Der Wirkungsgrad einer Rakete
Ich greife mal die Frage von Peter Schwarz nach dem Wirkungsgrad einer Rakete auf. Ich halte sie für unsinnig, denn, wenn ich nach einem Wirkungsgrad dahin gehend frage wie viel Energie der Treibstoff hat und wie viel dann noch in der Nutzlast mit ihrer kinetischen und potenziellen Energie steckt, dann lasse ich eine Menge weg. So, die letzte Stufe, die ja keine Nutzlast ist, aber auch auf Orbitalgeschwindigkeit beschleunigt wird und die Raketenstufen die nicht den Orbit erreichen, aber auch auf hohe Geschwindigkeit beschleunigt werden. Wenn ich so eine Summenbetrachtung mache, kann ich auch ohne viel zu rechnen gleich den Quotient Nutzlast/Startmasse bilden und habe einen Wert, den ich als Vergleich nutzen kann.
Aber ich will mich mal auf das Spiel einlassen. Fangen wir mit der Treibstoffwahl an. Da gibt es ja etliche. Es gibt, wenn ich seltene Kombinationen weglasse als Verbrennungsträger Aluminium, Kohlenwasserstoffe, Hydrazine und Wasserstoff und als Oxidatoren Sauerstoff, Stickstofftetroxid/Salpetersäure und Ammoniumperchlorat. Einige der Substanzen stehen für ganze Klassen so kann ich bei Kohlenwasserstoffen noch zwischen Kerosin, Methan und zig anderen Kohlenwasserstoffen unterscheiden. Kurz die Zahl der Kombinationen ist riesig.
Als Chemiker kann ich es mir aber einfach machen, indem ich auf mein Wissen zurückgreife. Ich muss für eine Reaktion Bindungen aufbrechen und neue eingehen. Die chemischen Grundgesetze lehrt uns das die stärksten Bindungen entstehen, wenn die Elektronen nahe am Kern sind. Also in jeder Periode abnehmen. Weiterhin liefert die neue entstandene Verbindung eine um so höhere Energie bei der Entstehung, je höher die Elektronegativität ist. Die nimmt innerhalb des Periodensystems von oben nach unten ab und von links nach rechts zu. Da die Edelgase ausscheiden, sie sind chemisch inert, ergibt sich so als energiereichster Treibstoff die Verbrennung von Wasserstoff und Fluor. Das ist aber noch nicht technisch erprobt, ich komme aber noch zurück. Technisch erprobt ist die Verbrennung von Wasserstoff mit dem nächsten Element daneben das ist Sauerstoff. Also nehme ich LOX/LH2 als Treibstoffkombination.
Das nächste ist das Mischungsverhältnis. Für Wasserstoff/Sauerstoff habe ich die spezifischen Impulse für ein Triebwerk mit 250 bar Brennkammerdruck und Expansionsverhältnis 180 berechnen lassen. Angegeben ist jeweils das geometrische Mittel aus eingefrorenem und freiem Gleichgewicht. Den höchsten Vakuumimpuls gibt es bei einem Mischungsverhältnis von 4,8. Allerdings verbrennt dann ein Teil des Wasserstoffs nicht. Diesen Teil muss ich später bei der Masse berücksichtigen.
Das nächste in der Planung ist dann die Technik. Ich setze bei den Erststufen ein, was existiert. Das sind die Space Shuttle SSME mit 207 Bar Brennkammerdruck und einem Expansionsverhältnis von 77. Für das Oberstufentriebwerk habe ich obiges Triebwerk mit höherem Brennkammerdruck als das Vinci aber gleichem Expansionsverhältnis genommen. Das nicht nur aus Performancegründen, sondern auch weil das Vinci zu schubschwach ist und dann liegt es nahe, gleich ein Triebwerk mit staged Compustion cycle und dann geringem Gewicht pro Schub zu nehmen. Ich habe den Schub auf 750 kN festgesetzt, in der zweiten Stufe braucht man dann vier, in der dritten Stufe ein Triebwerk.
Das nächste ist die Tankmasse. Der leichteste Tank ist mangels Neuentwicklungen immer noch der Space Shuttle Tank, bei ihm wurde zumindest im LH2-Tank die leichteste bekannte Alumniumlegierung eingesetzt. Er wiegt leer 27,6 t bei rund 721,8 t Treibstoff. Es gibt aber noch Optimierungsmöglichkeiten. Zum einen hat er getrennte Tanks, man könnte einen gemeinsamen Zwischenboden einziehen. Das ist teurer, aber effizienter. Zum anderen wurde die leichte Legierung nur beim größeren LH2-Tank eingesetzt. Beide Maßnahmen bringen nach meiner Abschätzung aufgrund der bekannten Gewichtseinsparungen im LH2-Tank und den Flächen, welche die Tankdome haben, weitere 3,5 t. Dann wäre man leer bei 24 t. Ein Tank aus CFK-Werkstoffen, den man experimentell bei NASA/Boeing gefertigt hat, verspricht eine weitere Gewichtseinsparung von 30 %, dann wäre man bei 16,6 t leer.
Für meine Rakete bräuchte man acht SSME in der ersten Stufe. Jedes wiegt 3,15 t. Dazu kommt noch der Schubrahmen der typisch ein drittel der Triebwerksmasse ausmacht. Zusammen sind das 4,2 t pro Triebwerk. Das sind weitere 33,6 t. Die Treibstoffmasse von 721,8 t orientiert sich am Shuttle-ET, so gesehen modelliere ich einen Shuttle-Tank mit Triebwerken und Oberstufen.
Für die Oberstufen habe ich dann diese Strukturfaktoren einfach übernommen. Ich habe zwei Oberstufen modelliert,weil bei dieser seltsamen Betrachtung des Wirkungsgrads, bei dem man die leere Oberstufe nicht betrachtet, der Wirkungsgrad mit jeder Stufe ansteigt, weil man immer weniger Leermasse außer der Nutzlast in den Orbit transportiert. Man könnte das nun uneidlich weite betrieben, aber schon eine weitere stufe reduziert diese „Totmasse“ um 2/3. Weiterhin steigt das Gewicht der Unterstufen an, weil diese die Lasten der Oberstufen aufwenden müssen und auch mehr Schub aufbringen müssen. Realitätsnah wären daher drei Stufen.
Bahn
Ich habe für die Kombination eine LEO und GTO-Bahn simuliert. Warum GTO? Nun in dem Konzept „Wirkungsgrad der Rakete“ tauchen Verluste auf, die jede Rakete hat und systemimmanent sind. Das sind die Gravitationsverluste. Die tauchen immer auf, egal ob man eine LEO-Bahn oder eine GTO-Bahn hat. Sie machen bei der GTO-Bahn aber aufgrund der höheren Geschwindigkeit aber einen kleineren Teil der Gesamtenergie aus. Andererseits wollte ich sehen, ob die feste Masse der Oberstufe sich negativer als dieser positive Effekt auswirkt. (sie wird ja auch in den GTO transportiert, aber nicht bei der Nutzlast berücksichtigt).
Energiebetrachtung
Nehmen wir zuerst mal die Energie in der Bahn. Ich erreiche eine Bahn von 222,8 x 35.822 km und 199,1 x 200,8 km für LEO. Für die GTO-Bahn errechnet sich nach der Vis-A-Vis Formel eine Perigäumsgeschwindigkeit von 10.228 m/s im Perigäum. Dazu käme noch die geleistete Hubarbeit um 222,8 km Höhe zu erreichen, die sich zu 2,18 MJ/kg errechnet. Die kinetische Energie ist viel größer und errechnet sich nach ½ mv² zu 52,31 MJ/kg. Bei einer Nutzlast von 57.000 kg in GTO und 95.000 kg in LEO sind das dann 3105,7 GJ für den GTO und 3072 GJ für den LEO.
Die Rakete führt insgesamt 1033,6 t Treibstoff mit. Beim Mischungsverhältnis LOX/LH2 = 3,8 nehmen aber nur 876,37 t an der Reaktion teil. 1 Mol Wasserstoff liefert bei der Verbrennung mit 1 Mol Sauerstoff 286,8 kJ und die Mole wiegen zusammen 18 g, daraus errechnet sich ein Energiegehalt von 15.545 GJ. Damit hat das Gesamtsystem Rakete nur einen Wirkungsgrad von 19,7 Prozent und das ist eine echt tolle Rakete mit 57 t in den GTO bei nur 33% höherer Masse als eine Ariane 5 ECA mit einem Fünftel der Nutzlast. Bei fast gleicher Energie ist der LEO gleichwertig. Der „Wirkungsgrad“ sinkt leicht mit höherer Energie ab, da die nicht mitberechnete Oberstufe immer mehr der Gesamtmasse ausmacht. Das zeigt schon, wie zweifelhaft diese Laienbetrachtung ist.
Tune me up
Zum Schluss, außer Konkurrenz das ganze Mal mit Fluor und in einem zweiten Schritt einstufig. Beim Verhältnis 8:1 kommt man auf 4721 m/s als maximalem Impuls. Dann habe ich noch eine Stufe addiert, um die Leermasse zu reduzieren. Gleichzeitig aber den Schub erhöht, um die Brenndauer zu reduzieren.
Ich komme bei 1247,1 t Startmasse 1159,3 t Treibstoff (und 1125,3 t nutzbarem) auf 158 t Nutzlast. Mit der Bildungsenergie von HF (271,3 kJ bei Molmasse 20) errechnet man eine Energie von 15.270 GJ. Das macht bei 158.800 kg Nutzlast in eine 200 x 300 km bahn dann 5,12 GJ für die Energie die in der Nutzlast steckt dann ein Wirkungsgrad von 33,5 Prozent.
Nun zu einer letzten Berechnung. Ich finde den Ansatz von Peter Schwarz nämlich falsch. Den Wirkungsgrad einer Rakte nur auf die Nutzlast zu beziehen, ist in etwa so, wie wenn man den Wirkungsgrad eines Motors nur auf die beförderten Personen bezieht, und das Auto nicht berücksichtigt. Ich habe mit den Daten mit Fluor/LOX eine einstufige Rakete modelliert: Startmasse 771,2 t, Leermasse 49,4 t mit fest montierter Nutzlastverkleidung. Startschub 10.000 kN. Diese Rakete erreicht eine 163,8 x 200,5 km Bahn mit 52177 kg Nutzlast (da die Brennzeit nur 283 s beträgt habe ich drauf verzichtet eine kreisförmige Bahn zu modellieren, da dies bei der kurzen Brennzeit problematisch ist. Die Nutzlast beträgt 50 t. Mit der leeren Rakete sind es dann 99,4 t.
Die Bahn hat eine potenzielle Energie von 1,65 MJ/kg und eine kinetische Energie von 30,63 MJ/lg. Mit hin bei 99.400 kg Gesamtmasse eine Gesamtenergie von 3.200 GJ. Die chemische Energie in 721,8 t Treibstoff beträgt 9.507 GJ. Der Wirkungsgrad beträgt also 33,6 Prozent. Annähernd der gleiche, das hat mich erst verwundert. Doch dann sah ich auf die aufgefallenen Gravitationsverluste von 2122 m/s gegenüber 1460 m/s bei einer vierstufigen Version – bei der kurzen Brenndauer muss die Rakete zuerst sehr steil anstiegen und kann dann erst relativ spät in die horizontale umlenken, was die Gravitationsverluste erhöht. Das ist der Preis des einstufigen Konzepts. Sie sind ein wenig senkbar z.B, indem man im Schub herunterfährt. Macht man dies z.B. nach 224 s bei 4 g Beschleunigung und senkt den Schub auf 30 % des Startwerts so steigt die Masse in den Orbit auf 104,4 t an und die Verluste sinken auf 1928 m/s.
Nebenbei: der effizienteste Treibstoff, wenn er denn stabil wäre, wäre radikalischer (atomarer) Wasserstoff. Bei nur Molekülmasse 2 braucht man 436 kJ um ein Mol Wasserstoff zu spalten, das sind 218 kJ/g. Bei der Verbrennung von LOX mit LH2 werden nur 15,9 kJ/g frei. Er könnte auch genutzt werden, allerdings nur in einer Art von Ionentriebwerken, den Plasmaantrieben. Doch selbst dort greift man wegen der einfacheren Lagerung auf andere Arbeitsgase wie Ammoniak zurück.
Ein Reales Beispiel
Bisher habe ich nur theoretische Raketen verwendet. Ich will zwei reale Raketen noch durchrechnen. Das eine ist die Delta IV Heavy und das andere die Zenit. Das eine ist eine reine LOY/LH2 Rakete, das zweite eine reine Kerosin/LOX Rakete. Kerosin ist ein Stoffgemisch von Alkanen mit 10 bis 16 C-Atomen und einem mittleren Energiegehalt von 43,1 MJ/kg.
Die für die Berechnung wesentlichen Daten zeigt die Tabelle. Bei Kerosin kommt als weiteres Problem hinzu, das der Kohlenstoff auch unvollkommen mit Sauerstoff reagieren kann. Man wird bei dem Kerosinüberschuss den Wasserstoff weitestgehend zu Wasser umsetzen und den Kohlenstoff zu einem Gemisch von Kohlendioxid und Kohlenmonoxid. Das ist aber nicht genau berechenbar. Ich habe daher den Brennwert von Kerosin genommen und um das Verhältnis der unvollständigen Verbrennung (2,63 zu 1, stöchiometrisch wäre 3.477 zu 1) korrigiert.
Parameter | Delta Heavy | Zenit |
---|---|---|
Treibstoffmasse: | 626,16 t | 420,14 t |
Treibstoffmasse, die völlig verbrennt: | 608,7 t | 317,8 t |
Energiegehalt: | 9.6723 GJ | 3.944 GJ |
Nutzlast LEO 200 km | 28.790 kg | 15.700 kg |
Energiegehalt Orbit: | 1,9 MJ potenzielle Energie/kg
30,3 MJ kinetische Energie/kg |
|
Energiegehalt Nutzlast: | 928 GJ | 505,5 GJ |
Wirkungsgrad | 9,6 % | 12,8 % |
Wirkungsgrad = Nutzen / Aufwand
Die Oberstufe ist schwerlich ein Nutzen. Daher muss man nur den Satelliten berücksichtigen.
Natürlich kann man Wirkungsgrade für diverse Subsysteme definieren (Triebwerk, Stufe, etc.)
Das Wird beim Auto so gemacht, Wirkungsgrad Auto ca. 20% (Treibstoff zu Bewegung des Autos) aber der eigentliche Nutzen ist (meist) nur der Personentransport.
Weshalb man ja auch diverse Transportmöglichkeiten (Flugzeug, Bahn, Bus, Fahrrad) pro Person vergleicht und nicht pro 1.5 Tonnen Material das transportiert wird.
Dann steht eine Rakete gut da – beim Auto gibt es 1 Person (75 kg) auf 1500 kg Auto (ohne Treibstoff). Bei der Rakete etwa 1 t Nutzlast pro 2 t Leergewicht (auch ohne Treibstoff). Klar mit Treibstoff sieht es anders aus, aber nur wenn man den nicht pro 100 km rechnet. Beispiel Alexander Gerst – 180 Tage im All, 7,7 km/s das sind 120 Millionen km. Da ist der Spritverbrauch einer Sojus von rund 300 t klein, nur 0,25 l/100 km.