Treibstofferzeugung auf dem Mars
Seit Zubrin ist die Treibstofferzeugung auf dem Mars Bestandteil der Planungen. Vorher dachte man nicht daran, was natürlich auch die Pflicht zur Minimierung der Masse mit sich bringt. Hier mal die Geschwindigkeitsbilanz für eine konventionelle Mission, die folgende Elemente mit Treibstoffbedarf hat:
- Deep Space Transport (DST): Eine Raumstation die die Besatzung von der Erde zum Mars bringt. Sie schwenkt beim Mars in eine elliptische Umlaufbahn ein, um den Treibstoffverbrauch für die schwere Station mit Vorräten (NASA Ansatz: 50 t) zu minimieren.
- Mars-Orbit-Transport (MOT): Eine Kapsel mit Raketenstufe die aerodynamisch abgebremst landet und die Besatzung zum Deep Space Transport bringt. Dort wird angekoppelt. Die Kapsel wird auch zur Landung auf der Erde genutzt, der DST geht verloren.
Für einen DST in einem marssynchronen Orbot (300 x 40.000 km) benötigt man bei 3 km/s Differenzgeschwindigkeit in einer Sonnenumlaufbahn (typisch für Ankunft und Abreise) ein Δv von 1,1 km/s. Für Hin- und Zurück also 2,2 km/s.
Für einen Start vom Mars bei Gravitationsverlusten von 600 m/s (aus einer Simulation) kommt man auf eine Zielgeschwindigkeit von 5,5 km/s von der Marsoberfläche zum DST im 300 x 40.000 km Orbit.
Nehme ich mal 7 t für die Kapsel an, so sind dies rund 50 t (davon 38,7 t Treibstoff) Startmasse für die MOT und bei 50 t für das DST benötigt dieses 110 t Startmasse, davon 55 t Treibstoff für das Einschwenken/Verlassen der Marsumlaufbahn. Beim Start vom Mars bin ich von einem spezifischen Impuls von 3600 m/s (Methan/LOX) und bei dem DST von 3200 m/s (UDMH/NTO) ausgegangen.
Man könnte rein theoretisch auch den Treibstoff für das DST auf dem Mars produzieren und dann zum DST hochtransportieren. Doch da von 50 t Startmasse gerade mal 7 t Nutzlast im Orbit ankommen ist das sehr aufwendig. Für die rund 12 t Treibstoff für die Rückkehr benötigt man dann eine Rakete mit einer Startmasse von 86 t. Das ist also nicht wirklich lukrativ, da schon die Leermasse der Rakete dann bei 8,6 t liegt, und sie muss auch noch gelandet werden, wofür man einen Schutz und weiteren Treibstoff braucht.
Realistischerweise wird man also den Treibstoff nur für das MOT auf dem Mars produzieren.
Die Chemie
Die Chemie ist eigentlich relativ einfach. Wir haben auf dem Mars Kohlendioxid, also oxidierten Kohlenstoff in der Atmosphäre und man findet zumindest an bestimmten Stellen Wassereis unter der Oberfläche, das man fördern könnte. Das ist Wasserstoff in der oxidierten Form. Sauerstoff, den Oxidator ist in beiden Molekülen vorhanden.
Der erste Ansatz war von Zubrin, der vorschlug Wasserstoff zum Mars zu bringen. Er reagiert mit dem Kohlendioxid nach der Sabatier:
3 CO2 + 6 H2 → CH4 + 4 H2O + 2 CO
Das Wasser wird dann durch Elektrolyse aufgespalten:
4 H2O → 4 H2 + 2 O2
Der Wasserstoff kann in den Prozess zurückgeführt werden, sodass die Summe günstiger wird:
3 CO2 + 2 H2 →CH4 + 2 O2 + 2 CO
Man erhält ein Verhältnis von O2/CH4 von 4. Das ist das stöchiometrische Verhältnus. Man verbrennt normalerweise Methan im leichtem Überschuss (3 bis 3,5), aber den Sauerstoff kann man als Bestandteil der Atmosphäre für die Besatzung nutzen.
Aus 1 t Wasserstoff gewinnt man so 40 t Treibstoff. Gibt es die nachgeschaltete Elektrolyse von Wasser nicht, so sind es nur 2,7 t Treibstoff.
Wasserstoff ist aber nur bei tiefen Temperaturen flüssig und sehr voluminös. Ihn über interplanetare Distanzen zu transportieren, ohne das er verdampft ist eine ziemliche Herausforderung.
Betreibt man die Elektrolyse von Wasser, so kann man aber natürlich auch das Wasser auf dem Mars nutzen. Das schränkt natürlich die Wahl der Landegebiete auf die Stellen ein, wo es Wasser im Untergrund gibt. Das ist relativ sicher nahe der Pole der Fall. Phoenix fand schon beim Graben direkt unter der Oberfläche Eis. Wenn man tiefer bohren kann, dürfte man aber mehr Landeplätze haben. Mit der Hydrolyse von Wasser sieht es so aus:
CO2 + 2 H2O → CH4 + 2 O2
Die Umsetzung
Von den chemischen Prozessen her ist das einfach. Diese sind seit mindestens einem Jahrhundert bekannt. Doch in der praktischen Umsetzung stehen dann doch einige Herausforderungen an. Beim Sabatierprozess benötigt man reines Kohlendioxid das eine Temperatur von 300 bis 400 °C hat. Die Reaktion findet bei 25 bis 45 Bar Druck statt. Auf der Erde stammt das Kohlendioxid aus Verbrennungen von Kohle oder organischem Material. Die dünne Marsatmosphäre müsste man erst unter Druck setzen und dann erhitzen. Immerhin stören die kleinen Beimischungen anderer Gase in der Marsatmosphäre, vor allem Stickstoff nicht den Prozess.
Anders sieht es beim Wasser aus. Das findet sich in Form von Eis im Boden. Es wird daher gelöste Mineralien enthalten, daneben weiß man das Mars-Eis oxidierende Substanzen wie Perchlorate und Wasserstoffperoxid enthält. Diese zersetzen sich zwar bei Erhitzung, zumindest das Chlor stört aber bei dem Prozess. Man wird in der Praxis daher das Wasser aufbereiten müssen, entweder durch Umkehrosmose oder Destillation.
Ein Vorteil ist, das man sowohl Methan wie auch Sauerstoff relativ gut lagern kann. Sie sind bei höheren Temperaturen flüssig als Wasserstoff und der Temperaturbereich, in dem sie flüssig sind, ist größer. Durch gut isolierte Tanks und eine Rückverflüssigungsanlage sollten sie lagerbar sein. Methan ist sogar bei hohem Druck (46 Bar) und Temperaturen unter 190 K verflüssigbar. Das ist immerhin 100°C über dem Siedepunkt bei 1 Bar.
Energiebetrachtung
Relativ einfach sind noch die Energien zu berechnen. Für die Hydrolyse von Wasser resultiert:
H2O → H2 + ½ O2 ΔH – 268,8 kJ/Mol
Und für die Reduktion von Kohlendioxid
CO2 + 4 H2 → CH4 + 2 H2O ΔH – 165 kJ/Mol
Insgesamt hat man 4 Hydrolysereaktionen und die Reduktion von Kohlendioxid: 4 x 268,8 kJ und 165 kJ = 1.240 kJ für 1 Mol CH4 und 2 Mole O2, also zusammen 80 g Treibstoff oder 15.502 MJ/kg Treibstoff.
In Kilowattstunden umgerechnet sind das rund 4,3 kWh/kg Energieaufwand pro Treibstoff. Wenn eine Anlage also kontinuierlich arbeitet, dann würde man nur eine Stromversorgung von ~ 14 kW benötigen, um in 500 Erdtagen die benötigen 38,6 t Treibstoff für die 7 t schwere Kapsel zu produzieren.
In der Praxis braucht man natürlich mehr. Die Elektrolyse hat bei guten Anlagen auf der Erde eine Effizienz von 60 bis 70 %. Wenn man dieselbe Effizienz für den Sabatierprozess annimmt, braucht man rund 60 bis 70 % mehr Energie. Man wird die Marsatmosphäre mit einem Kompressor auf 45 Bar komprimieren müssen und das Wasser vorher reinigen. Daneben muss man die Gase nach dem Prozess, wo sie 300 bis 400 °C heiß sind, verflüssigen also auf rund -180°C abkühlen und dann bei einer immer weiter steigenden Treibstoffmenge dauerhaft flüssig halten, was auch Energie kostet.
Realistisch würde ich eine Verdopplung, eher Verdreifachung des Energiebedarfs vorschlagen. Trotzdem ist man dann bei etwa 40 bis 45 kW Strombedarf, eine Größe die auch so die Besatzung benötigt für den Betrieb ihres Habitats, Aufladen von Akkus von Elektrofahrzeugen etc. Die ISS hat z.B. eine Stromversorgung von 220 kW Leistung. Für Marsmissionen wären aber Kernreaktoren günstiger, da sie dauerhaft Strom liefern, auch bei Nacht, keine großen Flächen haben, die verstauben können und mehr als genug Wärme produzieren, mit denen man das Habitat heizen kann.
Meine Meinung
Da der Prozess sowieso automatisiert ablaufen soll, bietet es sich an, ihn vorher unbemannt zu erproben. Ich würde dies in zwei Schritten angehen. Zuerst mit einer kleinen Testanlage, die den Treibstoff nicht nutzt, sondern nur das Prinzip und die Ökonomie testet. Das kann bei einer Raumsonde als Experiment geschehen, die wie Phoenix leicht an Wasser herankommt.
Der zweite Schritt wäre eine Treibstoffproduktion für eine unbemannte Marsexpedition z. B. die Bodenprobengewinnung und Rückführung zur Erde. Dafür benötigt man schon einige Tonnen Treibstoff, aber sicher mindestens zehnmal weniger als bei einer bemannten Mission. Wenn es dann dort funktioniert, kann man es bemannt angehen. Wenn man auf Nummer Sicher gehen will, startet man die Anlage ein Startfenster vorher und dimensioniert sie so, das der Treibstoff bereitsteht, bevor die Besatzung startet, denn die würde sonst auf dem Mars festsitzen.
Auf der anderen Seite sind 38,6 t Treibstoff, die man im Beispiel für eine 7 t schwere Kapsel braucht bei einer Gesamtstartmasse von 200 bis 300 t zum Mars ein relativ kleiner Posten, aber der Rückstart ist missionskritisch. Klappt er nicht, so sitzt die Besatzung auf dem Mars fest. Für die konventionellen Szenarien (kleine Kapsel startet vom Mars) lohnt sich daher meiner Ansicht nach eine solche Anlage nicht. Man wird aber nicht um sie herumkommen, wenn man wirklich schweres vom Mars starten will wie das Habitat bei Mars direkt oder die Raketenstufe der BFR.
Klingt doch nach einer guten Idee. Erst einmal die Treibstoffprodkuktion auf dem Mars mit einer Sonde im Grundsatz testen, dann für eine unbemannte Marsprobenrückkehrkapsel in der Praxis erproben, und dann erst bei dem Starfenster vor der bemannten Mission zum Mars die Treibstoffproduktionsanlage zum Mars schicken, damit der Treibstoff, und das „Abfallprodukt“ Sauerstoff für die Crew bereits zur Verfügung steht, bevor diese beim Zeitfenster danach zum Mars startet. Zumindest den letzten Teil hatte Zubrin ja bereits 1991 genau so vorgeschlagen, und auch im Labor experimentell erprobt.
Ich hätte da aber noch eine Frage. Haben nicht viele Asteoriden ebenfalls alles für die Treibstofferzeugung benötigte „an Bord“? Könnte man nicht ein „Near Earth Object“ mit den benöitigten Rohstoffen mit Hilfe von Spektraluntersuchungen ermitteln, eine Sonde lossenden, die dies überprüft, und dann eine Testsonde entwickeln, die versucht, die Rohstoffe zu gewinnen, und vor Ort versucht, die Rohstoffe zu Treibstoff umzuwandeln. Wenn dies gelingen würde, könnte man doch eine automatische Anlage entsenden, die im Laufe der Zeit den Treibstoff gewinnt, und dann mit „Ionen-Tankern“ in den Startorbit um die Erde bringen. Dann bräuchte man nur noch das leere DST in den Orbit bringen, und auftanken. Zum Mars starten, und vor Ort hätte im Laufe der Zeite eine zweite Anlage ebenfalls Treibstoff für den Rückflug des DST produziert.
Zurbins Idee basierte auf mitgeführtem Wasserstoff, das ist schon ein deutlicher Unterschied in der praktsichen Umsetzung auch wenn die chemischen Prozesse die gleichen sind.
Asteroiden sind einerseits meistens jenseits des Mars und zum zweiten bestehen sie vor allem aus Gestein. Erst bei der Entfernung von Jupiter ist es kalt genug, das Eis und Kohlendioxid dauerhaft beständig sind ohne von der Sonne über Jahrmillairden verdampft zu werden.