Schub Schub Schub?

Inzwischen bin ich auch mit dem letzten Baustein meiner Aufstiegssimulation fertig, und auch wenn ich noch nicht alle Raketen eingepflegt habe, will ich doch sie mal für ein Grundlagenthema nutzen, das ich bisher nicht in dem Maße simulieren konnte. Es geht um die Bedeutung des Schubs und die Anwendung auf Ariane 5.

Fangen wir zuerst mal mit den Grundlagen an. Anders als eine ICBM muss eine Trägerrakete nicht nur eine bestimmte Geschwindigkeit erreichen, sondern dabei auch das Perigäum soweit anheben, dass es eine Minimalhöhe erreicht, in der der Satellit nicht verglüht. Weitere Zündungen können es anheben. Ist die letzte Stufe nicht wiederzündbar, wie es z.B. bei der ESC-A der Fall ist, so muss sogar die spätere Orbithöhe erreicht werden. Als unterste, sichere, Höhe kann man rund 160 km ansehen.

Eine ICBM aus denen die ersten Träger entwickelt wurden hat dagegen eine andere Aufgabe: sie muss eine definierte Geschwindigkeit und einen definierten Winkel erreichen, ab dem sie sich wie ein Geschoss auf das Ziel zubewegt. Je schneller sie dies tut, desto weniger Treibstoff braucht sie dafür. ICBM haben daher kurze Brenndauern. Die Atlas rund 280 s. Die Titan II 336 s und die R-7 300 s. Für eine Trägerrakete sind sehr kurze Brennzeiten ungünstig. Um das Perigäum anzuheben, muss man einen Großteil der Geschwindigkeit in der späteren Orbithöhe oder höher aufbringen. Bei kurzen Brennweiten muss eine Trägerrakete daher schnell Höhe gewinnen, also steil starten und verbraucht dafür viel Treibstoff. Die Grafik links zeigt den Anstieg des Perigäums bei einer Ariane 5 G. Man sieht, dass es zuerst kaum ansteigt. Das ist die Betriebsphase der Feststoffbooster. Sie bringen vor allem den Vertikalschub auf, den die Rakete braucht, um die spätere Orbithöhe zu erreichen. Erst danach bringt die Zentralstufe die horizontale Beschleunigung, auf die das Perigäum anhebt. Das ist kurz vor Brennschluss der Zentralstufe (bei 584 s) der Fall. Ab dem Punkt steigt es dann laufend an, weil nun die Orbitalgeschwindigkeit erreicht ist und durch die immer höhere Geschwindigkeit die Stufe mit der Nutzlast sich laufend weiter von der Erde entfernt. Feststofftriebwerke haben nur kurze Brennzeiten sie erreichen so nicht ohne Freiflugphasen in denen sie Höhe gewinnen einen Orbit. Da während dieser Zeit die Geschwindigkeit abnimmt, sind Freiflugphasen ungünstig. Umgekehrt sinkt die Stufe wieder ab, sobald sie die anfängliche Gipfelhöhe überschritten hat. Die Kunst ist daher den Schub und die Brennzeit so zu wählen, dass die Verluste minimal sind.

Sobald ein niedriger Erdorbit erreicht ist, ist der Schub eigentlich bedeutungslos, selbst ein Ionentriebwerk mit einem Schub unter 1 N kann den Orbit anheben. Nur dauert es sehr lange. Die Einschränkung „eigentlich“ habe ich nicht umsonst gewählt. Denn ganz bedeutungslos ist er nicht. Bei niedrigem Schub wie einem Ionentriebwerk spiralt sich die stufe mit dem Satelliten nach oben. Nach der Vis-Via Gleichung kann man aber leicht berechnen, dass dies ungünstig ist. Nehmen wir einen Orbit mit einem Perigäum von 200 und einem Apogäum in 36000 km Höhe. Im Perigäum hat der Satellit dann eine Geschwindigkeit von 10.251 m/s und im Apogäum eine von 1590 m/s. Die Kreisbahngeschwindigkeiten in den beiden Höhen betragen 7791 und 3.068 m/s. Für das Hochspiralen sieht die Rechnung dann so aus:

7791 m/s – 3068 m/s = 4729 m/s

Und für den Zweiimpuls-Transfer so:

(10251-7791) + (3068-1590) = 3928 m/s.

Noch größer wird der Unterschied, wenn man noch die Bahnneigung anpassen muss, da der Aufwand proportional zur aktuellen Geschwindigkeit ist. Würde man dies in einer Kreisbahn machen so wäre bei einer minimalen Geschwindigkeit von 3068 m/s der Aufwand immer fast doppelt so groß, wie bei einer Geschwindigkeit von 1590 m/s wie sie bei der elliptischen Transferbahn im erdfernsten Punkt erreicht wird.

Daraus ergibt sich die Folgerung, dass auch im Orbit der Schub nicht bedeutungslos ist. In der folgenden Tabelle habe ich einmal einige typische Perigäumshöhen von Stufen und die Beschleunigung bei der Zündung zusammengefasst:

 

Stufe Perigäumshöhe Beschleunigung
EPS (Ariane 5G) 650 km 1,5 m/s
ESC-A /Ariane 5 E) 250 km 2,2 m/s
Delta (Delta 7925) 185 km 3,3 m/s
UPLS (Ariane 64) 185 km 3,7 m/s
Breeze M (Proton M) (800 km) 0,7 m/s

Der Wert für die Breeze M ist theoretisch, weil die Stufe in der Realität mehrere Zündungen macht, um gerade das zu verhindern. Mit der direkten Aufstiegsbahn kommt die Breeze M nur auf 6,3 t in einen 39 Grad geneigten SSGTO-Orbit. Der hat ein dV von 1765 m/s. In der Realität schafft die Breeze M 6,8 t auf ein dV von 1500 m/s, allerdings unter dem Preis, dass eine Mission bis zu 30 Stunden dauert.

In den letzten Jahrzehnten ging der Trend dazu, dass der Schub von Oberstufen, insbesondere wenn die Rakete auf GTO-Missionen optimiert ist, die heute die meisten Starts ausmachen, stetig sank. Die erste der Version der Centaur wog mit maximaler Nutzlast etwa 21 t. Der Schub betrug 133,4 kN. Die heutige Version hat nur noch eines anstatt zwei Triebwerken und wiegt beim Start über 32 t, hat aber nur noch 99,2 kN Schub. Die Beschleunigung wurde halbiert, die Brenndauer verdoppelt.

Eine Centaur kann inzwischen bei LEO-Bahnen ihre volle Nutzlast nicht mehr ausnutzen. Bisher war das auch kein Problem, weil es keine so schweren Nutzlasten gab. Mit den Starts von Raumschiffen zur ISS werden dann die ersten Versionen mit zwei Triebwerken seit 15 Jahren wieder eingesetzt. Das ist keine Ausnahme. Bei ATV Missionen ist die EPS ebenfalls nur halb gefüllt. Würde man sie voll füllen, so sinkt die Nutzlast von 21,6 auf 18,3 t ab, die Startmasse bleibt gleich. Der Grund: Ihr Schub beträgt 28,7 kN bei über 30 t Startmasse. So brennt sie 1.100 s lang in denen sie immer zu wenig Schub hat. Die ersten beiden Stufen müssen daher ein Profil fliegen, das einen hohen Buckel hat, von dem aus die Stufe fallen kann, denn erst kurz vor Brennschluss erreicht sie die Orbitalgeschwindigkeit. Bei GTO Missionen ist das schon einige Sekunden nach dem Start der Fall, da die Stufe durch die kleinere Gesamtmasse von 19 t bei höherer Geschwindigkeit abgetrennt wird. Auch für ATV Missionen mit der ESC-B wären 10 t Treibstoff weggelassen worden.

Kurzum: Wir haben heute Träger, die auf wirklich den minimalen Schub getrimmt sind. Nach ULA Angaben macht der Antrieb zwei Drittel der Kosten einer Stufe aus. Da ist das verständlich. Vor allem wenn man wie beim Übergang von der „Double engine Centaur“ auf die „Single-engine Centaur“ gleich 50 % des Antriebs einspart. Da ist es natürlich interessant zu sehen, wie weit man überhaupt noch Spielraum für Tankverlängerungen hat und was man mit mehr Schub bewegen kann.

Als Beispiel habe ich mir die Ariane 5 und Ariane 6 ausgesucht. Von Ariane 5 sind die Daten bekannt, bei Ariane 6 fehlen Trockengewicht der Zentral- und Oberstufe. Ich habe sie auf Basis von Ariane 5 (Oberstufe) und H-II (Zentralstufe) geschätzt. Die Trockenmassen sind eher zu konservativ angesetzt als zu optimistisch. Hier das Typenblatt beider Träger für die Simulation. Ich habe mich an den veröffentlichten Daten gehalten. Dabei hat eine Ariane 5 ECA ein Perigäum von 250 km. Für die Ariane 64 sind 185 km geplant. Die Nutzlasten sind daher nicht ganz vergleichbar, auch weil die Ariane 5 ECA bei einem Startazimut von 90 Grad 4,1 Bahnneigung erreicht, Ariane 64 wegen der kürzeren Brennzeit 4,8 Grad.

Rakete: Ariane 5 ECA

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
Nutzlastanteil Sattelpunkt
[km]
Perigäum
[km]
Apogäum
[km]
Inklination
[Grad]
783.555 10.950 10.292 2.000 1,40 200,00 250,00 35790,00 90,00
Geographische Breite
[Grad]
Azimut
[Grad]
Verkleidung
[kg]
Abwurfzeitpunkt
[s]
Startwinkel
[Grad]
Konstant für
[s]
Starthöhe
[m]
Startgeschwindigkeit
[m/s]
5 90 2.675 202 90 5 20 0
Stufe Anzahl Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez.Impuls (Vakuum)
[m/s]
Schub (Meereshöhe)
[kN]
Schub Vakuum
[kN]
Brenndauer
[s]
Zündung
[s]
1 1 561.000 76.800 2.692 9000,0 9940,0 132,00 0,00
2 1 189.850 15.350 4.248 980,0 1390,0 533,00 -5,00
3 1 19.080 4.180 4.375 67,0 67,0 970,00 540,00

 

Simulationsvorgaben

InklinationMaximalhöheLetzte HöheNutzlastMaximalnutzlastDauerNicht definiert

Azimuth Geografische Breite Höhe Startgeschwindigkeit Startwinkel Winkel konstant
90,0 Grad 5,2 Grad 20 m 0 m/s 90 Grad 5,0 s
Perigäum Apogäum Sattelhöhe Modus
Vorgabe 250 km 35.790 km 200 km Abbruch wenn ZielApo überschritten, Orbitsim wenn Kreisbahngeschwindigkeit erreicht
Real 399 km 35.795 km 200 km
4,0 Grad 874 km 874 km 10.950 kg 11.088 kg 1.503,4 s
Umlenkpunkte Nr. 1 Nr. 2 Nr. 3
Zeitpunkt 123,7 s 365,3 s 720,0 s
Winkel 39,0 Grad 0,0 Grad -2,0 Grad
Freiflugphase Startbedingung Startwert Endbedingung Endwert

Diagramme

Rakete: Ariane 64

Startmasse
[kg]
Nutzlast
[kg]
Geschwindigkeit
[m/s]
Verluste
[m/s]
Nutzlastanteil Sattelpunkt
[km]
Perigäum
[km]
Apogäum
[km]
Inklination
[Grad]
847.266 13.700 10.286 1.819 1,62 130,00 185,00 35790,00 88,00
Geographische Breite
[Grad]
Azimut
[Grad]
Verkleidung
[kg]
Abwurfzeitpunkt
[s]
Startwinkel
[Grad]
Konstant für
[s]
Starthöhe
[m]
Startgeschwindigkeit
[m/s]
6 88 2.500 190 90 5 10 0
Stufe Anzahl Vollmasse
[kg]
Leermasse
[kg]
Spez.Impuls (Vakuum)
[m/s]
Schub (Meereshöhe)
[kN]
Schub Vakuum
[kN]
Brenndauer
[s]
Zündung
[s]
1 4 156.100 12.500 2.732 2600,0 2954,0 132,80 0,00
2 1 170.350 20.350 4.248 960,0 1390,0 458,00 0,00
3 1 36.316 6.316 4.560 180,0 180,0 760,00 465,00

 

Simulationsvorgaben

InklinationMaximalhöheLetzte HöheNutzlastMaximalnutzlastDauerNicht definiert

Azimuth Geografische Breite Höhe Startgeschwindigkeit Startwinkel Winkel konstant
88,0 Grad 6,0 Grad 10 m 0 m/s 90 Grad 5,0 s
Perigäum Apogäum Sattelhöhe Modus
Vorgabe 185 km 35.790 km 130 km Abbruch wenn ZielApo überschritten, Orbitsim wenn Kreisbahngeschwindigkeit erreicht
Real 186 km 35.806 km 130 km
4,8 Grad 312 km 312 km 13.700 kg 13.751 kg 1.223,7 s
Umlenkpunkte Nr. 1 Nr. 2
Zeitpunkt 106,0 s 391,0 s
Winkel 28,7 Grad 0,0 Grad
Freiflugphase Startbedingung Startwert Endbedingung Endwert

Diagramme

 

Warum sich Ariane 5 so dafür eignet, zeigt eine Rückblende in die Geschichte. Nach einer Vorentwicklung von drei Jahren zur Prüfung der technischen Machbarkeit des HM60 Antriebs, der später Vulcain hieß wurde Ariane 5 1988 genehmigt. Damals hatte die Ariane 4 noch nicht mal ihren Jungfernflug absolviert. Ein neuer Träger, der auch um ein vielfaches teurer als die Ariane 1-4 Entwicklung war, wurde gerechtfertigt mit zwei anderen Projekten: dem Raumlabor Columbus und dem Raumgleiter Hermes. Beide sollten mit Ariane 5 gestartet werden. Die Rakete wurde daher auf LEO-Transporte zugeschnitten. Für GTO-Missionen wurde zwar eine H10 Stufe auf Basis der der schon existierenden H8 der Ariane 1-3 vorgeschlagen, doch schon dafür fehlte das Geld, um sie neben der für LEO-Bahnen nötigen L5 zu bauen. Die damals vorgestellte Rakete unterschied sich in der späteren Einsatzversion vor allem darin, dass die Dritte Stufe von 5 auf 10 t Treibstoff anstieg. Das war dem Anstieg der Masse von Hermes geschuldet. Schon während der Vorentwicklung war die Rakete laufend größer geworden. Anfangs war z.B. die Treibstoffzuladung der Zentralstufe auf 120 t beschränkt. Beim ersten Start waren es 158,3 t. Was aber gleich blieb, war der Schub des Vulcain. Ariane 5 hatte in der ersten Version daher eine extrem lange Brennzeit einer Zentralstufe von 590 s. Zum Vergleich: Das Space Shuttle liegt bei 480 s, die H-IIA bei 390 s und die Delta IV bei 333 s.

Daher war auch der wichtigste Punkt im Ariane 5 Evolution Programm die Schubsteigerung der Vulcains von 1145 auf 1350 kN. Das alleine brachte 800 kg. In der Ariane 5 2010 Initiative wurden weitere Triebwerksteigerungen skizziert. Diese hatten neben der Nutzlaststeigerungen aber vor allem den Sinn die Kosten zu senken. Das Vulcain 2 ist relativ teuer. Die grundlegende Überlegung: Ein Triebwerk mit höherem Schub steigert die Nutzlast etwas, dafür kann man an der Performance sparen, z, B. , den hohen Brennkammerdruck absenken oder einen „blutenden“ Strom für den Gasgenerator nutzen, bei dem man das Gas aus der Brennkammer anzapft. Diese Triebwerke wären billiger zu fertigen gewesen bei meist etwas geringeren spezifischen Impulsen.

Für den Laien (also auch für mich) war lange der bessere Weg, die Treibstoffzuladung der Oberstufen zu vergrößern. Alle kryogenen Ariane 5/ 6 Oberstufen sind relativ schwer. Das liegt an zwei Dingen. Das eine ist, das sie direkt über den Feststoffboostern angebracht sind, die sie durchschütteln. Das Zweite ist die ungünstige Geometrie. Bei den kleinen Treibstoffzuladungen der ESC-A und ESC-B/Ariane 6 Oberstufe wäre der optimale Durchmesser eigentlich 3 m und 4 m. Stattdessen haben sie den gleichen Durchmesser wie die Zentralstufe. Das führt zu Stufen mit einer kleinen zylindrischen Höhe bei denen die immer vorhandenen Abschlussdome viel Gewicht ausmachen. Bei Ariane 6 ist es etwas anders. Zum einen gibt es das Potenzial Gewicht einzusparen, weil hier die Booster in der Mitte der Zentralstufe sitzen. Die muss daher schwer sein (bei Ariane 5 erreichte die Zentralstufe einen guten Strukturfaktor, besser als jede andere LOX/LH2 Stufe dieser Größe). Auf der anderen Seite hat die Ariane 6 Oberstufe um Kosten zu sparen zwei Tanks, das heißt es gibt 4 anstatt drei Dome, was wieder Gewicht addiert.

Verlängert man den zylindrischen Teil nur um 1 m, so kann man 1.556 kg Wasserstoff oder 25,85 t LOX mitführen. Beim typischen Mischungsverhältnis von 5:1 (HM-7B) ist eine 1 m Verlängerung gleichbedeutend mit 7,1 bzw. 8 t mehr Treibstoff. Bei einer Wandstärke von 1 cm (die Dome haben eine minimale Wandstärke von 0,14 cm!) wiegt eine solche Verlängerung aber nur 460 kg. Damit wäre der Strukturfaktor bedeutend verbesserbar.

Auf der anderen Seite ist wie beschrieben der Startschub schon relativ gering. Daher kann es sein, das eine solche Tankverlängerung nicht möglich ist oder keine Nutzlast bringt, weil dann die Rakete steil starken muss und das den Performancevorteil aufbraucht.

Ich habe das daher in drei Stufen simuliert:

  • Was bringen mehr Schub in der ersten Stufe?
  • Was bringt eine Treibstoffverlängerung der Oberstufe?
  • Was bringt eine Kombination beider Maßnahmen?

Fangen wir mit Punkt 1 an, geplant für die Ariane 5, daher auch nur hier durchgerechnet (durch nur 150 anstatt 175 t Treibstoff hat Ariane 6 das schon umgesetzt, denn die Reduktion um 25 t entspricht auch einer Beschleunigung also mehr Schub/Gewichtseinheit. Das wäre gleichbedeutend einem Triebwerk mit 1600 kN Schub bei einer Ariane 5 ESC-B). Ich habe aus dem Papier die Daten des 1500, 1700 und des kostengünstigsten 2000 kN Triebwerks genommen. Ich habe weiterhin angenommen, dass die Triebwerke den gleichen Schub/Gewichtsfaktor wie das Vulcain haben. 100 kN mehr Schub sind dann mit 140 kg mehr Masse verbunden.

 

Schub Spez Impuls Bahn Nutzlast Kostenersparnis Zusätzliche Nutzlast laut Dokument
1390 kN Vulcain 2 4248 m/s 398 km 10.950 kg 0 0
1500 kN 4228 m/s 366 km 11.800 kg ~ 30 % +700 kg
1700 kN 4316 m/s 366 km 11.900 kg ~ 15 % +1.500 kg
2000 kn (T) 4139 m/s 350 km 11.600 kg ~ 23 % +1.000 kg

Die Stufe mit dem ganz hohen Schub sinkt im Vergleich ab, da ihr spezifischer Impuls viel niedriger ist, was den höheren Schub kompensiert. Ich komme auf dasselbe Ergebnis wie damals die Untersuchung, das 1500 kN Triebwerk das Beste was Kostenersparnis und Performance betrifft. Die genannten Nutzlaststeigerungen decken sich nicht mit meinen Berechnungen. Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist die Studie alt, von 2002. Inzwischen gab es zahlreiche Veränderungen am System, welche die Nutzlast schon von 9,6 auf 10,95 t angehoben haben. Zum Zweiten habe ich der Vergleichbarkeit willen eine Bahn modelliert, die die 10,95 t Nutzlast der Ariane 5 ECA hat. Diese hat eine minimale Sattelhöhe von 200 km und entsprechend ein hohes Perigäum. Die beiden letzten Typen haben aber überhaupt keinen Sattel, also fallenden Punkt mehr. Lässt man sie flacher ansteigen, was dann möglich ist, so kann man noch mehr Nutzlast gewinnen.

Kommen wir zum zweiten Punkt: Mehr Treibstoff. Ich habe dies zuerst bei der Ariane 5 ECA untersucht und dies in 0,5 m Schritten (3,55 t mehr Treibstoff, 250 kg mehr Trockengewicht gemacht. Hier erlaubte ich der Bahn nach dem ersten Hochpunkt bis auf 160 km zu fallen.

 

Schub Trockengewicht Perigäum Nutzlast
3550 kg +250 kg 398 km 11.300 kg
7100 kg +500 kg 336 km 11.100 kg

Man sieht der Gewinn ist klein, das zeigt, das die Stufe schon an der Grenze der Optimierung ist. Man hat nicht das letzte Quäntchen an Performance herausgeholt, um Reserven für schwerere Nutzlasten zu haben.

Wie sieht es nun bei mehr Schub in der Grundstufe aus? Ich habe das nicht mit allen Varianten gemacht, sondern nur dem 1700 kN und 2.000 kN Triebwerk:

 

Schub Trockengewicht Bahn Nutzlast typ Nutzlast
3550 kg +250 kg 315 km 12.700 kg 1700 kN +700 kg
7100 k +500 kg 336 km 11.100 kg 1700 kN +700 kg
3550 kg +250 kg   11.700 kg 2000 kN + 600 kg
7100 kg +500 kg   11.700 kg 2000 kN +600 kg

Der höhere Schub lässt mehr Treibstoffzuladung zu, doch auch hier bleibt die Nutzlast gleich, wenn man mehr Treibstoff zulädt – bei beiden Typen.

Mit dem ernüchternden Ergebnis bin ich an die Ariane 6 gegangen. Es ist zu erwarten, dass man auch hier die Stufe optimiert hat. Andererseits hat das Triebwerk einen höheren Schub und so eine Brennzeit von 720 anstatt 920 s. Eventuell geht da noch was. Bei der Ariane 6 entsprechen 50 cm Verlängerung 8 anstatt 7,1 t Treibstoff, da die Mischung sauerstoffreicher ist und dieser hat die 16-fache dichte von Wasserstoff.

 

Schub Trockengewicht Bahn Nutzlast Nutzlast
4000 kg +250 kg 315 km 13.4000 kg -100 kg

Schon bei der kleinsten Zuladung sinkt die Nutzlast wieder ab. An den Kurven merkt man dies in den stark abfallenden Senken und das Verschieben des Punktes, wo die Orbitalgeschwindigkeit erreicht ist um mehrere Hundert Sekunden. Schlussendlich kostet das mehr Nutzlast, als es bringt.

Man benötigt also mehr Schub. Bei der Ariane 5/6 kann man wahrscheinlich keine zwei Vinci einsetzen. Sie passen wegen der großen Düse nicht in den Adapter. Der Durchmesser der Düse beträgt 2,2 m, aber es muss ja noch Raum zwischen den Triebwerken zum Schwenken und nach außen zum Adapter bleiben. Doch zwei HM7B passen ohne Problem in den Adapter. Daher für die Ariane 5 hier noch eine Tabelle mit zwei HM7

 

Treibstoffzuladung Trockengewicht Bahn Nutzlast typ Nutzlast laut Dokument
3.550 kg +250 kg 315 km 11.900 kg 1700 kN +950 kg
7.100 kN +500 kg 336 km 12.300 kg 1700 kN +1350 kg
10.650 kg +750 kg   12.200 kg 2000 kN +1250 kg

Auch hier zeigt sich: Mehr Treibstoff ist möglich, aber obwohl selbst bei 10,65 t mehr Treibstoff noch nicht die alte Brenndauer erreicht wurde (834 zu 927 s) sinkt die Nutzlast wieder ab, weil die EPC eine viel steilere Bahn fliegen muss.

Was lernen wir daraus? ESC-A und Ariane 6 Oberstufe sind weitestgehend durchoptimiert, was Treibstoffzuladung angeht. Das Ganze gilt auch in Grenzen für die Triebwerke. Bei der Initiative war der Hauptbeweggrund ja auch nicht stärkere Triebwerke einzusetzen, sondern Kosten zu sparen. Natürlich bringt mehr Schub mehr Nutzlast. Es wird aber immer weniger. 200 kN mehr beim Übergang vom Vulcain 1 auf 2 brachten 800 kg mehr Nutzlast. Weitere 300 kN Schub bei der heutigen hochoptimierten Ariane 5 noch weitere 1000 kg, aber nur weil dieses Triebwerk einen deutlich höheren spezifischen Impuls durch eine ausfahrbare Düse hat.

Die Optimierungen müssen woanders ansetzen. Zum einen bei den Fertigungskosten. Es wurde leider wenig publiziert, in was sich das Vulcain 2 der Ariane 6 von dem der Ariane 5 unterscheidet. Meiner Ansicht nach wäre es wert zu Überlegen ob man ein neues Triebwerk konstruiert mit weniger hohem Brennkammerdruck, dafür ausfahrbarer Düse. Die Düse ist, wenn sie nicht gekühlt werden muss, (im unteren Teil) relativ preiswert. Dagegen ist die Turbopumpe, die diesen Rekorddruck aufbauen muss sehr teuer. Daher war das 2000-kN-Triebwerk trotz höherem Schub auch nach der Studie preiswerter – man hätte das zumindest prüfen können.

Was mich am meisten ärgert, sind aber die hohen Trockenmassen. Bei der ESC-A noch historisch bedingt vorgegeben (Entwicklung aus der H10 mit ungünstiger Tankgeometrie und Position direkt über dem Punkt, wo die Booster ihre Kräfte übertragen). Bei der Ariane 6 gibt es keine Entschuldigungen für ein hohes Trockengewicht. Wieder hat man eine 5,4 m breite Stufe gebaut, obwohl der Durchmesser der Zentralstufe in den Entwürfen lange Zeit 4 m betrug – damit wäre nach ESA-Dokumenten eine Stufe mit einer Trockenmasse von 4 t möglich gewesen. Nun kommen getrennte Tanks hinzu, bei der ESC-A/B sind es gemeinsame Zwischenböden. Trotzdem denke ich ist mehr möglich. Die Delta 4 Zweitstufe mit fast gleicher Treibstoffzuladung (27,2 zu 30 t) wiegt nur 3,5 t, trotz getrennter Tanks. Diese sind durch Gitterrohradapter verbunden. Der untere LOX-Tank hat 4 m Durchmesser, so setzt der Stufenadapter, der an der Basisstufe verbleibt, am oberen LH2-Tank an. Beides spart viel Gewicht ein. Warum hat man nicht so was verwendet? Ich habe die Oberstufe mit 6,3 t modelliert, einfach von der ESC-B hochgerechnet. Ich befürchte aber, da ich nach Simulationen bei der Ariane 64 auf über 13 t Nutzlast komme, sie aber selbst nach neuesten Angaben nur 12 t haben soll, dass die Oberstufe über 7 t wiegt. Das ist inakzeptabel schwer. Die 3 t Mehrgewicht zur DCSS gehen zu 100 % von der Nutzlast ab.

Soviel für heute. Im nächsten Blog dann mein Plan für eine Ariane 6 – diesmal professionell durchgerechnet.

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