Tutorial 1 Aufstiegssimulation

Ich rechne ja gerne und viel. Dazu habe ich ein Programm mit dem simplen Namen „Rakete“. Es ist das älteste Programm, dass ich im Einsatz habe. Die erste Version stammt von 1987 und wurde noch unter CP/M erstellt und war schon damals so umfangreich, dass ich Overlays einsetzen musste. Eigentlich hätte ich ja letztes Jahr 30-jähriges feiern können. Aber wie feiert man ein Programm?

Ich habe das bewusst nicht bei meinen anderen Programmen aufgeführt, weil ich es für mich geschrieben habe. Sprich, es genügt nicht den Ansprüchen die viele an Benutzerfreundlichkeit und Bedienungskomfort haben. Es ist auch nicht DAU-tauglich und man muss wissen, was man eingibt. Vor allem müsste ich es dann auch dokumentieren.

Meinen neuesten Programmpunkt (und nur den) will ich hier vorstellen, weil er, so denke ich, einzigartig ist. Man kann mit ihm die Nutzlast eine Rakete berechnen, und zwar ohne irgendwelche Annahmen über Aufstiegsverluste zu machen. Da das auch etwas kompliziert ist, hier ein Kurs in drei Teilen. Dieser Teil informiert über die fundamentalen Eingaben für die Rakete. Der Nächste dann, wie man eine Aufstiegsbahn konstruiert und der Dritte wie man die optimiert und was es an Auswertemöglichkeiten gibt.

Aber fangen wir mal mit der Basis. Ihr müsst zuerst das Programm herunterladen. Es ist ein Windows 32 Bit Programm und sollte ab Windows 7 laufen. Ich setze Windows 10 ein, doch es gibt keine spezifischen Windows 10 Funktionen im Programm.

Historisch bedingt basiert die Aufstiegssimulation auf einer einfacheren Berechnung auf Basis der Ziolkowski Gleichung, für die man für jeden Typ eine Sollnutzlast und Sollgeschwindigkeit angibt. Dann werden Aufstiegsverluste berechnet und die für die folgenden Bahnen angenommen. Die Eingaben für diese einfachere Simulation findet ihr unter Bearbeiten → Raketen. Die ersten beiden Punkte im Menü „Nutzlastberechnung“: „Start von der Erde“ und „Nutzlast oder Geschwindigkeit“ basieren auf dieser einfachen Berechnung. Diese einfachere Simulation ist Basis in den meisten Dateien, die mitgeliefert werden. Man benötigt für sie pro Stufe nur Vollmasse, Leermasse, Spez. Impuls und Nutzlast, Zielgeschwindigkeit und Gewicht der Verkleidung. Bei der Aufstiegssimulation braucht man fast dreimal so viele Eingaben.

Doch dass, wofür das Tutorial ist, findet ihr unter „ Nutzlastberechnung“ → „Aufstiegsbahnen“. Wenn ihr aus der Liste eine Rakete selektiert dann füllt sich der Eingabebereich mit den Daten. Heute geht es nur um den oberen Teil, der im Screenshot umrandet ist.Screenshot

Hier muss man die für die Simulation wesentlichen Daten eingeben. Existiert die Rakete schon in der einfachen Simulation, so sind die Felder Vollmasse, Leermasse und spezifischer Impuls schon gefüllt. Jede Zeile steht für eine Stufe. Schub und Schub Vakuum stehen für den Bodenschub und den Vakuumschub. Bei Stufen, die sowieso im Vakuum arbeiten, ist der Schub in beiden Feldern identisch. T0 ist der Zündungszeitpunkt nach dem Start und die Brenndauer die Betriebsdauer der Stufe. Die Fläche ist erklärungsbedürftig. Das ist die Fläche einer Stufe von der Seite gesehen. Sie ist definiert als Durchmesser x Höhe. Als Erstes geben wie die Daten der H-IIA ein. Die folgende Abbildung ist das Datenblatt aus meinem Buch „internationale Trägerraketen“. Die Booster haben eine Länge von 14,9 m und einen Durchmesser von 1,00 m. Die Fläche beträgt also 14,9 x 1 = 14,9 m². Nicht vergessen, bei der Anzahl dann „2“ einzutragen. Wenn ihr das bei allen Stufen gemacht habt, dann sollte eure Eingabemaske so aussehen:

Ich habe die H-IIA genommen, weil es hier einige Besonderheiten gibt. So hat sie zwei Arten von Boostern, die gemeinsam gezündet werden. Dazu kommt noch die erste Stufe. Für die ersten drei Stufen findet man also bei T0 den gleichen Zeitpunkt 0.00 Sekunden. Die zweite Stufe wird dann nach 400 s gezündet. Wenn ihr die Brenndauer mit dem Datenblatt vergleicht, so fällt auf das dies nicht ganz übereinstimmt. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen. Zum einen, dass die Angaben nicht so korrekt sind. Manche sind einfach gerundet. Dann gibt es die Mängel der Simulation. So gibt es keine Resttreibstoffe. Bei den meisten Raketen nutzt man nicht den ganzen Treibstoff, sondern schaltet bei einem kleinen Rest ab, auch um zu vermeiden, dass eine Komponente ausgeht und die andere nicht. Bei Feststofftriebwerken gibt es immer unverbrannte Reste, wenn der Druck unter einen Mindestwert sinkt. Triebwerke mit flüssigen Treibstoffen verbrauchen in der Anlaufzeit und auch (wenn auch nur kurz) beim Herunterfahren weniger Treibstoff als bei 100 % Schub. Das verlängert die Brennzeit.

Daneben – das ist der Hauptgrund – kann der Schub variabel sein. Es gibt einige schubvariable Triebwerke mit flüssigen Treibstoffen wie das RD-180 oder SSME. Feststofftriebwerke sind immer schubvariabel. Die Einschränkung ist also immer gegeben. Es gibt zwei Möglichkeiten: Ihr passt den Schub an die wahre Brennzeit an oder die Brennzeit an den Schub an.

Für das letzte gibt es eine Automatikfunktion „Brenndauer aus Schub errechnen“. Sie berechnet die Brenndauer aus dem Vakuumschub und spezifischen Impuls.

Den Zündzeitpunkt kann man ebenfalls berechnen lassen. Da einige Stufen simultan gezündet werden (in diesem Beispiel: 3 Stufen) muss man die Zahl der beim Start gezündeten Stufen angeben und die Verzögerung zwischen Brennschluss und Zündung der nächsten Stufe (meist wenige Sekunden). Der Punkt findet sich unter „Bearbeiten → Zündungszeitpunkt errechnen“.

Weiter unten findet man die wichtigste Fläche, die Kopffläche. Das ist die Fläche, die dem Luftwiderstand voll ausgesetzt ist, die Seitenflächen werden nur gestreift. Für die Kopffläche gilt die einfache Formel: Fläche = π * Durchmesser/2², wobei Durchmesser der maximale Durchmesser (oft den der Nutzlastverkleidung, bei alten Trägern wie der Atlas-Agena aber auch der Durchmesser der ersten Stufe ist). Bei angeflanschten Boostern muss man deren Fläche auch berücksichtigen. Bei der H-IIA 2022 sind zwei Booster mit 1,0 m Durchmesser und zwei Booster bei 2,5 m Durchmesser und die Nutzlasthülle mit 4,1 m Durchmesser. (Es gibt auch eine Version mit 5 m Hülle, doch die wird bei den größeren Versionen eingesetzt).

Damit sind wir bei der Nutzlasthülle. Deren Seitenfläche wird analog den Stufen (Breite x Höhe) berechnet. Ihre Masse und ihr Abwurfzeitraum muss angegeben werden. Den Letzteren kann man noch nach einer Simulation an die Realität (wird meist oberhalb 100 km Höhe abgeworfen) anpassen. Die Nutzlast erklärt sich von selbst.

Datenblatt H-IIADen letzten Kasten mit den Simulationen bespreche ich im nächsten Teil. Ich empfehle die Daten aus meinen Büchern zu verwenden. Sie sind aktueller und besser recherchiert als die auf der Webseite. Die habe ich etwas schleifen lassen, da ich nach der Resonanz den Eindruck habe das die Rechtschreibung wichtiger als korrekte Daten ist(sind).

Man sieht: Es ist einige Arbeit alle Daten einzutippen. Daher sind auch noch nicht alle Raketen erfasst, die es derzeit im Einsatz gibt, von den anderen Dateien mit früheren Trägern oder Raketen, die es geben, könnte (oder sollte) ganz zu schweigen. Meine Hoffnung ist ja das hier einige die Daten eintragen und mir die Träger zuschicken, man kann auch einzelne Raketen exportieren muss also nicht eine ganze Datei bearbeiten. Wenn das einige machen, haben wir bald den ganzen Datenbestand angepasst.

Die erstellte Rakete müssen wir nun dem Datenbestand anfügen. Dazu einfach auf Datei → Raketen anfügen klicken und einen Namen vergeben. In der Praxis rate ich euch das nach dem zweiten Teil zu machen, weil dann alle Daten des Eingabefensters gespeichert werden, auch die Felder im unteren Bereich die noch erklärt werden.

Am Beispiel der H-IIA 2022 kann man sehr gut die Funktionen zum Editieren erklären. Diese Variante hat 2 große und 2 kleine SRB. Wenn man nun bei den kleinen SRB (erste Stufe) hinten bei Anzahl eine „4“ einträgt, hat man die nächste Variante H-IIA 2024. Auch hier wieder hinzufügen und den Namen anpassen. Die Variante H-IIA 202 hat dagegen nur zwei große Booster. Dazu müssen wir die erste Stufe löschen. Klickt in ein Edit-Feld in der ersten Stufe und dann auf „Stufen → Lösche stufe“ und diese Stufe ist weg. Wie man die letzte Variante H-IIA 204 mit vier großen Boostern erzeugt? Ich hoffe ihr kommt selbst drauf.

Es gibt noch eine Ablage die eine Stufe aufnimmt. Dazu in ein Feld der Stufe klicken, die in die Zwischenablage kommen soll und dann „Kopiere Stufe in Zwischenablage“. Das Kopieren von Stufen macht natürlich nur Sinn zwischen verschiedenen Raketen.

Wählen sie dann eine Rakete aus, in die die Stufe kommen soll.

Die Stufe in der Zwischenablage kann nun:

  • Ale neue letzte Stufe angefügt werden: „Füge Stufe aus Zwischenablage als letzte ein“.
  • Ein bestehende Stufe ersetzen: In ein Editfeld der zu ersetzenden Stufe klicken und dann auf „Ersetze Stufe durch Zwischenablage“.
  • Vor einer Stufe eingefügt werden: In ein Editfeld der Stufe, vor der eingefügt werden, soll klicken und dann auf „Füge Stufe aus Zwischenablage ein“. Das Einfügen erfolgt immer vor der Stufe, sonst wäre es unmöglich, vor die erste Stufe eine neue Stufe einzufügen.

Kleine Übung: Erzeugen sie die H-IIA 2044, die es nicht gibt, mit vier kleinen und vier großen SRB.

Was ich jetzt schon bemerken muss, es wird im zweiten Teil deutlich: Neue Stufen verändern die Aufstiegsbahn grundlegend. Sie muss also angepasst werden. Doch das ist Inhalt des zweiten Teils, der morgen erscheint.

Screenshot

6 thoughts on “Tutorial 1 Aufstiegssimulation

  1. Ist das Programm und die Dokumentation eigentlich auf der Webseite? Wollte das alles jemandem verlinken und habe nichts gefunden, es wäre vielleicht sinnvoll den Blogeintrag darüber zu kopieren?

      1. Ich habe es dem Bekannten vom Blog her verlinkt inklusive der einzelnen Dokumentationsposts, es wäre nur sinnvoller für potentielle AnwenderInnen, das alles gesammelt in einem Artikel auf der Webseite zu haben.

    1. Also der Artikel ist ja über 3 Jahre alt. Seitdem habe ich natürlich an dem Programm weiter gearbeitet, sodass es inzwischen weitere Optionen gibt, die nicht erklärt sind.

      Die Sache ist die das ich das Programm, das ja noch mehr kann – hier wird ja nur ein Menüpunkt besprochen – für mich selbst nutze und entsprechend ist es alles andere als selbsterklärend. In den den ganzen Jahren habe ich keine Rückmeldung dazu bekommen, ob es sonst jemand nutzt und da ich wirklich noch genug Artikel in der Arbeit habe, von Büchern ganz zu schweigen will ich da nicht mehr viel Arbeit in die Doku reinstecken wenn das niemanden interessiert.

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