kg, maximale Reichweite 29,6 km. Auch hier erhält man einen etwas größeren Winkel, vor allem aber eine viel größere Reichweite als angegeben:

  • 45,3 Grad
  • 133,30 s Flugzeit
  • 86.253,5 m Sx
  • 21.838,7 m Hmax
  • 914,7 m/s vakt

Das könnte an Abweichungen der realen Atmosphäre von dem Standardmodell sein, ich vermute aber eher, dass der cW-Wert nicht konstant ist. In dem Dokument steigt er z.B. beim Übergang vom Unterschall in den Überschallbereich stark an und die 0,31 waren ein Mittelwert. Bei dieser Granate, die nur im Überschallbereich unterwegs ist, müsste man einen höheren cW-Wert nehmen. Zudem habe ich nur die Frontfläche berechnet. Wenn auch die Seitenflächen Widerstand erzeugen, dann ist die Fläche viel größer.

Zuletzt noch ein kleineres Kaliber, die 7,5 cm Feldkanone 18. Daten: 5,83 kg Geschossgewicht, 9.425 m Reichweite, 580 m/s Anfangsgeschwindigkeit. Hier erhält man die größte Weite bei einem niedrigen Winkel:

  • 45,1 Grad
  • 82,25 s Flugzeit
  • 33.008,9 m Sx
  • 8.421,9 m Hmax
  • 558,1 m/s vakt

Auch hier erhalte ich eine deutlich höhere Reichweite. Die Simulation hat also deutliche Mängel und müsste mit den realen Flächen und (geschwindigkeitsabhängigen) cw-Werten rechnen, diese liegen mir aber nicht vor.

Jubelfeuer

Zuletzt noch eine Frage, die ab und zu auftaucht: Wie gefährlich ist es, in die Luft zu schießen? Wenn ein Diktator gestürzt wird, schießen die Leute ja gerne in die Luft und Gerüchten zufolge sollen die Kugeln selbst dann noch lebensgefährlich sein, wenn sie wieder herunterkommen. Ich habe mal einen Winkel von 80 Grad genommen. Das modellierte Geschoss ist eine 7,62 x 39 mm Patrone, das ist das Format, das die Kalaschnikow nutzt, das wohl am häufigsten eingesetzte Sturmgewehr. Die Patrone wiegt 7,9 g und wird mit 730,3 m/s abgeschossen.

Die Patrone hat noch eine ziemliche Geschwindigkeit drauf:

80,0 Grad

103,54 s Flugzeit

9.270,9 m Sx

14.150,8 m Hmax

457,2 m/s vakt

Die Höhe und Reichweite erscheint mir deutlich zu hoch, aber gefährlich dürften die Patronen auch noch sein, wenn sie nur mit der halben Geschwindigkeit ankommen. Dies würde mit den 2-3 km Maximalhöhe, die genannt werden, korrelieren.

procedure TForm2.Berechnen(Sender: TObject);

const
  startv = 780;
  rhoref = 772.41;
  cw = 0.31;
  d = 0.4;
  Masse = 1500;
  dt = 0.01;
  g = 9.81;
  refp = 1013.25;

var
  v, vx, vy, vg, rho: double;
  widerstand: double;
  f: double;
  ekin: double;
  sx, sy: double;
  hmax: double;
  t: double;
  winkel: double;
  Merkwinkel, merkdistanz: double;
  step, obergrenze: double;
  Grafikwerte: TMesswerte;
  Grafikwertey: TMesswerte;

  Function Hoehenformel(const H: double): double;

  begin
    result := refp * power(1 - ((0.0065 * H) / 288.15), 5.255);
  end;

begin
  setlength(Grafikwerte, 0);
  setlength(Grafikwertey, 0);
  f := pi * sqr(d / 2);
  winkel := 0;
  obergrenze := 90;
  step := 1;
  merkdistanz := -1; // Damit schon die erste Berechnung eine neue Distanz setzt
  Merkwinkel := winkel; // Damit der Compiler nicht meckert
  repeat
    repeat
      v := startv;
      sx := 0;
      sy := 0.0;
      hmax := 0;
      t := 0;
      repeat
        ekin := 1 / 2 * Masse * v * v;
        rho := rhoref * Hoehenformel(sy) / refp;
        widerstand := rho * cw * f * v * v / 2 * dt;
        ekin := ekin - widerstand;
        v := Sqrt(2 * ekin / Masse);
        vx := cos(Degtorad(winkel)) * v;
        vy := sin(Degtorad(winkel)) * v;
        vg := g * t;
        sx := sx + (vx * dt);
        sy := sy + (vy * dt) - (vg * dt);
        hmax := max(hmax, sy);
        t := t + dt;
      until (t > 1) and (sy < 0); // 0 m
      if step = 1 then
      begin
        setlength(Grafikwerte, length(Grafikwerte) + 1);
        Grafikwerte[high(Grafikwerte)].y := sx;
        Grafikwerte[high(Grafikwerte)].x := winkel;
        Grafikwerte[high(Grafikwerte)].Farbe := clred;
        setlength(Grafikwertey, length(Grafikwertey) + 1);
        Grafikwertey[high(Grafikwertey)].y := hmax;
        Grafikwertey[high(Grafikwertey)].x := winkel;
        Grafikwertey[high(Grafikwertey)].Farbe := clnavy;
      end;
      if sx > merkdistanz then
      begin
        merkdistanz := sx;
        Merkwinkel := winkel;
      end;
      winkel := winkel + step;
    until winkel > obergrenze;
    winkel := Merkwinkel - step;
    obergrenze := Merkwinkel + step;
    step := step / 10;
  until Abs(merkdistanz - sx) < 1;
  Cleargraphic;
  SetRunden(true, true);
  SetScreenAnpassung(Donothing);
  SetParameter(700, 700, 2, 3, true);
  // SetzeGrenzen(0, 50000, 0, 100);
  SetFormatstr('%.0n', '%.0n');
  Setfont('Arial Narrow', 20);
  SetBeschriftung('Flugbahn über Winkel', 'm', 'Grad');
  AddCurve(Grafikwerte, clred, 'Winkel gegen Weite');
  AddCurve(Grafikwertey, clnavy, 'Winkel gegen Höhe');
  Show_Grafik;
  form1.Image1.Picture.Assign(getimage);
  form1.Show;
  Memo1.Lines.Clear;
  Memo1.Lines.Add(Format('%.1n Grad', [Merkwinkel]));
  Memo1.Lines.Add(Format('%.2n s Flugzeit', [t]));
  Memo1.Lines.Add(Format('%.1n m Sx', [sx]));
  Memo1.Lines.Add(Format('%.1n Hmax', [hmax]));
  Memo1.Lines.Add(Format('%.1n vakt', [v]));
end;


2 thoughts on “Die Lösung für ein überflüssiges Problem: der beste Winkel für ein Geschütz

  1. Komisch ich bekomme für einen Cw von 0.3 bei der Kugel im freien Fall nur eine Geschwindigkeit von knapp 100 m/s.

    F_gewicht = F_Luftwiderstand
    m * g = 1/2 v^2 * rho * A * Cw
    0.079 N = 1/2 * 1.2 * 0.000`045 m^2 * v^2 * 0.3
    v = 99 m/s

    man kann noch etwas Horizontalgeschwinigkeit dazugebebn und kommt dann auf ca. 150 m/s, das ist aber etwas 3 mal langsamer…
    90 J (eher weniger wenn der Cw höher ist, schon nur wegen der Rauhen Oberfläche) ist eher bei einem starken Luftgeweh, allenfalls ein sehr kleines Pistolenkaliber (z.B. 150 J Pistole, https://en.wikipedia.org/wiki/Muzzle_energy dort allerdings bei 5.7 statt 7.6 mm durchmesser, also halber Fläche).

    Die Mythbusters haben das mal untersucht und sind zum Schluss gekommen, dass fallende Kugeln nicht tödlich sind. Allerdings nur wenn sie ziemlicht senkrecht abgeschossen werden. Bei schrägen schüssen wirds gefährlich.

  2. Beim Übergang von Unter- zu Überschall steigt der cw-Wert sprunghaft an. Dieser Anstieg, der die Piloten und Techniker anfangs verwirrte, führte zu dem noch heute üblichen Begriff der „Schallmauer“. Die bekannte Folge ist der Überschallknall: Nicht nur bewirkt der Überflug mit einem überschallschnellen Flugzeug, dass ein erheblicher Teil der dissipierten Energie beim „Beobachter“ (fast) gleichzeitig ankommt. Es wird auch besonders viel Energie in einer Stoßwelle dissipiert, die als Schall wahrnehmbar ist. Einen Jumbo auf 10 km Reiseflughöhe hört man am Erdboden i.d.R. nicht, eine Concorde auf 15 km wegen des Überschallflugs hingegen schon.

    Bei einer Gewehr- oder Kanonenkugel ist das nicht anders: Es geht viel Energie in die Druckwelle!

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