Bernd Leitenbergers Blog

Mit Geld haushalten – ein Problem für Raumfahrtagenturen

Ich bin für Raumfahrt, aber auch eine Raumfahrt der Vernunft. Das gilt nicht nur für die bemannte, sondern auch unbemannte Raumfahrt. Ein Großteil der heutigen Forschungssatelliten hat Zielsetzungen, die aus der Astronomie stammen. Zum einen die Planetensonden, die im Sonnensystem Planeten viel näher kommen und so mehr Details sehen, als jedes Teleskop. Zum anderen die zahlreichen Beobachtungssatelliten. Sie nutzen Wellenlängenbereiche, welche die Atmosphäre ausfiltert (IR, UV, Röntgen, Gamma) oder eine Sicht ohne Trübung (Sonnenobservationen, Weltraumteleskope). Fasst man beide Budgets zusammen so kommt man auf ziemliche Summen von der die irdische Astronomie nur träumen kann. Bei der NASA geht das sehr gut, weil sie als einzelne Posten ausgewiesen sind, dann kommt man selbst in schlechten Jahren auf über 2 Milliarden Dollar pro Jahr. Von solchen Budgets kann die erdgebundene Astronomie nur träumen. Ein Großteleskop kostet so viel wie ein billiger Forschungssatellit, Das Gran Telescopio Canrias z.B. 130 Millionen Euro. Es ist das zweitgrößte Teleskop weltweit. Selbst das EELT, ein Teleskopneubau von 39 m Durchmesser wird gerade mal die kosten von OSIRIS-REx erreichen (1,1 Milliarden Euro). Ich würde gerne mehr Mittel in der irdischen Astronomie sehen, anstatt in solchen relativ sinnlosen Raumfahrtprojekten. Die irdische Astronomie ist nicht nur billiger, sie ist auch langlebiger und braucht weniger Unterhalt. Teleskope die 100 Jahre alt sind kann man heute noch nutzen. Wenn sie nicht genutzt werden dann weil neuere viel größer sind oder man sie vor 100 Jahren nahe von Städten errichtet hat, die heute durch Lichtverschmutzung sie unbrauchbar machen. Man kann sie aber aktualisieren. Vor 30 Jahren nahm man den Himmel mit Fotoplatten auf, dann kamen als Ersatz für die Fotokathoden die ersten CCD, damals noch mit 320 x 512 Pixel. Heute gibt es an die Teleskope angeschlossen Kameras mit Pixelzahlen im Gigapixelbereich. Ein 30 Jahre alter Astronomiesatellit hätte immer noch seine 512 x 320 Pixel Kamera oder es würde 10 Milliarden Dollar kosten ihn laufend zu aktualisieren, so viel kostete das Hubble Weltraumteleskop während seiner Betriebszeit. Das ist ein Vielfaches der Summe, die man in der gleichen Zeit in alle neu gebauten Teleskope weltweit investiert hat, inklusive der neuen 8 bis 10 m Riesen wie Keck I+II oder das VLT.

Wirtschaften

Zu den Kosten der Raumfahrt gehört auch das verbesserungswürdige Wirtschaften mit dem Steuergeld. Fast immer sind Forschungssatelliten teurer als kommerzielle Satelliten. Früher dachte ich das ist normal. Schließlich werden kommerzielle Satelliten in Kleinserien gefertigt. Inzwischen bin ich schlauer. Bei beiden herrscht heute ein modulares System vor. Es gibt von den Firmen für verschiedene Gewichtsklassen / maximaler Leistungsbedarf Satellitenbusse. Die kann man modular variieren z.B. die Stromversorgung oder den Treibstoffbedarf anpassen. Das geht los bei 100 kg bis hin zu mehreren Tonnen Gewicht. Trotzdem kosten Raumsonden oder Forschungssatelliten (auch ohne die Experimente, die zusätzliche Kosten verursachen) meistens erheblich mehr als kommerzielle Satelliten. Es sind wohl die Extras die Raumfahrtagenturen haben wollen, aber auch der Zusatzaufwand den sie mit Bürokratie generieren. Nach ULA und SpaceX Angaben macht dies z.B. die Starts von US-Trägern zwischen 20 und 50 Millionen Dollar teurer. Dabei bekommen die Agenturen hier dieselben Träger, anders als bei Satelliten. Sicherer sind die Trägerraketen dadurch aber nicht. Bei der ESA scheint es keine solche Sonderbehandlung zu geben, zumindest bei den Starts. Bei den Satelliten wohl, wie man z. B. beim eklatanten Preisunterschied von Rosetta und Mars- / Venus Express sieht. Beide verwenden dieselben Kernkomponenten nur sind Venus und Mars Express reine Nachbauten eines eigens angepassten Designs und Rosetta das Original. Wie viel könnten Raumfahrtagenturen in der ganzen Welt sparen? Das Extrawurst-Haben-Wollen ist etwas zutiefst Menschliches. Ich bin ja Softwareentwickler und da kann man sehr viel selbst entwickeln. Und natürlich ist selbst gemacht besser. Das ist nicht nur bei Gutsle, selbst gezogenem Obst oder selbst gebauten Vogelhäuschen so, sondern auch bei Programmen. Aber es lohnt sich meistens nicht. So habe ich die Weiterentwicklung meines eigenen Mailprogrammes schon lange eingestellt und nutze Thunderbird. An meinem eigenen Editor mache ich ab und an etwas weil er Funktionen hat, die ich speziell brauche, so wenn ich diesen Artikel in LibreOffice schreibe, um die proprietären Tags zu entfernen. Ansonsten habe ich hinzugelernt und arbeite an Programmen, die es so nicht gibt oder die nur ich brauche. Bei Firmen denke ich schaut die Buchhaltung darauf, dass diesem Drang zur Extrawurst nicht zu stark nachgegeben wird. Bei staatlichen Stellen, in denen man wohl nur wenigen Stellen Rechenschaft über die Gelder ablegen muss, und dauernd neues Geld durch den Steuerzahler kommt, ohne das dieses erwirtschaftet werden muss, scheint die Kontrolle nicht ausreichend zu sein. Dies belegen auch öffentliche Projekte, die komplett aus dem Kostenrahmen laufen und bei denen vor allem dauernd umgeplant wird, Paradebeispiel ist ja der Flughafen BER, der inzwischen zur Lachnummer geworden ist. Vielleicht würde hier mehr Kontrolle helfen.

Minisatelliten – eine Chance für ein neues Modell

Ein Trend, der an den Raumfahrtagenturen komplett vorbei geht, ist der zu bezahlbaren, kleinen Satelliten. Zahlreiche Firmen bauen ein neues Geschäftsmodell auf kleine, relativ preiswerte Satelliten. Man muss nicht Oneweb mit Tausenden von Satelliten bemühen. Auch Planetlabs baut Erdbeobachtungssatelliten in Serien, nur eben Dutzenden anstatt Hunderte. Inzwischen bieten Firmen Komplettbusse für Klein- und Kleinstsatelliten zu attraktiven Preisen an. Nano Avioniks zahlreiche Komponenten, aber auch eine 3U Cubesat Plattform für 55.000 $. York Space systems hat schon 33 Satelliten seiner Kleinplattform (Startmasse 65 kg, dreiachsenstabilisiert, maximale Nutzlastzuladung 85 kg maximaler Strom für Nutzlast: 100 Watt) zu Preisen zwischen 675.000 und 1030.000 $ verkauft. Derartige Projekte scheinen für Raumfahrtagenturen zu klein zu sein. Die ESA stellt als innovative Projekte mit niedrigen Kosten die Proba-Serie mit Kosten von einigen Millionen Euro pro Satellit heraus. Mein Vorschlag: Da die ESA nun endlich einen Träger hat, mit dem man regelmäßig solche Kleinsatelliten als Sekundärnutzlast transportieren könnte, nämlich die Vega, sollte sie Unis in ganz Europa sponsorn. Sie bezahlt für den eigentlichen Bus und Start und die Unis entwickeln pro Satellit eines oder mehrere innovative Projekte, z. B. um neue Technologien zu erproben oder Experimente einzusetzen. Wenn man so lediglich 10 Millionen pro Jahr einsetzt, ein winziger Bruchteil des ESA Budgets, könnte man sicher 5-10 Satelliten pro Jahr starten. Der Lohn: man hätte mehr Satelliten, die vielleicht auch nützliche Daten liefern. Gut und praxisnah ausgebildete Studenten und vielleicht wird auch die eine oder andere Technologie entwickelt die man in größeren Projekten einsetzen kann und spart hier wiederum Kosten ein.

Die mobile Version verlassen