Endlich ist es passiert: ich habe mal eine Wette gegen SpaceX verloren. Endlich, weil es ja fast schon peinlich war, das ich dauernd gewonnen habe, indem ich nur dagegen gewettet habe, was sie selber angekündigt haben. Das war aber Absicht, denn ich war mir recht sicher, dass sie vor Ende April ihre Testsatelliten für ihr Kommunikationsnetz starten würden. Wären die nämlich bis dahin nicht betriebsbereit im Orbit, so wäre ihre Reservierung für Kommunikationsfrequenzen hinfällig gewesen. Um diese bewerben sich nämlich derzeit viele Firmen mit verschiedenen Projekten, über die man mit Ausnahme von OneWeb fast nichts weiß. SpaceX sticht in zwei Dingen heraus: Das eine ist, das sie alles alleine machen. Oft sind es sonst Allianzen bei den Anträgen für die Frequenzen von verschiedenen Firmen für Bau der Satelliten, Start, Betrieb und Bodeninfrastruktur. Zum Zweiten haben sie das mit Abstand größte Netz in der Planung. Starlink, so heißt das Netz soll aus zwei Flotten bestehen. Zuerst einer in einem hohen Orbit zwischen 1.110 und 1.325 km Höhe aus 4.425 Satelliten in 83 Bahnebenen. Diese senden und empfangen im Ku- und Ka-Band. Im März 2017 hat dann SpaceX nochmals einen Antrag für Frequenzen gestellt, diesmal für das V-Band. Die Satelliten dazu, nun weitere 7.518 Stück werden in 340 km Höhe operieren. Das V-Band liegt bei 40 bis 90 GHz. Es liegt damit so hoch, das Funkwellen schon effektiv durch die Atmosphäre blockiert werden. Darauf beruht auch die bisherige Nutzung des Bandes: Es wird für das Regenradar genutzt.
Die beiden nun gestarteten Erstlinge dienen dazu, dass man die bewilligten Frequenzbänder behält, nicht dazu ein Netz aufzubauen. Ähnlich ging auch die EU mit den beiden Galileo-Vorgängern GIOVE A und B vor, die 2005 und 2008 gestartet wurden, lange bevor 2011 mit dem Aufbau des operativen Netzes begonnen wurde. Die beiden Prototypen wogen je 400 kg.
Machen wir zuerst mal eine Analyse, denn viel weiß man ja nicht vom Aufbau. Auffällig sind zuerst mal die beiden Bahnebenen. Die Bahnebene in 340 km Höhe ist so erdnah, dass sie nicht lange Zeit stabil ist. Nimmt man an das jeder Satellit 1 kW Leistung benötigt und das auch bei Nacht (für einen Kommunikationssatelliten eine eher kleine Leistung, dabei muss er einen Kreis von 500 km Durchmesser abdecken), dann kann man leicht errechnen, dass er dafür eine Fläche von rund 6 m² für die Solarpaneele braucht. Dazu kommt noch der Körper mit den Antennen. Selbst im optimistischen Fall einer ruhigen Sonne wird ein Satellit mit 7 m² Fläche (Antennen + Solarpaneele) aber aus 340 km Höhe in 80 Tagen verglühen. Nun werden die Satelliten Ionenantriebe haben. Die werden kein Problem haben, die rund 100 m/s de man so pro Jahr bei ruhiger Sonne (250 m/s bei aktiver Sonne) braucht, um die Bahn aufrechtzuerhalten, zu erbringen. Die Bahnen haben einen Vorteil: Ausgefallene oder ausgemusterte Satelliten verglühen sehr bald in der Atmosphäre.
Das ist bei den Bahnen über 1100 km Höhe anders. Die Lebensdauer eines Satelliten beträgt in dieser Höhe Jahrtausende. Diese Satelliten müssen gezielt deportiert werden. Das wird bei so vielen Satelliten eine Herausforderung, vor allem wenn sie aus irgendeinem Grund ausfallen.
Die erste offene Frage ist, warum sind es zwei Flotten? Oneweb kommt mit einer aus. Bei Oneweb sind es 648 operative Satelliten in 1200 km Höhe in Phase 1, doch auch diese Firma hat angekündigt weitere 1.972 Satelliten zu bauen. Das erste Netz besteht aus 18 Ebenen (Orbitplanes) und jeder Satellit wiegt 175 bis 200 kg, also nur halb so viel wie bei SpaceX.
Die naheliegendste Erklärung für zwei Flotten für mich ist, das die vielen Satelliten im niedrigen Orbit die Daten empfangen, unter umständen auch direkt senden. Sie sind so näher am Sender und Empfänger, das soll ja eine kleine elektronisch geschwenkte Antenne sein, keine Parabolantenne wie bei Satellitenfernsehen mit ihrer vergleichsweise großen Fläche aber auch dem Zwang der Nachführung. Die größere Nähe, rund 3 bis 4-mal näher bedeutet ein um den Faktor 9 bis 16 stärkeres Signal.
Beide Konzepte wollen letztendlich Internet anbieten und so müssen die Daten irgendwann zu einer Bodenstation gelangen, wo sie ins weltweite Backbone eingespeist werden. Bei uns wäre es kein Problem, das jeder Satellit Kontakt zu einer Bodenstation hat. Davon gibt es in Europa genug. Doch in Afrika, Kanada, weiten Teilen Russlands und Südamerika sieht es anders aus. Von der Abdeckung der Meere ganz zu schweigen. Bei nur 340 km Höhe müsste ein Signal im ungünstigsten Fall über mehrere Satelliten übertragen werden, bis man an einen kommt, der in der Nähe einer Bodenstation ist. Mit der zweiten Konstellation in großer Höhe umgeht man das. Die Höhe ist vergleichbar der, die Globalstar nutzt damit kann man das mit diesem Konzept vergleichen und Globalstar braucht nur 24 Satelliten für eine weltweite Abdeckung. Damit deckt ein Satellit einen Kreis von 8000 km am Boden ab, innerhalb dessen sicher eine Bodenstation ist. Daher macht auch die Beantragung von Frequenzen des V-Bandes Sinn, denn diese wären für die Erde-Satellit-Kommunikation ungeeignet. Die niederhochfrequenten Wellen werden zu stark von der Atmosphäre absorbiert. Sie sind aber für die Satelliten-Satellitenkommunikation nutzbar.
Eine andere Frage ist, warum es so viele Satelliten sind. Ehrlich gesagt: Darauf habe ich keine vollständig befriedigende Antwort. Zwar braucht man mehr Satelliten, wenn man erdnäher ist, aber es würden bei den hohen Bahnen sicher wenige, ich schätze 20-30 Stück in 4-6 Bahnebenen ausreichen für ein erstes Netz, das weltweit operativ ist. Oneweb will zuerst 20 Satelliten für das erste Netz im Orbit haben. Je höher die Nachfrage, desto mehr Satelliten müssten natürlich gestartet werden. Aber bei einer solchen Dimension, die ja schon beim ersten Netz 10-mal mehr Satelliten als Oneweb vorsieht, scheint SpaceX wohl mit einer enormen Nachfrage zu rechnen.
Die naheliegende Erklärung für die Menge ist aber einfach: SpaceX macht alles selbst, also werden die Satelliten mit Falcons gestartet. Für die Flotte in großer Höhe sind es 83 Bahnebenen, das sind 53 bis 54 Satelliten pro Ebene. Jeder Start kann aus himmelsmechanischen Gründen nur eine Ebene versorgen. Nach meiner Berechnung beträgt die Nutzlast einer Falcon 9 für einen polaren Start in dieser Höhe 14 t. Da die Erststufe geborgen wird und man noch einen Dispenser braucht, sind es eher 10 t Nettonutzlast. Bei 400 kg pro Satellit kann man also immer 25 Stück auf einmal starten. Das wäre zwar schon eine globale Abdeckung doch da man nur eine Bahnebene bedient, reicht das nicht. Wenn ich von 6 Bahnebenen als Minimum für ein Globales Netz ausgehe, habe ich 6 Starts. Dann allerdings mit einem Ungleichgewicht: 25 Satelliten pro Bahnebene, aber nur 6 Bahnebenen, das macht nahe des Äquators Probleme. Wahrscheinlicher sind daher anfangs 20 bis 25 Bahnebenen, die ebenso viele Starts nötig machen. Beim Gesamtsystem aus 4425 Satelliten braucht man mindestens zwei Starts pro Ebene, das sind also mindestens 166 Starts, eher mehr denn meine Rechnung ist optimistisch, realistisch dürften drei Starts pro Ebene sein, also 249 insgesamt. Das setzt dann schon eine enorme Startrate voraus. Trotzdem erklärt das nicht, warum sich SpaceX mit 25 Bahnebenen und 25 Satelliten pro Bahnebene, das sind, 625 stück, ein etwa genauso viel wie Oneweb beschränkt. Die Kosten für Satelliten und Starts werden ja erst über Jahre durch Einnahmen wieder regeneriert.
Bei der LEO-Bahn ist es so, dass die Nutzlast der Falcon 9 höher ist, ich komme auf 18,5 t. Mit Bergung und 1 t für den Dispenser etwa 12,5 t netto. Das reicht für 30-31 Satelliten pro Bahn, also braucht man für 7518 Satelliten mindestens 250 weitere Starts. Die Falcon Heavy könnte jeweils eine hohe Bahnebene bedienen, doch ich habe meine Zweifel, dass man 75 Satelliten in der kleinen Nutzlastverkleidung unterbringt. Bei der Leo-Konstellation ist sie schon zu groß, denn bei gleichem Zahlenverhältnis hat man hier 108 Bahnebenen bei jeweils 69 bis 70 Satelliten pro Ebene. Diese rund 28 t Nutzlast sind dann für eine Falcon Heavy schon zu wenig. Allerdings hat SpaceX die Rakete ja schon abgekündigt. Wahrscheinlich wird die BFR das ja alles richten. Wir wissen ja Geld regnet es bei SpaceX vom Himmel, die können alles vorfinanzieren. Riesige Raketen die Passagiere befördern, zwei Satellitenflotten mit zusammen 12.000 Satelliten, mehr als seit Beginn der Raumfahrt insgesamt gestartet wurden und natürlich Marskolonien. Immerhin macht nun alles Sinn: SpaceX entwickelt ja seit der Falcon heavy Raketen ohne Nutzlast, also ohne Kunden. Nun ist es aber klar. Sie brauchen keine Kunden, sie nutzen sie alle selbst. Münchhausen hätte eine Freude an der Firma, denn auch er hat sich am eigenen Schopf aus dem Loch gezogen…