Beim letzten Start der Ariane 5 ist etwas schief gelaufen, diesmal hat sogar Israel das gefürchtete Buzzword „Anomaly“ genutzt. Was ist passiert? Die Bodenkontrolle bekam zuerst mit, das die Telemetrie abriss. Als die ECA aus dem Funkbereich einer Bodenstation herauskam, sollte sie schon vorher von der nächsten erfasst werden, das war nicht der Fall. Die Radarmessungen bis dahin bestätigten aber das sie korrekte Höhe und Geschwindigkeit hatte. Dann gab es bange Minuten, kurze Zeit später konnten die Satellitenbetreiber aber vermelden, dass sie Kontakt mit ihren Satelliten herstellen konnten, die waren also korrekt ausgesetzt worden.
Der Telemetrieverlust ist nicht so außergewöhnlich, ich verfolge ja nicht alle Starts im Detail, aber das gab es schon mal bei einer Ariane und einer Vega. Europa hat eben keine Satelliten im Orbit die permanent erreichbar sind, wie die NASA das TDRS-System das auch für kommerzielle Raketenstarts zur Verfügung steht. Bei ungünstiger Lage des Transponders zur Bodenstation kann es sein, dass der Telemetriestrom abreist. Doch da Ariane nach dem Start autonom ist, also ihr eigenes Programm absolviert hat sie schon früher die Satelliten korrekt ausgesetzt.
Korrekt war der Orbit diesmal aber nicht. Geplant war ein 250 x 45.000 km x 3 Grad Orbit. Erreicht wurde ein 235 x 43200 x 20,6 Grad Orbit. Das bedeutet, dass Ariane 5 nach dem Start falsch abgebogen sein muss. Geplant war ein Start mit einem Azimut von 90 Grad oder direkt nach Osten. Aufgrund der Erdrotation nähert sich die Rakete dabei dem Äquator während der 35 Minuten die die Mission dauert und die Bahnneigung nimmt von 5,2 auf 3 Grad ab. Ariane muss irgendwann den Winkel auf 20,6 Grad geändert haben. Dazu reicht ein einziger kleiner Impuls am Anfang, genauso wie wenn man einmal falsch abbiegt, man beim Weiterfahren eine immer größere Abweichung von der Sollbahn bekommt. Ich vermute mal das irgendjemand den Bordcomputer falsch programmiert hat. Würde mich nach den mir schon bekannten Pannen bei europäischen Missionen die auf Programmfehlern beruhen (Ariane 501, Verlust von Schiaparelli) nicht wundern. Vielleicht gibt es auch einen Zusammenhang mit dem Orbit: Das ist soweit ich weiß der erste supersynchrone Orbit. Dazu noch später mehr. Als Folge des Abbiegens nahm der Abstand zum Äquator immer weiter zu. Die Empfangsstation liegen aber am Äquator an der afrikanischen Westküste und in Zentralafrika, es gab mal eine Dritte in Ostafrika, doch ob die noch in Betrieb ist weiß ich nicht. So war die ECA (die Zentralstufe ist schon vor der Küste Afrikas wieder abgetrennt worden) außerhalb des Empfangsbereiches.
Das Positive: beide Satellitenbetreiber haben erklärt, dass ihre Satelliten wohlauf sind und auch ihren Zielorbit erreichen können. Es gibt eine Untersuchung, wie beim kürzlich erfolgten Start von SpaceX bei dem auch etwas nicht so richtig lief macht man aber normal weiter und bereitet den nächsten Start vor.
Ich bin mal gespannt, wie Jonathan McDowell den Start einordnet. Ich benutze ja sein Launchlog als Datenbasis für Auswertungen und da fiel mir auf das gerade bei SpaxeX-Arianespace die Bewertung doch recht komisch ist. Von den Falcon 9 Starts bis Ende Letztes Jahres ist nur der CRS-7 Flug von 2015 als Fehlstart eingetragen. Die Bodenexplosion 2016 nicht. Das kann ich noch verstehen, eine explodierte Atlas bei einem Testcountdown von 1959, der bisher einzige Fall im Westen, wo das vorher auftrat, ist auch nicht dabei. Bei Ariane 5 weist er aber 501, 502, 510 und 517 als Fehlstarts aus. Wenn man als Kriterium nimmt „Orbit nach Vorgaben nicht erreicht“ dann wäre der Jungfernflug und CRS-1 in beiden Fällen genauso ein Fehlstart wie 502 und 510 mit jeweils Abweichungen vom Zielorbit aber Erreichen fast des Zielorbits. Nimmt man das Kriterium „Satelliten gehen verloren“, dann wäre CRS-1 genauso ein Fehlstart wie 510, in beiden Fällen konnte eine von zwei Nutzlasten mit eigenem Antrieb noch den Zielorbit erreichen, die Zweite nicht. (Bzw. in beiden Fällen hat man es gar nicht erst probiert sondern sie gleich als Versicherungsfall gemeldet).
Nun haben wir einen Start, der wie immer, als 100%-Erfolg von SpaceX hingestellt wird, aber die Nutzlast versenkt hat und wir haben einen Orbit mit falscher Inklination, der aber keine Auswirkung auf die Satelliten hat. Ich bin gespannt.
Nun zum Orbit selbst. Ich habe mich über den supersynchronen Orbit gewundert. Er dient normalerweise dazu, für den Satelliten Treibstoff zu sparen. Jede Trägerrakete, die nicht am Äquator startet, hat eine minimale Bahnneigung, die nicht ohne hohen Treibstoffverbrauch unterschritten werden kann und von der geografischen Breite abhängt. Da bei geostationären Satelliten die Bahnneigung 0 sein muss, muss diese Bahnneigung abgebaut werden. Der Geschwindigkeitsaufwand ist um so kleiner, je langsamer sich der Satellit bewegt. Also macht man Folgendes: man startet den Satelliten in eine supersynchrone Bahn, deren Apogäum oberhalb des GTO (35.790 km) liegt. Üblich beim Cape sind 66.000 bis 80.000 km. Im Apogäum hebt man dann das Perigäum an und baut die Inklination ab. Da dort die Geschwindigkeit viel kleiner als im GTO ist, braucht man weniger Treibstoff dafür. Zuletzt muss man dann den Orbit wieder auf den des GEO absenken. In der Summe ist das für den Satelliten trotzdem günstiger und inzwischen macht sogar die Proton solche Manöver um die Nutzlast um rund 10 % anzuheben. Der einzige Haken: Die Gesamtbilanz ist schlechter. Was der Satellit einspart, muss die Trägerrakete etwa doppelt so stark aufbringen. Doch wenn man sowieso nicht die maximale Nutzlast ausnutzt, ist das kein Problem.
Bei Ariane 5 mit nur 3 Grad Abweichung erscheint mir dieses Manöver als eher mehr Treibstoff verbrauchend als nützlich. Also habe ich es mal durchgerechnet:
Bahn | 250 x 35.790 x 3 Grad | 250 x 45.000 x 3 Grad | 235 x 43.200 x 20,6 Grad |
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Anpassung Inklination und Perigäum | 1477,8 m/s | 1.318 m/s | 1.510,5 m/s |
Absenkung Apogäum | 147,8 m/s | 121,8 m/s | |
Summe | 1477,8 m/s | 1465,7 m/s | 1633,5 m/s |
Der supersynchrone Orbit ist tatsächlich günstiger, wenn auch um nur 12 m/s. Die Satelliten müssen nun 150 m/s mehr aufbringen. Für den mit Ionenantrieben ausgestatteten SES-14 kein Problem, der mit chemischem Treibstoff ausgestattete Al Yah 3 wird wohl eine reduzierte Lebensdauer haben. Doch auch er hat elektrische antriebe, allerdings zur Lagereglung. Die Lebensdauer von SES-14 wird auf jeden Fall nicht beeinflusst, das wurde schon verlautbart.
Meine Vorhersage: das Abweichen war relativ früh, da man je später man dies tut um so mehr Treibstoff für die Winkeländerung braucht, da die Rakete dann schneller ist. Die Umlaufbahnen wurden ja erreicht, der Treibstoff dafür reichte also noch aus. Da die Nutzlasten 9,123 t wogen bei maximal 10,865 t Nutzlast kann bei einem 20,6 Grad Winkel (dV = 37,5 % der momentanen Geschwindigkeit für Winkeländerung) das nur sehr früh in der Aufstiegsphase erfolgt sein als Ariane 5 noch langsam war, ich würde tippen noch, während die Feststoffbooster brannten.