Nein, heute gibt es keinen weihnachtlichen Blog. Ich bin alleine und da hat Weihnachten nicht die Bedeutung wie für andere, die Familie haben. Aber Siegfried von Marquard. Dauer-Troll auf verschiedenen Webseiten hat mir heute ein Steilvorlage für ein Thema geliefert. Er hat mal wieder versucht bei mir einen Kommentar zu hinterlassen, ist bei mir aber gesperrt, sodass er nur bei mir zur Vorlage landete. Diesmal hat er sich selbst übertroffen. Ich zitiere mal:
„Innerhalb von ca. 8 Tagen gelangt man nicht vom Mond und zurück zur Erde. Dazu sind astrophysikalisch gesehen mindest … Mit dem 3. Keplerschen Gesetz, wonach sich die Quadrate der Radien der Flugbahnen/Ellipsen, wie die Kuben der Umlaufzeiten verhalten (r1³;r2³=T1²:T2²) gelangt man zu akkurat 28 Tagen, wie die Mondumlaufzeit um die Erde.“
Aaaalso damit hat Siegfried Marquard etwas geschafft, was Mathematiker seit zwei Jahrtausenden versuchen – die Quadratur des Kreises! Eine schnelle Bahn zum Mond ist hyperbolisch, das ist in erster Näherung eine Gerade zwischen Erdmittelpunkt und Mond. Der Mond selbst hat in ebenfalls erster Näherung eine Kreisbahn. Wenn wir also die Bahn vom Erdmittelpunkt zur Mondumlaufbahn mal als „Radius“ bezeichnen und die Mondumlaufbahn als „Kreis“ dann hat Siegfried Marquard beweisen das gilt:
Radius = Kreisumfang
und, da der Kreisumfang ja auch sein soll:
Kreisumfang = 2 * π * Radius
folgt:
π = 0,5
Wie Siegfried Marqurd beweisen hat, ist π also keine gebrochene rationale Zahl mit unendlichen Dezimalstellen, sondern ein einfacher Bruch.
Aber damit sind wir beim Thema wie komme ich schnell zum Mond und wie brauche ich wenig Energie?
Schnell ist relativ einfach. Nach der Vis Viva Gleichung kann man die Geschwindigkeit an jedem Bahnpunkt errechnen, auch hyperbolischen, also nicht geschlossenen Bahnen. Dann just nur die Halbachse negativ.
V² = GM * (2/r – 1/a)
v: Geschwindigkeit
r: Abstand
a: Halbachse der Bahn (für Marquard: Warum heißt es Halbachse?, machen sie ihre Berechnung mal mit dem Mond oder einem Satelliten und dem, was sie für die Halbachse halten)
GM: Produkt aus Masse des Himmelskörpers und der Gravitationskonstante
Man erkennt leicht, dass wenn man a und GM als konstant ansieht, was ja ohne Korrekturmanöver auch gilt, dass die Geschwindigkeit abnehmen muss, je weiter man sich entfernt.
Will ich bei gegebenem Abstand r die Geschwindigkeit maximieren, um möglichst schnell zum Mond zu kommen, so muss ich den Term 1/a verkleinern. Also die Halbachse möglichst groß machen. Wird 1/a negativ (Hyperbel) so ist der Effekt sogar noch größer.
Das Berechnen der Flugzeit ist nicht so ganz einfach, für Ellipsen gibt es noch eine einfache Formel, für Hyperbeln muss man iterativ die wahre Anomalie errechnen. Ich habe das mal ausgehend von einer 170 km hohen Kreisbahn berechnet:
Startgeschwindigkeit | Altes Apogäum | Endgeschwindigkeit | Zeit bis Mond |
---|---|---|---|
11.000 m/s | 958.291,52 km | 2.420,9 m/s | 2 d 8 h 27 m 12 s |
11.500 m/s | -89.415,69 km | 4.333,1 m/s | 1 d 2 h 17 m 26 s |
12.000 m/s | -48.892,35 km | 5.534,9 m/s | 19 h 54 m 23 s |
12.500 m/s | -36.095,23 km | 6.552,5 m/s | 16 h 37 m 31 s |
13.000 m/s | -29.833,77 km | 7.446,6 m/s | 14 h 30 m 12 s |
13.500 m/s | -26.126,46 km | 8.279,7 m/s | 12 h 59 m 13 s |
14.000 m/s | -23.679,58 km | 9.066,1 m/s | 11 h 49 m 50 s |
14.500 m/s | -21.946,67 km | 9.816,7 m/s | 10 h 54 m 34 s |
15.000 m/s | -20.657,11 km | 10.538,1 m/s | 10 h 9 m 8 s |
15.500 m/s | -19.661,58 km | 11.236,1 m/s | 9 h 30 m 55 s |
16.000 m/s | -18.870,95 km | 11.914,7 m/s | 8 h 58 m 9 s |
16.500 m/s | -18.228,75 km | 12.576,6 m/s | 8 h 29 m 39 s |
Die erste Bahn ist wie man an dem Apogäum sieht noch elliptisch, alle folgenden sind dann hyperbolisch (negatives Apogäum und damit negative Halbachse). Wie man an der Geschwindigkeit, mit der der Mond erreicht wird, sieht, steigt diese rapide an, entsprechend sinkt auch die Zeitdauer, um den Mond zu erreichen ab. 16,5 km/s erreichte bisher eine Raumsonde New Horizons. Sie sollte nach achteinhalb Stunden die Mondbahn kreuzen.
Es geht also (fast) beliebig schnell zum Mond. Das Licht schafft die Strecke in weniger als 4 Sekunden. Der Zeitgewinn wird aber immer kleiner. Damit man einige Vergleichswerte hat: 11,5 km/s haben typisch Raumsonden zur Venus oder Mars beim Start. 13,5 km/s wäre die Geschwindigkeit für einen direkten Flug zu Merkur und 14,5 km/s hatten die Voyagers beim Start. Ulysses war mit knapp 15,4 km/s unterwegs.
Doch wenn man nicht auf dem Mond aufschlagen oder vorbeifliegen will, ist man eigentlich an einer möglichst geringen Geschwindigkeit am Mond interessiert. Daher noch mal eine Tabelle, diesmal mit der Differenz zur Fluchtgeschwindigkeit einer Bahn um den Mond:
Start-V, Offset angepasst | Altes Apogäum | Differenz Mondflucht | Monddistanz | Neues Perigäum | Neues Apogäum | Differenz Kreisbahn | Periode | Teiler zur Mondbahn |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
10.950,0 m/s | 402.789,71 km | 162,4 m/s | 100,00 km | 111.507,01 km | 1.791.863,08 km | 697,2 m/s | 107 d 23 h 35 m 49 s | 3,94 |
10.960,0 m/s | 456.376,77 km | 206,2 m/s | 100,00 km | 30.289,09 km | 678.242,33 km | 708,7 m/s | 24 d 22 h 32 m 27 s | 1,10 |
10.970,0 m/s | 525.896,02 km | 249,2 m/s | 100,00 km | 110,24 km | 547.644,43 km | 722,4 m/s | 17 d 2 h 1 m 19 s | 1,61 |
10.980,0 m/s | 619.693,32 km | 291,6 m/s | 100,00 km | -6.360,79 km | 487.060,59 km | 738,1 m/s | 14 d 2 h 41 m 27 s | 1,94 |
10.990,0 m/s | 753.176,81 km | 333,4 m/s | 100,00 km | -999,64 km | 449.216,81 km | 755,6 m/s | 12 d 17 h 48 m 18 s | 2,15 |
11.000,0 m/s | 958.291,52 km | 374,5 m/s | 100,00 km | 11.191,75 km | 422.732,77 km | 774,6 m/s | 12 d 3 h 41 m 36 s | 2,26 |
Geschwindigkeiten minimieren
Schaut man sich die Tabelle der erzeugten Bahnen an, so sieht man neben den meist hyperbolischen Bahnen auch andere. In der Tabelle sowohl welche in denen das Perigäum abgesenkt wurde (negativer Zahlen bedeuten, es liegt unter der Erdoberfläche, wie auch welche in denen es angehoben wurde, z.B. bei 10950 m/s.
Das ermöglicht es den Energieaufwand zu minimieren, um in einen Mondorbit einzuschwenken. Die Vorgehensweise ist folgende:
Die erste Mondtransferbahn ist eine, bei der der Mond die Sonde so umlenkt, das wieder eine Erdumlaufbahn resultiert. Die sollte folgende Eigenschaften haben:
- Perigäum angehoben.
- Periode und Mondperiode sollten gemeinsamen Teiler mit der Mondbahn haben.
Das Apogäum ist dagegen relativ unwichtig. Wenn es zu hoch ist, so genügt bei dieser Distanz ein relativ kleiner Schubstoß um es wieder abzusenken. Mit etwas Probieren bekommt man folgende Bahn:
Die neue Bahn hat ein Perigäum in 60.839 km Höhe und ein Apogäum in 722.911 km. Das Wichtige daran ist aber, dass die Umlaufdauer ein 2/3-faches der Mondumlaufbahn ist. Das Resultat, wenn es kein Antriebsmanöver gibt, zeigt die Simulation der Bahn über 45 Tage. Der Mond lenkt die Bahn um, und zwar in eine 30.217 x 539.211 km Bahn. Es kommt also zu einer erneuten Begegnung. Schon jetzt könnte man in eine Umlaufbahn einschwenken, doch tut man dies nicht, so resultiert eine 58.305 x 426.114 km Bahn, also mit einem niedrigeren Apogäum und höherem Apogäum. Man sieht dies auf der Grafik. Würde man die Sonde sich selbst überlassen, sie würde noch mehrfach den Mond passieren, in einem Jahr Insgesamt fünfmal, doch die günstigste Bahn ist die zweite. Der Lohn:
beim ersten Mal hat die Sonde eine Geschwindigkeit von 642 m/s über der Fluchtgeschwindigkeit, entsprechend 933 m/s zu einer Kreisbahn. Warte man 40 Tage, so sinkt sie auf 51,2 m/s bei der zweiten Begegnung. Das reduziert die Geschwindigkeit für eine Kreisbahn auf 680 m/s. Das ist nicht viel, weil man für eine 100-km-Kreisbahn alleine 678 m/s benötigt, was den Großteil ausmacht.
Es gibt sogar noch günstigere Bahnen. Beim Spielen kam ich auf eine Bahn ausgehend von einer 250 km Bahn bei der erde mit einem Vorbeiflug in 107,2 km Distanz vor dem Mond (in Bewegungsrichtung) bei einer Startgeschwindigkeit von 10993 m/s. Sie hat ein Perihel in 147.020 km und ein Aphel in 426.635 km Distanz. Die Umlaufzeit beträgt exakt 2/3 der Mondumlaufbahn und so erreicht sie erneut den Mond nach zwei Umläufen des Mondes oder drei Umläufen mit nur 24 m/s Überschuss. Man muss nur noch leicht die Bahn drehen, da der zweite Vorbeiflug in 18.000 km Distanz erfolgen würde.
Anders sieht die Rechnung mit der Überschussgeschwindigkeit aus, wenn man eine höhere Bahn anstrebt, denn dann macht die Überschussgeschwindigkeit mehr am Gesamtenergieaufwand aus. Für eine 3.000 km hohe Bahn sind es nur noch 432 m/s zu viel bei der zweiten Bahn gegenüber 558 m/s bei der ersten Begegnung.
Für heutige Verhältnisse, in denen die Reisezeit keine Rolle spielt, ja die lange Reisezeit sogar den Vorteil hat, dass man zwischen erster und zweiter Begegnung man die Sonde durchchecken und in Betrieb nehmen kann, ist der Vorteil eher gegeben als in den Sechziger Jahren bei Ranger, Lunar Orbiter und Surveyor, die allesamt ein automatisches Programm abspulten.
Das ist auch ein Grund für die langsamen Bahnen, die man heute bei Reisen zum Mond hat. Seit Clementine (1994) ist es üblich das eine Raumsonde nicht direkt zum Mond fliegt, sondern zuerst in einen Erdorbit. Den weitet sie mit dem eigenen Antrieb mehrmals auf, um dann beim letzten Umlauf dann in eine Umlaufbahn einzuschwenken. Dieses Faktum ist auch Herrn Marquard entgangen, woraus er den Schluss zog, dass alle unbemannten Missionen mit Flugzeiten zum Mond von weniger als 28 Tagen Dauer auch nicht stattgefunden haben! Der Hauptgrund ist aber das die Sonden mit eigentlich zu leistungsschwachen Raketen gestartet wurden. Die Träger waren wie die PSLV oder Titan II eigentlich für erdnahe Bahnen vorgesehen. Da aus physikalischer Sicht man immer die Gesamtmasse im Orbit betrachten muss, nimmt die Nutzlast, da die Trockenmasse der letzten Stufe ja konstant bleibt, sehr stark ab, wenn man die Zielgeschwindigkeit erhöht. Bei Chandrayaan 1 wiegt die letzte Stufe 920 kg. Chandrayaan dagegen beim Start 1.390 kg und ohne Treibstoffe 523 kg. Bei einem typischen Verhältnis von Voll/Leermasse von 7 für das Antriebssystem macht dieses davon 145 kg aus. Der eigene Antrieb spart also viel Gewicht ein. Mit der Oberstufe wäre die Nutzlast auf 830 kg für eine Mondtransferbahn gesunken. Allerdings gelangte Chandrayaan 1 nicht in eine erdnahe Umlaufbahn sondern eine subsynchrone Umlaufbahn mit einem Apogäum von 22.864 km. In dieser Umlaufbahn verbraucht die Sonde weiteren Treibstoff, um erst eine Mondtransferbahn zu erreichen. Doch in der Summe darf sie schwerer sein als bei einem direkten Start.
Das Problem: bei fast 1.400 kg Startmasse von Chandrayaan-1 hat sie nur ein Triebwerk mit 400 N Schub. Für die 990 m/s, die noch zur Mondtransferbahn fehlen, müsste es 2940 s lang brennen. Doch, während es arbeitet, gewinnt die Sonde an Höhe und verliert Geschwindigkeit. Bei nur einer Brennphase, also einem direkten Flug kommt man auf eine Endmasse von 817 kg. Das Perigäum steigt auf 1818 km Höhe und anstatt 990 m/s muss man 1425 m/s aufbringen also 435 m/s mehr. Bei zwei Brennperioden sinkt der Zusatzaufwand schon auf 44 m/s und die Endbahn hat ein 360 km hohes Perigäum. Die Nutzlast steigt auf 990 kg. Bei drei Brennperioden sind es 25 m/s mehr Aufwand, ein Perigäum in 305 km Höhe und die Nutzlast 997 kg.
Ist der Schub noch kleiner, wie bei Ionenantrieben, so kann es Monate dauern den Mond zu erreichen, wie bei Smart-1.
Zurück zum Mondvorbeiflug. Die Technik die Umlaufbahn durch einen Vorbeiflug zu ändern wurde mehrmals genutzt. Japan nutzte das klassische Swing-By bei ihren Sonden Hiten und Nozomi, um Geschwindigkeit aufzunehmen. Die Anhebung der Bahn wurde beim Transfer von Asiasat-3 in den GEO genutzt. Sollte Russland mal auf die Idee kommen von Plessezk aus geostationäre Satelliten zu starten, so kann man zeigen, das von diesem hohen Breitengrad der Umweg über den Mond energetisch günstiger ist, als die Bahnneigung im GTO abzubauen. Eine Bahn, die den Mond erneut anfliegt, wurde für den Impaktor von LCROSS genutzt.