Jammern bei Betreibern kommerzieller Raumstationen
Trump will den Betrieb der ISS bis 2025 beenden. Vorher geht nicht, da Obama schon 2014 den Betrieb bis 2024 verlängert hat und zwischen CSA und Russen diesem zugestimmt haben (die JAXA und ESA fehlen noch, die haben derzeit aber auch bis 2020 den Betrieb genehmigt und keiner rechnet, damit dass man nicht ach die weiteren 4 Jahre hinbekommt, offen ist nur, wie die ESA die Betriebskosten kompensieren soll, denn die beiden Orion-Servicemodule decken nur bis 2020 ab).
Das ganze hat dann einen Sturm ausgelöst. Vor allem die „kommerziellen“ Firmen haben sich dagegen gewehrt. Die Firmen sind zwar nicht müde zu überlegen, was sie nicht alles machen können, doch finanzieren soll es der Staat: vor einigen Wochen gab es Pläne von ULA und Bigelow für ein Habitat in einem Mondorbit. Pläne der NASA gab es keine. Interessant wie die Firmen sich ihr Geschäftsmodell ihres Habitats vorstellen. Das Habitat das die nach nicht will, soll sie größtenteils finanzieren:
„Bigelow emphasized he saw this proposal as a public-private partnership. He estimated NASA’s share of the costs to be $2.3 billion, in addition to the “hundreds of millions” being spent by both Bigelow Aerospace and ULA. “It’s executable within four years of receiving funding and NASA giving us the word,” he said.“
Die Angabe von „Hundrets of Millions“ ist natürlich dehnbar, aber wenn die Summe nahe bei einer Milliarde gewesen wäre, würde man wohl von „nearly a billion“ sprechen, so tippe ich auf einen Betrag von < 500 Millionen Dollar. Selbst bei 900 Millionen gehen die Firmen aber davon aus, dass der Staat dann das 2,5-fache ihrer Investitionen zahlt. Kommerziell ist bei mir was anderes.
Eigentlich sollten 2025 Firmen doch übernehmen können. Der Staat hat mit CCdev die Raumfahrzeuge entwickeln lassen, nun müssten sie nur noch für die Starts aufkommen. Bigelow konnte sein Konzept im Kleinen an der ISS erproben. Sie sparen so Entwicklungskosten und Erprobungszeit.
Warum es trotzdem nicht klappt? Weil es zu teuer ist. Als die ISS entstand, hatten NASA und ESA sogar die naive Idee, das sie sich im Betrieb weitestgehend selbst finanzieren könnte, wenn man die Ressourcen vermietet. Es gab damals sogar von der NASA eine Preisliste: Für den Betrieb eines Standardracks über ein Jahr, eingeschlossen 86 Crewstunden Arbeitszeit, verlangte die Preisliste von 2001 20,8 Millionen Dollar. Dazu kam noch der Transport und Rücktransport der Anlagen mit dem Shuttle zu Preisen von jeweils 10.000 $ pro Kilogramm.
Das war eigentlich damals schon billig. Die Shuttle-Startpreise wurden nur soweit berechnet, wie sie missionsspezifisch waren – 80 % der Kosten beim Shuttle waren aber Fixkosten. Heute kostet beim preiswerteren US-Zubringer SpaceX der Transport eines Kilos 60.000 Dollar, also das sechsfache. Trotz dieser Schnäppchenpreise war das Interesse gleich Null. Es gibt auf der ISS kaum kommerzielle Einsätze. In den Druckmodulen wenige, einige gibt es bei den externen Anbringungsmöglichkeiten. Die werden für Erdbeobachtungen genutzt. Dabei hat sich an der Subventionspolitik nichts geändert: Kunden zahlen nie den kostendeckenden Preis. Das führt dazu, dass es einfacher ist, einen Cubesat im Frachtraum eines Raumtransporters zur ISS zu befördern und dort von Astronauten aussetzen zu lassen als ihn regular starten zu lassen – obwohl ein Transporter maximal ein Drittel seiner Startmasse als Nutzlast hat und natürlich zusätzliche Kosten aufwirft.
Es ist nicht mal so das die Forschungsmöglichkeiten voll ausgenützt werden. Die externen Befestigungspunkte werden erst 2024 alle belegt sein, intern stehen auch Racks leer, vor allem im japanischen Modul. Beim US-Modul gab die NASA ihre Racks an Universitäten ab. Ähnliche Kooperationen gibt es auch in Europa, doch ist hier der Teil den ESA/DLR selbst nutzen höher. Auch hier funktioniert dies nur, weil die universitären Nutzer nichts zahlen. Weder für den Transport noch die Crew-Arbeitszeit noch die Nutzung der Kapazitäten von Kontrollzentren und des Satellitennetzwerks von NASA und Roskosmos. Wenn es im wissenschaftlichen Bereich nicht mal genügend Nachfrage gibt, wenn es umsonst ist, wie groß ist dann der Bedarf im kommerziellen Bereich?
Natürlich kann es sein, das ein kommerzieller Raumstationsbetreiber andere Vorteile bietet. Raumfahrtagenturen sind ja nun nicht gerade dafür bekannt, dass sie flexibel sind und schnell reagieren. Hier könnte ein privater Anbieter flexibler reagieren. Eine Station kann auf die Bedürfnisse der Nutzer ausgelegt sein. Bei der ISS ist die Besatzung weitestgehend damit beschäftigt, die ISS in Schuss zu halten und sich selbst ebenso. Alexander Gerst stellte mit Expedition 40+41 einen Rekord auf: 80 Tage wissenschaftliche Arbeit pro Woche. Das sind 30 Stunden mehr als die Norm. Doch selbst wenn man die beiden russischen Kosmonauten ausklammert, sind das nur 20 Stunden pro Astronaut und Woche. Bei Skylab waren es noch 44 Stunden. Wenn ein kommerzieller Betreiber auf die Idee kommt, eine Station nur wenige Jahre zu betreiben und nicht in dem Maße zu warten wie die ISS und Astronauten kürzer an Bord sind, sodass sie wenig Training brauchen, um einen Muskelabbau zu verhindern, dann kann sich das durchaus lohnen, wenn man dann mehr Arbeitszeit zur Verfügung hat. Wie ich schon mal vorgerechnet habe, sich auch jeder leicht ausrechnen kann, ist, wenn eine Station nicht extrem teuer ist, der Mannschaftstransport und Frachttransport das Teuerste. Denn dabei braucht man jeweils einen Start und jedes Mal geht ein Transporter verloren. Zumindest am Letzteren könnte man ja noch einiges verbessern und SpaceX ist ja auf einem guten Weg dahin. Der Dreh- und Angelpunkt ist ja die Sicherheit. Das grundsätzliche Problem, das die NASA hat, ist, dass wenn etwas passiert, sie massiven öffentlichen Druck ausgesetzt ist. Daher geht derzeit das Pendel in Richtung maximale Sicherheit, während man beim Space-Shuttle immer ein systemimmanentes Restrisiko hinnahm. Ein Nutzer eines kommerziellen Services kann dies dagegen pragmatischer sehen und eine Sicherheitsniveau akzeptieren, dass für die NASA untragbar ist. Eine Sicherheit von 99 % – ein Wert, der in den Anfängen der Raumfahrt toll gewesen wäre, wäre fünf- bis zehnmal weniger sicher, als das was die NASA fordert. Ein Konzern könnte seine Astronauten über Lebensversicherungen absichern, und wenn die 10 Millionen Euro pro Person betragen kostet, ihn das pro Flug trotzdem nur 100.000 Euro Prämie – wenig verglichen mit den Flugkosten. Die Frage ist nur, wie hoch das Risiko ist, ab der er niemanden mehr findet, der in den Orbit reisen will.
Auch der Orbitaltourismus sehe ich nicht als Lösung. Zum einen gibt es dazu zu wenig Touristen. Wenn SpaceX eine bemannte Dragon für den gleichen Preis wie eine Unbemannte starten kann und noch mal derselbe Preis für Astronautentraining und Unterhalt der Raumstation dazukommt, dann würden im besten Falle (alle sieben Astronauten sind zahlende Passagiere – was ich aber für unwahrscheinlich halte, zumindest einer sollte sich auskennen mit Raumfahrzeug und Raumlabor) ein Flug 43 Millionen Dollar pro Person kosten. So viel kostet er schon heute, und da gibt es wenige, die das machen wollen. Noch problematischer: wenn es ein gemischter Betrieb ist also kommerzielle Forschung und Tourismus, dann beißen sich die Aufenthaltszeiten. Kommerzielle Forschung will Forschungsvorhaben beenden, zumindest aber die Fixkosten von Start und Landung auf viele Aufenthaltstage umlegen. Touristen werden sicher einige Wochen, aber nicht viele Monate an Bord bleiben wollen. Eine Lösung wäre das Verfahren, wie es bis 2009 bei der ISS war: Eine Crew startet mit einem Touristen, der kommt mit der vorherigen Crew wieder herunter, die 1-2 Wochen nach Ankunft der Neuen die Station verlässt, dann ist es eben mal für einige Zeit enger.
Kurz prinzipiell ginge es viel billiger als mit der ISS die, wenn man die Aufwendungen aller Nationen zusammenzählt, auf etwa 4 Milliarden Dollar Unterhaltskosten pro Jahr kommt. Die Frage ist nur, ob kommerzielle Raumstationen in einen Bereich kommen, der für die Industrie oder auch Einzelpersonen aktaktiv ist. Wenn die Pioniere aber trotz der Quersubvention der NASA aber skeptisch sind, dann glaube ich wird nichts draus. Wie schon gesagt, 2001 gab es für die Preisliste Null-Interesse. Dabei entsprechen die Kosten, wenn man sei, auf die gesamte ISS hochrechnet nur 719 Millionen Dollar pro Jahr, also weniger als ein Fünftel, was sie heute kostet.
Über das Schicksal der ISS ist natürlich noch nicht endgültig entschieden. Schon 2005 wollte man sie bis 2010/11 ausmustern – hat man revidiert. Wenn Trump nicht wiedergewählt wird – und das erscheint, wenn er nicht gravierend seine Politik und seinen Stil ändert, doch sehr wahrscheinlich dann kann der nächste Präsident 2021 den Entschluss noch ändern und das noch lange, bevor 2024 erreicht ist.
Hallo Bernd,
also wenn ich das ganze sehe, dann scheint die Raumfahrt an ihre physikalischen und finanziellen Grenzen gekommen zu sein.
Mehr als bis zum Mond können wohl Menschen nicht reisen, nicht unbedingt wegen der technischen sondern eher wegen der medizinischen und finanziellen Grenzen.
Eine Raumstation, die größer oder leistungsfähiger ist als ISS ist wohl finanziell nicht drin.
Kommerzielle Raumfahrt ist (außer Kommunikationssatelliten) wohl auch zu teuer oder zu wenig profitabel.
Es sieht so aus, als müßte ein technologischer Sprung in der Raumfahrt gemacht werden, der die Kosten drastisch senkt, der aber wohl außerhalb der derzeitigen Technik oder Physik liegt.
Das wars wohl mit Mondstation Alpha, den Mars Chroniken oder Odyssee 2001…
Schade eigentlich!
Meint Ralf mit Z
Also mir scheint es angebracht, einmal klarzustellen, dass eine kommerzielle Raumstation nicht den Sinn hat, sich durch private Kunden selber zu tragen, sondern institutionelle Forschung im LEO zu günstigeren Preisen zu ermöglichen. Kunden wären die Raumfahtrtagenturen und das Ganze wird natürlich öffentlich finanziert, das ist nun mal Grundlagenforschung.
Im übrigen nähert sich die ISS nach meinen Informationen der Kapazitätsgrenze bei der Forschung und nein, das hängt nicht mit Platz zusammen. Von Mangel an Nachfrage kann keine Rede sein.
Natürlich ist die ISS durch die bekannten Limitierungen bei der Modulgröße und dem Modulgewicht von Anfang an nicht ideal gewesen und eine nächste Generation wird aus den Erfahrungen mit der ISS lernen. Kommende Raumstationen haben das Potential, die technologischen Fortschritte auch zur Verringerung der Unterhaltskosten zu nutzen. Gesunde Skepsis in Ehren, aber die Jahrtausendwende ist auch schon ein paar Jahre her.
Ich verstehe die Intentionen des NASA-Budgetentwurfs, aber bei einem Ende 2025 besteht realistisch die Gefahr der capability gap im LEO und ob das zarte Pflänzchen der privaten Raumfahrt das unbeschadet übersteht, ist die Frage.
Ja Nachfrage gibt es, aber das kann bei den Kosten nicht das Kriterium sein. Nicht ganz gerecht aber immer noch das Maß der dinge sind die „Papers“ also das was so publiziert wird. Das HST verzeichnet zehnmal so viele Publikationen wie die ganze ISS und die erscheinen in wichtigeren Publikationen. Es kann ja nicht sein, das man auf alles das Ettikett „Grundlagenforschung“ draufklebt und damit ist die Sache dann begründet.