Die Evolution der Planetenatmosphären – Teil 2
Im Teil zwei will ich erklären, wie sich die Planetenatmosphären seit ihrem Beginn verändert haben. Sie hängen von den chemischen aber auch physikalischen Eigenschaften der Elemente und ihrer Verbindungen ab. Also gehen wir diese mal durch. Zuerst die Elemente. Teil 1 behandelt wie die Planeten zu ihren Uratmosphären gelangten.
Die Elemente können aus ihren primären Verbindungen herausgelöst werden und weiter reagieren. Dazu schauen wir uns mal die Möglichkeiten der Hauptelemente der Atmosphäre an.
Sehr einfach ist es mit dem Sauerstoff. Der Sauerstoff ist das reaktivste Element. Er ist in freier Form in einer Atmosphäre nicht beständig. Selbst wenn es keine Elemente mehr gibt, die er oxidieren kann, verdrängt er andere Elemente aus ihren Verbindungen. Doch das muss man nicht befürchten. Alle erdähnlichen Planeten haben einen Kern aus Eisen und anderen schweren Elementen, in denen das Eisen zum Teil unoxidiert vorliegt. Dieses Eisen übertrifft die Menge des Sauerstoffs in der Atmosphäre bei Weitem. Hat der Sauerstoff die Wahl, so wird er als elektronegatives Element Elemente mit einer kleinen Elektronegativität bevorzugen, das sind dann auch Metalle. Wir sehen das auf der Erde: Eisen rostet, selbst Kupfer als relativ edles Metall wird mit einer braunen Oxidschicht überzogen. Ein Planet, der tektonisch aktiv ist, würde laufend den Sauerstoff aus der Atmosphäre entfernen, indem er das neue magmatische Gestein oxidiert. Der Mars ist deswegen der rote Planet, weil dort das Eisen, das man auch in Tonmineralien findet, oxidiert ist und oxidiertes Eisen hat je nach genauer Verbindung eine orange bis dunkelbraune Farbe.
Der Wasserstoff verbindet sich dagegen vornehmlich mit Nichtmetallen. Er hat eine relativ hohe Elektronegativität ist aber nicht oxidativ. Die stabilste Verbindung gibt es mit dem Sauerstoff. Wasser ist in vielerlei Hinsicht ein besonderer Stoff. Zum einen hat Wasser verglichen mit den anderen Wasserstoffverbindungen von Nichtmetallen einen hohen Schmelz- und Siedepunkt. Damit ist es über einen großen Temperaturbereich von 100°C flüssig, was für einen Planeten eine breite Lebenszone ermöglicht. Sowohl beim Schmelzen, wie auch Verdampfen, braucht man sehr viel Energie, was Wasser als Wärmespeicher prädestiniert. Zuletzt schwimmt Eis auf dem Wasser, weil es eine geringe Dichte hat als das Wasser – ebenfalls eine Anomalie – was verhindert, dass unsere Meere zum Boden hin zufrieren und auch als Isolationsschicht wirkt.
Wasser ist, weil es die bevorzugte Verbindung des Sauerstoffs mit dem reichlich vorhandenen Wasserstoff ist, das häufigste Element in den Uratmosphären. Doch heute hat nur noch die Erde diese Menge. Was ist bei Mars und Venus passiert?
Nun alle Wasserstoffverbindungen mit Nichtmetallen, die bei den Temperaturen im inneren Sonnensystem zumindest zeitweise gasförmig sind, haben ein Problem: Die solare UV-Strahlung hat genügend Energie um die Bindung zu spalten. Bei den anderen Nichtmetallen wie Kohlenstoff, Sauerstoff oder Stickstoff gibt es Doppel- und Dreifachbindungen die eine erheblich höhere Energie benötigen. Der Wasserstoff, der dann aber in der Hochatmosphäre freigesetzt wird, den die UV-Strahlung wird schon recht hoch absorbiert, findet dann nicht immer sofort einen neuen Reaktionspartner, dort ist die Atmosphäre zu dünn. Mit Atommasse 1 bis 2 kann der Wasserstoff dann praktisch von allen Planeten entfleuchen. Wasserdampf ist so, wenn es nicht zu Eis gefriert oder als Wasser flüssig wird nicht stabil in einer Atmosphäre. Ein Planet wird es über geologische Zeiträume verlieren. Den Wasserstoff findet man auch in Ammoniak, Schwefelwasserstoff und Methan. Doch sie sind noch instabiler. Schwefelwasserstoff reagiert gerne mit Eisenmetallen, aber auch edleren Metallen zu Sulfiden und der Sauerstoff verdrängt ihn schon bei normalen Bedingungen aus der Verbindung. Methan und Ammoniak verlieren ihren Wasserstoff durch die obige Fotodissoziation, die Produkte oxidieren dann.
Kohlenstoff findet man anfangs in Methan, Kohlenmonoxid und Kohlendioxid. Durch die Oxidation wird der Methangehalt laufend abnehmen. Kohlenmonoxid ist theoretisch stabil, solange es aber Sauerstoff in der Atmosphäre gibt oder er auf anderem Wege freigesetzt wird, auch dieses zu Kohlendioxid oxidieren. Dass Mars Express Methan in der Marsatmosphäre gefunden hat, das dort nur über wenige Jahre stabil ist, hat schließlich zur Mission Maven geführt, um das aufzuklären. Für Kohlendioxid gibt es, wenn auch Wasser vorhanden ist, eine Senke: Es löst sich gut in Wasser, genauso wie die Ionen von Alkali und Erdalkalielemente die durch aus Wasser aus den Silikatverbindungen herausgelöst werden. Dort bilden sie schwerlösliche Salze – die Karbonate. Die Erde hat den Großteil ihres Kohlendioxids so verloren, auch unterstützt durch Organismen, die daraus ihr Skelett aufbauen. Ganze Gebirge bestehen heute aus dem Material.
Ammoniak hat das Problem, das anders als bei den anderen Nichtmetallen das Element – Stickstoff – selbst viel stabiler ist. Verliert Ammoniak den Wasserstoff, so erhält man Stickstoff und der reagiert praktisch gar nicht. Die Dreifachbindung zwischen zwei Stickstoffatomen ist äußerst stabil und braucht viel Energie zum Aufbrechen. Selbst für die Reaktion mit Sauerstoff braucht man Blitze – oder hohe Temperaturen in Verbrennungsmotoren. Erst vor rund 100 Jahren hat man im Haber-Boschverfahren ein technisches Verfahren gefunden, um bei hohem Druck und Temperaturen und Katalysatoren den Stickstoff mit Wasserstoff zu Ammoniak umzusetzen.
Für das Klima irrelevant und bei Reaktionen auch nicht teilnehmend, sind die Edelgase. Sie werden daher gerne vergessen. Aber sie haben eine besondere Bedeutung: Sie stellen durch ihre chemische Nicht-Reaktivität einen konstanten Faktor dar. Helium ist zu leicht, als das es alle erdähnlichen Planeten halten können. Obwohl es das zweithäufigste Element im Urnebel war, findet man es heute nur noch in Spuren in den Atmosphären und diese Spuren stammen aus den Alphateilchen, die beim radioaktiven Zerfall von Thorium und Uran frei werden. Es gibt ein Gleichgewicht zwischen Verlust und Nachlieferung.
Neon ist ein Produkt des Sternenbrennens. Mit Atommasse 23 ist es aber noch leicht genug, das selbst die Erde viel Neon verloren hat. Auf der Erde beträgt die Menge 18,18 ppm, weit unterhalb der Häufigkeit im Urnebel von etwa 110 ppm. Dagegen ist der Gehalt bei Venus und Erde vergleichbar (7 / 18 ppm).
Argon ist dagegen im Urnebel relativ selten, aber auf der Erde sehr häufig – es ist mit 0,934 % das dritthäufigste Gas in der Atmosphäre. Argon ist ein sekundäres Gas. Es war in dieser Menge nicht in der Uratmosphäre der Erde vorhanden. Das Argon ist das Produkt des radioaktiven Zerfalls eines Kaliumisotops Kalium,-40, das mit einer Halbwertszeit von 1,3 Milliarden Jahren zerfällt und Kalium gibt es in großer Menge bei den Erdatmosphären.
Argon leitet über zu einer zweiten Betrachtungsmethode, dem Isotopenverhältnis. Im solaren Urnebel gibt es ein konstantes Verhältnis, das man auch auf der Sonne und den Gasriesen findet und durch Spektroskopie bestimmen kann. Das Verhältnis ist auf den erdähnlichen Planeten anders und das lässt Rückschlüsse zu. Besonders auffällig ist das beim Wasserstoff-Deuterium hat die doppelte Masse des einfachen Wasserstoffs. Da beide chemisch gleich reagieren, sind Unterschiede in der Häufigkeit, nur auf Verluste zurückzuführen. Wasserstoff kann als leichtestes Element am einfachsten einem Planeten entkommen. Doch der schwere Wasserstoff (Deuterium) mit einem Proton und einem Neutron ist schon doppelt so schwer wie der leichte Wasserstoff. Er wird stärker zurückgehalten. Untersucht man nun das Verhältnis von normalem und schwerem Wasserstoff, so kann man, wenn man noch die Temperatur in der Ionosphäre und die Masse des Planeten kennt, zurückschließen, wie viel Wasser der Planet verloren hat, denn die Anreicherung ist um so größer je größer die Verlustmenge ist.
Ähnliche Überlegungen kann man mit anderen Isotopen anstellen wie z.B. beim Sauerstoff zwischen dem Verhältnis von O18 und O16. Argon ist, weil es ein Edelgas ist, ein anderer Gradmesser. Es nimmt ja nicht an Reaktionen Teil. Hier kann man über das Argon-36 zu Argon-38 Verhältnis ebenfalls Rückschlüsse auf die Verlustrate, nun von schweren Atomen ziehen. Bedeutender ist das Verhältnis dieser beiden Isotope zu Argon 40, das aus radioaktivem Zerfall stammt. Findet man davon sehr viel in der Atmosphäre (in der Erdatmosphäre sind es über 99 % des Argons) so hat der Planet in seiner Geschichte viel Gestein an die Oberfläche gebracht, denn dort ist es gebunden als Zerfallsprodukt von Kalium-40 und es wird nur frei, wenn das Gestein schmilzt oder verwittert.
Bei der Venus ist das Deuterium/Hydrogen (D/H) Verhältnis 100-mal höher als auf der Erde. Da beide Planeten etwa gleich groß sind, muss die Venus also viel mehr Wasser verloren haben als die Erde. Man nimmt an, dass die Venus wahrscheinlich anfangs mindestens 0,14 % des Wassers der Erde hatte, entsprechend immerhin einer globalen Decke von 4 m. Einige Modelle gehen von erheblich mehr aus.
Noch etwas rätselhafter ist das Argon auf der Venus. Das Argon 40 macht nur ein Viertel des Irdischen aus, das Argon 36 und 38 dagegen 80-mal so viel (in absoluter Menge, da die Atmosphäre viel dichter ist). Da die Letzteren aus dem solaren Urnebel stammen, sollten sie schon immer vorhanden sein, also müsste die Venus schon immer eine relativ dichte Atmosphäre besessen haben. Das fehlende Argon 40 ist ebenfalls rätselhaft, da die Venusoberfläche recht jung ist. Eine Hypothese, die beides erklären könnte, wäre der Einschlag eines 860 km großen Brockens vor rund 2 Milliarden Jahren auf der Venus. Er würde die Argon-Uhr zurückstellen. Allerdings fehlen dafür bisher jegliche Beweise.
Nach den bisherigen Modellen, die allerdings noch nicht zu allen Fakten passen, waren Erde und Venus einmal ähnlich, als in den Planetenatmosphären. Die ersten Atmosphären waren sehr dicht und bestanden vorwiegend aus Wasserdampf. Auf der Erde konnte das Wasser als die Kruste abkühlte ausregnen und dabei auch zum Teil andere Gase lösen. Der Treibhauseffekt nahm ab und man erhielt die „Ursuppe“. Bei der Venus kam es wegen der größeren Nähe zur Sonne nie dazu. Die solare UV-Strahlung hat nun nach und nach das Wasser gespalten. Der Wasserstoff ging verloren und der Sauerstoff oxidierte die anderen Planetenatmosphärenbestandteile wie Methan und Kohlenmonoxid zu Kohlendioxid. Schwefelwasserstoff zu Schwefeldioxid/Schwefeltrioxid, Ammoniak zu Stickstoff.
Wie es dann weiter ging, ist noch umstritten. Stickstoff als indifferenter Bestandteil der Atmosphäre ist 17-mal häufiger vorhanden als auf der Erde. Das bedeutet, dass schon früher die Venus eine dichtere Atmosphäre als die Erde hatte. Der Anteil an Argon ist vergleichbar (3,36 x 1014 kg zu 4,76 x 1014 kg), aber wenn man sich nur auf das Argon bezieht, das aus dem Urnebel bezieht, ist es fast 100-mal mehr des Argon-36/38 als auf der erde, was dann wieder für eine wesentlich weniger dichte Atmosphäre spricht.
Eine Hypothese ist, dass die Temperaturen irgendwann durch den Treibhauseffekt so hoch wurden, dass die Oberflächengesteine mit dem Wasser reagierten – auch bei erhöhter Sonnenaktivität würde die Venus niemals die Wassermenge verlieren können, die die Erde heute hat, dafür müsste sie 10.000-mal mehr Wasser pro Jahr verlieren als heute. Gesteine oxidierten, Karbonate wurden durch Oxide ersetzt, was noch mehr Kohlendioxid freisetzte.
Beim Mars ist die Situation dagegen relativ klar. Nach allem, was wir heute wissen konnte, er schon in der Frühzeit nicht so viele Gase binden. Am Anfang gab es noch eine dichte Atmosphäre, die Wasser flüssig an der Oberfläche halten konnte. Später sank der Druck durch die Verluste ab und Wasser gefror und befindet sich heute in unterirdischen Reservoirs. Selbst die schweren Gase wie Kohlendioxid gingen verloren. Viel Nachschub gab es nicht, die Vulkane, die man heute sieht, sind seit Jahrmilliarden nicht mehr aktiv. Es scheint immer wieder kurzzeitige Aktivität zu geben, die dann lokal zu Verflüssigungen von Permafrostboden führt, aber der Mars hatte niemals eine so dichte Atmosphäre wie die Venus und auch nie so viel Wasser. Heute reicht die Schicht aus um die Oberfläche einige Meter, bis einige Dutzend Meter zu bedecken, verglichen mit 3000 m bei der Erde. Ähnliches wird auch für die Atmosphäre gelten. Da auch die vulkanische Aktivität bald nach der Entstehung abnahm, hat sich der Mars wohl seit 3,5 bis 2,5 Milliarden Jahre nicht wesentlich verändert.
Auf der Erde sind die Veränderungen am gravierendsten. Der Kohlenstoff, der mal das zweithäufigste Element in der Atmosphäre war, ist dieser heute entzogen. Er steckt zu einem kleinen Teil gelöst als Kohlendioxid ind en Ozeanen, etwas mehr ist in der Biomasse. Der größte Teil wurde aber in Form von Gestein abgelagert – schon im Präkambrium als Bändereisenerz, später vor allem durch Organismen, die als Calciumcarbonat Muschelschalen oder andere Exoskelette bildeten. Die Menge der so gebildeten Karbonatsedimente, wie die Kreidefelsen von Rügen und Dover oder die schwäbische Alb, übersteigt das restliche Kohlenstoffreservoir inklusive aller fossilen Vorkommen um das hundertfache. Auch in der Erdatmosphäre sind die Anteile der Gase im Laufe der Zeit variabel gewesen. Der Sauerstoffgehalt war im Karbon mal mit 30 % höher, zum Ende des Perms sank er auf 15 %. Kohlendioxid, in der letzten Jahrmilliarde nur noch ein Spurengas schwanke noch stärker zwischen 0,03 und 0,5 %. Derzeit ist übrigens der Gehalt geringer als in den meisten Zeiten zuvor.
Was den Mars-Vulkanismus betrifft, irrst du allerdings. Die letzten großen Ausbrüche auf dem Mars sind erst 100 Mio Jahre her. Der Olympus Mons, der größte Vulkan des Sonnensystems, hat ein Alter zwischen 350 – 150 Mio Jahre. Die großen Calderen des Berges entstanden alle innerhalb eines Zeitraums von 100 Mio Jahren. Die letzten Lavaströme sind nicht älter als 2 Mio Jahre.
Der Mars ist über einen Großteil seiner Geschichte vulkanisch aktiv gewesen. Die ältesten Spuren von vulkanischer Aktivität sind 3,5 Mrd alt, die jüngsten größeren Spuren 100 Mio Jahre. Vermutlich ist der Mars noch heute vulkanisch aktiv. Unter den besonderen geologischen Bedingungen des Mars können die Ruhepausen zwischen großen Ausbrüchen von inaktiven Vulkanen weit länger als 100 Mio Jahre sein. Ein guter Hinweis darauf sind die jüngsten Lavaströme am Olympus Mons, die grade mal 2 Mio Jahre alt sind. Das spricht sehr deutlich für einen weiterhin aktiven Mars. Allerdings dürften die Ausbrüche mittlerweile so selten sein, das sie keine großen Auswirkungen mehr auf die Atmosphäre haben.
Offtopic. SpaceX zeigt Humor: https://www.youtube.com/watch?v=bvim4rsNHkQ