Das Thema OTRAG hat mich nicht losgelassen, deswegen schiebe ich noch einen Beitrag nach. Ich hatte ja beim letzten Artikel einen Brennkammerdruck von 85 Bar angenommen, da dies der des P80FW war. Die OTRAG arbeitete mit 40 Bar. Daher will ich heute noch mal unterschiedliche Tankdrücke und weitere Varianten untersuchen.
Aber zuerst mal etwas erklärende Einleitung, auch weil ich immer wieder Mails bekomme „Bernd könntest Du mal …. schnell durchrechnen.“ Ja ja schnell… Ich möchte hier mal zeigen, wie „schnell“ das geht. Bei der OTRAG kann man an folgenden Stellschrauben drehen:
- Tankdurchmesser
- Tanklänge
- Startschub
- Füllung
- Treibstoffmenge
- Tankdruck
Einige andere Parameter hängen von diesen ab. Doch schon mit sechs Parametern kann man sich leicht ausrechnen, dass man nur bei 3 Werten pro Parameter auf 36 = 729 Kombinationen kommt. Das Hauptproblem ist aber das die Parameter nicht unabhängig sind. Wenn ich mit dem Tankdurchmesser runter gehe, müssen die Module länger werden und das Voll-/Gewichtsverhältnis verändert sich.
Wenn ich den Füllstand verändere, so verändere ich natürlich auch das Voll-/Gewichtsverhältnis, aber noch gravierender auch der Endschub sinkt, weil das Druckgas am Schluss ein viel größeres Volumen einnimmt, wodurch der Schub absinkt. Damit muss ich den Startschub erhöhen, sonst sinkt der Endschub zum Ende der Brennzeit unter einen kritischen Wert und die Rakete fällt wieder zum Boden.
Wenn ich den Tankdruck verändere, so verändere ich auch den Brennkammerdruck und damit den Schub bei gegebener Triebwerksgröße und den spezifischen Impuls. Noch bedeutender: bei gegebenem Durchmesser darf der Brennkammerdruck nicht unter ein Mindestmaß sinken, sonst liefert die Brennkammer selbst, wenn sie die ganze Modulbreite einnimmt, selbst ohne Düse zu wenig Schub. Vor allem aber bedeutet ein niedriger Brennkammerdruck eine kurze Düse und damit geringen spezifischen Impuls. Kurz: mit „so schnell“ wird’s in der Regel nichts, weil alles miteinander verbunden ist und eine Änderung eine weitere nach sich zieht.
Immerhin habe ich mir nun die Arbeit erleichtert. Einen Großteil der Parameter einer druckgeförderten Stufe kann ich mit meinem Programm Rakete berechnen. Was bisher nicht ging, waren die spezifischen Impulse und die Düsenmündungsdrücke. Der Letztere ist wichtig, weil er beim Start von der Basis aus nicht viel kleiner als 1 bar sein darf. Sonst gibt es turbulente Strömungen in der Düse, die bis zur deren Zerstörung führen können. Das Prometheus wird auf einen Düsenmündungsdruck von 0,4 bar ausgelegt und in der Größenordnung (~ 0,5 bar liegt auch der minimale Düsenmündungsdruck.
Nun habe ich endlich einen Weg gefunden, FCEA mit den Eingabeparametern zu füttern und die Ergebnisse maschinell auszuwerten. Das Problem: FCEA ist ein Konsolenprogramm, das eine Eingabe über die Tastatur erwartet und nur Eingabedateien in einem bestimmten Format parst und analog Ausgabedateien, die für Menschen lesbar sind, erzeugt. Das geht jetzt, wenn auch nicht schnell. Ich habe mir auch die FORTAN Source heruntergeladen und die Eingabe gelöscht und stattdessen wird eine Vorgabedatei verwendet, ob das auch noch so funktioniert, muss ich noch sehen. Idealerweise würde ich die Routine gerne als DLL haben, dann könnte man auch das Parsen der Thermo.lib nur einmal machen und hätte eine definierte Rückgabe und weiß, wenn das Programm fertig ist, bisher muss ich warten, bis die Ausgabedatei vollständig geschrieben ist und dann diese auslesen. Doch bevor ich das mit einem 500 KByte langen Quelltext (eine einzige Datei!) mache, vergeht noch einiges an Zeit.
Doch hier die Ergebnisse. Sie basieren auf folgenden gemeinsamen Daten:
Druckgeförderte Stufe | Parameter | Einheit |
---|---|---|
Tankvolumen Oxidator: | 11,076 | m³ |
Oxidatormenge: | 12.500,0 | kg |
Tankvolumen Treibstoff: | 6,235 | m³ |
Treibstoffmenge: | 5.000,0 | kg |
Durchmesser Oxidatortank: | 100,00 | cm |
Zylindrische Länge Oxidatortank: | 2.048,6 | cm |
Durchmesser Treibstofftank: | 100,00 | cm |
Zylindrische Länge Treibstofftank: | 1.124,2 | cm |
Höhe beide Tanks kombiniert | 3373 | cm |
Oxidator/Treibstoffverhältnis: | 2,5 | |
Düsendurchmesser | 90 | cm |
Blowdown Füllung: | 66,000 | Prozent |
Blowdown Impuls Vakuum: | 2.842,5 | m/s |
Blowdown Impuls Meereshöhe: | 2.540,5 | m/s |
Blowdown Düsenmündungsdruck: | 0,346 | bar |
Schub Meereshöhe: | 420 | kN |
Die anderen Daten hängen vom Tankdruck ab.
Tankdruck bar | Berstdruck bar | Brennkammerdruck bar | Gewicht Treibstofftank kg | Gewicht Oxidatortank kg | Gewicht Helium kg | Expansionsverhältnis | Impuls Vac | Impuls SL | P exit | Brenndauer | SchubVakuum | Schub Blowdown Vac kg |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
15,000 | 18,750 | 12,000 | 185,92 | 104,03 | 15,744 | 1,818 | 2.510,8 | 2.051,8 | 1,628 | 120,33 | 513,97 | 172,17 |
20,000 | 25,000 | 16,000 | 246,88 | 138,15 | 20,992 | 2,424 | 2.641,9 | 2.246,3 | 1,382 | 131,74 | 493,98 | 165,52 |
25,000 | 31,250 | 20,000 | 307,33 | 171,98 | 26,240 | 3,029 | 2.734,3 | 2.376,6 | 1,231 | 139,38 | 483,22 | 161,95 |
30,000 | 37,500 | 24,000 | 367,30 | 205,55 | 31,488 | 3,635 | 2.803,8 | 2.472,3 | 1,130 | 144,99 | 476,33 | 159,69 |
35,000 | 43,750 | 28,000 | 426,77 | 238,84 | 36,737 | 4,241 | 2.858,4 | 2.546,0 | 1,059 | 149,32 | 471,54 | 158,11 |
40,000 | 50,000 | 32,000 | 485,77 | 271,87 | 41,985 | 4,847 | 2.904,1 | 2.607,2 | 1,000 | 152,91 | 467,83 | 156,90 |
45,000 | 56,250 | 36,000 | 544,29 | 304,63 | 47,233 | 5,453 | 2.942,2 | 2.657,8 | 0,955 | 155,88 | 464,94 | 155,96 |
50,000 | 62,500 | 40,000 | 602,34 | 337,14 | 52,481 | 6,059 | 2.975,5 | 2.701,9 | 0,916 | 158,46 | 462,53 | 155,18 |
55,000 | 68,750 | 44,000 | 659,93 | 369,38 | 57,729 | 6,665 | 3.004,2 | 2.739,8 | 0,884 | 160,68 | 460,54 | 154,54 |
60,000 | 75,000 | 48,000 | 717,06 | 401,37 | 62,977 | 7,271 | 3.030,1 | 2.773,7 | 0,855 | 162,67 | 458,82 | 153,99 |
65,000 | 81,250 | 52,000 | 773,73 | 433,12 | 68,225 | 7,876 | 3.053,3 | 2.804,0 | 0,829 | 164,45 | 457,33 | 153,51 |
70,000 | 87,500 | 56,000 | 829,96 | 464,61 | 73,473 | 8,482 | 3.073,8 | 2.830,9 | 0,808 | 166,03 | 456,04 | 153,10 |
Wie man sieht, hängen natürlich die Tankmassen linear mit dem Tankdruck zusammen, ebenso das zugeladene Helium, das ebenfalls tote Masse ist. Mit niedrigerem Brennkammerdruck muss die Brennkammer größer werden und das Expansionsverhältnis sinkt ab, was neben dem spezifischen Impuls der von beiden Faktoren abhängt. Der Düsenmündungsdruck ist in allen Fällen größer als 0,8 bar. Das liegt an der Schlankheit der Rakete: Schon die Tanks sind 33 m hoch. Macht man sie breiter, dann hat man ein Problem wenn man, wie bei einer Schwerlastrakete hunderte Module braucht, mit der Aerodynamik.
Das Triebwerk soll wie bei der ersten Version 875 kg mit Schubrahmen wiegen, da es 420 kN Schub erzeugen soll. Dann macht es auch nicht so viel aus, ob die Tanks 1.200 oder 800 kg wiegen. Schauen wir daher mal auf den spezifischen Impuls. Er steigt erst rapide an dann wird der Zuwachs immer kleiner. Vor allem beim spezifischen Startimpuls ist der Anstieg sehr groß. Er sollte nicht zu klein sein, sonst bauche ich in der ersten Stufe enorm viele Module. Als guten Kompromiss würde ich einen Tankdruck von 40 bis 45 Bar ansehen. Der Verlust an Impuls ist nur 170-230 m/s, aber das Tankgewicht um 573 kg geringer.
Ein Modul hätte dann (40 bar Tankdruck) folgende Daten:
Vollmasse | 19.170 kg |
---|---|
Leermasse | 1.660 kg |
Spez Impuls SL | 2607 m/s |
Spezifischer Impuls Vac | 2903 m/s |
Voll/Leermasse | 11,54 |
Eingesetzt in die Simulation ist das Ergebnis allerdings ernüchternd. Bei der Kombination 24:3:1 sinkt die Nutzlast von 13,3 auf 9,8 t ab. Das liegt allerdings an einem Rechenfehler meinerseits, denn in der ersten Version habe ich vergessen, die Tanks um das Leervolumen zu vergrößern. Mit 70 Bar Tankdruck steigt sie auf 10,2 t und bei 25 Bar sind es 8,4 t. In der Tendenz ist es also von Vorteil, mehr Druck zu haben. So habe ich es mal mit 100 bar Tankdruck probiert 9,4 t Nutzlast. Allerdings berücksichtigt diese erste Simulation nicht das ich bei niedrigem Tankdruck eine kleinere Endmasse habe, die bei hohem Tankdruck den hohen Startschub bestimmt – man kann dann mit dem Startschub runter gehen und damit sinken nicht nur Tankmasse, sondern auch das Triebwerk wird leichter.
Zuletzt habe ich dann mal systematisch ermittelt, welche Endgeschwindigkeit ein Modul ohne irgendeine Nutzlast erhalten würde, und ermittelte einen Brennkammerdruck von 22,4 Bar / Tankdruck von 28 Bar als Optimum. Das liegt schon näher an dem Tankdruck den OTRAG einsetzte.
Nun kann man auch noch die Füllung variieren. Auch hierfür eine Routine geschrieben und tatsächlich sind die 2/3 Füllung am Optimum. Bei etwas anderen Treibstoffkombinationen verschiebt sich das noch etwas auf 72 %.
Zuletzt habe ich noch das Mischungsverhältnis variiert und siehe da – bei LOX/Kerosin ist das Optimum abhängig vom Brennkammerdruck. Es verschiebt sich bei niedrigem Tankdruck zu kerosinreicheren Mischungen. Ich kam auf 2,27 zu 1. Ich habe mich dann noch an das OTRAG-Konzept erinnert. Einen Vorteil hat die Mischung Salpetersäure/Kerosin ja – sie hat einen hohen volumenspezifischen Impuls, das heißt, bei gegebener Treibstoffmenge sind die Tanks kleiner. Das macht nicht nur die Tanks leichter. Es hat bei diesem Konzept noch einen zweiten Vorteil: Der Startschub mus relativ hoch sein, weil er durch die Entleerung der Tanks und damit den absinkenden Tankdruck auch der Brennkammerdruck sinkt und damit der Schub. Ein leichterer Tank bedeutet eine geringere Endmasse und damit kleineren Startschub und ein leichteres Triebwerk. Mit der Kombination Stickstofftetroxid / Hydrazin hat man die Kombination mit der höchsten Dichte aller Treibstoffe. Eine Simulation ergab 1,13 als optimales Verhältnis und so komme ich zu folgendem endgültigen, besten Modul:
Druckgeförderte Stufe | Parameter | Einheit |
---|---|---|
Tankvolumen Oxidator: | 9,718 | m³ |
Oxidator: | N2O4(L) | |
Oxidatormenge: | 9.300,0 | kg |
Tankvolumen Treibstoff: | 12,169 | m³ |
Treibstoffmenge: | 8.200,0 | kg |
Treibstoff: | N2H4(L) | |
Durchmesser Oxidatortank: | 100,00 | cm |
Zylindrische Länge Oxidatortank: | 1.170,7 | cm |
Dicke Wand Oxidator-Kugelabschluss: | 1,463 | mm |
Dicke Wand Oxidator Zylinder: | 2,893 | mm |
Durchmesser Treibstofftank: | 100,00 | cm |
Zylindrische Länge Treibstofftank: | 1.482,7 | cm |
Dicke Wand Treibstoff Kugelabschluss: | 1,463 | mm |
Dicke Wand Treibstoff Zylinder: | 2,893 | mm |
Höhe beide Treibstofftanks kombiniert | 2.853,4 | cm |
Masse Treibstofftank: | 250,80 | kg |
Masse Oxidatortank: | 199,76 | kg |
Oxidator/Treibstoffverhältnis: | 1,134 | |
Heliummenge: | 37,158 | kg |
Startgewicht: | 18.612,7 | kg |
Brennschlussgewicht: | 1.112,7 | kg |
Brennkammerdurchmesser: | 37,697 | cm |
Expansionsverhältnis: | 5,700 | |
Triebwerksmasse: | 625,00 | kg |
Spez. Impuls Vakuum: | 2.923,5 | m/s |
Spez. Impuls Meereshöhe: | 2.673,2 | m/s |
Düsenmündungsdruck: | 0,537 | bar |
Schub Meereshöhe: | 250,00 | kN |
Schub Vakuum: | 273,41 | kN |
Blowdown Füllung: | 66,000 | Prozent |
Blowdown Impuls Vakuum: | 2.902,2 | m/s |
Blowdown Impuls Meereshöhe: | 2.652,3 | m/s |
Schub Blowdown Meereshöhe: | 84,335 | kN |
Schub Blowdown Vakuum: | 92,280 | kN |
Brenndauer: | 195,96 | sec |
Voll/Leermasse: | 16,727 |
Der spezifische Impuls ist etwas schlechter als bei LOX/Kerosin, doch man kommt bei diesem niedrigen Brennkammerdruck und kleinen Tanks auf einen tollen Strukturfaktor, zudem kann so auch das Triebwerk schubärmer sein, es reichen dann 250 kN weil dann immer noch die Untergrenze von 90 kN, die man wegen des leichteren Moduls (1,1 anstatt 2,8 t) zu Brennschluss benötigt überschritten werden. Der Lohn: eine Nutzlast von 12,4 t in den LEO und 4,3 t in den GTO beim 24:3:1 Konzept.
Den geringen spezifischen Impuls kann man steigern, wenn man die Module breiter und weniger schmal macht. Bei 1,10 m Durchmesser kommt man auf 2974 m/s – dafür sind die Tanks um 5 m kürzer, viel mehr geht nicht will man nicht den Düsenmündungsdruck unter 0,4 bar absinken lassen.
Würde man diese Module für 1 Million Dollar pro Stück herstellen, so wäre sie billiger als SpaceX. Nicht unmöglich, soll doch das Prometheus mit dem 5-fachen Schub nur 1 Million Euro kosten und bei ULA entfallen zumindest bei der ersten Stufe 2/3 der Kosten nur auf das Triebwerk. Doch das Prometheus ist dann schon wieder relativ schubkräftig und Thema eines weiteren Aufsatzes.