Zeit für etwas Arianegroup-Bashing

Nach SpaceX denke ich ist es an der Zeit mal wieder Europa zu kritisieren. Im gleichen Zusammenhang – Rakentenwicklung. Bekanntlicherweise wird gerade die Ariane 6 entwickelt. Bevor sie überhaupt geflogen ist gibt es schon die Diskussion über Prometheus. Prometheus ist ein LOX/LNG Triebwerk das 1 Million Euro kosten soll, ein Zehntel eines Vulcain 2. Allerdings auch nur mit 1.000 kN Schub und es soll wiederverwendbar sein.

Seit Februar wird das ganze mit 85 Millionen Euro gefördert, im Rahmen des FLPP Projektes. Das ist nun nichts so besonderes. Auch das Vinci lief, als man 2003 die Mittel für die eigentliche Entwicklung strich beim FLPP Programm auf Sparflamme weiter. Irgendwann so bisher mein Verständnis wird daraus mal ein richtiges Projekt und dass könnte zur Ariane 7 führen, wobei ich das in ferner Zukunft sehe und daher auch ungewiss. Das Prometheus ist so in meinen Augen mehr ein Technologiedemonstrator. Nun wird aber gemeldet, dass zumindest einige Stimmen meinen, man könnte das Prometheus einige Jahre nach dem Erstflug der Ariane 6 in dieser einsetzen.

Zeit das ich das mal kommentiere.

Fangen wir mit der Ariane 6 an. An der hat mich schon viel gestört. Ich habe das auch im Blog thematisiert. Schaut man sich die Rakete an, so ist es eine Rakete mit der Zentralstufe der Ariane 5, nur eben der Treibstoffzuladung der G-Version. Darauf kommt dann eine Stufe die der ESC-B ähnelt – gleiches Triebwerk, fast gleiche Treibstoffzuladung. Anstatt zwei großen Boostern hat man nun zwei oder vier halb so große. Sie sind das eigentliche neue – leichtere CFK-Geheuse, höherer spezifischer Impuls.

Schaut man sich Dokumente an, so wird auch klar, das Ariane 6 nicht deswegen billiger werden soll, weil man nun neue Technologien einsetzt. Es sind vielmehr zwei Hauptfaktoren – eine Umstrukturierung der Produktion von 20 auf 2-3 Standorte (inzwischen von der Politik schon wieder verwässert indem die Booster in Augsburg und Coliferno gebaut werden) und 12 Starts pro Jahr anstatt 7 – höhere Stückzahlen gleich geringere Preise.

Nur dafür muss ich nicht die Summe ausgeben und auch nicht eine neue Startrampe bauen. Das ginge sicher auch billiger. Das ist Kritikpunkt 1. Vor allem wird aber wieder viel versprochen und wenn der Jungfernflug näherrückt bröckelt dann vieles wieder ab. Als die Ariane 6 genehmigt wurde sagte die Industrie einen Start für 90 Millionen Euro zu. (Ariane 5. etwa 170 Mill. Euro). Die Version mit zwei Boostern für 60 Millionen. Inzwischen ist der Preis auf 130 / 90 geklettert. Gut die Nutzlast ist auch auf 12 t gewachsen (von 10,5 t). aber ich habe schon mal vorgerechnet: wenn man nur Analogien zur Ariane 5 ECA nimmt, dann ist klar das die 10,5 t viel zu niedrig waren. Ich würde sogar 13 t im Einzelstart wegen der besseren Booster annehmen (Ariane 5 ECA kommt inzwischen auf 11 t. Die ESC-B sollte weitere 1,2 bis 1,5 t bringen und CFK-Booster wurden schon mal untersucht und die sollten weitere 1,75 t bringen, davon geht dann noch etwas ab für die kleinere Zentralstufe und getrennten Tanks, was die Leermasse erhöht.

Eine klevere Taktik. Ich sehe schon den Sprecher derArianegrup bei der Präsentation vor mir: „Sicher, die Rakete ist jetzt teurer, aber die Nutzlast ist ja auch gestiegen…“. Ja weil man die Bleichgewichte entfernt hat. Eine Rakete ist ja kein Manta.

Nun kommt die Sache mit Prometheus. Zuerst Mal: wenn das Triebwerk so billig ist, dann braucht es nicht wiederverwendbar sein. Dann kann man drumherum eine billige Stufe konstruieren und die muss man nicht bergen. Als die Atlas Centaur in Dienst gestellt wurde, war die Atlas billiger als die Centaur – einfache Konstruktion, keine besonderen Triebwerke. Eine billige Stufe zu bergen lohnt sich nicht. Bei Ariane 6 macht die Zentralstufe auch nicht so viel bei den Gesamtkosten aus, wie bei der Falcon wo das ja erprobt wird. Denn da kommen noch die vier Booster hinzu und die relativ teure Oberstufe. Alleine am Preisunterschied zwischen Ariane 62 und 64 (35 Millionen) sieht man das für die Zentralstufe nicht viel übrig bleibt. Ich denke sie wird bei 30-40 % der Gesamtkosten der 64 liegt.

Der springende Punkt ist aber das Prometheus ein 1.000 kN Triebwerk mit LOC/LNG ist. Zwei Ansätze: Will man die gleiche Nutzlast erreichen, so kann man leicht ausrechnen wie groß eine LOC/LNG Stufe sein muss damit sie in etwa die gleiche Endgeschwindigkeit erreicht. Ich komme je nach Strukturfaktor und spezifischen Impuls auf 260 bis 300 t Masse, anstatt etwa 170 t. Dann brauche ich wegen des kleineren Schubs, vergleichen mit dem Vulcain aber drei Triebwerke anstatt eines. Das reduziert den Preisvorteil von einem Zehntel auf drei Zehntel. Mithin bei 10 Millionen Euro pro Vulcain 7 Millionen Euro Ersparnis pro Rakete – und dafür eine neue Stufe konstruieren?

Die zweite Möglichkeit ist es, die Stufe beizubehalten und nur neue Triebwerke zu nehmen. Man müsste die Tankaufteilung abändern. Das würde dann eine Stufe mit 343 t Treibstoff ergeben. Das liegt im Bereich meiner Abschätzung. Dann bräuchte man sogar vier Triebwerke wenn die gleiche Startbeschleunigung geben sein soll. Wenn nur die Beschleunigung nach Abtrennung der Booster wesentlich ist, reichen auch drei, weil das Triebwerk mehr Treibstoff verbraucht

Die Frage, die sich mir stellt ist aber wie realistisch ein Ersatz des Vulcain ist. Wenn wir die bisherige Entwicklung ansehen so haben wir zwei Generationen die jeweils etwa 20 bis 25 Jahre im Dienst bleiben: Ariane 1: 1979 bis 2003, ab 1996 Übergangsfrist. Ariane 5: 1996 bis 202x, ab 2020 Übergangsfrist. Wie wahrscheinlich ist, das man dann nach einigen Jahren das Haupttriebwerk und die Zentralstufe auswechselt, was eine neue Rakete bedeutet? Die Änderungen sind größer als von der Ariane 5 auf die 6. Sicher wir haben auch in Europa die komische Einstellung, das wir erst eine Rakete entwickeln, die dann nur wenige Male fliegt und dann kommen einige Upgradevarianten bis man eine Version hat, die dann dauerhaft ist, anstatt gleich diese zu bauen. Das war bei der Ariane 1 die Entwicklung zur Ariane 4 (1988) und bei der Ariane 5 die Entwicklung zur ECA (2002). Aber bisher waren es wirklich nur Upgrades, kein kompletter Wechsel einer ganzen Stufe. (Die ESC-A basierte auf der HM-7, nur der LH2-Tank ist neu).

Ich glaube nicht, das man die europäischen Regierungen in einigen Jahren dazu bringt, schon wieder eine neue Rakete zu finanzieren. Sei werden wohl davon ausgehen, dass Ariane 6 wie ihre Vorgänger für 20 Jahre im Einsatz bleibt. Eine Entwicklung heute macht also wenig Sinn, wenn das Triebwerk fertig ist und es 10, 15 Jahre keine Rakete gibt die es einsetzt.

Welche Alternative gibt es? Man könnte eine weitere Rakete konstruieren. So im Bereich zwischen Vega und Ariane 62. Wobei die Nutzlast der Ariane 62 ja auch etwas rätselhaft ist. Meiner Ansicht nach müsste sie höher liegen. Doch wie wahrscheinlich ist das? Eine Oberstufe wird benötigt. Das könnte eine mit dem Vinci sein – dann wird die Rakete teuer. Es könnte ein Zefiro 9 oder 23 sein. Mit dem Zefiro 9 und einem Prometheus kommt man aber nicht mal auf die Vega-C Nutzlast. Mit zwei Prometheus und Zefiro 23 liegt man etwas über der Vega C. Die Mitte zwischen beiden Raketen erreicht man so nicht.

Als Ersatz für das Vinci kann man das Prometheus auch nicht nehmen. Dazu hat es einen zu kleinen spezifischen Impuls und eine Stufe mit der größeren Treibstoffzuladung um das zu kompensieren, könnte die Erststufe der Ariane 6 nicht tragen. Kurzum: ich sehe keinen Sinn für das Triebwerk. Es ist für eine Oberstufe zu schubstark (eine mit LOX/LNG ist ja für die Vega angedacht) und für eine Grundstufe zu schubschwach – in den USA arbeitet man ja auch mit Raptor und BE-4 an Triebwerken der 2.500 kN Schubklasse.

Mehr Sinn würde es machen das Vulcain durch ein einfacheres und billigeres LOX/LH2 Triebwerk zu ersetzen, wenn möglich mit höherem Schub, das senkt die Gravitationsverluste ab. So was wurde schon mal in der Ariane 2010 Initiative untersucht.

Insgesamt läuft in Europa inzwischen einiges in der Raketenentwicklung schief. Den einzigen Vorteil den ich der Ariane 6 abgewinnen kann ist, das damit die Sojus nicht vom CSG aus startet. Das war ja schon immer ein französischer Wunsch, kein europäischer.

3 thoughts on “Zeit für etwas Arianegroup-Bashing

  1. Die Ariane 6 wurde in Reaktion auf die ursprüngliche Falcon 9 entworfen (die nicht wiederverwendbare). Die Preise sollten mit dieser Version mithalten können.
    Jetzt ist aber absehbar, dass die Preise weiter abrutschen werden. Wenn SpaceX und Blue Origin sich mit wiederverwendbaren Trägern gegenseitig Kunden wegfangen, können sich die Preise für Starts mit Falcon 9 und New Glenn vom jetzigen Niveau halbieren. Da kann die Ariane 6 nicht mithalten. Die Kalkulationen für den Preis erfordern aber neben den zugesagten 6 staatlichen Starts pro Jahr auch kommerzielle Flüge. Und die könnten ausbleiben.

    Also macht man sich Gedanken, wie man einen wettbewerbsfähigen europäischen Träger bauen kann.

    Und anders als Bernd müssen die Planer zumindest die Möglichkeit berücksichtigen, dass die von Musk angekündigten Preise für die BFR vielleicht keine komplette Spinnerei sind. Was dann?

    Quellen:

    http://spacenews.com/spacex-looms-large-as-esa-readies-ariane-6-contract/
    http://www.handelsblatt.com/technik/forschung-innovation/ariane-6-streit-um-europas-mega-rakete/9651014.html
    https://www.welt.de/wissenschaft/weltraum/article154152460/Die-Rakete-ist-mehr-als-nur-ein-neue-Huelle.html

  2. Nur weil die Anderen an Methan Triebwerken forschen muss jetzt auch dafür Geld ausgegeben werden.

    Kommen wir zum Sinn. Das Vulcain Triebwerk der Ariane 6 sollte wesentlich billiger werden (ca. 30%) Damit relativiert sich der mögliche Kostenvorteil des Prometheus. Dieses Vulcain Triebwerk könnte wenn man die Geometrie nicht zu stark ändert in größeren Mengen in den verschiedenen Ariane Versionen verbaut werden, so dass sich auch dadurch Kostenvorteile ergeben. Man spart auch die Entwicklung einer Methan Rakete bei der weder ein Markt abzusehen ist, als auch eine Wirtschaftlichkeitsuntersuchung durchgeführt wurde.

    Nach wieviel 100 Stück gestarteter Raketen sollen die Entwicklungskosten amortisiert sein?

  3. Ich glaube nicht dass Prometheus ein einfacher Vulcainersatz ist, sonder die Basis eines neuen Trägers der sich vom Ariane 5/6 Konzept unterscheiden wird.

    Im Moment sieht ArianeNext folgendermassen aus: 7x Prometheus in der 1st Stufe (keine SRB), 1x Prometheus in der Oberstufe.
    Also ziemlich ähnlich der Falcon 9, nur mit LNG statt RP1-

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.