Raumfahrtnachlese 2017

Zwischen den Jahren ist ja immer Zeit für Rückblicke und so will ich es auch halten. Heute geht es um das Raumfahrtjahr 2017 und in drei Tagen dann um meine Lieblingsfirma, wobei das aber mehr ein Dreimonatsrückblick wird. Da das Jahr noch nicht vorbei ist, ist das alles natürlich vorläufig. Bei mir sogar noch etwas Vorläufiger, da ich nicht selbst alles protokolliere, sondern das Launchlog von Jonathan McDowell benutze, das zuletzt am 10.12. aktualisiert wurde.

Betrachtet man die ersten beiden Grafiken, so fällt auf, dass es viel mehr Satellitenstarts als Raketenstarts gab. Es sind sogar so viele wie nie zuvor. Teilweise wurden über 100 Satelliten, vor allem Cubesats mit einem einzigen Träger gestartet. Viele davon nicht wie als dies anfing als Projekte von Unis, sondern von Firmen. Der Markt, wozu auch noch kleine Satelliten bis 100 kg gehören, boomt. Zahlreiche Firmen bauen Erderkundungssatelliten und inzwischen gibt es schon den Vorstoß der NASA deren Daten zu kaufen. Kein Wunder ist ihr Erderkundungsbudget doch über Jahrzehnte abgebaut worden und derzeit fehlt schon das Geld für einen Nachfolger der in die Jahre gekommene Landsat Serie.

In der Lage ist die ESA nicht. Zwei weitere Sentinels wurden gestartet, 6 sind im Orbit. Sentinel 1 und 2 sind mit je zwei Satelliten operational. Auch das Galileonetz wurde weiter vervollständigt und hat dieses Jahr erstmals eine Ausbaustufe erreicht, in der es allgemein benutzt werden kann.

Trotzdem denke ich das, wenn immer etwas privat geht, es der bessere Weg ist. Natürlich haben Regierungen andere Vorstellungen was für Daten sie brauchen. Der Markt wird jetzt getrieben von den großen Konzernen, die für ihre MAP-Produkte aktuelle und hochauflösende Fotos brauchen. Der Bedarf von staatlichen Organisationen ist ein anderer: Spektralreine Aufnahmen für Ernteprognosen sowie Krankheitsübersicht bei Pflanzen, Radaraufnahmen um Erdverschiebungen zu erfassen. Doch ich sehe keinen Widerspruch darin. Man müsste eben offen legen was man will und was man dafür zahlt und dann findet sich sicher auch ein Satellitenbetreiber, der eine der Anforderungen mit seiner Nutzlast erfüllt.

Ich denke auch das ginge mit anderen Anwendungen. Es gibt unzählige Wetter-Apps. Fast jeder hat eine, sie sind meist nicht kostenfrei oder zumindest werbefinanziert. Das ist ein Multimilliardenmarkt. Die Daten bekommen alle kostenlos von den Wetterdiensten. Warum eigentlich? Mit dem Geld könnte man auch die Wettersatelliten finanzieren. Das liegt aber noch in ferner Zukunft. Gerade erst haben die USA ihren ersten Wettersatelliten der nächsten Generation GOES-16 in Betrieb genommen. Das Programm mit 4 Satelliten kostet 11 Milliarden Dollar. Dagegen ist das europäische Meteosat-Programm mit 6 Satelliten mit 2,4 Milliarden Euro richtig billig.

Genauso denke ich würden sich GPS-Services lohnen. Auch das wird heute ja alles von Regierung finanziert. Solange es mehrere Netze gibt die gegeneinander konkurrieren wird das auch so bleiben. Wenn man aber von jedem Smartphone-Käufer das einen GPS-Sensor hat, nur einen Euro verlangt, so würde man bei den 1,53 Milliarden Stück pro Jahr, ohne Problem die Netze finanzieren können.

Was aber auch auffällig ist, ist das es dieses Jahr wieder auffällig viele Fehlstarts gab:

Fehlstarts 2017

Nr. Datum Nutzlast Trägerrakete Startplatz Erfolg

1

14.01.2017 TRICOM-1 SS-520 USC K

2

25.05.2017 It’s A Test Electron MAHIA LC1

3

18.06.2017 Zhongxing 9A Chang Zheng 3B XSC LC2

4

02.07.2017 Shi Jian 18 Chang Zheng 5 WEN LC101

5

27.07.2017 Simorgh Test payload Simorgh SEM

6

31.08.2017 IRNSS-R1H PSLV-XL SHAR SLP

7

28.11.2017 Meteor-M No. 2-1 Soyuz-2-1B VOST PU1S
Gesamt Starts Erfolge Erfolgreich [%]
Gesamt

7

0

Datum: 27.12.2017

Zwei davon entfallen auf neue Träger: die Smourgh von Iran, eine verbesserte Safir und die SS-520, eine japanische Trägerrakete wie die erste japanische Trägerrakete Lambda aus einer Feststoffrakete entwickelt und die bislang kleinste Trägerrakete.

Die Zahl der Träger im Einsatz steigt seit Jahren an. Es gibt dauernd Neue und die alten bleiben im Dienst. Dieses Jahr war auch dafür ein gutes Beispiel. Zenit und Delta schienen schon vor Jahren auszulaufen. Die NASA hat aber noch Deltas nachbestellt und dieses Jahr erneut eine gestartet. Die Zenit hatte sogar zwei Starts und eine russische Firma die Sealaunch aufgekauft hat bestellte 12 neue Träger. Sogar die Taurus hatte nach 8 Jahren einen erneuten Start, nun unter anderer Bezeichnung (Minotaur-C). Zwei neue Träger die keinen Fehlstart hatten kamen hinzu: Die Kuaizhou 1A, die KT-2, die GSLV Mark III (mit dritter Stufe). Ob es langfristig einen Bedarf an so vielen Trägern gibt? Ich bin skeptisch.

Dieses Jahr gab es keinen Raumsondenstart. Dafür gibt es nächstes Jahr eine ganze Menge. Angekündigt und fest terminiert sind Insight, die Parker solar Probe und BepiColombo. Angekündigt, ohne festen Termin sind Chandrayaan 2 und Chang‘e-4 – die chinesische Mission sogar mit zwei Starts (Relaysatellit und Landemission). Das wären 6 Starts, mehr als allen Jahren seit 1971, als es acht Missionen gab. Es zeigt auch das nun die kleinen Nationen immer weiter aufrücken. 2018 sind die Starts von fünf Nationen: USA, EU, China, Japan, Indien. Inzwischen haben sogar die arabischen Emirate eine Marssonde projektiert. Nachdem vor einigen Jahren zum ersten Mal Raumsonden von Nicht-Raumfahrtbehörden gestartet wurden, zog 2014 der Jux-Faktor ein als ein „Kunstwerksatellit“ gestartet wurden. Ab nächstes Jahr findet dann die Müllentsorgung zum Mars statt.

Kurzum: 2017 steht wie die letzten und folgenden Jahre das Raumfahrt immer niedrigere Kostenschwellen hat und damit immer mehr gestartet wird. Sowohl von staatlicher Seite wie auch im boomenden kommerziellen und privaten Sektor. Dazu gehören dann eben auch Unsinnsprojekte.

6 thoughts on “Raumfahrtnachlese 2017

  1. Was genau ist der Unterschied zwischen staatlicher und privater Raumfahrt?
    Natürlich hängt bei Space-X viel ab von der Tageslaune von Elon Musk, genau so wie das Raumfahrtprogramm der UdSSR von den Animositäten zwischen Koroljow und Gluschko geprägt war. Die Falcon Raketen werden heute hauptsächlich von der Nasa und dem US- Verteidigungsministerium (und somit dem US-Steuerzahler) finanziert, während Ariane nach anfänglicher Regierungssubvention recht schnell von kommerziellen Aufträgen bezahlt wurde.

  2. Ich würde den Begeirff „Privat“ im Deutschen komplett vermeiden. Das Wort wird aus dem amerikansichen 1:1 übernommen hat bei uns aber eine komplett andere Bedeutung. Was du meist ist kommerzielle Raumfahrt.

    Es gibt kommerzielle Entwickler von Trägerraketen. Blue Origin ist so einer, noch mehr Rocketlab, deren Kunden auch nicht von staatlichen Stellen kommen.

    SpacEX war bei meinem letzten Durchforsten des Launchmanifests zu 70 % staatsfinanziert, mit CCDEV sogar 80 %. Das liegt daran das sie Summen viel höher sind – 150 Millionen für einen Dragon Start, 62 für einen normalen und man 2,6 Millairden bekommt ohne üpberhaupt was zu starten.
    https://www.bernd-leitenberger.de/blog/2017/07/21/drei-monate-ohne-spacex/

    Ich glaube aber auch nicht das man die Steuergelder für Ariane 6 jemals wieder rein bekommt, dazu sind die Verdienstmargen zu klein. Bei Ariane 1-4 galt das noch, da wurden wegen der geringen Entwicklungskosten noch ein vielfaches der Kosten als Umsatz generiert.

    In der Ariane 6 Produktion werden 6.000 Leute direkt beschäftigt sein (plus unbekannte Zahl an Subunternehmern und Zulieferern). Wenn jeder 4.000 € verdient, die Rakete 20 Jahre produziert wird und 25 % Steuern zahlt sind das 1,44 mrd Euro Steuereinnahmen bei 3 Mrd. ausgaben.

    Die Frage ist aber eine andere: wollen wir eine Rakete selbst bauen, unabhängig sein und zumindest einen Teil wieder zurückbekommen und Arbeitsplätze sichern, oder wollen wir einen US-Milliardär reicher machen, uns in eine Abhängigkeit begeben bei unsicherer Zuverlässigkeit und vagen Zeitplänen?

  3. Hallo Bernd
    Ich habe da so meine Bedenken mit der Betriebswirtschaftlichen Rechnung. Wenn die Rakete 20 Jahe lang gebaut wird, dann ist für mich doch zuerst die Frage wieviele Stück es gibt, und zu welchem Startpreis die gestartet werden. Es ist doch interessant auf wieviele Stück sich die Entwicklungskosten umlegen lassen. Dann steht ja auch noch komplett in den Sternen, ob diese Ariane 6 20 Jahre unverändert gebaut wird, oder ob nach 6 Jahren schon wieder Milliardenschwere „Upgrades“ nötig werden. Dann ist auch noch nötig zu wissen, wieviel die Mitarbeiter an Steuern zahlen etc. Das lässt sich meiner Ansicht nach noch nicht einmal seriös abschätzen.

  4. Ich habe ja meine Zweifel geäußert. Du bringst ja nur weitere Punkte. Die 20 Jahre kann man als gegeben nehmen. das war bei den letzten beiden Generationen so. Mit Upgrades rechne auch ich. Ich habe nicht umsonst die Ariane 1-4 als Positivbeispiel genommen, die wurde 20 Jahre lang unverändert produziert. Die Upgrades waren vergleichsweise billig.

    Bei Ariane 6 ist eher die Frage: wenn wir die Ariane 5 upgraden und die 20 Jahre weiter produzieren auch wenn ein Start teurer wird, wird das teurer als die 3 Mrd die man in die Ariane 6 jetzt investiert? Das sind immerhin 150 Millionen pro Jahr.

  5. Man kann „private space“ schon verwenden, doch selbst mit „kommerzieller Raumfahrt“ wird das nur unzureichend definiert.
    Da kann ich voll und ganz verstehen, wieso Bernd den deutschen Begriff nicht gerne verwendet.
    Vor allem geht es nämlich um die Patent-, Nutzungs-, und Fertigungsrechte.
    Das Space Shuttle wurde falls mich nicht alles täuscht großteils von Boeing gebaut, doch dem Unternehmen Boeing fehlten viele der Rechte. Boeing hat nie ein eigenes Shuttle für „Eigennutzung“ gebaut. Und das konnten sie auf Grund mangelnder Rechte auch gar nicht. Dies gilt selbstverständlich auch für einzelne Komponenten des Shuttles. Obwohl es natürlich die Möglichkeit gab um eine Sondergenehmigung anzusuchen. Ob diese aber erteilt wird und unter welchen Auflagen ist ein anderes Thema.

    Der Vorteil eines solchen Aufteilung ist für ein Unternehmen sehr klar. Der Auftraggeber will was, und genauso baut man es. Man muss sich nicht um den Erfolg einer Investition kümmern, da der Auftraggeber die Entwicklungskosten übernimmt. Damit geht das Unternehmen kein Risiko ein.

    Der Nachteil ist aber auch offensichtlich. Man kann nicht alles vorhersehen. Merkt man also, dass ein anderer Weg besser geeignet ist um ein Ziel zu erreichen, oder man ist gezwungen Kompromisse einzugehen, dann liegt es am Auftraggeber zu entscheiden wie man weiter macht. Je ambitionierter das Projekt, umso eher wird man auf dieses Problem stoßen.
    Ebenso gibt es für ein Unternehmen keinen wirklichen Ansporn Kosten einzusparen. Das Unternehmen muss ja nur den Auftrag erfüllen, nicht mehr und nicht weniger. Die Technologien sind bis auf eine Nutzung für dieses spezielle Produkt sozusagen gesperrt.
    Ob das Produkt, oder Teilaspekte des Produktes gut genug funktionieren um auf dem „Markt“ zu überzeugen kann dem Unternehmen auch egal sein.

    Inzwischen können Unternehmen bei einige Aufträgen aber auch häufiger die verschiedenen Rechte behalten. Dafür ist der Auftraggeber aber dementsprechend knausrig was die Übernahme der Entwicklungskosten betrifft.

    Das Thema überschneidet sich natürlich mit der Debatte um fixed-price vs. cost
    Man denke an XS-1. Für die nächste Phase bekommt Boeing gerade einmal 146 Mio Dollar. Selbst mit sehr vielen Freiheiten für das Unternehmen ist so eine Summe lächerlich niedrig. Das geht nur da der Gewinner der Ausschreibung (Boeing) zusätzlich verschiedene Rechte behält.

  6. Na ja das wird aber off-topic. Es geht ja um Raketenstarts und da gibt es die Träger für die Regierung und andere Kunden. Bei denen ist vielmehr wichtig ob man die Entwicklungskosten in vernünftiger Zeit rein bekommt oder nicht.

    Klar baut die Regierung in den USA nichts selbst. Sie hat das mal bei den Saturn getan, aber das war auch schon die Ausnahme die von Braun durchgesetzt hat. Es ist aber auch nichts besonderes. Auch wenn man an andere Bereiche denkt. Bei uns beauftragen auch Städte Baufirmen mit dem Bau und machen es nicht selbst, nicht mal die IT-Infrastruktur entwickeln sie selbst, obwohl Behörden oft ziemlich andere Anforderungen als Unternehmen haben.

    Beim Space Shuttle waren nicht die rechte an den Patenten das Problem, es war das das Ding außerhalb des bemannten Raumfahrtprogramms keinen Einsatzzweck hatte, genauso wenig wie die Falcon Heavy.

    Wenn Regierungen sich beim Bau einmischen wirds meistens teuer weil sie nie irgend etwas von der Stange kaufen. Anders als Unternehmen müssen sie ja keine Wirtschaftlichkeitsrechnung machen (Was bringt uns das mehr und was kostet es mehr). Aber vielleicht ändert sich das ja gerade. Das wäre zumindest eine Erklärung für meine Reihe von „schlecht designten Raumsonden“, siehe aktueller Blog

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