Fernsehsplitter
Derzeit schaue ich wie jedes Jahr um diese Zeit in meinem Ferienhaus nach dem Rechten. Da habe ich mehr Zeit Fernsehen zu schauen. Zum einen weil ich nur zum Putzen / Richten / Pflegen da bin, und zum anderen weil der Fernseher gleich im Ess-/Wohnzimmer ist. Daheim bin ich nur abends im Wohnzimmer, da bekomme ich vom Tagesprogramm nichts mit.
Dazu kam eine Anfrage von Quarks und das liefert mir genug für einen kleinen Blog. Zum einen über das Niveau. ZDF Info zeigt neben eigenen Dokumentationen auch welche aus dem Ausland. Man merkt deutliche Unterschiede. Bei ausländischen Produktionen spielen viel mehr Personen eine Hauptrolle bei Dokumentationen als bei uns. Selbst wenn es um allgemeine Themen geht wie viele astronomische Themen, wo man heute nicht mehr einen „Entdecker“, benennen kann müssen wesentliche Aussagen von einem mehr oder weniger bekannten Astronomen kommen, anstatt als Erklärung aus dem „off“. Das Niveau ist unterschiedlich. Es gibt gute Dokus die besser sind als viele deutsche Produktionen. Aber auch das Gegenteil.
Heute habe ich eine britische Dokureihe gesehen „Essen vom Fließband“. Das ist, um es kurz zu machen, die „Sendung mit der Maus“ für Erwachsene. In der Sendung mit der Maus kamen auch immer kurze Filme wie etwas industriell hergestellt wird. Das war ganz interessant, denn als Normalbürger kennt man die Prozesse aber nicht. Der unterschied zu der britischen Doku: So ein Film bei der Sendung mit der Maus dauert vielleicht 3 bis 5 Minuten. Diese Doku 45 Minuten und in jeder kommen nur zwei Produkte dran. Früher haben sie sich auf britische Produkte beschränkt. Inzwischen haben sie die wohl durch, denn die beiden Sendungen, die ich heute gesehen habe behandeln Mayonnaise (Belgien) und Pasta (Italien). Anstatt einem kurzen Film gehen da immer Reporter in die Fabrik und lasen sich zeitraubend alles erklären.
Engländer müssen schon sehr geduldige Fernsehzuschauer sein. Ich finde diese Dokus unheimlich langatmig, vor allem wenn es um Produkte geht, die relativ einfach sind wie in diesen Beispielen. Pasta besteht eben nur aus Hartweizengrieß und Wasser, Majo nur aus Eigelb, Öl, Wasser, Senf und Essig die einfach gemischt werden. Da muss man viel Zeit schinden.
Inzwischen dominiert ja das Dokutainment. Es geht also auch um Unterhaltung. Eine Sendung über das schwedische Schlachtschiff Mars war so eine Sendung. Es ging eigentlich um zwei Themen: Die Versenkung der Mars 1564 und deren Bergung bzw. Untersuchung bei einer Expedition 2011. Schon alleine durch die Tauchszenen hat man da genügend Entertainment. Dazu kommen dann noch Spielfilmszenen, in denen man die Schlacht „rekonstruiert“. An und für sich finde ich das okay. So erreicht man eben ein größeres Publikum. Was mich dabei störte und das auch bei vielen anderen Dokus, ist die geringe Informationsdichte und speziell bei dieser Sendung, das „sich dumm stellen“. Das fängt an mit dem Bergungsleiter, der sagt, dass man die Länge der Mars nicht kenne, sie soll nach zeitgenössischen Berichten „3 bis 4 m länger als die Petri Kirche in Lübeck“ sein. Doch sein wörtlicher Kommentar „Was soll das heißen?“. Äh, vielleicht das sie dann so um die 62-63 m lang ist? Denn eine Kirchendatenbank gibt für die Petrikirche eine Länge von 59 m an. Bei solchen Aussagen zweifele ich immer daran, ob man akademische Titel wirklich im Ausland durch Studium erworben hat oder man sie dort auch im Lotto gewinnen kann. Am Ende des Films geht der Ausgrabungsleiter dann tatsächlich (im Jahre 2011!) mit einem Maßband in die Kirche und misst sie aus und kommt auf 54 m (nur Innenraum). Die Länge der Mars hat man nach vermessen des Wracks auf „mindestens 60 m“ bestimmt. Ganz genau geht es nicht, da der Bug durch die Explosion fehlt. Also hätte man der Überlieferung geglaubt und 5 Minuten im Internet nachgesehen, man hätte sich das schenken können. Sollte wohl Spannung erzeugen, ich find es überflüssig. Es gab noch andere Szenen. So hat man ein Geschütz der Mars nachgebaut und damit eine nachgebaute Schiffswand beschossen. Das ist spektakulär, vor allem in Zeitlupe. Doch man sollte es nicht damit verkaufen, dass man nachprüfen will ob die Mars ein gegnerisches Schiff versenkt hat, denn das ist eine historische Wahrheit.
Auch bei uns sieht es mit den „Experten“ nicht besser aus. Diese Woche bekam ich eine Anfrage einer Redakteurin von Quarks und Co. Sie wollte wissen wie viel Kohlendioxid die BFR für einen Mondflug emittiert. Ich habe mich zuerst um die Antwort gedrückt. Schließlich weiß man ja nicht wie viel Treibstoff die BFR hat. Für den Mondumflug kommt noch hinzu, dass die BFR nur einen Erdorbit erreicht und man für Flüge zu Mond oder Mars auftanken muss. Wie oft hat Musk aber nicht gesagt. Vor allem hängt das von dem Verhältnis Leermasse der zweiten Stufe zu Nutzlast ab.
Bei Quarks und Co hat man sich dann an Metin Tolan von der Uni Dortmund gewendet. Der Professor ist kürzlich in der Show „Ich weiß alles“ aufgetreten, aber schon früh ausgeschieden und ich wurde schon 2010 auf ihn aufmerksam als er eine Hypothese aufstellte in der er bewies, das Deutschland Fussball-Weltmeister wird.
Dieser „Experte“ riet der Redakteurin einfach die Daten von Apollo 8 zu nehmen. Ja das ist die Antwort von jemanden der alles weiß …
Kein Wort davon, das andere Treibstoffe verwendet werden, die Saturn V sogar in den Oberstufen Wasserstoff einsetzt, das gar kein Kohlendioxid produziert. Noch gravierender: Bei Apollo 8 gelangte zum Mond ein leichtes CSM und die leere dritte Stufe. Bei der BFR eine zweite Stufe mit angeschlossenem Raumfahrzeug mit einem Innenvolumen von 1100 m³ (die ISS hat „nur 950 m³). Mit entsprechender Trockenmasse.Wenn ich die angegebenen 100 t Nutzlast für den LEO als 1/3 des Gesamtgewichts ansehe (besser stehen unbemannte Transporter und das Space Shuttle auch nicht da) kommen noch 200 t in den Erdorbit und um die leer mit einigen Passagieren zum Mond zu befördern braucht man mindestens einen weiteren Flug für den Treibstoff. Auf eine ähnliche Größe kommt man auch bei grober Abschätzung der Endmasse im Erdorbit aufgrund der angegebenen Startmasse (rund 234 t bei 4400 t Startmasse)
Bevor Quarks und Co sich mit solchen „Expertenaussagen“ blamiert habe ich eine fundierte Schätzung für einen Flug gemacht. Man kennt ja Triebwerksanzahl, deren Schub und LOX/Methan-Verhältnis. Daraufhin kann man die Methan-Treibstoffmasse berechnen. Einmal mit der Angabe von 4400 t Startmasse von der Wikipedia und einmal mit meinem Ansatz einer Minimalbeschleunigung von 12,5 m/s. Auf den Wert haben sich flüssig angetriebene Raketen seit langem eingependelt und einen ähnlichen Wert haben auch die Falcon 9. Dann kommt man auf 4912 t Startmasse. Bei einem Strukturfaktor von 10 (mit Nutzlast, die alleine macht 5 % aus) kann man dann den Kohlendioxidverbrauch berechnen. Ich komme auf 2812 / 2296 t pro Flug, bei mindestens zwei Flügen also die doppelte Menge und damit äquivalent zu 63 bzw. 77 Flügen nach New-York und zurück (die Angabe wollte die Redakteurin haben). Wahrscheinlich ist ihnen das nicht spektakulär genug, denn es ist offen ob die Angabe in die Sendung kommt. Das ist die Crux der Raumfahrt – die Angabe ist entfernungsunabhängig. Hat man erst mal die nötige Geschwindigkeit erreicht, dann vetrbraucht man keinen weiteren Treibstoff. Auf der anderen Seite braucht ein suborbitaler Flug die halbe Menge und dürfte, wenn man die 1000 m³ voll für Passagiere ausnutzt (in etwa das Innenvolumen einer B-747) sogar noch günstiger in der CO2-Bilanz als ein Flug mit dem Flugzeug sein.