Heute will ich an den 24.sten Dezember 1979 erinnern. Doch die Geschichte beginnt neun Tage früher am 15.12.1979. In Französisch Guyana steht die erste Ariane 1 auf der Startrampe ELA-1. Der Jungfernflug steht an. Der Countdown läuft herunter: Trois, Deux, Un, Feu!. Flammen treten aus, doch es tut sich nichts weiter. Acht Sekunden nach der Zündung geht die Rakete wieder aus.
Was war passiert? Nach der Zündung bleibt die Rakete noch einen kurzen Augenblick mit vier Hautklammern fixiert, während der Computer einen letzten Check macht, ob alles okay ist. Erst dann gibt er das Signal für die Freigabe der Klammern und die Ariane hebt ab. Bei dieser Überprüfung stellte er einen zu geringen Schub in einem der Triebwrke fest und gab den Start nicht frei und schaltete die Triebwerke wieder ab. Wie sich zeigte, war das ein Irrtum. Die Ariane wurde enttankt und das System überprüft. Am 20.12. begann man sie erneut zu betanken und am 23.12.1979 sollte der nächste Startversuch stattfinden.
Während es am 15.12. alles glatt lief, gibt es diesmal genau 58 Sekunden vor dem Abheben ein Problem. Die Umschaltung von den Bodensystemen auf die Bordsysteme funktioniert nicht komplett. Nun muss man zu einem definierten Punkt, der synchronized Sequence, einige Minuten vor dem Start zurückkehren, doch dabei treten weitere Probleme auf induziert durch die nicht komplette Übernahme der Kontrolle. Ein Ventil fällt aus, die dritte Stufe verliert an Druck, ein Filter friert zu. Als dann eine geschlossene Wolkendecke aufzieht, ist klar, dass diesmal kein Startversuch möglich ist. Er soll schließlich von Kameras genau beobachtet werden.
Diesmal wird nur die dritte Stufe enttankt. Die beiden anderen Stufen haben lagerfähigen Treibstoff. Ein letztes Mal will man es am 24-sten probieren. Ausgerechnet zu Weihnachten.
Zuerst sieht es auch am 24.sten Dezember 1979 nicht so aus, als würde es klappen. Im Gegenteil: 3 h 50 Minuten vor dem Abheben das erste Problem. Ein Ventil zur Druckbeaufschlagung der zweiten Stufe hat sich nicht geöffnet. Die Countdown-Uhr wird angehalten. Ein Techniker muss den Nabelschnurmast hochklettern, der eigentliche Montageturm wurde schon zurückgefahren. Er blockiert das Ventil auf „Offen“-Stellung und die Abdichtung erfolgt durch ein zweites Ventil in der Leitung. Es klappt, der Druck der Heliumdruckbehälter in der zweiten Stufe steigt von 195 auf 300 Bar. Der Countdown kann nach etwas mehr als einer Stunde wieder aufgenommen werden.
Er geht weiter bis 2 Minuten 47 Sekunden vor dem Abheben, dann reagiert ein Ventil zu träge und 8 Sekunden später hält der Computer den Countdown an. 20 Minuten lang wird das Ventil geöffnet und geschlossen. Alles scheint in Ordnung zu sein. Nun könnte der Countdown wieder aufgenommen werden, doch ein Schlüsselkontakt versagt. Man kann den Schlüssel drehen, wie man will, die Countdownuhr bleibt bei -2:47 stehen. Der Kontakt wird überbrückt und die Uhr springt auf -5:59. Es geht weiter.
Nun läuft alles glatt. Bei -4 s schwenken die Betankungsarme der dritten Stufe zurück, die bis zuletzt den verdampfenden Treibstoff ergänzt haben. Die Kamera schwenkt nun auf den Boden der Basis. „Quattre, Trois, Deux, un, feu …“. Ein Wolke und kurz darauf eine rote Flamme erscheint, und nach endlosen Sekunden gibt diesmal der Bordcomputer den Start frei. Ariane hebt ab in einen nur mäßig bewölkten Himmel (eine Ausnahme in Französisch Guyana). Nicht nur das. Es gibt sogar das eigene Konfetti: Beim Start werden zwei Bänder durchtrennt, die vorher Isolationspaneele um die zweite Stufe festhielten. Sie fliegen nun weg. Die zweite Stufe wird isoliert, weil NTO bei 28°C siedet – und solche Temperaturen gibt es in Französisch Guyana. Die erste Stufe hat so viel Treibstoff, dass seine Erwärmung vernachlässigbar ist. Bei der Dritten wird der verdampfende Treibstoff bis wenige Sekunden vor dem Start ergänzt.
Mit jeder Stufentrennung beginnt die Spannung anzuwachsen. Als 9 Sekunden nach Trennung, der dritten von der zweiten Stufe die dritte zündet, kommt Jubel im Kontrollzentrum auf. Denn die dritte Stufe ist noch gar nicht qualifiziert. Sie ist noch im Testprogramm. Ziel des ersten Flugs ist es nur, die ersten beiden Stufen zu qualifizieren. Daher ist als Nutzlast auch nur eine Telemetrieeinheit an Bord die mit zahleichen Messfühlern Daten sammelt, die später bei den operationellen Flügen nicht erhoben werden und zum Boden überträgt. Ergänzt um 1215 kg Ballast in Form von Aluminiumkügelchen. Zusammen 1.600 kg, das ist die Mindestnutzlast die Ariane 1 nach Auslegung transportieren soll. Nun schaut jeder auf den Schreiber, der die Aufstiegskurve plottet. Computerbildschirme gibt es noch nicht. Die Aufstiegskurve verläuft immer am oberen Rand der Toleranzkurve. Der Brennschluss naht – und 10 Sekunden vor dem Zeitpunkt meldet der Kommentator Brennschluss. Was war passiert? Eine Explosion kurz vor Ende? Nein, der Bordcomputer hatte die dritte Stufe abgeschaltet, als sie die Bahn erreicht hatte und zwar 10 Sekunden vor dem nominellen Zeitpunkt. Was das bedeutet wird schnell klar, wenn man bedenkt, was das heißt. Das bedeutet, das rund 150 kg Treibstoff noch in den Tanks sind, oder die Nutzlast um 150 kg schwerer sein könnte. Schon vor dem Start rechnete man mit 1.700 kg Nutzlast für diese Nutzlast war die Brennzeit ausgerechnet, da es während der Entwicklung Verbesserungen gab. So erhielten die Viking Triebwerken Lavalldüsen anstatt der Kegeldüsen und etwas höheren Schub. Ariane 1 sollte eine Nutzlast von 1.865 kg aufweisen, rund 250 kg mehr als bei der Planung veranschlagt. Der Grund war, dass man den Schub und spezifischen Impuls der dritten Stfue nie unter Vakuumbedingungen bestimmen konnte, es gab damals keinen Höhenteststand für ein solch großes Triebwerk in Europa. Im Vakuum war er leicht höher als die berechneten 60 kN.
Mit Ariane 1 begann meine Begeisterung für Raketen. An den Jungfernstart kann ich mich nicht mehr erinnern, da diese erst in der zweiten Hälfte 1980 aufkam. Meine früheste Erinnerung war der Dritte, als wir auch den zweiten Meteosat gestartet haben. Dazu mit Apple die erste ausländische Nutzlast. Schon damals war ich stolz auf die Autonomie, die Europa erreicht hat, denn die Symphony Story kannte ich damals schon. Sich von den USA vorschrieben zu lassen, was man mit den eigenen Kommunikationssatelliten macht? Das geht gar nicht. Entsprechend nahm meine anfängliche Begeisterung für das Space Shuttle ab. Lange Zeit sah es ja so aus, als könnte es tatsächlich die Erwartungen erfüllen und die Kritiker, die meinten Europa wurde Milliarden für einen veralteten Träger ausgeben der keine Kunden angesichts des modernen Space Shuttles finden würde könnten recht behalten. Es gab in der Frühzeit zahlreiche kommerzielle Transporte. Doch spätestens 1986 war Schluss damit.
Unabhängig von der Prägung halte ich die Ariane 1 für eine schöne Rakete. Sie hat diese typische Raketenform – nach oben hin schlanker werdend, nicht so perfekt wie die Saturn, aber die breite Nutzlastverleidung macht sie sogar ein bisschen schicker. Dazu die perfekte Silhouette, nicht so pummelig wie eine Ariane 5, nicht so ein Stangenspargel wie die Falcon 9. Mit den, bei der Treibstoffkombination, deutlich sichtbaren Fallenstrahlen und dem Konfetti beim Start sieht sie auch eindrucksvoll aus.
Ariane 1 war schon als sie startete nicht das technisch neueste Modell. Trotzdem war sie erfolgreich und sie war für mich ein Symbol der Unabhängigkeit und dafür das wir Europäer es doch hinbekommen, nicht selbstverständlich nach dem Debakel mit der Europarakete. Mit den folgenden Modellen stieg die Nutzlast und der kommerzielle Erfolg und auch die Fehlschläge wurden seltener.
Von den neusten Modellen Ariane 5 und 6 bin ich weitaus weniger überzeugt. Ariane 5 hielt ich als sie genehmigt wurde für überflüssig – warum für einen riesigen Betrag (viermal teurer als die Ariane 1-4 Entwicklung) eine neue Rakete bauen, wenn noch nicht mal Ariane 4 geflogen ist? Vor allem gefiel mir das Konzept nicht. Man baut zwei leistungsfähige erste Stufen und setzt dann so eine kleine Stufe mit mittelenergetischen Treibstoffen drauf. Das ist verschenktes Potenzial. Die nachfolgenden Oberstufen lieferten dann zwar mehr Nutzlast, technisch optimal kann man sie angesichts der enormen Leermasse nicht nennen – die ESC-A basiert auf der Ariane 1-4 Drittstufe, nur wog diese bei 11,5 t Treibstoff leer 1,36 t, die ESC-A bei 14,6 t Treibstoff 3,3 t – das sind mindestens 1,5 t zu viel und ähnliche Bleigewichte gab es auch bei den ESC-B Konzepten und meiner Berechnung der Ariane 6 wohl auch hier – ich komme bei realistischen Stufenmassen, die sich bei anderen Modellen orientieren auf mindestens 13 t Nutzlast.
Immerhin es gibt andere Rekorde. Ariane 5 hat 83 Starts ohne Fehlstarts hinter sich. Damit liegt sie auf Platz zwei der Träger mit einer kontinuierlichen Liste von erfolgreichen Starts. Platz 1, gehalten von der R-7 sie 147 Starts ohne Fehlstart in Folge schaffte wird sie wohl nicht mehr erreichen. Die Vega kann, wenn die nächsten 7 Starts klappen, aber auf Platz 1 der Träger mit 100 % Zuverlässigkeit aufrücken. Der wird derzeit von der Minotaur mit 17 Starts gehalten, gefolgt von der Saturn mit 16 Starts (wenn man den Flug von Apollo 4 als nicht voll erfolgreich einstuft, die NASA zählt ihn ja als vollen Erfolg, da das CSM den vorzeitigen Brennschluss der Saturn ausgleichen konnte)
Was sich aber nicht geändert hat: Ariane ist eine europäische Rakete. Sie wird in Europa gebaut und sie sichert Arbeitsplätze auch in Deutschland. Deswegen wird sie immer meine Unterstützung erhalten.
37 Jahre später hat die Arianegroup (so heißen nach mehreren Namensänderungen derzeit die Firmen die die Rakete bauen) das man nun in die Fertigung der ersten Ariane 6 übergeht. Sie soll im Juli 2019 starten. Wer weiß, vielleicht verzögert sich das noch und es wird Weihnachten. Wäre schön, wenn es dann auch wieder klappen würde. Mit diesen Worten entlasse ich euch in die Festtage. Ich wünsche allen Bloglesern ein frohes, stressfreies und entspanntes Fest. Wir sehen uns dann nach Weihnachten wieder.