Bernd Leitenbergers Blog

Ja wenn der große Vorsitzende das sagt …

Irgendwie zeigt SpaceX immer mehr Züge, die ich sonst nur von kommunistischen Regimen kenne. Es wird wahnsinnig viel angekündigt, das dann nicht kommt. Sie sind immer besser als alle anderen. Sie geizen mit technischen Details zu ihren Raumfahrtprogrammen (wann fällt die Mauer bei SpaceX – danach bekam man zumindest von den russischen Programmen etwas mehr Informationen). Dann gibt es die Sprache mit Ausdrücken, die bestimmte Sachverhalte immer anders bescheiben. Beim Kommunismus waren es oft Wörter, die mit „ismus“ endeten wie Revanchismus, Materialismus, Sozialismus, Kaptalismus, Bei SpaceX sind es englische Abkürzungen wie RUD = Rapid Unscheduled Disassembly oder Verharmlosungen wie „Anomaly“. Außerdem siegt der Kommunismus (fast) immer und Neiderlagen werden erst zugegeben, wenn jeder andere sie auch schon bemerkt hat. So hat Spacex trotz mehrfacher Abweichungen von den Bahnparametern oder torkelnden Nutzlasten im Orbit und ausbleibenden Wiederzündungen ein 100% Success bis zum Juni 2015 reklamiert. Dann sind auch Raketen nicht explodiert, sondern es gab eben einen RUD. Wäre also das Ereignis etwas später passiert (im Schedule anstatt unscheduled) alles wäre in Ordnung gewesen. Bei Tschernobyl wurde der Gau auch erst zugegeben, als die radioaktive Wolke schon über Mitteleuropa abregnete.

Vor allem wurden kommunistische Regime von wenigen Personen, teilweise einer gelenkt und egal wie utopisch die Vorgaben waren, sie waren verbindlich. Das fiel mir auf, als ich folgende Passage stieß:

„Shotwell said it took SpaceX roughly four months to refurbish the Falcon 9 first stage for the SES-10 mission. In the near-term, she said, that will drop below two months, and eventually down to a single day. “I think Elon’s given us 24 hours, maybe, to get done what we need to get done, and it’s not a million people around a rocket scurrying like a beehive or an anthill.“

Also derzeit brauchen sie zwischen zwei und vier Monate für eine Inspektion und sie glauben ernstlich, das sie es in einem Tag schaffen, wenn Musk das anordnet? Eine Produktivitätssteigerung um etwa den Faktor 100, das schlägt doch die kommunistischen 5-Jahres-Pläne bei Weitem.

Natürlich wird man schneller, wenn man mehr Erfahrung hat. Aber diese Steigerung ist illusorisch. Ich habe als Beispiel man einen Trendchart meines Programm Launchlog Converters der Ariane 1-4 und Falcon 9 eingefügt. Bei beiden sieht man dasselbe Verhalten: Anfangs ist der Abstand zwischen zwei Starts groß, man ist in der Einführungsphase und prüft die Daten zwischen zwei Starts genau. Zudem hat man noch keine Serienfertigung etabliert, schließlich kann es durch die Erfahrungen bei den ersten Flügen noch Produktionsänderungen geben. Danach sinkt er ab um (mit Abweichungen wegen Verzögerungen bei der Anlieferung der Nutzlast oder schwankenden Auftragszahlen) um einen konstanten Wert zu schwanken. Das sieht man am besten beim Mittelwert bei dem sich die Schwankungen ausmitteln. Bei Ariane 1-4 muss man noch berücksichtigen das zum Schluss der Serie die Startfrequenz durch Einführung des Nachfolgemodells Ariane 5 abnahm.

Es gibt aber Unterschiede: die Falcon 9 hinkt, seit Sie eingeführt wurde ihren Aufträgen hinterher. Trotzdem gibt es auch ohne die beiden Zwangspausen nach Explosionen (RUD) deutliche Abweichungen nach oben so bei Start 7 und 12.

Der zweite Punkt ist: Wenn die Firma wie schon mehrfach angekündigt Raketen im Abstand von zwei Wochen starten will, nützen ihr Überholungszyklen von 2 Monaten wenig. Dann ist die Produktion, die derzeit eine neue Rakete pro Monat fertigen kann, schneller. Meiner Ansicht nach nutzt SpaceX die gebogenen Raketen derzeit als Druckmittel angesichts von enormen Verzögerungen läuft das wahrscheinlich so „Tja wir können ihren Satelliten wahrscheinlich Mitte 2018 starten, tut uns leid, dass das 18 Monate später als geplant ist, aber wenn sie eine schon erprobte Falcon Erststufe nehmen dann ginge es auch drei Monate früher…“. Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann oder? Bisher wird zwar viel Tam-Tam um die Bergung gemacht, aber es gibt nur einen bekannten Kunden und der wurde mit einem satten Rabatt geködert. Doch auch SES dürfte nicht zufrieden sein. SES 10 ist ja nun der Nächste in der Liste, doch Arianespace hat angekündigt das gerade SES-15 für einen Sojus Start im April am CSG angekommen ist. Nach (oder eventuell vor) SES 10 kommt also gleich SES 15. Ja Geduld muss man haben, wenn man bei SpaceX Kunde ist. Erinnert mich irgendwie an die Post, als die noch bundeseigen war.

In dem Artikel gibt es aber eine weitere interessante neue Information: „Shotwell said SpaceX is “investing hundreds of millions” of dollars into production capacity for Falcon 9, and that the company also invested at this high level last year.“. Hmmm, was hat Elon Musk vor 5 Jahren geschrieben? Wir bauen bald 400 Triebwerke pro Jahr, das war im August 2011. Nun erst nach mehr als drei Jahren operativer GTO-Transporte und Verzögerungen, die im Bereich von bis zu einem Jahr liegen, fangen sie an die Produktionskapazität auszubauen. Das macht bei anderen Unternehmen keinen Sinn. Schließlich ist SpaceX immer noch der Newcomer. Oberste Priorität sollte es daher sein die Kunden zufriedenzustellen, denn es gibt nicht so viele Satellitenhersteller und Betreiber. Ein zufriedener Kunde kommt wieder. Stattdessen nimmt die Firma weiter Aufträge an, auch welche mit kurzen Zeitfristen. Bei der Konkurrenz braucht die Produktion einer Rakete eineinhalb bis zwei Jahre. Das heißt, selbst wenn sie, weil ein Konkurrent ausfällt und sie mehr Aufträge bekommen, sie können nicht kurzfristig neue Aufträge annehmen, außer sie lagern Raketen auf Halde. Wenn man allerdings ein Schneeballmodell hat, bei dem die derzeitigen Aufträge, die nächsten finanzieren, dann ist das stimmig. Sie können erst jetzt durch die Vorauszahlungen überhaupt die Produktion neuer Raketen finanzieren.

Die Produktion von Hunderten Triebwerken pro Jahr vor 5 Jahren als gerade mal zwei Starts pro Jahr stattfanden (dafür würden 20 reichen) macht noch deswegen keinen Sinn, weil SpaceX die Raketen iterativ verändert. Für Ende des Jahres ist die fünfte Version der Falcon 9 angekündigt. 2011 war nicht die Erste in Betrieb: Seitdem hat sich der Triebwerksschub mehr als verdoppelt von 420 auf über 840 kN. Wenn sie also 2011 so viele Triebwerke gebaut haben, dann wären die alle für die Schrottpresse gefertigt.

Trotzdem gibt es neue Abschlüsse. Hisdesat soll schon Ende dieses Jahr starten. Der Satellit war wie GRACE 2 auf einer Dnepr gebucht, die jedoch nach der Ukarinekrise praktisch am Boden bleiben muss. Angesichts dessen das der Launch Schedule von SpaceX bei den Portalen durchschnittliche Verzögerungen von 6-9 Monaten ausweist erscheint das optimistisch. Ich bin mir aber sicher das der Satellit zusammen mit anderen starten wird, z.B. Iridium Satelliten wie bei GRACE 2. Dafür spricht auch ,das der Operator 15-16 Millionen Dollar braucht. Das gezahlte Geld für die Dnepr muss er erst zurückfordern. Doch selbst wenn man beides zusammenzählt reicht es nicht für einen ganzen Falcon 9 Start. So ist wahrscheinlich das er sich einen Start mit Iridium oder GRACE 2 teilt. Nebenbei wird SpaceX teurer. Ein GPS Start kostet nun schon 96,5 Millionen Dollar. Vor einem Jahr war es bei einem anderen GPS Start noch 82,3 Millionen Dollar. Da es sich um Satelliten einer Serie handelt, kann man davon ausgehen dass die Kosten für SpaceX die gleichen sind. Die Rakete ist also um 17,2% in einem Jahr teuer geworden. Im US-Arsenal ist mangels einer mittlerer Trägerraketen das noch billig, aber bei 3.833 kg Startgewicht mit Apogäumanstrieb hätte er auch für weniger Geld von einer Sojus STK oder Proton gestartet werden können.

Nicht jede meint das SpaceX so toll ist. Für den ersten GTO-Start seit dem letzten RUD-Ereignis musste die Firma 73 anstatt 13 Millionen Dollar als Haftungskaution für Schäden für die Startvorbereitungen vorweisen. Spaceflight hat schon am 3.3. ihren Flug gestrichen.

Bei dem letzten Flug wurde die Erststufe übrigens nicht geborgen. Das hat Elon Musk schon angekündigt. Da der Satellit mit 5.600 kg zu schwer für eine Bergung sei. Zu schwer? Bei 8,3 t GTO-Nutzlast und 15% Verlust bei der Landung auf einem Droneschiff oder 30% bei Rückkehr zum Startplatz würde es knapp zur Rückkehr reichen auf jeden Fall zur Landung auf dem Droneschiff. Also wieder Luftblasen-Nutzlasten? Nein, ich glaube inzwischen habe ich das System durchschaut, und das ist dann auch konsistent mit den bisherigen Startangaben. Die Angaben auf der Webseite sind nicht die der Rakete, die gerade fliegt, sondern die der Rakete, die fliegt, wenn man jetzt bucht also in zwei Jahren. Vorher gab es als Maximalnutzlast 5.500 kg und da passt die fehlende Bergung sehr gut dazu. Das erinnert mich an den Softwarebereich, von dem auch Musk herkommt: Man verspricht alles für die nächste Version, die wird es dann schon richten. Und wie bei so inkrementell entwickelter Software gibt es eben in jeder Version mit neuen Dingen neue Bugs wie eben explodierende Heliumtanks, wenn man die Füllung ändert. Der Kunde als Betatester – damit hat schon Atari schlechte Erfahrungen gemacht, aber die Satellitenindustrie ist sicher experimentierfreudiger als die Endverbraucher 🙂 Wer so geizig ist das er bei einem Satellitenprojekt, das etwa 200-400 Millionen Dollar kostet um 15-30 Mill. $ zu sparen zum Billiganbieter wechselt der freut sich sicher, wenn seine Nutzlast in einem Feuerball, Entschuldigung einem RUD, aufgeht.

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