Gestern kam bei Quark & Co eine Sendung über das Abnehmen und auch im ersten moderiert sich Tim Mälzer gerade wieder durch eine Reihe von Ernährungssendungen und hat gerade am Montag die gute Nachricht bekommen, dass er mit 103 kg bei 1,81 m Größe nicht abnehmen muss und mit 6.000 Schritten pro Tag genug tut. Na ja ich sehe es etwas anders. Aber das lieferte mir den Aufhänger für den heutigen Blog, den ich auch wegen der Länge als Artikel zur Webseite übernommen habe. Es geht um die Moden der Ernährung. Da der Artikel etwas länger ist, folgt heute nur Teil 1. Morgen dann Teil 2.
Moden kennt ja jeder. Also klar die Mode an sich. Mal ist Minirock modisch, dann wieder lang. Mal soll es verspielt sein, dann wieder strenge Linie. Angeblich kommt ja alles wieder, selbst Modesünden wie Neonfarben, Schulterpolster und Hochplateauschuhe.
Doch auch sonst gibt es Moden. Bei Autos habe ich das Gefühl ist es gerade der Trend zu immer größer. Im Audiobereich ist gerade wieder die Schallplatte angesagt.
Ich habe auch das Gefühl es gibt so Moden bei der Ernährung. Fangen wir mal mit dem grundsätzlichen an. Dem Schönheitsideal. Ich muss sagen ich tue mich da schwer, es nur für eine Mode zu halten. Mir kann man sicher nicht nachsagen, dass ich mich viel beeinflussen lasse. Ich mache eine Menge Trends nicht mit und eigentlich schon immer mein Ding. Was andere über mein Aussehen und mein Verhalten denken, juckt mich recht wenig. Aber trotzdem finde ich das es so was, wie absolute Kriterien für die Schönheit gibt. Jetzt mal nur von der Figur zu sprechen. Muskeln beim Mann, runde, weibliche Figur bei der Frau sieht besser aus als die Extreme keine Muskeln / dürr bzw. nur Fettpolster/dick. Irgendwie fühlt man sich dann auch bestätigt, wenn man dann klassische griechische Figuren anschaut – obwohl die Frauen würden heute keinen Job bei GNTM bekommen und die Männer keinen Job als Pornostar (damals waren kleine Penisse en vogue). Aber das kann auch nur an der Zeit liegen. Zufällig hatten eben die Griechen das gleiche Ideal wie wir. Im Barock war Dicksein in. Rubens Bilder sind der stehende Beweis. Auch bei uns hat sich im Nachkriegsdeutschland niemand an den Dicken gestört. Nicht zuletzt muss man nur einen Blick über den Tellerrand werfen und sehen, was in anderen Völkern „schön“ ist. Das geht los von durchbohrten Lippen über mehrere Kilo Metall am (optisch verlängerten) Hals bis hin zu eingeschnürten, verkrüppelten Frauenfüßen in China bis vor 100 Jahren. Und auch bei uns waren mal Wespentaille, zusammengeschnürt mit Korsett ganz „modern“. Kurzum: auf das Gefühl, dass man weiß was „gesund“ aussieht, kann man sich nicht verlassen.
Doch die Ernährungswissenschaft unterfüttert unsere heutige Vorstellung ja mit Fakten. Demnach lebt man eben im BMI-Bereich von 20 bis 25 am längsten – ist aber auch schon wieder in der Diskussion. Nach aktuellem Stand gilt das nur für Jugendliche. Je älter man wird, desto höher darf der BMI sein. Und das zeigt schon das Problem: Irgendwie ist die Wissenschaft dauernd im Wandel. Zeit mal die Ernährungsmoden durchzunehmen, sprich welches Lebensmittel hat man nun gerade mal verteufelt.
Also bin ich mal in mein Regal gespurtet und habe mein Buch aus dem LK Ernährungslehre, aufgelegt 1982 rausgeholt (Cornelia Schlieper: Grundlagen der Ernährung) und mal verglichen mit dem, was derzeit gerade mal verteufelt wird.
Salz
Nach meinem Buch leiden 10- 20 % der Bevölkerung unter Bluthochdruck. Das ist schlimmer geworden. Ein Abruf beim Statistikportal ergab 36,5 % gefährdete, 26,1 % behandelte und 7,8 % beaufsichtigte Personen mit Bluthochdruck. 1980 galt es als ausgemacht: Salz verursacht Bluthochdruck. Man sollte weniger 3 g Salz pro Tag zu sich nehmen. Zu Unterstützung noch Reis-Obst, Obst und Safttage. Hmm, da graust mir schon die Beschreibung. Das Ganze beruht auf einer Veröffentlichung eines amerikanischen Arztes aus den Fünfziger Jahren mit nur 100 Patienten. Wer sich etwas mit Statistik auskennt, weiß, das diese Personenzahl viel zu klein ist, um einen echten Nachweis durchzuführen. Wenn man heute den Nachweis über die Wirkung von Vitaminen oder anderen Ernährungsformen wissenschaftlich untermauern will, dann fasst man Studien zusammen, sodass man auf 10.000 oder mehr Teilnehmer kommt. Die Auswahl von nur 100 Patienten bedeutet nicht nur, dass der Zufall eine viel größere Rolle spielt. Sie ist auch selektiv, denn es wurden ja nur Personen genommen, die Bluthochdruck hatten. Ob viel Salz auch anderen, die keinen Bluthochdruck haben, schadet darüber liefert diese Studie gar keine Daten.
Das Salz den Blutdruck steigert hielt sich aus zwei Gründen. Das Erste ist, das Salz tatsächlich in den Körperflüssigkeiten vorhanden ist die außerhalb Zellen fließen. Gemäß chemischen Gesetzen strömt aber Wasser zum salzhaltigeren Medium, um die Konzentration auszugleichen. Das erschien also bedingt logisch (wenn man ignoriert, das Kalium als Antagonist in den Zellen ist und die Nieren natürlich auch Salz ausscheiden). Das zweite ist, das es nicht ganz aus der Luft gegriffen ist. Von den Personen, die Bluthochdruck haben sind ein Teil natriumsensitiv, das heißt, bei einem Teil der Bluthochdruckpatienten hilft der Verzicht auf salzhaltige Ernährung tatsächlich. Nur bekommt man aber keinen Bluthochdruck alleine vom Salz und auch bei den meisten mit Bluthochdruck nützt salzarme Nahrung nichts.
Zuletzt noch eine andere Zahl. Wäre der Zusammenhang gegeben, so müsste es heute weniger Patienten geben. Das Buch gab als durchschnittliche Aufnahmemenge 1980 12 g Salz pro Tag an, heute sind es noch 8,4 g bei Frauen und 10 g bei Männern. Die Aufnahme an Salz ist also gesunken, der Anteil der Personen mit Bluthochdruck dagegen angestiegen. Er muss daher andere Ursachen haben – heute wird Stress als Hauptfaktor genannt. Der taucht im Ernährungsbuch von 1982 nicht auf.
Zucker
Das Buch erschien zu früh um Zucker als großen Schädling anzuführen. Zucker wird in dem Buch zwar auch bei den ernährungsbedingten Krankheiten aufgeführt, aber nur weil er Karies verursachen soll. Das ist inzwischen auch widerlegt. Es ist nicht relevant, wie viel Zucker man aufnimmt, sondern wie lange er in Kontakt mit den Zähnen ist. Da sind klebrige Kaubonbons viel schlimmer als Schaumgebäck, das nur aus Zucker und Eiweiß besteht. Daneben hat man heute die Säuren in Getränken im Verdacht Karies zu verursachen, egal ob die Getränke mit Zucker oder Süßstoff gesüßt sind.
Seitdem hat der Zucker jedoch rapide an Renommee verloren. Inzwischen machen ihn viele für Übergewicht und Diabetes verantwortlich. Klar, Diabetes heißt im Volksmund ja auch „Zuckerkrankheit“. Natürlich ist Zucker bei Diabetes nicht in größerer Menge angeraten, da er schnell aufgenommen wird und den Blutglucosespiegel schnell ansteigen lässt. Das war es aber schon. Es gibt weder den Heißhunger nach Zuckerkonsum, noch andere Hormonschwankungen, die ihm nachgesagt werden. Das einzige Verbrechen des Zuckers ist, dass er nicht sättigt, weil er schnell, teilweise in der Mundschleimhaut, quantitativ im Zwölffingerdarm aufgenommen wird. Damit isst man leichter mehr als man essen sollte, da eine Sättigung erst nach einiger Zeit sich einstellt und die noch dazu von der Füllung des Magens abhängt, zuckerhaltige Speisen passieren den Magen aber schnell. Doch dieses „Verbrechen“ haben auch andere Lebensmittel, die leicht verdaulich sind, begangen.
Süßstoff
Wenn Zucker so schlecht sind, dann steigen wir doch einfach auf Süßstoffe um. Ha! Nicht ohne die Ernährungsprofis. Süßstoffe werden seit einigen Jahren madig gemacht. Nachdem sich inzwischen rumgesprochen hat, dass die These „Süßstoffe verursachen Krebs“ auf eine Verunreinigung in den 70-ern Jahren bei einem US-Hersteller bezog, in Europa nie die Gefahr bestand (anderes Herstellungsverfahren) haben es nun einige ganz schlau gemacht: Sie schreiben einfach alle negativen Wirkungen des Zuckers dem Süßstoff zu. Also auch hier sollte dann Heißhunger entstehen, der Blutglucosespiegel würde stark schwanken, weil der Körper durch den Süßgeschmack auf Zucker einstellt, der dann nicht kommt und es würde Insulin ausgeschüttet werden, was dann langfristig zu Diabetes führt. Das Dumme nur: Niemand hat das jemals beobachtet. Man kann ja Glucose und Insulin im Blut bestimmen und die ändern sich durch Süßstoffaufnahme gar nicht. Logisch, der Körper hat zwar auf der Zunge Rezeptoren für Süßgeschmack, doch die Rezeptoren in den Zellen, die verantwortlich für die Hormonausschüttung sind, reagieren nur auf Glucose und kein anderes Molekül. Warum die Leute drauf kommen? Weil in Ferkelmastfutter Süßstoff ist. Ferkel sollen es ja fressen und die sind süße Muttermilch gewöhnt und würden ungesüßtes Futter weniger konsumieren. Man hat eine Beobachtung vom Tier, noch dazu „Kleinkinder“ auf den Menschen übertragen. So weit hätte man nicht mal gehen müssen. Auch menschliche Babys und Kinder mögen Dinge die süß sind lieber. Kinderprodukte sind süßer, auch weil die Kinder Süße nicht so stark empfinden wie erwachsene, dafür nehmen sie bitter viel stärker wahr, was die Abneigung gegen Spinat und anderem Gemüse erklärt. Das ist evolutionär sinnvoll. Bittere Dinge sind oft giftig. Süße Früchte fast nie. So schützt sich der Körper, schlussendlich hatte man damals erst als Erwachsener die Lernphase durchgemacht, zu wissen, welche Pflanzen genießbar ist und welche nicht.
Fructose
In meinem Buch und bis vor wenige Jahre galt Fructose als die Alternative für Zucker bei Diabetikern. Bis vor wenigen Jahren waren alle Diabetikerprodukte mit Fructose hergestellt, anstatt Zucker. So Schokolade, Marmelade, Kuchen. Das war bequem. Fructose hat ähnliche Eigenschaften wie Zucker, anders als Süßstoffe auch dieselbe Masse, so muss man Rezepte nicht abändern. Untersuchungen bei Ratten ergaben, dass Fructose noch negativer als Glucose das Sättigungsgefühl beeinflusst. Ratten, die soviel Fructose zu sich nehmen konnten, wie sie wollten, wurden dicker als eine zweite Gruppe, die so viel Glucose essen konnte, wie sie wollte. Zudem gab es bei den Ratten typische ernährungsabhängige Krankheiten wie Gicht, Fettleber, Bluthochdruck und eine Insulinresistenz.
Gefunden wurde beim Menschen, dass Fructose die Plasmakonzentration von Triglyceriden und LDL-Cholesterin erhöht. Beide Parameter begünstigen die Entstehung von Arteriosklerose und erhöhen das kardiovaskuläre Risiko. Beobachtet wurden bei Diabetikern auch nichtkrankhafte Fetteinlagerungen in die Leber, die nach Reduktion der Fructoseaufnahme wieder verschwanden. Inwieweit Fructose an der Entstehung der nicht alkoholbedingten Fettleber beteiligt ist, ist noch nicht geklärt. Man stellte fest, dass die Hormone Leptin, Insulin und Ghrelin, welche die Nahrungsaufnahme regulieren, auf Fructose anders ansprechen als auf andere Kohlenhydrate wie Haushaltszucker. Deshalb soll die Sättigungsregulation geringer sein, und dies führt zu einer erhöhten Aufnahme.
2010 wurde Fructose aus der Diätverordnung gestrichen und ist seitdem nicht mehr Produkte für Diabetiker zugelassen, die nun eigentlich auch Früchte meiden sollten – dort kommt Fructose natürlicherweise am häufigsten vor.
Daneben gibt es eine Fructoseintoleranz, die wie die bekanntere Laktoseintoleranz auf einem zu wenig aktiven Enzym beruht.
Kohlenhydrate
Relativ neu und im meinem alten Buch nur gestreift war 1980 der „Low Carb“ Trend. Wie man an dem englischen Wort sieht, kommt das aus dem Land der unbegrenzten Ernährungsirrtümer. Robert Atkins hat diese Ernährungsform propagiert. Ohne wissenschaftliche Absicherung, einfach nur als Postulat. Das biochemische Grundprinzip ist, das unser Körper auf eine Grundversorgung mit Kohlenhydraten angewiesen ist. Bekommt er diese nicht, so muss er diese aus Eiweiß bilden, das ist aufwendig und mit Energieverlusten verbunden. Zudem nutzt er bei Eiweiß schon einen größeren Teil der Energie nicht bei der Nahrungsaufnahme. Daher soll man, wenn man kohlenhydratarm lebt, essen dürfen so viel man will, ohne zuzunehmen. Dazu kommt, dass die vor allem eiweißreiche und fettreiche Nahrung gut sättigt. Ob es dem Körper gut tut, ist eine andere Frage. Wer sowieso schon Probleme mit Blutfettwerten hat (siehe weiter unten bei Arteriosklerose) bei dem gehen diese Werte nun durch die Decke und wer eine Veranlagung zu Gicht hat, kommt ebenfalls mit der hohen Proteinmenge nicht zureicht. Bei allen anderen geht das ganz gut, auch wenn die Leute durch die entstehenden Ketokörper ihr Risiko für eine Azidose, ein Umkippen des pH-Wert des Bluts deutlich erhöhen. Nach Ansicht von Ernährungsexperten sollte man eine Mindestmenge an Kohlenhydraten – das Gehirn, aber auch einige Organe benötigen Kohlenhydrate als Energiequelle – von etwa 70 bis 90 g nicht unterschreiten.
Ich habe allerdings nie verstanden, warum jemand so eine Diät macht. Da Kohlenhydrate tabu sind, fällt alles weg, was Zucker und Stärke enthält: nicht nur jede Art von Süßigkeiten auch Brot, Reis, Nudeln, Kartoffeln. All das ist verboten von pflanzlichen Nahrungsmitteln bleiben nur Öle und Gemüse übrig. Schon Obst hat zu viel Zucker. Ich mache einmal in der Woche einen Fastentag. An diesem Tag esse ich nur Suppe, Gemüse, Obst. Doch selbst der fällt mir leichter als ein Atkinstag. Morgens ein Frühstück ohne Brot und ohne Müsli? Was kann man da noch essen? Wurst und Käse ohne Brot, Rühreier oder geratenen Speck. Selbst Naturjogurth geht wegen der enthaltenen Laktose nicht. Ganz lecker aber nicht ohne Brot. Dann Mittags ein Steak – ohne Beilagen. Kein Nachtisch, keine Schokolade, nicht Mal Zucker in den Kaffee und abends dann nochmals das Programm wie beim Frühstück – nein danke. Die meisten nehmen mit Atkins ab, weil sie bald schon die erlaubten Lebensmittel nicht mehr essen, man bekommt dann schnell einen Widerwillen gegen das, was man essen darf.
Soviel für heute. Morgen folgt dann Teil 2 mit anderen Moden der Ernährung.