Aus gegebenem Anlass: Die Lösung für ein überflüssiges Problem – Warum kühlt ein Ventilator?
Ich nehme mal an. Nicht nur bei mir ist es gerade ziemlich heiß. Gestern habe ich zum ersten Mal seit Jahren zwei Tischventilatoren aus dem Keller geholt. Sie bringen etwas Kühlung. Doch wenn ihr mal ein Thermometer vor den Ventilator haltet, so werdet ihr feststellen, das sich die Temperatur nicht ändert.
Nun der Ventilator kühlt auch nicht er erzeugt Wind. Der Wind entfernt die Luft über der Haut. Wir schwitzen und damit ist die Luftschicht über der Haut mit Wasserdampf gesättigt und der Ventilator forciert das Verdampfen des Schweißes. Das ist was kühlt. Ich habe zur Forcierung immer noch eine alte Glasreinigerflasche, nun mit Wasser gefüllt das ich dann über mich sprenge.
Warum funktioniert das so gut? Weil Wasser eine enorm große Verdampfungsenthalpie hat. Darunter versteht man die Energie um Wasser von dem flüssigen in den gasförmigen Zustand zu bringen, also bei Normaldruck 100 °C heißes Wasser in Wasserdampf zu verwandeln. Das sind 2260 kJ/kg Wasser. 2260 kJ das ist die Energie die in 100 g Schokolade stecken. Der Kühleffekt ist also beachtlich.
Vor allem wenn man dies mit der Energie vergleicht die man braucht um das Wasser erst auf 100 °C zu erhitzen. Die Kilokalorie, die so von den Medien geliebt wird, ist eine Energieeinheit, die auf der früheren Messung von Energiewerten beruht: man hat Nahrungsmittel verbrannt und gemessen um wie viel wärmer eine definierte Wassermenge um den Brennraum herum wurde.
1 kcal ist die Wärmemenge die man braucht um 1 kg Wasser um 1 °C (bei 25 °C) zu erwärmen.
Auch wenn die Energie sicherlich nicht über den ganzen Bereich von 20 bis 100 °C konstant ist kann man eine Überschlagsrechnung machen: um 1 l Schweiß von 37 °C (Körpertemperatur) auf 100 °C zu erwärmen braucht man 63 kcal. 1 kcal sind 4,1868 kJ, das sind also ~ 264 kJ. Das ist gerade mal ein Neuntel der Energie die man braucht um dann das 100 °C warme Wasser in Wasserdampf zu verwandeln. Daher kühlt Schweiß, besonders mit einem Ventilator weggeblasen so gut. Um dieselbe Kühlwirkung zu erzielen, bräuchte man enorm viel Wasser. Nehmen wir mal Wasser aus der Wasserleitung 14 °C kalt, das wir bei dem Wetter durch den Körper auf 30 °C erhitzen. Wie viel Wasser bräuchte man, um nur die Verdampfungsenthalpie von 100 g Schweiß zu kompensieren?
Nun der Schweiß hat eine Verdampfungsenthalpie von 2260 kJ * 0,1 kg = 226 kJ, dazu kommt noch die Energie, um den Schweiß von 37 auf 100 °C zu „erhitzen“ (in Wirklichkeit verdampfen dauernd Moleküle, die eine hohe Energie haben, aber der Schweiß wird nie 100°c heiß). Das sind 0,1 x 264 kJ also weitere 26,4 kJ, zusammen also 252,4 kJ.
1 l Wasser um 1 °C erhitzt, benötigt 4,1868 kJ. 16 Grad Temperaturunterschied sind dann 16 * 4,1868 kJ = 67 kJ. Man bräuchte also 252,4 / 67 = 3,76 l. Also 3,76 l Wasser, theoretisch über eine feine Brause, ganz langsam über den Körper laufen lassen, und man hat die gleiche Kühlung wie mit 100 g Schweiß.
Diese Eigenschaft ist einzigartig. Damit nicht genug, auch die Schmelzenergie beträgt 333,5 kJ. Das ist die Energie die man braucht um Eis von 0 °C in Wasser von 0 °C zu verwandeln. Bedenkt man, dass man diese Energie ausreichen würde um die gleiche Menge Wasser um fast 80 °C zu erhitzen so wird klar, das dafür viel Energie braucht. Diese Eigenschaft von Wasser ist toll, denn damit wirkt Wasser temperaturregulierend. Eis benötigt viel Energie um zu schmelzen, solange bleibt die Temperatur bei Null Grad. Das ist nicht nur von Vorteil bei Eiswürfeln, sondern auch wenn Wasser abkühlt (die Temperatur sinkt nicht weiter ab, bevor es komplett ausfriert) oder wieder schmilzt. Analog verhindert die hohe Verdampfungsenthalpie, das Wasseroberflächen, wenn sie verdampfen einen hohen Temperaturanstieg. Wasserdampf in der Atmosphäre, der auskondensiert z.b. als Tau, dämpft so auch Temperaturextreme. So ist es erklärbar, dass es in der Sahara wo die Luft völlig trocken ist, nachts die Temperaturen unter den Gefrierpunkt fallen können, obwohl diese viel näher am Äquator liegt als wie bei uns und es am Tage enorm heiß wird (aus dem gleichen Grund: der verdampfende Tau schluckt natürlich wieder die Energie der Sonne).
Soviel für heute. Ich probiere jetzt mal den kühlenden Effekt von Speiseeis aus (Nein ihr müsst mir nicht schreiben, das heiße Getränke viel besser kühlen, das weiß ich selber, aber ich habe jetzt Lust auf ein Eis).
Ein schönes Thema bei dem einem schon beim Lesen etwas kühler wird!
Als kleine Ergänzung sollte aber erwähnt werden, dass ein Ventilator doch auch aktiv kühlt (solange die Lufttemperatur noch geringer als die Körperoberflächentemperatur ist). Durch die Luftbewegung wird die Konvention erhöht und damit der Wärmeübergang zwischen Luft und Oberfläche verbessert. Das ist der selbe Effekt wie beim Pusten über den heißen Kaffee.
Konvention sollte übrigens Konvektion heißen. (Da war die Autokorrektur des Handys wieder schneller als ich)
Lieber Bernd,
es gibt ja das Gerücht, dass Speiseeis mehr Kalorien verbraucht beim Essen als es selbst liefert.
Nach Deinen Informationen sehe ich, das das nicht stimmen kann!
Deshalb werde ich also dicker im heißen Sommer…
Oder wie es so schön heißt: Nicht die Zeit zwischen Weihnachten und Sylvester macht dick, sondern die Zeit zwischen Sylvester und Weihnachten!
Ich eß trotzdem heute noch ein Eis!
Sonnige Grüße ausch dem Gewitter-Schwülen München!
Ralf mit Z
Eine aktuelle und lehrreiche Abhandlung.
Ich berechne beruflich Biomassedampfkessel und habe international immer wieder „big fun“ mit US-amerikanischen Einheiten.
Es ist fast unmöglich die Kunden dazu zu bringen festzulegen welche Definition gilt.
Daher ist mir folgende Anmerkung ein Anliegen:
Für die Energieeinheit Kalorie gibt es viele verschiedene Definitionen
siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Kalorie
eine auf 25°C bezogene gibt es nicht
Die 15-°C-Kalorie ist z.B. die Aufwärmung von 14,5°C auf 15,5°; 1 kcal.15 ≈ 4185,5 kJ
Der von Dir angegebene Wert ist die Internationale-Tafel-Kalorie kcal.IT = 4,1868 kJ (ohne spezielle Bezugstemperatur)