Was ist typisch deutsch?
An die Frage wurde ich vor einigen Tagen erinnert. Da bekam ich folgende E-Mail:
„Guten Tag Herr Leitenberger,
Seit einigen Monaten lese ich ihren Blog und geniesse es sehr.
Das Internet hat ja bekanntlich traditionelle Medien umgekrempelt. Daher versuch ich seit ca. einem Jahr, die Media (oder Open-Source Software) die ich lese (benütze) zu unterstützen.
Normalerweise mit einem Monatlichen Beitrag von £1. Meine Idee dahinter ist das wenn das jeder tut und Jemand ein paar Tausend Leser hat, kann man schon davon leben und weiterhin das produzieren das ich zu schätzen weiss.
Haben sie ein Patreon oder PayPal Account wo man sie unterstützen kann?“
Ich habe dem Schreiber geantwortet, auch das dies nach 11 Jahren Blog das erste Mal ist, das irgend jemand etwas dafür spenden will. Einen Paypal-Account habe ich, bei meinen Programmen sogar einen Spenden Button. Bisher habe ich da so über die Jahre um die 100 bis 200 Euro eingenommen, aber ich mache die Programme ja primär für mich und stelle nur die Online von denen ich denke das sie auch andere interessieren. Das wenigste obwohl die meisten in Deutsch sind von Deutschen Spendern, kann man ja anhand Name und Emailadresse erkennen, sondern aus dem Ausland. Der Schreiber hat übrigens später auch gespendet. Meinen herzlichen Dank dafür!.
Meine persönliche Erfahrung ist, das Deutsche Leser die Mentalität haben alles für kostenlos anzunehmen. Das scheint nicht nur meine Beobachtung zu sein, in einem Film über den Amiga wurde auch gesagt, das ein Problem für Softwareentwickler war, das er sich in den USA kaum verkaufte und es in Europa einige Staaten gab wo kaum Software verkauft, dafür getauscht und raubkopiert wurde. Genannt wurden Schweden und Deutschland. Julian Eggerbracht, Gründer von „factor 5“: „In Deutschland geriet die Software-Piraterie völlig außer Kontrolle, Es ist merkwürdig, aber die Deutschen, und ich glaube auch die Skandinavier, kaufen ungern Software. Ich habe nie verstanden warum“. (Bei 1:08:15) Also liebe deutschen Amigafans, ihr seid Schuld, das der Computer eingestellt wurde! In einer neunteiligen Reihe über die Geschichte des Computers wunderten sich einige spätere Journalisten, die über ihre C64 Zeiten berichteten, das Softwarefirmen überhaupt Geld verdienten, denn sie hätten Spiele nie gekauft, sondern nur getauscht.
Ich könnte das noch fortsetzen. Ich bekomme immer wieder Mails in denen ich mehr oder weniger unverhohlen gebeten werde, Journalisten die Recherchearbeit abzunehmen indem sie mich über Grundlagen oder Projekte ausfragen, anstatt diese zu recherchieren. Allerdings hat noch niemals einer der Adressaten gemeint, dass man die Arbeitszeit des Anderen, die dafür drauf geht bezahlen könnte. Dabei ist das anders als bei Privatpersonen, die auch Fragen stellen, ja mit einem offensichtlichen Gewinn, nämlich eigener eingesparter Arbeitszeit verbunden.
Ich glaube nicht das man in Deutschland mit einem Blog einfach so Geld verdienen kann. Zumindest nicht wenn man nur auf Spenden oder andere Einkünfte angewiesen ist, die nichts mit Produkt-Placement oder -werbung zu tun haben. Einige finden es ja schon verwerflich, wenn man nur die gesetzlich zustehende Vergütung der VG Wort in Anspruch nimmt, wie ich Rückmeldungen entnehme. Dabei würde die bei 12,5 Euro pro Blog (und das auch erst bei 2500 Aufrufen/Jahr) nur für den Lebensunterhalt ausreichen, wenn ich jeden Tag drei bis vier davon schreiben würde, was zeitlich unmöglich ist. Von 2.500 Zugriffen pro Blog und Jahr ganz zu schweigen, da müsste ich rund zehnmal mehr Besucher haben, als in Wirklichkeit. Drei bis vier Blogs pro Jahr reißen die Grenze.
Geld verdienen kann man im Web wohl am besten mit Youtube Channels und versteckten oder offensichtlichem Produktmarketing, aber nicht mit Blogs. Nun muss man das nicht machen. Ich schreibe ja auch Bücher. Ich bin nicht der einzige der über Raumfahrt Bücher schreibt. Es gibt da andere. Aber ich bin der einzige, soweit ich zumindest weiß, der viel blogt. Wenn ich vom Schreiben leben will, ist das logisch: An einem Buch verdiene ich was, an einem Blog nichts. Wer hier regelmäßig vorbeischaut weiß, das das nicht meine Intension ist. Ich schreibe einen Blog um meine Meinung kundzutun oder zu diskutieren. Ich denke gerne über Dinge nach oder überlege was möglich wäre, und versuche das auch technisch zu umreisen und mit Fakten zu füllen und so was könnte ich nicht als Buch herausbringen, zumindest würde das kaum jemanden interessieren.
Was mir vielmehr auffällt, ist eine wie ich finde typische deutsche Eigenschaft. Wir sehen in Dingen zuerst mal erst die negativen Aspekte. Es ist nun mal so, das ich in Deutsch kein Meister bin. Ich bekomme regelmäßig E-Mails in denen man sich darüber beschwert. Fast nie aber in einer Mail die Kombination von Lob und Kritik, sondern entweder die Leute stört es nicht und ich bekomme ein Lob oder eine Kritik, wobei die meistens so abgefasst sind das die Autoren die fachliche Information bezweifeln, weil ja die Rechtschreibung nicht stimmt. Ich verstehe bis heute nicht was solche Leute antreibt, überhaupt eine Mail zu schreiben. Sie kommen über Google auf eine Webseite, stellen fest das die Rechtschreibung nicht stimmt, verlassen sie aber nicht sofort wieder, sondern lesen sie durch und empören sich soweit das sie eine Mail schreiben. Was in einem solchen Menschen vorgeht verstehe ich nicht. Er hat ja nichts für die Information gezahlt. Er könnte einfach woanders hingehen, was keine Zeit kostet. Stattdessen schreibt er eine Mail, die ihn auch noch Zeit kostet, um sich über etwas zu beschweren, was wenn er nur einen Augenblick nachdenkt, unveränderlich ist. Oder was wäre das was der Mailschreiber fordert? Das ich mehrere Jahre lang nochmals Deutsch pauke? Für jeden Beitrag mehrere Hundert Euro für einen Lektor ausgebe, aber natürlich ihn immer noch umsonst online stelle?
Das ist nur eines was mir auffällt was typisch Deutsch ist. Wenn ich darüber nachdenke fallen mir „typisch deutsche“ Eigenschaften ein wie Pünktlichkeit, Disziplin, Fleiß, Ordentlichkeit. Aber auch negative Eigenschaften wie eine gewisse Ordnungs. und Vorschriftenhörigkeit: das Einhalten von Vorschriften, egal wie unsinnig sie sind, das fehlende Anzweifeln der Obrigkeit. Eine oft fehlende Toleranz und Weltoffenheit, eine Beschränktheit die sich darin äußert, dass man meint überall müsse alles so sein wie man es als gut oder optimal ansieht, eine gewisse mangelnde Flexibilität. Lieber etwas durchplanen und perfekt zu machen als eine schnelle Lösung umzusetzen. In gewisser Weise sind unsere schlechten Eigenschaften die negativen Seiten der positiven, wenn man es übertreibt oder wenn man keine Kompromisse macht.
Mir fielen enorm viele Dinge im Alltag ein, wo man dies sieht. Die negative Seite der Ordentlichkeit sehe ich jeden Tag im Straßenverkehr: Zig Verkehrsschilder die alles regeln sollen, ein Großteil davon kenne ich nicht. Weil es so viele und so viele verschiedene sind, denke ich werden sie die meisten übersehen oder nicht verstehen. An einer Straße die den Fußgänger/Fahrradweg kreuzt und bei der es einen Fußgängerweg gibt der auf den kombinierten Weg mündet, steht ein Schild mit einem durchgestrichenen Fahrrad. Was es bedeutet, verstehe ich nicht. Meine beste Deutung ist das ich wohl als Fahrradfahrer nun auf die Straße wechseln soll anstatt auf dem Fußgängerweg zu bleiben, aber das die Straße komplett für Fahrradfahrer gesperrt ist kann ja wohl nicht sein. Autos und Fußgänger können ja auch passieren und irgendwie verengt ist sie auch nicht.
Im Straßenverkehr kann man sehr gut die Ordnungshörigkeit beobachten. Zum Beispiel bei Ampeln. Wenn Fußgänger obwohl links und rechts weit und breit kein Auto zu sehen ist nicht einfach die Straße überqueren, sondern den Knopf drücken und auf das Signal warten (ich rede nicht von einer automatischen Ampel sondern einer die nur auf Knopf reagiert).
Wenn ich Radiowerbung höre, dann dreht sich fast alles immer nur um den Preis. Da werden Wochenendsangebote die reduziert sind beworben. Sonderaktionen bei Möbelhäusern oder Prämien beim Autokauf. Das Produkt scheint gar nicht zu interessieren, sondern nur der Preis. Hmm wenn ich das in der Konsequenz durchdenke sollte ich vielleicht einfach meine rund 60 MByte in der Website ohne jede Änderung 1:1 in ein Buch kopieren und die 100 Bücher dann für je 10 Euro verkaufen. Ist ja billig und offensichtlich ist der Inhalt ja nicht wichtig, sondern nur der Preis. Bei Lebensmittel scheint es ja auch nicht auf Qualität oder Tierwohl anzukommen, sondern nur auf den Preis. Das Dumme: ich bin zu sehr deutsch, und dazu gehört auch etwas ordentlich zu machen, perfekt zu machen und daher kann ich das nicht.
Aber solche Eigenschaften sind nicht in Stein gemeißelt. Sie ändern sich. Zum einen durch die Kultur und Sozialisation. Relativ deutlich, fast 30 Jahre nach dem Fall der Mauer ist das der Osten anders tickt. Er ist tendenziell ausländerfeindlicher. Ganz einfach, weil dort nicht nach dem Krieg viele Ausländer hinzu kamen die im Westen während der Wirtschaftswunderzeit sogar aktiv angeworben wurden. Die Linke hat dort viel bessere Wahlergebnisse mit ihrem Programm der Vollversorgung durch den Staat, ebenso die AFD deren Ergebnis ja nicht nur auf dem Ausländerhass beruht, sondern auch auf einer gewissen Beschränktheit und Neid die man nach der Vereinigung als „Meckerossis“ bezeichnete. Schon damals wendete sich das gegen Ausländer, man denke nur an Hoyerswerda und Rostock. Was mich vielmehr erstaunt ist das dieser Unterschied nach 30 Jahren noch da ist. In der Zeit ist eine gesamte Generation aufgewachsen die nicht in der DDR groß wurde, eine Genration die nur in der DDR aufwuchs ist gestorben. Trotzdem scheint dieser Ost-West Unterschied kaum abgeflaut sein. Bei dem Ausländerhass kann ich zumindest den Aspekt das es nach wie vor so ist das in den neuen Bundesgebieten es weniger Menschen mit „Migrationshintergrund“ gibt als Faktor sehen. Aber sonst müsste sich doch die Mentalität dem Westen angleichen. Das tut es aber nicht und wenn, dann nur langsam. Selbst die Medien machen da mit. So wurde kritisiert, das es im neuen Kabinett keinen Minister aus „Ostdeutschland“ gab. Hä? Werden nun Leute nicht nach Qualifikation, sondern nach Quote berufen? Neid auf andere ist irgendwie auch was typisch deutsches. Für Deutsche undenkbar: in einigen Ländern der Welt kann man die Steuerklärung aller öffentlich einsehen, so in den USA und einigen skandinavischen Ländern. Das wäre bei uns undenkbar. Gerade erst wurde durch Gerichtsurteil entschieden das ein Arbeitnehmer das Recht hat zu erfragen was der Durchschnittsverdienst für die Tätigkeit ist die er ausübt. In den USA ist man sogar stolz darauf was man verdient und macht das öffentlich. Das würde bei uns nur zu einer Neiddebatte führen. Na ja, nicht überall. Während man sich gerne über Boni bei Manager aufregt, scheint sich niemand über viel höhere Verdienste bei Fußballspielern aufzuregen.
Auf der anderen Seite gibt es eine Generation der „Digital natives“ die mit dem Netz aufwachsen und ich denke das färbt ab. Man sieht wie etwas woanders ist und so werden typisch deutsche Angewohnheiten abgeschliffen. Sie sind weltoffener, reisen mehr durch die Welt und das erweitert das eigene Weltbild. Ich denke eine der Folgen der sonst so beschriehenen Globalisierung wird auch sein, das sich nationale Identitäten verringern. Es weniger typische Eigenschaften gibt. Man sieht das ja schon an der Küche. Pizza, Burger & Co gibt es weltweit. Dafür verschieden typische regionale Spezialitäten, auch weil immer weniger selbst kochen, sondern zu fertig- oder Halbfertigerrichten greifen. Mal sehen wie das in 20 Jahren ist.
Ich bin glaube ich ziemlich deutsch, sowohl in den positiven wie negativen Eigenschaften. Ich würde sogar noch weiter gehen und mich eher als typisch Schwäbisch bezeichnen. Denn ich bin phäb (nein Katzelmacher das übersetze ich nicht für dich), habe etwas von einem Tüftler. Wie bei vielen anderen Schwaben dreht sich bei mir zu viel um Geld und Schaffa. Immerhin bin ich nicht vom Kruschteln befallen, dafür mein Bruder und vor allem meine Schwester. Ich habe als typischer Schwabe ein Defizit an Diplomatischem Geschick und gehöre zu der Gruppe der „Hocketen-Schwaben“, also denen die gerne hier bleiben, keinen Drang haben woanders hinzugehen. Es gibt ja noch die andere Gruppe der Schwaben, die so schnell wie möglich woanders hingehen und dort dann oft berühmt werden.
Hallo Bernd,
zu den „Ossis“ möchte ich behaupten, es liegt nicht an den „fehlenden Ausländern“ das dort die Ausländerfeindlichkeit höher ist, sondern an etwas ganz etwas anderem (Achtung! Steile Meinung!!!):
Die DDR war nicht antifaschistisch, wie sie immer behauptet hat, sie war die Fortsetzung der Nazis unter einer andern Flagge und mit anderen Sprüchen!
Warum behaupte ich das? Erstens gab es einen Feind, der an allem schuld ist und der vernichtet werden sollte!
Bei den Nazis waren es die Juden und andere Völker, bei den DDRlern die Kapitalisten.
Abtrünnige oder Zweifler wurden in den selben Gefängnissen und KZ gesperrt wie bei den Nazis und Sie wurden genauso
gequält, gemartert und ermordet.
Das eigene Volk wurde eingesperrt, bei den DDRlern mit einer Mauer, bei den Nazis mit anderen Methoden.
Die Regierenden hoben sich immer mehr in den Himmel, das Volk war ein Haufen Ameisen zum Arbeiten.
etc..
Ich behaupte nicht, das in Westdeutschland das Nazitum ausgestorben ist, aber er hat hier keine „Führer“ die Machtgeil genug sind, alles zu riskieren, nicht genug Hintergrund und Geld um zu schmieren und nicht genug Rückhalt in der Bevölkerung.
Die AFD ist in meinen Augen nichts weiter als ein Haufen rückständiger Menschen, die nur an irgendwelche Pöstchen wollen um Geld zu machen. Echten Machtwillen und Mut scheinen ihnen im Gegensatz zu Schicklgruber zu fehlen. Aber das Maul aufreissen können Sie!
Gottseidank! Hoffentlich bleibt das auch so!
Meint Ralf mit Z
Schon gut, Herr Leitenberger, ich will das auch nicht wissen. Gut zu wissen aber daß es auch Schwaben gibt, die nicht in die Fremde wollen. Den meisten Leuten in anderen Gegenden geht ihr eher auf den Geist mit eurer piefigen Art.