Bernd Leitenbergers Blog

Die Lösung für ein überflüssiges Problem – der Voyager Orbiter

Derzeit lese ich „Voyagers Grand Tour“. Gleich am Anfang stieß ich über eine Passage, die mich zu meinem heutigen Aufsatz inspirierte. Der Autor schreibt da, dass Voyager 5 Jahre vor dem Start technisch nicht möglich gewesen wäre und 5 Jahre nach dem Startdatum die USA die Sonden nicht mehr auf den Weg bringen konnten. Ich habe den Passus falsch verstanden. Der Autor meinte wohl das die einmalige Gelegenheit spätestens 1980 verstrichen war. Dann musste man bis 2153 warten, bis die Planetenkonstellation wieder da ist. Ich meinte er bezog sich auf die Trägerraketen. Die Titan 3E wurde ja nach Voyager 1 ausgemustert. Ich dachte mir, man hätte ja die Centaur auf eine Titan 34D setzen können, die hätte sogar noch mehr Leistung gehabt.

Das brachte mich auf folgende Idee: Schon die Titan 3E Centaur hätte 1.000 kg zu Jupiter entsenden können. Von den 825 kg von Voyager entfielen 105 kg alleine auf das Hydrazin. Mit den 5,5-Segment-boostern der Titan 34 und einer zusätzlichen Transtage (anstatt, dass Sie durch die Centaur ersetzt wurde), wäre da auch ein Orbiter möglich?

Zeit mal die Bedingungen zu checken. Die kleinere Startgeschwindigkeit beider Sonden hatte Voyager 2. Sie flog mit 14,5 km/s von der Erde weg. Das nehme ich mal als Startgeschwindigkeit für beide Sonden.

Bei der Ankunftsgeschwindigkeit orientiere ich mich an dem Δv, dass Galileo und Cassini vernichten sollten. Es gibt hier zwei Zahlen:

Ein Orbiter mit Minimal-Δv würde sich in einem stabilen Orbit befinden, aber ohne Kurskorrekturfähigkeiten, würde also Monde nur bei „ungezielten“ Vorbeiflügen in meist mittlerer Distanz passieren und könnte irgendwann mal auf einem aufschlagen. Ein Orbiter mit Soll-Δv könnte die Missionen nachfliegen.

Bei den dazu nötigen Modulen habe ein Voll-/Leermasseverhältnis von 6,12 angenommen, das ist das von Galileo. Spezifischer Impuls 3.100, ein nicht zu hoher Wert, der schon von Cassini übertroffen wurde. Dasselbe angenommen für Voyager haben wir eine Trockenmasse ohne Antriebssystem von 694 kg.

Für die Missionen komme ich dann auf folgende Massen:

Minimal-DV Soll-DV
Jupiterorbiter 1022 m/s 1397 m/s
Saturnorbiter 1026 m/s 1977 m/s

Die Sollmission von Cassini wird sportlich. Die Sonde hatte enorme Treibstoffvorräte die auch eine 13 Jahresmission zuließen, bei Galileo war nach 6 Jahren Schluss. Umgerechnet ist die Größe fast gleich: 62 bzw. 73 m/s pro Jahr.

Hochgerechnet entspricht das bei einem Voyager-Orbiter folgenden Startmassen:

Minimal-DV Soll-DV
Jupiterorbiter 1.044 kg 1.225 kg
Saturnorbiter 1.046 kg 1.588 kg

So nun zu den Trägern. Ich fand folgende mögliche Konfigurationen:

Die Titan 3M ist eine Version mit 7-Segmentboostern, die für MOL gedacht war. Sie unterscheidet sich von der Titan 4, weil die beiden zentralen Stufen nur die Masse einer Titan 34B haben. Die Verluste der Titan 34D habe ich übernommen, die Nutzlastverkleidung aber von der Titan 3E. Bei der Titan 3M habe ich die spezifischen Impuls anhand der veröffentlichten Nutzlast von 17 t genommen. On die Versionen mit zusätzlicher Centaur gehen, ist offen, so was flog nie. Die Träger haben folgende Nutzlasten für eine Zielgeschwindigkeit von 14,5 km/s:

Träger Nutzlast
Titan 34D / Centaur 1.476 kg
Titan 34D / Centaur + Burner 2 1.731 kg
Titan 34D + Centaur 1.533 kg
Titan 34D + Centaur + Burner 2 1.718 kg
Titan 3M / Centaur 1.514 kg
Titan 3M / Centaur + Burner 2 1.705 kg
Titan 3M + Centaur 1.618 kg
Titan 3M + Centaur + Burner 2 1. 790 kg

Damit wäre die Minimalkonfiguration in jedem Falle startbar. Auch die Sollkonfiguration von Galileo. Mit einer Burner 2 Stufe in jeder Konfiguration auch die Sollkonfiguration von Cassini.

Dabei wäre das auch zeitlich möglich gewesen: Die Zentralstufe der Titan 34D wurde seit 1975 eingesetzt. Die Verlängerung der Booster um ein halbes Segment ist technisch kein Problem. Damit wären die Voyagers als Orbiter startbar gewesen.

Die Folgen?

Die offensichtlichste Folge ist, die das dann natürlich ein Besuch bei Uranus und Neptun fehlt. Doch dem muss nicht so sein. Es gab drei Flugexemplare. Das Dritte wollte die NASA sogar mal 1979 zu Jupiter-Uranus-Neptun starten. Sie hätte 177 Millionen Dollar mehr (davon 80-100 Millionen Dollar verlängerte Missionsdauer, da Voyagers Mission ja nur auf 5 Jahre finanziert war) gekostet. Soweit ich weiß, war bei ihr alles Original nur hatte sie keinen RTG mit echtem Plutonium. Wenn man dieses dritte Exemplar gestartet hätte, so wären auch Uranus und Neptun erreicht worden. Da es erst im November 1979 auf die Reise gehen musste, hätte man auch die Zeit gehabt, es umzurüsten.

Mit Sicherheit hätte es keine Galileomission gegeben – wie ich meine zum Glück, den Voyager hätte nicht ein solches Antennenproblem gehabt, dafür aber das Problem mit dem Kommandoempfänger ohne Frequenzanpassung bei Voyager 2. Ich meine es wäre nicht schade gewesen. Das Galileoprojekt startete unmittelbar nach Voyagers Start, auch wenn sie Jupiter erst 18 Jahre später erreichte. Viele ihrer Instrumente sind nur verbesserte Versionen von Voyager. Voyager hätte die Daten geliefert, die Galileo schuldig blieb – natürlich ohne die der Atmosphärensonde. Es gäbe sogar Vorteile. Voyagers Bordcomputer war strahlenresistenter als der von Galileo. Voyager 1 bekam beim Durchfliegen 500 krad ab, Galileo war für 150 krad ausgelegt, während der GEM häuften sich Ausfälle, die Belastung erreicht dann 400 krad, immer noch weniger als Voyager abbekam. Zu Missionsende sollen es 650 bis 1200 krad gewesen sein. Die Dosis bezieht sich auf die, welche die Elektronik erhält. Die Dosis an der Oberfläche war bei Galileo viel höher, aber sie war auch besser abgeschirmt. Kurzum: Voyager hätte dank der antiken Technologie in MSI-Bausteinen viel besser funktioniert als Galileo.

Wie sieht es bei Saturn aus?

Schwer zu sagen. Das Enceladus was Besonderes ist zeigten schon die Voyageraufnahmen. Ob man mit den lichtschwachen Vidicons Geysire im Gegenlicht aufnehmen kann? Wahrscheinlich nicht, aber die erhöhten Temperaturen unter bestimmten Stellen kann auch Voyagers Infrarotradiometer messen, Cassini setzt nur eine verbesserte Version ein. Titans Wolkenhülle wäre undurchdringlich, aber die Chemie wäre untersuchbar. Ich glaube das hätte gerade die Forderung nach einer Sonde, die Titan und Enceladus untersucht vorangetrieben, diese wäre, vielleicht noch besser als Cassini auf die Untersuchung dieser beiden Monde ausgerüstet gewesen z.B. mit leistungsfähigerem RADAR.

And now to something completely different

Ich war ganz froh, das Elendsoft mal einen Gastbeitrag gebracht hat, da ich derzeit Vollzeit an dem Band 2 über Raumsonden arbeite. Obwohl ich derzeit einen Gang zurückgeschaltet habe (von 1,5 auf 1 Raumsonde(n)/Tag) liege ich im Zeitplan zurück ,weil diese Woche einfach zu viele Störungen waren. Derzeit bin ich bei Phoenix, das heißt, 23 Raumsonden kommen noch und ich habe mir vorgenommen, dass ich den Manuskriptteil dann bis Ende Dezember fertig habe – anspruchsvoll, auch, weil zwei Sonden dabei sind, über die ich noch gar nichts geschrieben habe. Vom Umfang her, das kann ich jetzt schon sagen, wird es länger als Band 1, obwohl es nur ein Drittel der Sonden sind – es gab über die frühen Missionen wenig zu scheiben, vor allem über die vielen Fehlstarts. Zudem machten die wenigsten Aufnahmen und die belegen jetzt pro Sonde zwei oder mehr Seiten. Derzeit sind es 262 Seiten, ich rechne bei durchschnittlich 8 Seiten/Sonde mit ~ 440 bis 450 Seiten. Band 1, das steht schon fest hat 392 Seiten. Aber ich will es hinter mich bringen, auch weil es definitiv die letzten Raumfahrtbücher sein werden. Nicht das Ich keine Ideen für andere Bücher hätte. Eines über die A-4 oder Saturn V würde mich reizen. Aber ich muss auch sehen, was gefragt wird. Mein Raumfahrtbuch das sich am besten verkauft ist das über die ISS und ich würde es nicht als mein bestes bezeichnen. Es ist ein Buch über ein Thema das mich eben nicht interessiert, von dem ich aber weiß das andere es interessiert. In unserer heutigen Zeit, wo ich auch das Gefühl habe, das sie insgesamt oberflächlicher wird und das schnelle Checken einer Frage mit Google einer tiefen Auseinandersetzung mit einem Sachverhalt gewichen ist, findet man Leser und Käufer, wenn man dünne Typenatlase mit vielen bunten Bildern macht. Das will und kann ich nicht machen. Da mein einziger Ausflug in diese Region, die Fotosafari durch den Raketenwald ja auch nicht so erfolgreich ist, da potenzielle Käufer wohl schon den Autor nicht kennen und die, die mich kennen wohl mehr Informationen gewöhnt sind, muss ich mir da keine Sorgen machen. Dabei ist das Buch besser als das über die ISS. Es ist bunt bebildert, man kann damit Jugendliche mit Raumfahrt infizieren oder man kann es Doppelseitenweise abends vor dem Einschlafen lesen, solange der Partner noch im Bad ist. Das geht mit meinen anderen Büchern nicht, die sind zu schwer für das Bett und haben zu lange Kapitel. Die kann man nur nutzen, um den Partner aus dem Bad zu scheuchen, indem man sie gegen die Tür wirft.

Nächstes Jahr kommen dann noch das Computerbuch dran, und dann mein Ernährungsbuch und dann werde ich das Schreiben einstellen, ziemlich genau 10 Jahre nach dem ersten Buch.

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