Das Nachdenken über „Galileo 2“ brachte mich auf den heutigen Blog. Damals war einer der Vorschläge als man die Hauptantenne nicht ausfalten konnte einen Kommunikationssatelliten hinterher zu schicken. Man hat es nicht weiter verfolgt. Aus naheliegenden Gründen. Wenn der Kommunikationsorbiter die Fähigkeiten von Galileo haben, sollte dann käme nur ein Satellit mit derselben Hauptantenne infrage also ein TDRS. Doch der wiegt genauso viel wie Galileo selbst. Die Sonde bräuchte also wiederum 7 Jahre, um Jupiter zu erreichen – wenn man ein geeignetes Startfenster findet. Galileo hatte schließlich auch noch drei Vorbeiflüge zu absolvieren. Zudem setzt er auch denselben Antennentyp ein, das Entfalten hätte also auch da nicht klappen können.
Nun sind zwei Missionen zu Jupiter geplant. Brauchen die einen Kommunikationsorbiter? Eigentlich nicht. Beide Missionen haben ihr eigenes Kommunikationssystem. Aber wenn man es genauer anschaut, dann schon. Der wichtigste Grund: JUICE und Europa Clipper werden viele Manöver im Jupitersystem durchführen. Das ist ein Unterschied zu Galileo, wo es nur kleine Kurskorrekturen gab. JUICE will schließlich in eine Umlaufbahn um Ganymed einschwenken und Europa Clipper 45 Vorbeiflüge an Europa durchführen. Damit die in einer tolerierbaren Zeit möglich sind, muss auch hier der Kurs massiv geändert werden. Der Preis: Die Raumsonden bestehen größtenteils aus Treibstoff. Bei JUICE beträgt die Trockenmasse 1800 kg, die Startmasse 5.264 kg. Bei Europa Clipper sieht es günstiger aus: 3.254 kg Start und 2.072 kg Trockenmasse. Doch beide Raumsonden haben nur kleine Sendeantennen. Es gibt dazu Gründe. Zum einen erhöhen große Antennen natürlich das Gewicht. Beide haben massive Antennen. Das Zweite sind die Sender. Sie haben einen hohen Stromverbrauch. Bei einem Wirkungsgrad von 30-40 % braucht ein 30-Watt-Sender eine Eingangsleistung von 80 – 90 Watt, was bei Juno schon ein Fünftel der Gesamtenergie ist.
Die Idee: Man strippt die Sendesysteme der beiden Sonden herunter und spart so Gewicht. Stattdessen baut man einen (relativ) einfach gebauten Satelliten, der immer in sicherer Entfernung von Jupiter bleibt. Er empfängt die Signale und hat eine große Sendeantenne und kann sie dann zur Erde übertragen. In sicherer Entfernung (jenseits von 17 Jupiterradien = 1.213.600 km) ist die Strahlenbelastung so klein, dass man dort lange einen Satelliten betreiben kann. Wahrscheinlich länger als die beiden Raumsonden, sodass er auch für zukünftige Missionen zur Verfügung steht.
Design
Ich zäume das Pferd mal von hinten auf und beginne mit dem Orbiter und untersuche erst dann die Auswirkungen auf die beiden Missionen. Fangen wir mit der Masse an. Ein erster Ansatzpunkt wäre Galileo ohne Stromversorgung, Experimente, Antriebssystem und Hauptantenne, weil dieses alles missionsspezifisch festgelegt wird. Das sind, wenn man die konkreten Werte nimmt, dann 477 kg, in etwa das was Ende der Siebziger/Anfang der Achtziger komplette Kommunikationssatelliten wogen, wie immerhin 4-6 Transponder hatten. Es geht durchaus kleiner: es gibt kleine Satellitenbusse und der Mars Orbiter MCO wog 338 kg trocken, ohne Antriebssystem dann um die 270 kg.
Dazu kommt zuerst eine solare Stromversorgung, die 600 Watt bei Jupiter liefern soll (vergleichbar Galileo mit 570 Watt zu Missionsbeginn), um auch etwas stärkere Sender anzutreiben. Das entspricht mit 10% Reserve für die Abnahme durch Strahlung 18 kW in Erdnähe, die bei ATK-Flexwings rund 90 kg wiegen. Dazu kommt ein Strahlenschutz. Wird der gleiche wie bei Juno gewählt so addiert das weitere 30 kg.
Die Antenne wird man als entfaltbare Antenne auslegen. In zivilen Programmen wird so etwas seit Galileo nicht mehr eingesetzt, doch letztes Jahr startete der fünfte militärische MUOS-Satellit mit einer 14 m großen entfaltbaren Hauptantenne. Harris, der Hersteller, hat solche Antennen bis zu einer Größe 22 m und ausgelegt auch für das Ka-Band. Das bietet mehrere Vorteile. Zum einen erlaubt das Ka-Band bei 30-32 GHz einen hohen Datentransfer zwischen den beiden Satelliten. Im Einsatz für den Downlink nutzt man es wegen der Wetterabhängig bisher noch kaum. Dabei kann es theoretisch bei gleicher Sendestärke in etwa die 13-fache Datenrate gegenüber dem X-Band bei 8,4 GHz übertragen. Zum Zweiten liefert eine so große Antenne sowohl eine große Datenrate zur Erde wie auch von / zur Sonde.
Ich habe mich bei der Größe auf 12-14 m beschränkt, da eine solche Antenne schon im Weltraumeinsatz ist. Die Daten habe ich von einem Programm der ESA übernommen, dort wiegt eine 12 m Antenne 220 kg. Dies schließt auch die Entfaltungsmechanismen ein, ohne diese erreichen „Mesh-Antennen“ ein Gewicht von 0,37 kg/m², würden bei 113 m² also nur 42 kg wiegn.
Damit hätte man eine Masse von 787 kg für den Satelliten ohne Antriebssystem.
Das Antriebssystem ist der nächste Punkt. Der Kommunikationsorbiter landet in einem hochelliptischen Anfangsorbit wie alle Raumsonden. Um die Strahlungsbelastung zu minimieren, sollte dieser relativ hoch liegen. Galileo bekam ein Drittel der Gesamtdosis beim Einschenken in den Orbit ab, als es sich bis auf 285.000 km dem Planeten näherte. Neben dem dV Budget spielt dabei auch die Annäherungsgeschwindigkeit eine rolle. Bei einem klassischen Hohmann Transfer sind es 5,7 km/s relativ zu Jupiter. Je höher das Perihel ist desto kleiner ist die Annäherungsgeschwindigkeit. Ist das Perijovium hoch genug, so kann auch eine Anhebung der Perijoviums entfallen. Wenn ich als Kriterium ansetze, das die Strahlenbelastung nicht höher als beim GEO sein sollte und die Abschirmung durch die Struktur zu 2 mm Aluminium ansetze, so sollte nach der zweiten Abbildung die Belastung kleiner als 6 krad sein (entspricht bei einer Strahlentoleranz von 100 krad, wie es heute bei Prozessoren Standard ist einer Betriebsdauer von 20 Jahren). Nach der Grafik und ebenfalls 2 mm Anschirmung entspricht das einer Entfernung von 16 Jupiterradien, wobei die Sonde im Mittel weiter entfernt wäre. Ich lege es zuerst nicht fest, sondern werde es als Restmasse der Differenz der Startmasse und des bekannten Orbiters mit 787 kg und dem folgenden Ionenantriebssystem festlegen.
Das Ionenantriebssystem
Ich habe das Pferd rechentechnisch rückwärts aufgezäumt, das heißt, ich gehe von einem gegebenen Startgewicht aus und rechne dann, aus was noch beim Jupiter ankommt. Ich habe im ersten Ansatz ein hypothetisches Ionentriebwerk mit einem spezifischen Impuls von 30.000 m/s und 2,5 kW Leistung und einem elektrischen Wirkungsgrad von 70% zugrunde gelegt (116,7 mN Schub, 3,89 mg/s Treibstoffverbrauch). Die Sonde wird von einer Sojus in einen GTO transportiert. Die Nutzlast der Sojus in den GTO beträgt 3.240 kg. Nach 164 Tagen wird die Fluchtgeschwindigkeit überschritten. Die Sonde wiegt nun noch 2.854 kg. Nach 1 Jahr 29 Tagen hat die Sonde dann auch die Übergangsbahn zu Jupiter erreicht: 241 x 780 Mill. km. Restmasse 1.927 kg. Nimmt man 30 kg Restxenon für folgende Korrekturen und ein Masseverhältnis von 6:1 für die Xenondruckgastanks, so wiegen die Tanks 223 kg. 100 kg sollen die Ionenentriebwerke und Stromkonverter wiegen. Die Ionentriebwerke werden im Satelliten integriert, um Gewicht zu sparen, und nutzen dessen Stromversorgung.
Nun muss in den Jupiter Orbit eingebremst werden. Bei 787 kg Trockenmasse des Orbiters ohne Antriebssystem und 323 kg für die Restmasse des Ionenantriebssystems, darf das mit chemischen Treibstofen arbeitende Antriebssystem dann 767 kg wiegen. Beim Start/Trockenmasseverhältnis von Galileo (6.12) wiegt das dann ohne Treibstoffe 125 kg. Bei einem spezifischen Impuls des aktuellen 400 N Triebwerks von Airbus von 3148 m/s kann man dann um 1275 m/s abbremsen. Bei einem Zielorbit von >1,2 Millionen x 18 Millionen km und einer Annäherung mit 4,1 km/s muss man sich dem Planeten nicht mehr stark nähern. Wenn man in 1,22 Millionen km um 1037 m/s abbremst, erreicht man die Zielbahn. Danach wird auch bei Jupiter elektrisch die Bahn geändert. Wenn man nur 100 Watt dafür zur Verfügung hat und kleine Ionentriebwerke (zusätzlich) dafür nutzt, kann man bei einem Betrieb über einem Drittel der Zeit pro Jahr die Geschwindigkeit um 26 m/s ändern. Das ist ausreichend für die Lagereglung. In dieser komfortablen Distanz kann der Orbiter sehr lange betrieben werden. Sinnvollerweise wird man durch Vorbeiflüge an Kallisto den Orbit auf Kallistos Orbit anheben und dann mit Ionenantrieb noch etwas weiter anheben, sodass Kallisto die Bahn nicht mehr verändert. Mit dem chemischen Treibstoff wäre auch direkt in eine 1,9 x 18 Millionen km Bahn einschwenkbar.
Nutzen:
Nimmt man an das eine Raumsonde ebenfalls maximal 18 Millionen km sich von Jupiter entfernt (entspricht einem 180 Tage Orbit, dem ersten Orbit von Galileo) so beträgt die Distanz maximal 36 Mill. km. Zur Erde sind es dagegen maximal 930 Mill km. Vergleichen mit einer 70-m-Antenne würde also eine 12-m-Antenne im Satelliten die 19,6-fache Datenrate empfangen können oder eine Sendeantenne wäre entsprechend kleiner, eine 1 m große Antenne wäre also so effizient wie eine 4,4 m Antenne zur Erde. Beim Vergleich mit Europas (kleineren) 35 m Antennen wird es noch drastischer. JUICE hat z.B. eine 3,1 m große HGA die sollte 50 kbit/s zur Erde übertragen. Eine nur 1 m große Antenne würde bei derselben Empfangsstärke mindestens die 5,1-fache Datenrate übertragen. Sinkt die Distanz auf maximal 20 Millionen km, wie es im Endorbit um Ganymed der Fall ist, so ist es sogar die 16,5 fache Datenmenge. Der Vorteil: JUICE kann so viel Leistung bei den Sendern sparen und die Antenne kann auch leichter sein. JUICE hat einen 52 Watt TWTA für das X-Band. Bei rund 40% Effizienz belastet der das Strombudget mit 130 Watt bei 900 Watt Gesamtleistung. Ein 10 Watt Sender würde zum Kommunikationsorbiter ausreichen – 100 Watt oder ein Neuntel der Stromversorgung könnten eingespart werden (beim Gewicht der Arrays von Juno (340 kg für 450 Watt bei Jupiter) sind das 75 kg, dazu kommen noch 20 kg für die kleinere Hauptantenne und auch noch ein unbestimmbarer Anteil am Gewicht der Verstärker die bei 10 Watt auch weniger Wiegen als 57 Watt Sender. Man könnte die X-Band Sender sogar ganz weglassen und nur das Ka-Band nutzen – es wird im freien Raum ja nicht im Empfang beeinträchtigt und die Datenrate würde nochmals um den Faktor 15 ansteigen. Die rund 100 kg klingen nach wenig, doch da ohne Antriebssystem nur 1100 kg der Sonde nichts mit Antrieb zu tun haben bedeuten diese 100 kg eine Reduktion der Startmasse um ein Neuntel – damit könnte man die Reisezeit mit fünf fly-Bys deutlich verkürzen.
Sinnvollerweise wird man, weil der Kommunikationsorbiter auch ausfallen kann, die Architektur der Sonde nicht verändern, aber die größere Sendeantenne des Orbiters nutzen. Sie ist viermal größer als die von JUICE, was die 16-Fache Datenrate bei gleicher Sendestärke bedeutet das die Sonde mit 800 anstatt 50 kbit senden kann, was da sie Sonde abbildendes SAR und hochauflösende Kameras mit hohen Datenraten hat nicht unwillkommen ist. Trotzdem gibt es einen Nutzen, da man zum Kommunikationsorbiter im Ka-Band senden kann und so weniger Strom benötigt (Sonde kann länger arbeiten oder hat mehr Strom für Experimente zur Verfügung) und der Anteil der Sendezeit an der Gesamtzeit kleiner ist, also mehr Zeit für Experimente zur Verfügung steht. Zusammen mit der größeren Datenrate erhält man so mehr Resultate.
Da man etwas mehr chemischen Treibstoff als benötigt hat (rund 87 kg sind als „Rest“ verfügbar, wäre es am besten, wenn man dieses auf den Bedarf auslegt (1100 m/s Korrekturkapazität reichen bei 1037 m/s nomineller Abbremsung aus) und die 87 kg anders nutzt. Ich würde für 37 kg für drei Experimente nehmen die keine räumliche Ausrichtung benötigen, da die Sonde sich dauernd nach den Raumsonden / zur Erde drehen muss) das wären Teilchendetektoren, Plasmaantennen und Magnetfeldsensoren. 50 kg würde ich in die Solarpaneele stecken, damit man schneller zu Jupiter kommt, denn das dauert 9 Jahre, 213 Tage. Bei 50 kg mehr für die Solarzellen sind es nur 6 Jahre 266 Tage und auch die Erde verlässt man schneller. Auf höher spezifische Impulse habe ich zugunsten der Reisezeit verzichtet, die jetzt schon mit Verlassen der Erde bei > 8 Jahren liegt.
Zusammenfassung
Hier die Daten des Orbiters:
Parameter | Wert |
---|---|
Orbiter Trockenmasse ohne Antenne und Antriebssystem und Solarzellen | 477 kg |
12 m Antenne | 220 kg |
Solarzellen für 25,5 kW bei der Erde | 170 kg |
Strom bei Jupiter | 940 Watt |
Experimente | 37 kg |
Chemisches Antriebssystem | 679 kg mit, 112 kg ohne Treibstoff |
Ionenantriebssystem | 1.657 kg mit, 333 kg ohne Treibstoff |
Gesamtmasse: | 3.240 kg |
Ein Kommunikationsorbiter brächte eine deutliche Erhöhung der Datenrate und damit auch des wissenschaftlichen Nutzens der beiden geplanten Sonden. In dem Orbit ist die Strahlenbelastung gering und er könnte genauso lange wie geostationäre Satelliten betrieben werden (bei 5 krad/Jahr etwa 20 Jahre). Damit stände er auch zukünftigen Programmen zur Verfügung.
Die Kostenabschätzung ist schwierig, doch der erste Kommunikationssatellit den die Falcon 9 startete kostete 200 Millionen Dollar. 100 Millionen für einen Sojus Start und die Ionenantriebe und weitere 100 Millionen für Modifikationen wie Antenne, Solararrays und die Missionsdurchführung halte ich für angemessen. Das wäre die Hälfte der Projektkosten von JUICE, und würde für einen moderaten Preis dessen Nutzen deutlich erhöhen.