Die Lösung für ein überflüssiges Problem – mit der reinen Feststoffrakete zum Mond
Nachdem ich im letzten Blog schon eine reine Feststoffrakete skizziert habe, wird’s heute noch doller: Kann man mit derselben Technologie eine komplette Mondmission, also Landung und Rückkehr durchführen? Natürlich! Wir leben ja in Zeiten, wo alles möglich ist. Dragons können überall im Sonnensystem landen, warum dann nicht eine Mondmission ohne Riesenrakete, nur mit den schon entwickelten europäischen Feststoffboostern?
Also mal durchrechnet und die Aufstiegssimulation angeworfen (und zwei kleine Fehler die nur bei anderen Himmelskörpern zuschlagen auch gefunden und ausgemerzt). Fangen wir mit den Grundlagen an. Im Prinzip kann man zu 90 % mit einem reinen Feststoffantrieb landen und zu 100 % wieder zurückfliegen. Das erste hat schon Surveyor demonstriert: Die Raumsonde zündete in 76 km Höhe ihren Antrieb, der war kurz darauf in 7,5 km ausgebrannt und hatte den Großteil der Geschwindigkeit vernichtet. Danach übernahmen regelbare Flüssigkeitstriebwerke, welche die Restgeschwindigkeit von 130 m/s vernichteten. Wegen des festen Impulses müsste sonst der Antrieb genau über der Oberfläche Brennschluss haben – nicht 10 m über oder unter der Oberfläche. Dieser Weg ist auch für eine Landung eines bemannten Raumfahrzeugs gangbar. Wie bei Apollo könnte in der letzten Landephase die Besatzung noch den Kurs korrigieren. Der Rückstart würde dagegen ganz unproblematisch sein, denn da braucht man keine Schubregelung. Auch hier würde man etwas chemischen Treibstoff mitfuhren, um Bahnkorrekturen oder Fehler auszugleichen.
Wie man sieht, ist das Szenario das einer direkten Landung. Das ist zwar vom Gewicht her sehr ungünstig, aber sonst wird es sehr kompliziert, man müsste nämlich sonst vier Feststoffantriebe mit unterschiedlichen Gesamtimpulsen finden, die das Gefährt erst in eine Mondumlaufbahn bringen, dann die Landung durchfuhren, dann erneut in eine Mondumlaufbahn befördern und zuletzt diese wieder verlassen. Aber man spart sich dafür den Bau eines Mondlanders. Es gibt nur die Kommandokapsel.
Da ich auf entwickelte europäische Antriebe zurückgreifen will, analog zum letzten Block mit der Raketenfamilie aus P120C Boostern ist das natürlich umso schwerer je mehr Manöver man hat. Natürlich kann man einen Feststoffantrieb auf einen bestimmten Gesamtimpuls trimmen, indem man Treibstoff entfernt. Doch da die Brennschlussmasse gleich bleibt, ist das ungünstig. Ich habe mir während des Schwimmens aber mal im Kopf überschlagen, ob es geht und ich kam drauf, dass ich mit den vorhanden europäischen Antrieben, – es gibt, im Einsatz den Zefiro 9 und 23. Es kommt bald der Zefiro 40 hinzu und Zefiro 9 und 23 entstanden aus dem Zefiro 16, der zumindest einen Teil der Entwicklung durchlief. Das sind vier Antriebe mit Treibstoffzuladungen von etwa 9 bis 40 t. (Die Zahl gibt die Treibstoffzuladung an, allerdings nicht ganz exakt). Mal sehen obs funktioniert.
Geschwindigkeitsabschätzung
Zuerst muss die Geschwindigkeit bekannt sein. Relativ klar ist die Endgeschwindigkeit, die man erreichen muss. Die Mondfluchtgeschwindigkeit beträgt am Boden rund 2380 m/s. Um zur Erde zu gelangen, braucht man etwas weniger, es würde ausreichen 1/9 der Distanz-Erde Mond zu erreichen, damit die Sonde zur Erde fällt. Doch da auch bei der Landung das Gefährt nicht mit Geschwindigkeit 0 ankommt, habe ich die Berechnung mit Fluchtgeschwindigkeit gemacht. Bei Surveyor rechnet man mit 2600 m/s abzubauenden Geschwindigkeit und eine Simulation einer Mondrückkehr mit dem Zefiro 9 Antrieb ergab so ziemlich das Gleiche: 2568 m/s. Bei der Landung braucht man noch eine Reserve für das Schweben und den Abbau der Restgeschwindigkeit. Ich habe 200 m/s angesetzt, das sind unter Mondbedingungen rund 60 s Schwebezeit, wenn man noch 100 m/s Restgeschwindigkeit abbauen muss. Ebenso braucht man bei der Rückkehr ein Polster für Kurskorrekturen oder Kompensation von zu geringem oder zu hohem Gesamtimpuls. Ich habe 100 m/s dafür angesetzt. Bei dem flüssigen Treibstoff gehe ich von den Strukturfaktoren von druckgeförderten Stufen von 8 aus.
Damit fehlen nur noch die wichtigen technischen Daten der Antriebe:
Name | Vollmasse | Leermasse | Impuls | Brennzeit | Mittlerer Schub |
---|---|---|---|---|---|
Zefiro 9 | 12.000 kg | 1.433 kg | 2.902 m/s | 119,6 s | 256 kN |
Zefiro 16 | 17.610 kg | 1.610 kg | 2.839 m/s | 100 s | 454 kN |
Zefiro 23 | 26.300 kg | 2.468 kg | 2.820 m/s | 77,1 s | 871 kN |
Zefiro 40 | 40.477 kg | 4.238 kg | 2.879 m/s | 92,3 s | 1131 kN |
Der mittlere Schub wurde errechnet. Der meist in Datenblättern angegebene Schub ist der maximale Schub. Er ist jedoch bei Feststofftriebwerken nicht gleichmäßig, meine Simulation abreitet aber mit konstantem Schub, daher habe ich ihn aus Treibstoffanteil, Brennzeit und spezifischem Impuls errechnet.
Hauptproblem ist die Startmasse der Kommandokapsel. Die Apollo wog 5,4 t. Die Orion schon 8,9 t. Die Massen von Boeings und SpaceX Kapseln sind unbekannt. Schon ein Vergleich mit Apollo, wo der LM vor der Ankopplung knapp über 2 t wog, macht klar, dass man, wenn man die Orion landen will, man mit den obigen Antrieben nicht hinkommt, dann braucht man für die Landestufe Antriebe der Größe eines P80FW oder P120C. Ich habe für die Masse 7 t angesetzt, das wäre eine Apollo-Landekapsel mit Besatzung und Ressourcen, die sonst im Servicemodul steckten wie Sauerstoff, Wasserstoff (für die Brennstoffzellen) und Hochgewinnantennen.
Man muss vom letzten Zustand zurückrechnen. Für die 100-m/s Korrekturvermögen nach dem Rückstart reicht ein lagerfähiger antrieb. Bei 7 t Startmasse kommt man bei einem spezifischen Impuls von 2800 auf 255 kg Treibstoff. Die kann man problemlos in die Kapsel integrieren. Das würde mit Tanks und Triebwerken auf eine Masse von 7300 kg herauslaufen. Einfache Abschätzung (2600 m/s / spezifischen Impuls der Triebwerke ~ 1 → Exp(1) ~ 2,7 zeigt, dass man mit dem Zefiro 16 hinkommt. Ein voll befüllter Zefiro 17 kann diese Masse um 2918 m/s ändern. Für 2600 m/s errechnet sich bei einer Teilbefüllung des Zefiro 16 eine Masse von 22.500 kg auf der Mondoberfläche. Das ist schon mal eine Hausnummer, fast dreimal so schwer wie der Mondlander bei der Landung,
Problematisch wird die Landung. Man sieht schon beim Rückstart, dass die Masse sich mehr als verdreifacht. Nochmals dreimal mehr und man ist bei rund 80 t – und damit reicht auch nicht ein Zefiro 40 aus. Doch mache ich erst mal eine Berechnung. Zuerst käme noch der flüssige Antrieb für 200 m/s Abbremsung hinzu, der bei einem spezifischen Impuls von 3000 m/s (man braucht nun schon große Triebwerke und die haben einen höheren spezifischen Impuls, als die RCS-Düsen die bei 7 t Masse ausreichen) kommt man auf 1,8 t Startmasse und 225 kg Trockenmasse. Mithin 24,3 t Masse nach Ausbrennen des Antriebs. Ein Zefiro 40 addiert reduziert die Geschwindigkeit nur um 2.360 m/s zu reduzieren. Stark unterhalb der 2600 m/s.
Lösungen?
Es gäbe prinzipiell drei Lösungen:
- Ich reduziere das Gewicht der Kapsel. Da aus 7 t jetzt schon 64,7 t Landemasse werden, würde es ausreichen, wenn diese um 9 % leichter wird und alles passt – eine 6,4 t schwere Kapsel könnte man so landen.
- Ich nehme einen Zefiro 9 hinzu, habe also eine zweistufige Landerakete. Das ergäbe ein ΔV von 2932 m/s, bei Propellant Offloading kommt man auf 68 t Landemasse. Hauptproblem: Die Landung ist zeitkritisch. Die Antriebe müssen wirklich exakt nacheinander zünden und dann ist noch die Frage des Schubvektors – einen Antrieb kann ich direkt unterhalb der Aufstiegsstufe anbringen. Bei zwei parallel wird’s schwierig und bei zwei untereinander angebrachten Antrieben muss dann die Abtrennung schnell und sauber klappen.
- Ich erhöhe den Treibstoffvorrat für die letzte Phase soweit, dass der Zefiro 40 ausreicht. Dann muss man iterativ rechnen und kommt schließlich auf folgende Bilanz:
- Landemasse mit Rückstartstufe: 22,5 t
- Antrieb für letzte Phase: 11,9 t (leer 1,5 t) für 856 m/s
- Zefiro 40: 40,477 t für 1944 m/s
- Gesamtstartmasse: 74,9 t
Diese Lösung ist die unproblematischste, was den Ablauf angeht und erlaubt maximalen Eingriff durch die Besatzung. Sie hat jedoch einen Nachteil: Bei einer Startmasse von 34,4 t nach Abwurf des Zefiro 40 braucht man ein sehr schubstarkes Triebwerk, das anfangs sicher die Geschwindigkeit um 5-10 m/s reduzieren muss, sprich 170 bis 340 kN Schub hat. Das ist deutlich über dem Maximum eines druckgeförderten Triebwerks, die meist unter 50 kN liegen, das schubstärkste mir bekannte hat 92 kN. Man müsste also ein eigenes Triebwerk dafür entwickeln.
Ich lasse das mal offen und gehe jetzt zur benötigten Trägerrakete über, die 74,9 t auf eine Bahn mit einem Apogäum von 400.000 km befördern kann – natürlich als Bündelrakete.
Sie wird wirklich riesig:
- erste Stufe, fünf Kreise von 1,6,12,18 und 24 P120C – zusammen 61 Stück
- zweite Stufe: drei Kreise von 1,6,12 P120C – zusammen 19 Stück
- dritte Stufe: Außenkreis mit 6 P120C
- vierte Stufe: Zentralstufe mit 1 P120C
Alle drei oberen Stufen haben verlängerte Düsen (spezifischer Impuls 2870 m/s wie beim Zefiro 40) und es kommt noch eine 2 t schwere VEB hinzu. Diese Rakete kann 75 t in die Zielbahn bringen, also genau die schwerste Konfiguration, wiegt beim Start 14.444 t.
Europa könnte also nur mit ihren Feststoffboostern eine bemannte Mondlandung durchführen – würde man so natürlich nicht machen. Auch wenn Feststoffbooster sehr zuverlässig sind, sind bei dieser Mission 89 Stück beteiligt, da sieht das zwar auf dem Paper möglich aus, jedem Missionsplaner würden sich aber die Nackenhaare sträuben. Zudem würde jede Raumfahrtagentur, die ich kenne, eine neue Riesenrakete konstruieren und dafür das LOR-Verfahren einsetzen, das die Masse dann wieder deutlich verringert. Beim Direkten Abstieg hängt wirklich alles an der Kapselmasse. Würde man z.B. das Gemini-Raumschiff landen, das nur halb so viel wiegt, man käme mit Zefiro 9/23 für die Antriebe aus, läge auch beim Triebwerk für die Endphase im Schub deutlich geringer in einem Bereich, der mit Druckbeaufschlagung möglich ist und auch die Startrakete benötigt dann nur 43 anstatt 87 Raketen.