Bernd Leitenbergers Blog

Der Fluch von Jagged Alliance

Auf den Titel bin ich gekommen durch einen Review von Jagged Alliance „Rage“. Jagged Alliance habe ich zuerst auf einer CD der Bestseller Games gefunden. Das war eine Zeitschrift von PEARL, die ein nicht mehr ganz aktuelles Spiel für einen Bruchteil des Preises rausbrachte. Da waren einige gut drauf, so Pirates und Might & Magic IV und V. Das beste dieser Spiele war aber Jagged Alliance 1, ein DOS-Spiel. Ich habe es kürzlich erneut gespielt und es hat alle Bestandteile der folgenden Version 2, die noch besser ist: Söldner mit individuellen Stärken und Schwächen. Subquests die man lösen muss und es ist rundenbasiert und man muss taktisch vorgehen.

Die nachfolgende Windows Version Jagged Alliance 2 kam dann 1999 raus. Ich habe mir damals eine Topware-Speiele CD nur wegen des Titels gekauft. Bis heute spiele ich immer wieder gerne damit. Es gibt unzählige Mods. Manche klein, manche umfangreich. Viele der größeren Mods haben aber Bugs. Einer wurde sogar als „Jagged Alliance Operation Wildfire“ verkauft und ich habe die 40 Euro gerne für die CD gezahlt. Es gab offiziell noch den Ableger „Unfinished Business“ mit etwas vielseitiger Grafik. Da das allerdings relativ geradlinig und zeitlich überschaubar war, es die strategische Komponente fehlte (es war eigentlich nur ein Subquest als eigene Version), war ich davon nicht begeistert.

Obwohl die Version 2 nach verschiedenen Reviews und Webseiten als eines der besten Strategiespiele gilt, die jemals auf den Markt kamen, war es leider für den Produzenten SirTech kein Erfolg. Die Firma ging pleite. Seitdem gab es unter dem Titel mehrere Neuauflagen, die aber immer ein Flop wurden. Das wundert mich nicht, denn die Firmen scheinen das Spiel nie gespielt zu haben. Denn in ihren Jagged Alliance Versionen fehlte vieles, was das Original ausmachte:

Die Waffenmanie sehe ich fast als Nachteil an. Jagged Alliance hat enorm viele Waffen und Ausrüstungsgegenstände. Bei allen Mods wird es noch mehr und plötzlich ist man vor allem damit beschäftigt, Söldner umzurüsten. Etwas weniger Vielfalt hätte es auch getan. Aber ich scheine damit alleine zu stehen. Immerhin vermittelt es Wissen. Wenn in einem Film mal eine Waffe kommt, kann ich sie identifizieren ~.)

Den „inofiziellen“ Nachfolger „The Jagged Edge – Hired Guns“ habe ich schon nicht probiert. Er bekam vernichtende Kritiken – stark vereinfachtes Spielsystem, sehr schwer und vor allem zahlreiche Bugs bis hin zu Abstürzen. Gut, das der Publisher den Namen vorher abgeschwächt hat, denn es sollte eigentlich „Jagged Alliance 3D“ heißen.

Zuerst kam Jagged Alliance „Back in Action“. Neben Bugs haben die Programmierer auf das Wesentliche bei Jagged Alliance verzichtet – den rundenbasierenden Modus. Leute, wenn ich etwas in Echtzeit spielen will, dann gibt es wirklich genug Alternativen. Vom Ego Shooter bis zu Ages of Empires. Der Reiz ist es ja gerade sich jeden Zug zu überlegen, strategisch vorzugehen. Ein rundenbasiertes Spiel ist so was wie Schach. Als ein Kollege, der sonst immer Ego Shooter spielte, mal auf meinem Rechner Jagged Alliance spielte, waren im ersten Sektor schon vier von sechs Söldnern tot. Und er war dann ganz erstaunt: Wer da tot ist auch wirklich tot, kann nicht wiederbelebt werden und wird tot in der Söldnerliste angezeigt. Immerhin ist dieser Nachfolger der kommerzielle erfolgreichste. Es gibt zahlreiche Erweiterungen (DLC) dafür und eine Standalone Erweiterung: Crossfire.

Es folgte Jagged Alliance Online. Das war eine Browserspielumsetzung. Zuerst noch als offenes Spiel, ohne Zahlzwang, wobei man ganz gut ohne Geld auskam. Das Wesentliche an dem Spiel war es für „Gold“-Gegenstände, die nur etwas besser als normale sind, zu kaufen und so von den Spielern Geld abzuknüpfen. Es fehlte aber sonst fast alles von Jagged Alliance – der Langzeitspielpass, denn jedes Szenario beginnt immer gleich. Gegner sind immer an den gleichen Orten, es gibt Kampagnen, die man abschließen kann, aber keine Gegenangriffe, keine Ressourcen, die man verteidigen muss und die Söldner sind nach dem Spielende wieder am Leben, auch wenn sie alle verloren gingen. Später zog das Spiel zu Steam über und war dann nur noch bis Level 15 (von 50) kostenlos. Dafür Geld zu zahlen halte ich für unsinnig.

2013 versuchte sich eine kleine dänische Softwareschmiede an der Umsetzung. Diesmal als Kickstarter-Projekt. Ich war schon skeptisch. Ein Spiel mit dem Titel „Jagged Alliance“ sollte sich eigentlich von selbst verkaufen, wenn es gut ist. Warum also über Kickstarter Geld sammeln. Die benötigten 360.000 Euro kamen aber zusammen und einige Monate später gab es das Spiel – und die Schmiede ging in Konkurs, kurz nachdem es herauskam. Das war offensichtlich der letzte Strohhalm, um die Mannschaft weiter zu beschäftigen und Zeit zu gewinnen, um weitere Aufträge zu akquirieren. Jagged Alliance Flashback ist zwar bugfrei, aber so richtig gefallen hat es mir nicht. Lieblos war die Umsetzung. Vom komplexen System ist wenig geblieben. Dialoge beschränken sich auf eine Standardantwort. Quests sind leicht zu erledigen. Waffen recht einfach bei Händlern zu bekommen. Problematischer ist die Munitionsversorgung. Vor allem ist es stellenweise anstrengend. So gibt es einige strategische Sektoren die die Gegner dauernd einnehmen wollen. Man kann sie zwar dauernd zurückschlagen aber irgendwann geht einem die Munition aus. Es gibt nun eine 3D-Engine, aber für die Zeit schon mit relativ grober Darstellung. Gesichter von Menschen sehen überhaupt nicht natürlich aus. Da ist mir die schlechtere Auflösung und einfachere Darstellung Jagged Alliance 2 lieber.

Und nun versucht sich ein weiterer Publisher an dem Namen mit Jagged Alliance Rage. Erste Previews zeigen, dass das Spiel extrem schwer ist. Es soll nur vier Söldner geben und die müssen gegen Massen von Gegnern mit guter Ausrüstung kämpfen – Bei Jagged Alliance konnte man von der AIM aus etwa 50 Söldner bis zu 18 rekrutieren und in Teams von maximal sechs zu unterschiedlichen Aufgaben schicken, auch mal einen Sektor von zwei Seiten angreifen. Die strategische Komponente – heißt es denn nicht Strategiespiele? Scheinen alle neueren Umsetzungen völlig zu vermissen. Ich habe das Gefühl man hat den Reiz des Spiels nicht kapiert und das bei allen Nachfolgern. Es wurde einfach einiges der Elemente übernommen wie Waffensystem, Söldnernamen und Persönlichkeiten und das auf ein normales Strategiespiel draufgesetzt, das eben im rundenbasierten Modus arbeitete – bei Back in Action nicht mal das.

Leute, lasst das. Wenn ihr es nicht hinbekommt, dann nehmt wenigstens einen anderen Namen. Es gibt auch andere Möglichkeiten. In einem Review von Jagged Alliance Rage wurde erinnert, das Jagged Alliance neben XCOM das beste rundenbasierte Strategiespiel ist. XCom? Kannte ich nicht. Mal in Wikipedia informiert und siehe da: auch ein Spieleklassiker von 1994 aber er wurde 2012 neu umgesetzt in XCOM Enemy Unknown. Bei G2A gab es einen günstigen Steam Key und wenige Stunden später habe ich das Spiel angespielt. Es ist wirklich gut und hat Suchtcharakter. Nach Wikipedia ist es aber nur eine Umsetzung des Originals von 1994. Man hat allerdings auch vereinfacht. Da ich das Original nicht kenne, kann ich es schwer beurteilen, aber zumindest die Söldner scheinen sich nur durch ihre Klassen nicht durch Fähigkeiten oder Persönlichkeit zu unterschieden. Trotzdem habe ich in alter Jagged Alliance Manier die ganze Kaserne voll rekrutiert, auch wenn ich nach einigen Stunden begriffen habe, das es eigentlich reicht genügend Leute für einen Trupp zu haben, wenn einige im Krankenhaus liegen. Aber das wäre es doch: Nehmt Jagged Alliance 2, der Code ist ja frei verfügbar, sonst könnte eine Community das Spiel ja nicht zu Versionsnummer 1.13 (die nächste nach der letzten offiziellen) weiterentwickeln. Leider ist die letzte offizielle Version auch schon 5 Jahre alt.

Nein ich denke es gibt keinen Fluch, der Neuauflagen von Jagged Alliance zum Scheitern verurteilt. Es ist vielmehr die stupide und lieblose Umsetzung dieser Spiele. Immer wurde irgendein rundenbasiertes Spiel mit Leuten die mit Schusswaffen auf andere Gegner schießt mit dem Namen versehen. Damit es nicht zu viele Beschwerden gibt, übernahm man einige Namen wie Raven, Ivan oder Buzz die Spieler schon aus dem Original kannten und das war es dann auch schon. Dass damit natürlich nicht nur ein Bonus durch den guten Namen verbunden, sondern werden auch Erwartungen verbunden. Wer sich mit dem Besten vergleicht, und bietet nur Mittelmaß, der kackt natürlich in den Reviews besonders stark ab. Wenn ihr also nicht etwas fertigbringt, dass das Niveau des Originals an Spielspaß heranreicht – ich rede nicht von der Grafik, die ist nach fast 20 Jahren völlig veraltet – dann nehmt einen anderen Namen.

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