Mein durchrechneter Ariane 6 Gegenentwurf
Heute der erste Einsatz meiner Aufstiegssimulation für eine nicht existierende Rakete. Ich will mal skizzieren, wie meine Ariane 6 aussehen würde. Die Ariane 6 wurde ja nicht komplett neu entwickelt. Vinci kann auf Vorentwicklungen aufbauen, das Vulcain 2 wird nur simplifiziert und nur die Booster sind neu. Auch meine Ariane 6 wird daher nicht auf der grünen Wiese entstehen, aber mit anderen Schwerpunkten.
Ich will wie immer die Rakete während des Artikels entwickeln. Fangen wir mal mit dem Anspruch an. Was mich an der Ariane 6 stört, ist das es zwar ein flexibles System gibt, aber nicht so richtig. Es gibt Versionen mit zwei und vier Boostern. Ich sehe den Bedarf schon alleine für die ESA für einen Träger in der Leistung der Sojus und da liegt schon die Ariane 62 höher. Mein Konzept hat daher mehr Booster: bis zu sechs anstatt vier. Das erlaubt bei symmetrischer Bestückung folgende Konfigurationen: 2,3,4 und 6 Booster. Mithin vier anstatt zwei Booster. Wenn die anderen Stufen nicht bedeutend kleiner sind, dürfen die Booster daher nicht so groß sein. Anstatt neuen Boostern setze ich die P80FW Erststufe der heutigen Vega ein.
Für den P120C spricht ja nach ESA Angaben auch, dass die Vega C so mehr Nutzlast hat. Ich sehe aber den Bedarf nicht. Die Vega hat eine höhere Nutzlast als die Rockot und die Vega C stößt zur Dnepr auf, doch wie viele Starts dieser gab es in den letzten Jahren? Es gab etliche Starts der Sojus, doch die wird auch die Vega E mit einer neuen zweiten Stufe nicht erreichen. Im Gegenteil, die meisten Starts, die bisher erfolgten, nutzen die Vega nicht mal ansatzweise aus. Kurzum, der P80 Booster reicht auch bei der Vega aus und durch die Produktion für die Ariane 6 wird dieser Booster auch billiger und damit die Vega.
Mehr noch. Meine Ariane 6 soll auch ohne Booster starten können. Das ist zwar pro Kilogramm verhältnismäßig teuer, doch wenn man 4-6 t in einen SSO bringen muss, ist es nützlich, wenn man einen Träger dafür hat.
Allerdings will ich kein extrem schubstarkes Triebwerk in der ersten (Zentralstufe). Ich habe mich für die Technik des Teilbefüllens der Zentralstufe entschlossen. Das hat man schon bei der Ariane 4 bei den kleinen Versionen (Ariane 40 und Ariane 42L) angewandt. Mit einem Vulcain 2 kommt man aber dann trotzdem nicht weit. Rechnet man 30 t für die Oberstufe, 8 t für Nutzlast und Nutzlastverkleidung, dann dürfte bei einem Schob des Vulcain 2 von 980 kN am Boden und einer Beschleunigung mit 12 m/s die Zentralstufe nur noch 43,7 t wiegen. Das wäre eine Befüllung mit 25 %. Man kann zwar auch bei der Oberstufe Treibstoff weglassen, doch das ist ineffizienter. Ich habe mich für ein Triebwerk mit 2000 kN Schub aus der Ariane 2010 Initiative entschlossen, das MC 2000 G V2 mit 1452 kN Bodenschub. Das erlaubt dann eine Startstufe von 83 t Masse. Das entspricht bei einer von mir gewünschten Treibstoffzuladung von 150 t nur einer Befüllung von 44%. Man wird sehen, ob das aufgeht.
Die Oberstufe habe ich auf 40 t Treibstoffzuladung angesetzt. Das basiert darauf, dass bei Centaur und DCSS man Triebwerke mit 100-110 kN Schub bei 20-27 t Treibstoffzuladung hat und das Vinci 180 kN Schub hat. Bei einem Treibstoffverhältnis von 1:4 bei beiden Stufen komme ich daher auf eine Erststufe von 160 t Zuladung bei 40 t in der zweiten Stufe.
Gehen wir weiter auf die erste Stufe ein. Es werden wie bei der Ariane 6 zwei getrennte Tanks sein. Die Booster müssen im strukturverstärkten Zwischentankbereich angebracht werden. P80FW und P120C sind fast gleich lang (10,5 zu 11,1 m). Die 60 cm Unterschied kann man durch den konischen Adapter ausgleichen. Bei gleichem Durchmesser (5,4 m) kommt man so zur selben Treibstoffzuladung wie die Ariane 6, weil die Länge des Boosters mit dem unteren LH2 Tank korrespondieren muss. Die untere Stufe fasst dann also 150 t Treibstoff. Wie schwer könnte sie sein? Nun man kann sie mit ähnlichen LOX/LH2-Stufen anderer Träger vergleichen:
Rakete | Vollmasse | Leermasse | Strukturfaktor | Schub |
---|---|---|---|---|
H-IIA | 114.700 kg | 13.600 kg | 8,4 | 1.100 kN |
H-IIB | 202.000 kg | 24.200 kg | 8,34 | 2.200 kN |
Delta 4 | 226400 kg | 26.760 kg | 8,46 | 3.312 kN |
Alle Träger haben einen Strukturfaktor von 8,4. Unsere Erststufe wäre am ehesten mit der H-IIB vergleichbar, mit ähnlichem Schub und ähnlicher Masse. Also setze ich 8,4 an und komme bei 150 t Treibstoffzuladung auf ein Startgewicht von 170,3 t.
Die Oberstufe habe ich auf 30 bis 40 t Gewicht angesetzt. Die genaue Masse will ich noch bei der Simulation festklopfen. Bei der Trockenmasse orientiere ich mich an der DCSS, die bei 30,71 t Startgewicht 3,49 t wiegt. Das Vinci ist deutlich schwerer als das RL-10B2, sodass ich noch 300 kg addiere. Vergleichen mit der heutigen Oberstufe ist das deutlich leichter, aber nicht unmöglich, denn um die Boosterschwingungen abzufangen, ist die Zentralstufe ja so schwer. Dabei ist die Delta DCSS kein technologisches Meisterstück. Sie verwendet weder leichte innendruckstabilisierende Tanks noch leichte Legierungen geschweige den CFK-Werkstoffe. Bei 30 t Treibstoffzuladung komme ich so auf 34,15 t Starrmasse und bei 40 t auf 45,71 t. Mit den Ausgangsdaten berechne ich erst mal zwei Varianten: ohne Booster (teilbefüllt) und mit vier Boostern (je 1 t bei der Trockenmasse für Befestigung addiert) jeweils mit 30 und 40 t Treibstoff.
Doch schon bei der ersten Version (ohne Booster) scheiterte ich. Mit nur 89 t Startmasse bei der ersten und 18,15 t Startmasse bei der zweiten Stufe kann diese Rakete gerade mal 2 t in eine niedrige, polare Erdumlaufbahn befördern. Daran ändert auch nicht das voller betanken der Ersten und weniger voll betanken der zweiten Stufe.
Also ohne Booster geht es nicht. Für zwei Booster erhalte ich bei der 30 t Stufe 8,9 t Nutzlast, bei 40 t Stufe aber nur 7,2 t (in denen GTO). Bei vier Boostern sind es 12 t bei der 40 t Stufe und 13 t bei der 30 t Stufe. Damit ist die 40 t Stufe aus dem Rennen und ich habe noch zwei Stufen mit 25 und 35 t Treibstoffzuladung untersucht (3,51 und 4,79 t Trockengewicht).
Hinweis zu den Nutzlasten: sie sind auf 100 kg abgerundet aber nach den Ergebnissen aus der Simulation der ECA liegen die höher als in Wirklichkeit, in etwa um 300 bis 400 kg, also sind in etwa 3 % abzuziehen.
Stufe | 2 Booster | 4v Booster |
---|---|---|
25 t | 9,0 t | 13,2 t |
30 t | 8,8 t | 13,1 t |
35 t | 8,4 t | 13.3 t |
40 t | 6,9 t | 11,7 |
Wir haben also bei 2 Boostern eine deutlich abfallende Nutzlast, während bei 4 Boostern die Nutzlast nahezu gleich bleibt bis auf die schwerste Version. Das brachte mich darauf, die 25 t Version einzusetzen und mit ihr nochmals die Version ohne Booster durchzurechnen. Lässt man 6 t Treibstoff in der oberen Stufe weg, so kommt man auf 3 t in eine äquatoriale Bahn – allerdings dürfte das zu teuer sein, denn eine Vega schafft schon 2,4 t in den Orbit.
Damit habe ich meine Konfiguration. Nun noch die restlichen Versionen mit drei und sechs Boostern gerechnet. Bei sechs Boostern kann man auch zwei im Flug zünden. Das habe ich auch noch simuliert:
Booster | Nutzlast | Spitzenbeschleunigung |
---|---|---|
1 | 6,3 t | 26,7 m/s |
2 | 9,0 t | 28,9 m/s |
3 | 10,8 t | 42,5 m/s |
4 | 13,2 t | 54,6 m/s |
6 | 16,5 t | 79,1 m/s |
4 + 2 | 14,8 t | 49,1 m/s |
Die hohe Spitzenbeschleunigung spricht gegen die gleichzeitige Zündung aller Booster am Boden. Immerhin, 14,8 t Nutzlast wären so noch möglich. In der Summe liegt die Nutzlast der Rakete relativ hoch. 9 t sind schon mehr als man heute für Einzelstarts braucht. Man würde in der Realität also sie etwas kleiner bauen. Da dies eigentlich nur bei Zentral- und Oberstufe geht, kommt man in ein Dilemma: Die Zentralstufe hat schon die Masse der Ariane 5G, weniger Nutzlast ginge nur durch ein schlechteres Triebwerk wie das Vulcain 2 – schon haben wie die Ariane 5G EPC. Wenn ich die Oberstufe etwas verkleinere, könnte ich auch auf ein kleineres Triebwerk ausweichen und ich komme auf die ESC-A (allerdings mit erheblich höherer Trockenmasse). Würde man den Durchmesser von den derzeitigen 5,4 m verringern so wäre beides umsetzbar. Die Ariane 6 sollte auch lange Zeit bei den Entwürfen 4 m Durchmesser haben, bevor man sie wieder auf 5,4 m verbreiterte. Eine zweite Lösung wäre wie bei der Atlas eine unsymmetrische Boosterbestückung. Mit einem Booster erreicht man immerhin 6,3 t in den GTO. Genug für Einzelstarts. Insgesamt ist die Rakete aber etwas zu groß. In einer zweiten Runde werde ich sie verkleinern. Doch da ich schon an diesem Aufsatz 6 Stunden geschrieben und gerechnet habe, beim nächsten Mal.
Wie wäre es mit zwei verschieden großen Boostern? So neu ist die Idee ja nicht, gab es schon bei der Ariane 4. Notfalls könnten dazu sogar die Feststoffbooster der Ariane 4 verwendet werden. Mit der großen Leermasse sind die zwar nicht gerade die erste Wahl, aber man könnte Entwicklungskosten sparen. Und von der Länge her würden die auch passen.
Warte ab bis Teil 2 morgen kommt ….