Experten, Little Britain, E-Roller
Als kleinen Zwischeneinschub heute meine ganz persönliche Meinung zu drei Themen. Das zweite ist ja nicht nur bei mir ein Dauerbrenner. Aber fangen wir mit den Experten an. Nun ist die FPÖ ja wieder aus der Regierung raus. Ich spare mir meine Gedanken zu rechten Parteien, die ja behaupten, das die „etablierten“ Politiker alle korrupt wären und sich selbst bedienen würden, und dann selbst viel schlimmer sind. Mich erstaunt, das man in Österreich dann nicht die freien Ministerposten durch Politiker des noch verbliebenen Koalitionspartners füllt, wie dies bei uns der Fall wäre und so auch 1982 erfolgte, als die Wendepartei FDP die Regierung verlassen hat. Stattdessen werden Experten wie pensionierte Regierungsdirektoren des Fachbereichs als Minister vereidigt. Das scheint eine Spezialität von Österreich zu sein, denn ich kann mich erinnern, dass ich so was vor einigen Jahren schon mal gehört habe.
Aber ich finde das ist kein so schlechter Gedanke. Denn was soll ein Minister den tun? Er soll mit Sach- und Fachverstand Entscheidungen für seinen Verantwortungsbereich und Gesetzesentwrüfe erarbeiten fällen. Viele Minister die ich kenne, haben von dem Fachbereich den sie verantworten, keine Ahnung, machen Parteipolitik oder sind unqualifiziert. Einige Beispiele gefällig? Seehofer bringt letzten Sommer die Koalition in eine Krise, wegen einer völlig unnötigen Obergrenzen-Quote die angesichts sinkender Flüchtlingszahlen sowieso nie erreicht wird. Droht mit Rücktritt, tritt aber dann doch nicht zurück. Karliczek glänzt seit Amtsantritt durch Nichtstun. Selbst der Koalitionspartner SPD fordert Gesetze ein. Als Hotelfachfrau hat sie auch nicht gerade eine Vorbildung, die für ein Wissenschaftsministerium ausreicht. Öttinger wird von einem EU-Posten auf den nächsten verschoben. Von keinem der Gebiete – egal ob Internet oder Energie hat er eine Ahnung und er spricht nicht mal englisch, was bei einem Posten der für ganze Europa verantwortlich ist, ich als Minimum an Qualifikation betrachte. Und Olaf Scholz, ehemaliger Bürgermeister einer Stadt, die eine Extremverschuldung hat, als Finanzminister zu berufen, ist wie wenn man einen Kriegsdienstverweigerer als Verteidigungsminister beruft.
Mein Vorschlag: Ändert die Regelungen so, das ein Minister wirklich der höchste Beamte in dem Ressort ist. Die Positionen sollten mit unabhängigen Fachleuten besetzt werden. Nicht mit Abgeordneten, schon um eine Erpressung „… sonst bekommst du nächstes mal keinen Listenplatz …“ auszuschließen. Dann entfallen auch so Gesetze, die vor allem der Parteipolitik geschuldet sind, wie die bedingungslose Grundrente. Solche Experten tauchen ja ab und an in Schattenkabinetten auf. In die Regierung werdend dann aber doch nur die Parteigenossen gewählt, und dann geht es um Proporz und Ego, nicht um Qualifikation.
Dann scheint so langsam das Ende von Theresa May gekommen zu sein. Ich wäre ja schon im Januar zurückgetreten. Wenn 2/3 der Abgeordneten gegen den ausgehandelten Vertrag stimmen, also ein Drittel der eigenen Partei, dann ist es Zeit zu gehen. Das Problem ist ja. Sie bekommt keinen besseren Deal. Ich habe eine Dokumentation auf Arte gesehen wo man zwei Jahre lang die Unterhändler begleitet hat. Sehr deutlich wurde dort die Strategie der Briten: Erst vertrödelten sie Zeit, riefen eine Neuwahl aus, weil May meinte, die Umfragewerte wären günstig (auch etwas was ich in einem Land das sich für urdemokratisch hält, sehr seltsam finde) und spielten dann weiter auf Zeit, in der Hoffnung, Europa würde einknicken. Hat bisher ja auch gut geklappt. Seit 1985 haben die Engländer einen „Briten-Rabatt“. Sie zahlen also nicht das ein, was sie nach Quote ihrer volkswirtschaftlichen Leistung tun müssten, sondern rund ein Drittel weniger. Das hat damals Thatcher ausgehandelt. Die Strategie zu drohen, bis die anderen irgendwann nachgeben, hat bisher immer funktioniert. Nur diesmal eben nicht. Es gibt diesmal eine Deadline und die ist für England bedeutender als für Europa. Europa kommt gut aus ohne einen 28-sten Mitgliedsstaat. Doch England ist dann isoliert, alle umgebenden Staaten sind dann Ausland. Okay, das ist auch so für die Schweiz, aber die hat umfangreiche Handelsverträge mit der EU geschlossen, die sie wirtschaftlich einbinden, auch wenn sei nicht Mitglied der EU ist. England würde aber auf den Status jedes Drittlandes ohne Handelsabkommen wie Russland, Zimbabwe oder Nordkorea zurückfallen. Daher fehlte in diesem Fall das Druckmittel und weil Europa standhaft blieb, gab es auch nichts mehr „nachzuverhandeln“ auch so eine Ansicht dieser britischen Krämerseelen. Wenn einem etwas nicht passt, dann verhandelt man nach. Die vorher abgeschlossenen Verträge gelten dann nicht mehr. Eine Vorstellung die ja auch Trump hat.
Mich hat das Thema interessiert und ich habe mir weitere Dokumentationen über das Brexit angeschaut. Interessant war eine über die Vorgeschichte. Klar spielten für den Ausgang die Lügen eine Rolle. Über angebliche Zahlungen Englands an die EU über angebliche Vorschriften der EU an England. Aber zwei Punkte scheinen entscheidend zu sein. Das eine war die Frage von EU-Bürgern in England. Die Leute waren dort nicht nur gegen Flüchtlinge, sondern auch gegen EU-Bürger die in England arbeiteten und dort Steuern und Sozialabgaben zahlen. Mich erinnert das an die Ressentiment in Ostdeutschland und Osteuropa. Die Ursache scheint die gleiche zu sein: Abgeschnittenheit durch Insellage oder einen Stacheldrahtzaun. Das zweite war die offensichtliche Befürchtung, das England die Kontrolle über seine Souveränität verliert. Natürlich ist das Mitgöiedsein in einer größeren Gemeinschaft immer problematisch. Das gilt ja nicht nur für England. Jeder Staat gibt Befugnisse an die EU ab. In bestimmten Bereichen wie z. B. Dem mit dem ich zu tun habe – Lebensmittel – sind die nationalen Vorschriften inzwischen durch EU-Verordnungen abgelöst. Aber es gibt einen Nutzen: Hersteller können ein Lebensmittel auch EU-weit vertrieben und müssen nicht jedes mal die Rezeptur an nationale Vorschriften anpassen.
Vielleicht tut man sich in Deutschland leichter mit der EU. Nimmt man die Geschichte, so waren wir jahrhundertelang ein Land mit zig Kleinstaaten oder freien Reichsstädten. Jeder mit eigener Währung, Gesetzen und Zöllen. Genutzt hat das keinem. Noch 1967 kämpften Preußen gegen Österreich und Sachsen. Dem ersten Nationalstaat folgte dann eine Phase in der – wie ich denke – die meisten Engländer gedanklich immer noch sind: der Glaube man wäre besser als die anderen. Das führte zu Sprüchen wie „an deutschem Wesen kann die Welt genesen“ oder „heute Deutschland, morgen die ganze Welt“ und zwei Weltkriegen. Wir haben aus einer Erbfeindschaft eine Freundschaft gemacht, die zur Keimzelle und Antriebsmotor einer europäischen Einigung wurde. In England scheint man sich zumindest gedanklich immer noch für eine Großmacht zu halten.
Zurück zu May. Sie mag zurücktreten, doch ich sehe keine Lösung für das Problem. Zuletzt wollte sie ja sogar ein zweites Referendum, wogegen sich dann alle Parteien wehrten. Das ist auch etwas sehr Seltsames. Dort scheint es keinerlei Zusammenarbeit zwischen den Partien zu geben. May hat Probleme weil sowohl die gegen den Deal sind die unbedingt raus aus der EU wollen, am liebsten ohne Deal wie auch die, die weiter in der EU bleiben wollen. Zumindest die letzteren sollten aber dann für ein zweites Referendum sein. Aber es kommt ja von der Regierung also ist man dagegen. Wenn es aber kein zweites Referendum gibt und man einen ausgehandelten Vertrag hat und einen festen Austrittstermin, dann könnte man ja dem Vertrag zustimmen, das wäre ja noch besser als das „No Deal“ Szenario. Aber wie schon gesagt: die Abgeordneten für den EU-Verbleib sind in der Opposition (labour) und daher automatisch dagegen.
Letztes Thema: E-Roller. Die sollen ja „in“ sein und nun gibt es sogar ein eigenes Gesetz für die. Mit Regelungen die ich verrückt finde: eine eigene Versicherung für die Dinger. Aber keine, für die viel schnelleren E-Bikes. Die Meinungen für die Dinger reichen von „idealer Lösung für die letzte Meile“ bis zu „Hipster-Spielzeug, das bald im Sondermüll landet“. Meiner Meinung nach sind sie überflüssig. Sie sind für Strecken geeignet, die man auch problemlos zu Fuß gehen kann. Aber wir leben ja in einer Welt der Extreme. Einerseits werden die Leute immer fauler, brauchen für einige Hundert Meter so einen Roller. Andererseits wird dann nach Feierabend mit dem Fitnesstracker gejoggt. Immerhin einen Vorteil haben sie: man kann nicht gleichzeitig damit fahren und aufs Smartphone schauen. Mir begegnen als Fahrradfahrer immer mehr Fußgänger die schwankend im Schneckentempo über den gemeinsamen Fuss/Radfahrerweg torkeln und nur auf ihr Smartphone schauen. Einmal ist mir sogar ein Fahrradfahrer mit Blick aufs Smartphone begegnet …
Den einzigen Vorteil den ich sehe, ist das mehr dieser „neuen“ Verkehrsmittel jenseits des Autos der Druck wächst für diese Verkehrsteilnehmer die Situation zu verbessern. Denn daran hakt es, nicht an Fortbewegungsmitteln. In deutschen Großstädten ist das Fahren mit dem Fahrrad lebensgefährlich. Wir feiern ja derzeit 70 Jahre Grundgesetz. Dort steht auch das alle Menschen gleichberechtigt sind – nur nicht als Verkehrsteilnehmer. Dort haben immer noch Autos eine Sonderstellung inne.