Derzeit laufen im Radio lauter Spots von Autoherstellern. Der Inhalt: Immer der gleiche: Geben sie ihren alten Diesel in Zahlung und kaufen sie ein neues Auto und sie bekommen je nach Hersteller 4000, 6000 oder sogar 10.000 Euro Prämie. Nur bei einem muss man nicht ein neues Auto, sondern einen neuen Euro-6 Diesel kaufen. Das brachte mich auf den heutigen Blog.
Ich will mal die Geschichte des „Dieselskandals“ aufrollen.
- 2013: Merkel verhindert strengere EU-Grenzwerte für Kraftfahrzeuge.
- Juni 2015: Merkel verhindert erneut strengere EU-Grenzwerte für Kraftfahrzeuge.
- September 2015: In den USA wird aufgedeckt, dass Diesel von Audi die Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand einhalten und in Wahrheit ein Mehrfaches emittieren.
- Oktober 2015: Das Kraftfahrtbundesamt weiß anscheinend nichts davon, dass Diesel bei uns auch die Abgasvorschriften nicht einhalten. Will jedoch ermitteln. Verkehrsminister Dobrindt hält eine Entschädigung deutscher Käufer für ausgeschlossen.
- In den folgenden Monaten werden weitere Details bekannt. Schließlich verpflichtet sich VW im
- April 2016 alle in den USA ausgelieferten Dieselfahrzeuge zurückzunehmen oder umzurüsten. Dobrindt hält so was für deutsche Käufer weiterhin für unmöglich. Im selben Monat legt das Kraftfahrtbundesamt seinen Abschlussbericht vor: Betroffen sind auch andere Hersteller, so Daimler, Seat und Skoda.
- März 2016: Merkel bagatellisiert die Affäre im Untersuchungsausschuss des Bundestags
- Juni 2016: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen VW wegen Urkundenfälschung und gegen Ex-Chef Winterkorn. Im selben Monat erklärt sich VW bereit, eine Strafe von 14,7 Milliarden Dollar in den USA zu zahlen.
- Juli 2017: Es wird bekannt, dass die EU seit fünf Jahren von den Manipulationen von VW wusste, seit 2013 auch die Behörden der BRD. Das Gericht in den USA genehmigt den Vergleich.
- September 2016: erste Anzeigen gegen VW-Mitarbeiter in den USA und gegen Bosch. Es wird bekannt, dass das KBA Beweise für den Dieselskandal gelöscht hat
- Winter 2017: In Stuttgart können an den meisten Tagen die EU-Grenzwerte für Feinstaub nicht eingehalten werden. Freiwillige Maßnahmen greifen nicht. Reisen sie nächstes Jahr, so werden nach EU-Verordnung Strafen fällig.
- Juli 2017: Bekannt wird das Porsche, Daimler und VW seit 1990 ein Kartell bilden in denen die Behörden über die Verbrauchswerte, aber auch Folgen getäuscht wurden, so wurde bewusst ein zu kleiner AdBlue-Tank der die Schadstoffe reduzieren soll eingebaut.
- 2.8.2017: Dieselgipfel: Mit den Größen der Autoindustrie, einigen Ministerpräsidenten, aber keinen Vertretern von Verbraucherorganisationen. Noch während die Beratungen laufen, berichten die Pressestellen der Automobilkonzerne über das Ergebnis: Es wird für deutsche Autos nur Softwareupdates geben. Merkel ist mit dem Ergebnis sehr zu frieden. Arbeitsplätze würden gesichert. Ministerpräsident Winfried Kretschmann betont die Wichtigkeit der Automobilindustrie und ist gegen Fahrverbote.
- 4.9.2017: Dieselgipfel Teil 2, diesmal mit den Kommunen: Der Bund zahlt weitere 500 Millionen in einen Fond für die Kommunen, für Maßnahmen für die Reduktion der Schadstoffe, um die Grenzwerte einzuhalten. Nun steht 1 Milliarde zur Verfügung. Schätzungen der gesamten Kosten, die für die Kommunen zukommen, liegen jedoch weit über 10 Milliarden.
- September 2017: Radiospots laufen in denen Automobilhersteller alte Diesel gegen Prämien zurückkaufen, wenn man neue Autos kauft.
- 13.9.2017: Auf der IAA spricht Merkel von einer Täuschung der Behörden und Verbraucher und das Automobilhersteller Vertrauen verspielt haben und zurückgewinnen müssen. Die Automobilbosse bestätigen zumindest das verlorene Vertrauen.
Ist das nicht eine klassische Win-Win-Situation? Also eine Situation, bei der alle beteiligten gewinnen?
Im Dieselgipfel bekommt die Automobilindustrie einen Freibrief: Teure Umrüstungen kommen nicht auf sie zu. Bei einem schlimmeren Ergebnis hätte es ja sein können, das die Industrie darauf herumreitet, das die Behörden lange davon wussten und nichts taten. Die Gemeinden werden mit einem Almosen abgespeist, bekommen aber immerhin Geld, das sie vorher nicht bekommen haben. Sind also auch Gewinner und auf der IAA kann sich Merkel wieder als Klimakanzlerin profilieren und Punkte beim Wähler machen, der ja den Dieselgipfel 1 Monat vorher schon wieder vergessen hat. Und die Automobilindustrie spart so viel Geld ein, dass sie nun Prämien zahlt für alte Diesel – das hätte man ja auch in Umrüstungen investieren können. Allerdings verkauft man dabei keine neuen Autos. Das ist so was wie „Abwrackprämie 2“. Und der Verbraucher kann sich ein neues Auto kaufen und bekommt für seien Dreckschleuder eine Prämie.
Es haben doch alle gewonnen oder?
Man könnte es auch anders sehen, es ist eine Loose-Loose Situation. Den verloren haben alle. Die Verbraucher haben immer noch ihre Dreckschleudern am Hals. Die Kommunen haben immer noch das Feinstaub und NOx-Problem und viel höhere Kosten für die Reduktion der Schadstoffwerte als sie an Zuwendungen vom Fond bekommen. Denn das Softwareupdate reicht ja nicht aus, um die Grenzwerte zu erreichen. Selbst neue Euro-6-Diesel stoßen bis zum Fünffachen der Grenzwerte im Realbetrieb aus, als sie nach Prüfstand dürften. Die Automobilindustrie hat die Chance versäumt, sich wirklich reumütig zu zeigen und ernsthaft auf den Skandal zu reagieren, indem sie nachrüstet. Erinnert sich noch jemand an den Pentium FDIV-Bug vor 22 Jahren? Damals kam raus, dass der Pentium 60 bis 90 MHz-Versionen beim FDIV-Befehl bei bestimmten Zahlenkombinationen falsche Ergebnisse liefern. Im Vergleich zum Dieselskandal wirklich eine Kleinigkeit. Das kam bei normalen Anwendern alle paar Tausend Stunden vor, nicht dauernd wie beim Diesel und wer keine Divisionen von Gleitkommazahlen machte (z.B. Textverarbeitung, Web Browsen, Mails abrufen), war nicht mal betroffen. Trotzdem hat Intel alle betroffenen Pentium-Prozessoren umgetauscht. Das war das einzige Mal das Intel einen Quartalsverlust hatte. Aber das war ja auch in den USA. Sie machen nun weiter wie bisher, sie setzt ja nicht nur auf den Verbrennungsmotor, sie setzt auch auf immer stärkere Motorisierung, immer größere Autos. Dass dies nicht ewig weiter gehen wird, ist doch klar. Irgendwann werden andere Formen den Markt besetzen, den die deutsche Industrie nicht bedienen will und dann kostet es wirklich Arbeitsplätze.
Verloren hat der Verbraucher, der mit einem Softwareupdate abgespeist wird – außer er kauft sich ein neues Auto, natürlich wieder mit Verbrennungsmotor. Wenn man das nicht tut, dann hat man zumindest einen enormen Wertverlust, denn Diesel kann man derzeit als Gebrauchtwagen kaum noch verkaufen.
Verloren hat die Kanzlerin. Sie mag sich ja als Klimaretter aufspielen, doch wenn man nicht das Erinnerungsvermögen eines Goldfischs hat (der sich ja angeblich nur an die letzten 3 Minuten erinnern kann), wird man sich zumindest an den Dieselgipfel und die diametral entgegengesetzte Äußerung auf der IAA einen Monat später erinnern. Ich kann mich übrigens an nichts erinnern, was Merkel in 12 Jahren Regierungszeit unternommen hätte, um irgendetwas für das Klima zu tun. Da gäbe es ja eine Menge wie z.B. das auch die Industrie die Ökoumlage für Strom zahlt, was vielleicht zum Sparen oder Installation von Solarzellen animiert.
Verloren haben schlussendlich die Grünen. Sie sind die klassische Umweltpartei, bekommen die Steilvorlage von der Politik „das deutsche Fukoshima“ wie es Cem Özdemir bezeichnet, und können es nicht ausnutzen, weil der einzige grüne Ministerpräident mit einer Linie mit Merkel ist. Einschmeicheln bei der Automobilindustrie, nur keine Fahrverbote, nur keine Konsequenzen. Kein Wunder, das sie in den Meinungsumfragen inzwischen nicht nur hinter der AFD, sondern auch FDP und Linken sind.
Für die einen ist es also ein Spiel, in dem es nur Gewinner gibt, für mich ein Spiel, in dem es nur Verlierer gibt.