Das Ende von freenet TV?

Am 29.3.2017 wird DVB-T abgeschaltet. Geht es nach der Meinung der ct‘-Redakteure, so ist das der Tod des frei empfangbaren Fernsehens, kurz „freenet tv“ genannt. Irgendwie werden sie nicht warm mit dem neuen Standard DVB-T2. Um mal die Fakten zu bringen: Seit 1.5.2016 werden einige Programme schon in DVB-T2 ausgestrahlt. Bei mir sind dies ZDF, ARD, Pro7, SAT1, RTL, VOX, Tele5. Ab dem 29.3.2017 werden alle Programme in DVB-T2 ausgestrahlt. Das sind dann vor allem zusätzlich die Dritten, die ARD/ZDF Spartenkanäle und insgesamt 14 private. DV-T2 hat einen neuen effizienteren Komprimieralgorithmus HEVC und es wird in Full-HD also 1920 x 1080 ausgestrahlt und das noch in 50 Bildern pro Sekunde (1080P50). Mehr Sender, eine höhere Auflösung, höher als „nur HD (1280 x 720) wie es derzeit Standard im Kabel und soweit ich weiß, auch bei Satelliten ist, und mehr Bilder pro Sekunde, also weniger Artefakte bei Laufschriften oder schnellen Bewegungen. Eigentlich so sollte man meinen wären damit alle zufrieden.

Nicht so zumindest zwei ct‘-Redakteure. Der Erste verfasste das Editional und regt sich auf, dass man nun nach 11 Jahren! Neue Settop-Boxen kaufen muss, um das Signal zu empfangen. Der Zweite meint, dass dies das Ende von frei empfangbarem Fernsehen ist, weil die „SD“ Inhalte verschwinden und die Privaten (wie auch beim Kabel und Satellit) die HD-Versionen nur gegen Bares herausrücken.

Ich dachte mir zuerst ich verfasse eine Mail an die beiden Redakteure, doch da ich sowieso etwas knapp an Themen bin, dachte ich mir eignet sich das auch gut als Blogthema.

TV Standards im Wandel der Zeiten

Fangen wir mit dem Ersten an. Man braucht (neue) Set-top Boxen. Das hat nun eigentlich nichts mit dem DVB-T2 zu tun. Seit wir vom analogen ins Digitale Zeitalter umgestiegen sind, brauchen wir immer, wenn sich was ändert Zusatzhardware. Zu schnell ändern sich Algorithmen, mit denen die Inhalte kodiert werden, von eingeführter Verschlüsselung gar nicht erst zu reden. Seit 2001 gab es als wesentliche Algorithmen zuerst MPEG-2 (DVB-T), dann MPEG-4 (DivX, Xvid, H.263), es folgte H.264 (DVB-S2, Blueray) undn nun HEVC/ H.265 für DVB-T2. Da die vorhandene Hardware in die heute die Algorithmen nicht als Software, sondern Hardwaredecoder eingegossen ist die jeweils neuen nicht beherrschte war immer ein Neukauf fällig. Entweder als externe Box oder mit einem neuen Fernseher. Wer aber bisher nur DVB-T empfing also über Zimmerantenne der war seit 2006 also 11 Jahren um einen Neukauf herumgekommen.

Auch wer digitales Fernsehen aus dem Kabel empfangen wollte, brauchte für einen alten Röhrenfernseher eine Set-Top Box und wer Satellitenfernsehen empfing einen neuen Receiver. Bei dieser letzten Klientel, die sowieso immer eine Box brauchen, dürfte der Aufschrei daher geringer sein. Außerdem braucht nicht jeder eine Set-top Box. Mein 2015, also ein Jahr vor der Umstellung, gekaufter Fernseher empfängt DV-T2 nativ, allerdings nicht die privaten Programme, die für eine Übergangszeit zwar verschlüsselt sind, aber von zertifizierten Geräten ohne Abschluss eines Abos entschlüsselt werden können. Das ist nicht generalisierbar. Ein als Monitorersatz gekaufter 32-Zoll-Fernseher vom letzten März hat keinen DVB-T2 Tuner. Also Augen auf beim Fernseherkauf!

Vor allem finde ich die Argumentation doch etwas befremdlich. Ein Röhrenfernseher hat man, solange betrieben wie er tat oder sich die Bildqualität nicht verschlechterte. Ich habe in 30 Jahren genau zwei Stück gehabt. Da sich der Fernsehstandard seit 1967 nicht änderte, konnte ein neuer Fernseher nur mit mehr Diagonale punkten und da war bei 66 bis 70 cm schon aus Gewichtsgründen Schluss.

Heute kauft man einen Flatscreen-Fernseher viel häufiger. Der Hauptantrieb ist, dass die Fernseher mit großer Bildschirmdiagonale immer billiger werden. Heute sind 50-55 Zoll so billiger als 30 Zoll vor zehn Jahren. Damit einher gehen auch immer mehr technische Möglichkeiten. Die ersten Flatscreens hatten nur das HD-Lite mit 1366 x 768 Punkten, heute ist Full-HD als Standard schon am Aussterben und 3840 x 2160 die neue Auflösung. Fernseher ab 40 Zoll gibt es fast nur in dem neuen Format. Dem hinken die Inhalte hinterher. Außer bei DEB-T2 bekommt man nur HD-lite als Standardformat und selbst neue Produktionen werden nicht in Full-HD produziert. Stattdessen wird hochskaliert. Will man diese hohe Auflösung nutzen dann geht das nur mit Blue Ray Disks. Dazu kommen „erweiterte Funktionalitäten“. Ein Fernseher vor einigen Jahren konnte noch keine Mediathekinhalte wiedergeben, heute kann man mit ihnen auch im Internet surfen, wenn auch ziemlich umständlich. Kurzum: in wenigen Jahren werden wahrscheinlich auch die Fernseher die nur DVB-T können, bei den meisten ausgetauscht sein.

Das Ende von freenet TV?

Das Zweite ist der vom zweiten Redakteur angesprochene Trend, dass die Privaten nun nur noch Programme für Kohle ansehbar machen. Der ist gegeben: „Private“ Sender kann man schon als „HD+“ über Satellit nur für Kohle empfangen und bei DVB-T2 wird das 69 Euro im Jahr kosten. Beim Kabel kosten die HD-Programme ebenfalls extra. Bei Unitymedia 10 Euro pro Monat. Klar der Trend ist da und auch andere prognostizieren, dass in wenigen Jahren (2023 läuft ein Rahmenvertrag aus) es die Privaten nur noch gegen Bares zu sehen gibt.

Meine Meinung: Juckt mich nicht. Ich sehe auch die Gefahr nicht das ich damit alleine bin. Seit 2009 gibt es HD+ über Satellit. Bis Ende 2016, also in über sieben Jahren hat man 2,1 Millionen Abonnenten gewonnen. Das sind aber gerade mal 11,8 % der 17,7 Millionen Nutzer von Satellitenfernsehen. Die anderen 88+ % sind also trotz riesiger Bildschirmdiagonalen mit den SD-Bildern zufrieden. Also bei mir sehen die beschissen aus. Wenn die Leute also trotz offensichtlicher Vorteile kaum HD-Fernsehen von den Privaten nutzen, was wird dann passieren, wenn dieses wegfällt?

Ich prognostiziere: Der Marktanteil der Privaten fällt. Ich schaue sie schon lange nicht mehr an. Der Knackpunkt ist die Werbung. Die ist im Laufe der Zeit immer länger geworden. Die 20% Werbungsanteil an der Sendezeit werden heute voll genutzt und eine Erweiterung auf 25% durch die EU ist in Sicht. Meine persönliche Beobachtung. Zuerst haben die Sender ihre Werbeblöcke synchronisiert. Damit kann der Zuschauer nicht mehr wegzappen kann, wenn er Werbung sieht, woanders läuft dann auch nur Werbung. Dann wurden die Werbungsblöcke immer länger, bis man das Maximum von 20% erreicht. Da begann bei mir der Ausstieg. Es fiel damit an, dass nun die Blöcke so lange waren, das die Zeit nicht nur reichte mal kurz aufs Klo zu gehen oder sich einen Kaffee aufzubrühen, sondern auch die Emails zu checken und dann blieb ich dabei hängen. Eine Zeit lang habe ich dann die Sendungen per Online TV-Rekorder runtergeladen und am Zweitmonitor angeschaut. Mittlerweile bin ich auch zu faul dazu und nutze die Mediatheken der Öffentlich-Rechtlichen. Die Medienangebote der Privaten sind mit dem Fernseher praktisch unbenutzbar (man sieht keine ganzen Folgen sondern nur Schnipsel) und am Computer nervt die Werbung noch mehr, da in Lautstärke nicht auf die Sendung angepasst.

Inzwischen ist es mit der Werbung noch schlimmer. Vor und nach der Werbung kommen nun noch einige Minuten mit „Eigenwerbung“ für Sendungen des eigenen Senders. Für mich ist das Werbung genauso wie jede andere auch, sie zählt aber nicht zu den erlaubten 20%. Dann gibt es direkt vor und nach dem unterbrochenen Teilen einen Spot, der nicht als Werbung zählt, weil es sich um „Produktionsunterstützung“ handelt. Dann heißt es der „Der Film am Freitag wird ihnen präsentiert von ….“. Zuletzt hat man die Blöcke extrem ungleichmäßig verteilt. Damit die Zuschauer an der Stange bleiben, ist es nun oft so das der erste Block relativ spät kommt. Die Erfahrung lehrt, das wenn man erst ein größeres Stück eines Films angesehen hat, man auch dran bleiben will. Dann folgen sie aber in kurzem Abstand und beim letzten Block kann es sein, das der erst 3 Minuten vor dem Ende des Films kommt.

Ich finde das höchst nervig und das was mich interessiert, finde ich sowieso nicht auf den Privaten. Früher habe ich allenfalls Spielfilme abends angesehen, inzwischen verzichte ich drauf. Die Fans von amerikanischen Fernsehserien sind wohl heute das Hauptpublikum und auch Hauptzielgruppe der Werbung. Ob die für diese Werbungsarie noch was extra zahlen? Ich glaube eher die greifen dann gleich zu den Originalen. Zumindest meine Nichten und Neffen, die etwa eine Generation jünger sind, legen auch Wert auf die Originale auch und besonders wegen der Originalsprache und natürlich, weil man sie so viel früher hat. Wenn heute schon die Leute nicht bereit sind, für HD-Inhalte zusätzlich zu zahlen und mit SD-Signalen, die schon auf mittleren Diagonalen vermatscht aussehen, zufrieden sind, was wird wohl passieren, wenn man HD nur noch per Bares bekommt? Die meisten werden schlicht und einfach nicht mitziehen und das setzt eine Spirale in Gang: Die Einnahmen aus Werbung hängen von den erreichten Zuschauern ab. Sinkt die Zahl, sinken die Einnahmen und damit auch die Möglichkeiten attraktive, aber teuere Dinge einzukaufen (selbst produziert wird bei den Privaten ja eher einfache Kost) und damit wird es noch uninteressanter. Insbesondere dürften wenige Satellitennutzer meiner Ansicht nach umsteigen. Der Hauptvorteil von Satellitenempfang ist, dass der Empfang umsonst ist. Ansonsten hat man nur Nachteile. Der Empfang kann durch Wetter beeinträchtigt sein, man muss selbst die Antenne justieren und die Anlage kostet auch etwas. Wer also heute schon nicht bereit ist für den Empfang dauerhaft zu bezahlen (sonst könnte er auch Kabel nehmen das verschandelt auch nicht den Eindruck des Hauses) der wird wohl kaum nun auf Angebote ausweichen, die kosten. Mit 79 Euro für das HD+ Paket mit CI-Modul ist man schon bei der Hälfte der Kosten eines Kabelvertrags bei Kabel Deutschland, bei dem die HD-Sender mit drin sind.

Fazit

Damit kein Missverständnis aufkommt: ich will nicht sagen, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen besser geworden ist. Fernsehen ist in den letzten Jahrzehnten überall schlechter geworden. Für mich ist das Privatfernsehen immer nerviger geworden. Die öffentlich rechtlichen haben andere Probleme. Sie pflastern die Sendeprogramme mit immer dem gleichem Schema voll. Zur Spätabendzeit laufen im Ersten und Zwoten z. B. fast nur Krimis, im Ersten dann noch Quizshows, nachmittags entweder Telenovelas oder Kochshows. Wer interessante ausländische Serien oder Filme sehen will, muss auf die Spartenkanäle wie ZDF Neo oder One ausweichen. Doch das ist ein anderes Blogthema.

Für mich ist DVB-T2 nur positiv: ich hatte, nachdem meine Mutter 2015 starb, den Kabelvertrag gekündigt. Über 200 Euro, nur für Fernsehen zu zahlen, war mir zu teuer, zumal ich von den vielen Programmen nur wenige anschaue. Ich bin auf DVB-T umgestiegen. Seit Mai letzten Jahres empfange ich auch DVB-T2 wenn bisher auch nur 6 Sender. Ich vermisse bisher nur zwei Sender: ZDF Neo gibt es zwar, aber es teilt sich einen Kanal mit dem Kika, wird also erst nach 21:00 übertragen und das Zweite ist NDR, wo meine Lieblings-Satiresendung Extra 3 läuft, doch die kann ich über die Mediathek eben am Mittwoch anschauen.

2 thoughts on “Das Ende von freenet TV?

  1. Ich bin da gänzlich anderer Meinung.
    Nach etwas mehr als einem Jahrzehnt muss man wieder Hardware wegschmeißen. Der Bruch damals war
    eventuell nötig, aber das jetzt finde ich recht unverschämt. So langsam hatte sich durchgesetzt das Fernseher einen DVB-T Empfänger einfach eingebaut hatten. Man konnte endlich wieder ohne Receiver gucken. Und nu‘ ist das wieder alles Über.
    Ich mache den Mist mit immer größer weil billiger nicht mit. So ein Riesending kam mir noch nie (auch zu Röhrenzeiten) in die Bude. Ich gucke TV aber es ist nicht mein Kernthema. Meine Fernseher dürfen ruhig lange halten. Was wurde damals für ein technischer Stunt getrieben um das PAL-Farbfernsehen kompatibel zum S/W-Fernsehen zu halten. Und das war ein ganz anderer Aufwand als der den man heute im digitalen Zeitalter treiben müsste. Hätte man die geringste Bereitschaft dazu gezeigt hätte man das Datenformat bei DVB-T 1 schon so ausgelegt das es „zukunftsicher“ gewesen wäre. Auch bei der Einführung des UKW-Stereo hat man damals analog einen ziemlichen Aufwand betrieben damit die Monoradios (bis heute) nicht außen vor blieben. Ich bin auch starker Verfechter der Erhaltung des analogen Radios.
    Hier werden sich wieder einige dumm und dämlich am Zwang zum Umstieg verdienen.
    Wenn man sich Gedanken über fossile Rohstoffe macht sollte man sich auch Gedanken darum machen das heute einfach nichts mehr halten darf weil unser (weltweites) System so ist und wachsen muss.
    Daran krankt unser Planet und die ganze Umwelt.

    Ich restauriere inzwischen (hobbymäßig) Vintage Hifi Anlagen (Plattenspieler e.t.c.) und habe einen Heidenspass daran wie solide die Dinger damals gebaut wurden und wie man sie mit geringem Aufwand für Jahrzehnte wieder fit kriegt.

    Ulli

  2. Man hätte sich die HD Sender auch in DVB-T ausstrahlen können. Ich denke man hat gewechselt weil der neue Decoder 1,8 bis 2,4 mal effizienter ist also bei gleicher Datenrate etwa doppelt so viele Pixels übertragen kann. Sonst hätte man für HD Aufnahmen wohl zu viel Bandbreite gebraucht und es gäbe entsprechend weniger Sender.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.