Bernd Leitenbergers Blog

Der Minisatellit als Raumsonde

Der Boom der Kleinsatelliten inspiriert mich zu meinem heutigen Blog. Er hat eine einzige Fragestellung: Gibt es einen sinnvollen Einsatz für solche Kleinsatelliten?

Was spricht für die Kleinsatelliten als Raumsonde?

Was spricht gegen Kleinsatelliten als Raumsonden?

In einen Orbit können sie nicht einschwenken, weil der nötige Treibstoff die Sonden zu schwer macht.

Aus diesen Einschränkungen heraus kann man relativ leicht die Ziele umreisen: Sie müssen erdnah sein. Eine größere Kommunikationsanlage für hohe Datenraten ist bei den kleinen Körpern nicht drin, damit sollten sie nahe der Erde operieren.

Ich habe zuerst einmal mit dem NASA Trajektory Browser nach Zielen gesucht. Gibt man als maximales dV 4 km/s ein, das ist in etwa die Energie, die man für einen Marsvorbeiflug braucht, dann bekommt man schon Hunderte von Ergebnissen. Ich habe die Liste dann eingeschränkt, indem ich sie auf gut bekannte Orbits und große Ziele (Magnitude>12) beschränkt habe.

Das Design

Doch zuerst mal zum Design der Raumsonde. Ich bin hier den Weg gegangen, dass ich kommerziell verfügbare Teile für eine Stufe genommen habe, die den Satelliten aus dem Erdorbit befördert und dann mir erst über die Instrumente und Kommunikation Gedanken mache. Vorbild soll der Satellit BIROS sein mit einem Gewicht von 80 kg ohne Nutzlast.

Zuerst mal braucht man zwei Tanks für den Treibstoff NTO und MMH um die Erde zu verlassen. Bei der Airbus Group findet man als kleinsten Tank den 235 l Tank für Treibstoffe mit einem Maximalbetriebsdruck von 22 Bar. Als Triebwerk das S400-18. Da dieses mit maximal 10 Bar arbeitet, bietet es sich an, den Tank nur zu 2/3 zu füllen. Der Tankdruck würde dann bei Entleerung auf 7 Bar abfallen, ein Druck weit über 10 Bar müsste durch ein Druckreduzierventil gewährleistet sein. Das erspart eine zusätzliche Heliumflasche und das verbleibende Volumen wird vor dem Start mit Helium bedruckschlagt. Dazu kommen noch 6 x 10 N Triebwerke für Feinkorrekturen der Bahn und Lageänderungen. Die Tanks werden in die Struktur integriert so braucht man nur noch einen Schubrahmen zur Übertragung der Kräfte auf den Körper.

Bei dem Mischungsverhältnis von 1,65 zu 1 kommt man für den Antrieb auf folgende erste Aufstellung:

Parameter Wert
MMH-Tank leer 16 kg
MMH-Tank Treibstoff 137,9 kg
NTO-Tank leer 16 kg
NTO-Tank Treibstoff 227,2 kg
Triebwerk 4,3 kg
Helium Druckgas 0,7 kg
6 Lageregelungs-/Feinkorrekturtriebwerke 10 N 4,2 kg
Leitungen 4 kg
Schubgerüst 4 kg
Gesamtmasse 414,3 kg
Brennschlussmasse 49,2 kg

Um überhaupt eine Sonnenumlaufbahn zu erreichen, darf bei dem maximalen spezifschen Impuls von 3112 m/s und einem dV von etwa 3800 m/s das ganze Gespann beim Start nicht mehr als 518 kg wiegen, mehr Nutzlast bekommt man durch eine kleinere dV Anforderung. Das lässt dann nur noch 104 kg für den Satelliten übrig, der schon leer 80 kg wiegt.

Natürlich könnte man nun größere Tanks nehmen. Mit dem nächstgrößeren 331 l Tank (Leermasse 22,7 kg) steigt bei voller Befüllung die Startmasse auf 576,8 kg und die Trockenmasse auf 62,6 kg. Damit läge bei demselben dV die Startmasse bei 729 kg und die Nutzlast bei 152 kg.

Ich will im Folgenden beide Ansätze weiter verfolgen. Unser Satellit braucht in jedem Falle eine instrumentelle Nutzlast. Ich habe mich, da die Ziele Asteroiden oder Kometen sind. für die beiden Instrumente LORRI und RALPH von Nrew Horizonts entscheiden. Das eine ist eine leichtgewichtige Kamera die nur S/W Aufnahmen macht, das zweite ein abbildendes Spektrometer das in niedriger Auflösung Spektren gewinnt und Farbaufnahmen generieren kann. Beide Instrumente wiegen zusammen 21,1 kg und verbrauchen 13 W an Strom. Mit ihnen kann man die Oberfläche erfassen und die chemische Zusammensetzung bestimmen.

Das zweite ist eine adäquate Kommunikationsanlage. Aufgrund der Größe ist keine große Antenne möglich. Doch wenn man die Stirnseite von Biros nutzt und der Körper quadratisch ist, so kann man eine 60-cm-Antenne unterbringen. Mit einem 10-W-Sender kann man basierend auf den bekannten Werten von Raumsonden dann etwa 36 kbit aus 1 AE Entfernung zu einer 35-m-Bodenstation übertragen. Das halte ich für ausreichend. Die Antenne wäre festmontiert, genauso wie die Experimente die sich an einer Seite befinden. Das ist keine Einschränkung, weil die Begegnung nur wenige Stunden dauert und danach kann man den Sondenkörper so drehen, dass die Antenne dauernd zur Erde zeigt. Die Daten werden zwischengespeichert und dann übertragen, heute haben schon 6U-Cubesats 1 Terabit an Speicher verbaut. Die Datenrate beruht auf Werten des X-Bandes. Da die gesamten Daten zwischengespeichert werden, könnte man auch auf das Ka-Band ausweichen, das 3-5-mal höhere Datenraten erlaubt. Es wird, weil es stark wetteranfällig ist, heute nicht im Routineeinsatz genutzt.

Eine Laserübertragung, sowohl auf Basis von LADEE wie auch BIROS habe ich geprüft. Die Datenrate läge aber selbst bei einem großen Teleskop als Empfangsstation, unter der obigen die im X-Band erreicht wird. Bei Dawn wog das gesamte Kommunikationssubsystem ohne die HGA-Antenne 18,6 kg, Dazu käme dann noch 1,2 kg für eine kleinere HGA von 60 cm Durchmesser. Damit wäre man bei folgender Massenbilanz:

Parameter Wert
BIROS ohne Nutzlast 80 kg
Instrumente 21,1 kg
Sendesystem 19,8 kg
Nettomasse Raumsonde 121 kg

Mit dem kleineren Antriebssystem kommt man so auf eine Maximalgeschwindigkeitsänderung (spezifischer Impuls: 3100 m/s) von 3552 m/s. 52 m/s für Lageränderungen und als Reserve abgezogen bleiben 3500 m/s.

Ich betrachte also zuerst die Möglichkeit. Ich gehe im Folgenden davon aus, dass die Raumsonde als Sekundärnutzlast in einem 550 km hohen sonnensynchronen Orbit ausgesetzt wird. Eine genaue Berechnung ergab, dass man in drei Umläufen, wenn man den Betrieb des Triebwerks auf unter 1400 km Entfernung beschränkt, eine Bahn von 1323,4 x -44239 km erreicht, eine Bahn mit einem C3 von 8,2 km²/s² (2866 m/s über Fluchtgeschwindigkeit). Das entspricht einem dV von 3,5 km/s aus eienr 200 km Bahn die der Ames Trajectory Browser verwendet und wenn man dies als Maximal-Dv eingibt, als Zeitraum 2017 bis 2022 wählt, bekommt man schon 18 Bahnen angezeigt. Ich habe zwei herausgesucht:

Startet man am 1.10.2018 so passiert man schon am 4.2.2019 den Erdkreuzer 433 Eros, immerhin 17 km groß. Man braucht nur eine Geschwindigkeit von 1 km²/s² (würde hier einer Brennschlussmasse von 178 kg entsprechen, was entweder komfortbale 7,8 kg Reibstoff für 130 m/s Korrekturvermögen übrig lässt oder eben 7 kg mehr Nutzlast). Das Nette: Die Passage findet nur 0,23 AE von der Erde entfernt statt, was die Datenrate auf über 680 Kbit/s anheben wird. Die Passage erfolgt mit 6,9 km/s relativ zu Eros.

Bei den Kometen ein geeignetes Ziel zu finden wird schwerer, vor allem wenn man eine geringe Relativgeschwindigkeit haben möchte, damit man mehr Zeit für gute Aufnahmen hat und weniger Bewegungsunschärfe. Ein Start am 3.2.2018 führt am 7.12.2019 an 289P Blanpain vorbei mit einer relativen Geschwindigkeit von 9,85 km/s, ebenfalls in kurzer Distanz: 0,23 AE von der Erde. Allerdings gehört 289P zu den alten Kometen. Er war nach seiner Entdeckung 1819 aber 200 Jahre lang verschwunden und wurde erst bei Himmelsdurchmusterungen mit dem 2,2 m PANSTARRS Teleskop wiederentdeckt. Er erreicht nur 18 Magnitude und dürfte daher sehr klein sein. Vielleicht ist es auch die Gelegenheit einen Kometen zu untersuchen, der weitestgehend ausgegast ist. Eine gute Alternative ist 109P Swift-Tutle, ein Komet, dessen Kern auf 26 km Größe geschätzt wird. Er ist Verursacher des Perseidenstroms, den man gestern Abend beobachten konnte. Ein Start am 11.10.2016 würde am 6.6.2017 an Swift-Tutle vorbeiführen. Vorbeifluggeschwindigkeit 11,25 km/s. Entfernung von der Erde 0,03 AE die Bahn ist mit einem C3 von 0,03 km²/s² paretisch die Erdbahn.

Kurzum: Es gibt viele Ziele, dabei habe ich mich auf die beschränkt, die relativ einfach zu erreichen sind.

Die Nachteile

Klar ist: es ist eine Vorbeiflugmission an einem kleinen Himmelskörper. Durch die Kleinheit ist die Zeitspanne, in der man Daten gewinnen kann nicht groß. Eros und Swift-Tuttle sind mit 17 bzw. 26 km schon relativ groß für Ziele. Nimmt man die optischen Daten von LORRI und lässt die „heiße“ Phase des Encounters beginnen, wenn das Ziel 200 Pixel groß ist, (das war bisher bei den Raumsonden so ein Kriterium bei Voyager war das schon Monate vor dem Vorbeiflug der Fall, aber die Ziele waren da auch Gasplaneten – 2000-5000 mal größer) dann dauert ein Vorbeiflug bei Eros maximal 4057 s und bei Swift-Tuttle 4622 s. Für Ralph sind es 1231 und 1155 s. Da würde, selbst wenn man von Einzelaufnahmen auf Videoformat übergeht, würde nur ein kleiner Bruchteil des heute üblichen Speichers benutzt werden. Allerdings kann die Sonde auch diese Daten aufnehmen, denn anders als New Horizons, die ja nun auch an einem kleinen Asteroiden im Kuipergürtel vorbeifliegt, findet der Vorbeiflug nahe der Erde statt, bei Pluto war die Belichtungszeit schon sehr hoch, weil nur noch 1/1000 des Lichts ankam, das auf die Erde trifft. Damit kann man auch mehr aus der Optik herausholen, die Kamera LORRI hatte z.B. keinen Sensor, der die volle Auflösung des Teleskops ausnutzte, weil sonst die Belichtungszeit noch länger gewesen wäre (1/5 s). Die 1,8-fache Auflösung wäre technisch möglich gewesen. Auch Ralphs Sensor hat eine Pixelgröße von 13 µm Erdbeobachtungssatelliten haben heute nur 7 µm große Sensoren, auch hier 1,8-fache Auflösung bzw. 9400 anstatt 5000 Pixel pro Zeile. LORRI bzw. RALPH dienen hier nur als Rechenbeispiel, natürlich würde man speziell angepasste Experimente wählen, aber man hat dann eine Vergleichsgröße hinsichtlich Auflösung, Gewicht und Strombedarf. Gerade bei optischen Instrumenten gibt es schon bei kommerziellen Minisatelliten einige eingesetzte Vorlagen, die man übernehmen könnte.

Mögliche Mission

Mit einer Masse von maximal 540 kg wäre die Sonde immer noch keine Hauptnutzlast eines Vega oder PSLV Starts, von einer Sojus gar nicht erst zu reden. Es bietet an, sie als Sekundärnutzlast zu starten. Basierend auf den Startkosten von BIROS würde ein Start etwa 16 Millionen Euro kosten. Der Orbit ist bei einer Planetenmission eigentlich egal, er darf nur nicht zu niedrig sein. So kann man sie in einen sonnensynchronen Orbit aussetzen, aber auch eine niedrige Inklination wäre möglich. In dem Orbit wird sie geparkt, bis das Startfenster gekommen ist. Während der Zeit kann man die Instrumente schon mal durchchecken und mit Erdbeobachtungen kalibrieren.

Das größere Antriebsmodul bringt nicht viel mehr. Obwohl die Startmasse auf 698 kg ansteigt, komme ich nur auf 3,8 km/s über die Fluchtgeschwindigkeit, was nicht ausreicht, die Hauptgürtelastroiden zu erreichen. Immerhin, ein Vorbeiflug an dem 32 km großen Ganymed wäre möglich. Aber selbst wenn man sich auf Asteroiden oder Kometen beschränkt, so gibt es etliche Ziele. Klar jeder Vorbeiflug ist nur eine Momentaufnahme, doch durch die große Nähe zu Sonne hat man kurze Belichtungszeiten und kann in kurzer Zeit sehr viele Aufnahmen machen. Bei genügend genau bekannter Bahn kann man auch die Vorbeiflugdistanz klein halten und so sehr hochauflösende Aufnahmen und Spektren erhalten.

Das Parken im Orbit kann man auch nutzen, um Erdbahnkreuzer zu besuchen. Jedes Jahr fliegt einer oder mehrere in einem kleinen Abstand von wenigen Hunderttausend Kilometern an der erde vorbei. Typischerweise werden diese erst wenige Tage oder Wochen vor der Passage entdeckt. Wenn sich eine Sonde schon im Orbit befindet, kann man sie so innerhalb eines Tages umlenken. Die Passage würde nahe der Erde erfolgen, was praktisch eine Realzeitübertragung der Daten ermöglicht. Diese Objekte sind von Bedeutung weil von den Letzten, die die Erde nahe passieren, viele eine nennenswerte Chance haben die Erde innerhalb der nächsten 100 Jahre zu treffen.

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